…or telling others to do so

Kokyogaien National Garden is a park for everyone.
To maintain a clean environment that is fun for everyone to use, please bear in mind the following

The following actions are strictly prohibited.
1. Picking or damaging flowers, trees or plants
2. Hunting, fishing and killing or injuring animals
3. Releasing or abandoning animals
4. Damaging or attempting to move buildings and other structures
5. Trespassing prohibited areas
6. Driving or parking vehicles other than in the designated locations
7. Discarding or abandoning trash, waste or other unclean items
8. Urinating or defecating anywhere other than the public toilets, or telling other to do so
9. Lighting bonfires or fireworks or other actions that could cause a fire
10. Bringing onto the premises hazardous materials or other items that may be dangerous to people
11. Swimming or bathing in ponds or moats
12. Playing ball games
13. Posting or installing advertisements or similar items
14. Soliciting donations
15. Other actions likely to annoy or inconvenience other users of the park, or other actions prohibited by park officials as contrary to the orderly management of the park

Actions requiring permission.
1. Sale or distribution of goods
2. Convening of meetings and demonstrations
3. Taking photographs or video in a professional capacity
4. Holding commercial events or running in a group
5. Releasing birds or fish into ponds or moats
6. Boating or sailing on ponds or moats, or telling others to do so

Violators of the prohibitions listed above me be ordered to leave the park.
If any of the above is unclear, please contact the Kokyogaian National Garden Office.

Kokyogaien National Garden Office, Ministry of the Environment

TEL 03-3213-0095

Bergschuhverwendung

Oft einmal packe ich meinen Rucksack und denke mir, die Bergschuhe… Nicht, dass man mich nicht gewarnt hätte. Ich hab die Stimme noch gut im Ohr, die mir geraten hat, vielleicht lieber keine Bergschuhe und wenn ich sie wirklich brauch schicken und sogar wieder zurückschicken. Die meiste Zeit rechtfertigen sie ihre Präsenz damit, dass ich in ihnen kleine bis mittelgroße Gegenstände auf- und vor Quetschungen durch die Verarbeitung im internationalen Flugverkehr -bewahre. Und natürlich sind sie eine gute Fokussierungsunterstützung, wenn ich meinen Gegenstandsfetisch reflektiere: Wie ich oft einmal versucht bin, meine Erfahrungen in Dinge zu projizieren anstatt – was weiß ich – die Erinnerung in mir selbst zu halten. Als ob der Schuh eigentlich das Abenteuer erleben würde, während ich mich selbst nur mitschleppe. Bisschen weniger davon und ich würde mein Leben und meinen Rucksack vielleicht weniger mit Zeug vollstopfen, zwischen dem ich kaum Platz hab.

Außerdem erinnern sie mich daran, dass ich gerade im Konsum öfter einmal einen Mittelweg gehen möge. Also: die zurückhaltendere, die weniger extreme Option zu wählen. Ich hab mich seinerzeit für jenes Modell entschieden, nicht zuletzt weil ich sie pompöser, erdiger, uriger und so für einen Bergschuh wohl archetypischer – quasi: hübscher – empfunden habe. Und in der Wirklichkeit hätte ein Modell „drunter“ für meine Ansprüche in der Regel gereicht, wäre etwas leichter, vielleicht auch in weniger extremen Situationen tragbar und insgesamt etwas flexibler einsetzbar. (Ähnliches gilt für meinen Rucksack, wo ich mich zwar eh bereits für eine Nummer kleiner entschieden hab, aber zurückblickend wäre noch eine Nummer kleiner besser gewesen.)

Alles in allem leisten sie zumindest ihr Gewicht, weil ich bin ja auch zum Nachdenken hier.

Nach den ersten paar Tagen in Tokio, bin ich also einmal raus auf s Land gefahren: Fujiyoshida. Das ist nett, ein bisschen wieder in der Kleinstadt, da sehe ich mal ein bisschen, wie das so ist. Mit den kleinen Häusern und den größeren Vorgärten und den Straßen mit Gegenverkehr.

„Die graphische Umsetzung macht die Schachtabdeckungen als archaische Gestaltungen inmitten hochtechnisierter Urbanisationen sichtbar. In diesem Sinne bedeuten diese Ferrogramme von Christoph Feichtinger ein Kulturzeugnis, das Stammesmustern unserer modernen Zivilisation entspricht.“ [X]

Nachdem ich mit der Hostelangestellten ein bisschen über die Möglichkeiten einer Fujibesteigung gelpaudert hab, schaut s so aus, als würde ich die Be- und Absteigung in einem Aufwischen erledigen. Von meiner Reiseführerinformation her, dauert der Aufstieg um die sechs Stunden, der Abstieg drei und es gibt Unmengen von Übernachtungsmöglichkeiten auf der Route. Also geht man hoch, bleibt über Nacht und sieht noch den Sonnenaufgang vom Fuji aus bevor man sich talwärts aufmacht. Oder eher noch gipfelwärt s eigentlich, weil die Übernachtungen sind ja auf der Route hinauf.

Aber ja, das sind alles Details, die ich kaum wusste. Gelernt hab ich schnell, dass ich zwei konsekutive Nächte gebucht hatte und das Hostel am Freitag dann sowieso ausgebucht sei. Und überhaupt: Wetterberichtsmäßig ist da zwar eine Gewittermöglichkeit für Donnerstag, aber für Freitag schaut s nicht besser aus mit Regen. Und sie ginge auch am Donnerstag, allein deshalb schien sie schon anzunehmen, dass das Wetter am Donnerstag besser sei. Also gut, denk ich mir nach ein bisschen Hätte-ich-echt-auch-mal-im-Vorfeld-besser-auschecken-können, geh ich halt morgen in der Früh, warum nicht. Und komm am gleichen Tag wieder runter, warum nicht. Neun Stunden Berg ist jetzt nicht so das Ding, ich muss nur schauen, dass ich nicht im Dunklen herumstolper. Aber der erste Bus geht um zwanzig nach sechs, das ist kein Aufwand, das gibt mir Zeit.

Weil es ist nämlich so. Der Fujiyama ist in mehrere Stationen unterteilt. Und an den meisten Stationen findet sich eine Übernachtungsmöglichkeit, aber vor allem geht man erst bei Station Nummer Fünf los. Es gibt insgesamt neun oder wahrscheinlich ist der Gipfel dann zehn. Aber der Bus schupft einen auf fünf und dann geht man dort los. Und ja, die Saison endet in der zweiten Septemberwoche, danach werden die Hütten eingestellt und die Sicherheitsvorkehrungen kehren sich ab und überhaupt geht der Fuji in Winterpause. Man kann schon rauf, aber es wird einem halt abgeraten.

Damit ich fit für den Aufstieg bin, der sich wie übereilt beschlossen anfühlt, geh ich eine Runde spazieren und lande in einem Soba Lokal. Und wenn man in den Neunzigern Leute mit der Idee rohen Fischs auf kaltem Reis mit Algen vielleicht verwirrt hat, so klingt die Idee kalter Buchweizennudeln jetzt auf den ersten auch nicht nach einem super Konzept. Aber natürlich ein bisschen hier, ein bisschen da und dreihundert Jahre Tradition, da ist schon was dahinter. Das witzige an dem Lokal war auch, dass es von außen fast schick ausgeschaut hat und ich einmal vorbeigelaufen bin, weil ich mir gedacht hab, nah, das ist zu schick jetzt. Und dann bin ich rein und der Eindruck von innen war gleich ganz ein anderer. Weil es wesentlich privater gewirkt hat, als erwartet. Vielleicht weil der Fernseher in der Ecke gelaufen ist, vielleicht weil neben den fünf „europäischen“ Tischen auch eine Plattform mit traditionellen Tischen gestanden ist, die den Raum ein bisschen gebrochen hat, vielleicht wegen der vertrauten Art, mit der die Gastgeberin (1) mit den drei anwesenden Gästen umgegangen ist. Letztlich war s wahrscheinlich einfach der Stapel Papier, der neben der Theke auf einem kleinen Kasterl gestanden ist, der dem ganzen so sehr eine Arbeitszimmeraura verliehen hat.

Teil meines Jausenpakets: ein Onigiri, Wasabi-Nori Geschmack. Wie vieles hier aufwendig verpackt, aber ich freue mich zumindest, dass ich mit dem Einkauf eine cool choice getroffen hab

Jedenfalls bin ich am nächsten Morgen um fünf aufgestanden. Das ist weniger ein Problem, das ist immer weniger ein Problem. Einerseits bin ich wahrscheinlich einfach ausgeschlafener, aber ich traue mich zu sagen, es funktioniert das mit der Motivation auch besser. Mit der Verantwortungsübernahme. Vielleicht auch der Rhythmus insgesamt, ich glaub, um neun war ich am Vorabend schon abgemeldet. Zum Frühstück gibt s eine doppelte Portion aus meiner Riesenkiste Instantporridge und eine schnelle Tasse Tee. Außerdem füll ich mir Tee in die Thermosflasche, weil… ja, ist ja kalt da oben. Im nächsten Moment hab ich mir gedacht, das ist ein Blödsinn, weil in der Thermoskanne bleibt das ja heiß und das braucht wahrscheinlich meine neun Stunden, bis das so weit ausgekühlt ist, dass ich s trinken kann. Zum Glück finde ich ein paar Pappbecher, von denen ich schnell mal zwei in den Rucksack werfe. Und dann frag ich mich den halben Aufstieg lang immer wieder, ob man einen Berg so schnell hochklettern kann, dass das Wasser in der Thermoskanne zwar auskühlt, aber wegen dem Druckabfall am Gipfel tatsächlich wieder kocht. Ich denk viel mehr über Druck nach, seit ich meinen Open Water Tauchschein gemacht hab.

Der Bus ist gut und der Vorteil an Fujiyoshida im Gegensatz zum etwas größeren und etwas touristischeren Nachbarort, dass wir die erste Station sind und gut Sitzplätze bekommen. Weil als wir in Kawaguchiko ankommen, steht da eine lange Schlange an der Busstation von der tatsächlich zehn, fünfzehn Leute keinen Platz mehr im Bus bekommen. Ja, was ist denn mit denen, frage ich mich, während ich aus meinem Fenster auf sie herunterblicke und in ihren Gesichtern die selbe Frage, etwas dringlicher, geschrieben steht. Witzig ist aber auch, dass wir Fujiyoshidas erst einmal aussteigen müssen, ein Ticket kaufen und dann wieder einsteigen. Und als wir dann alle Sitze in unserem Bus besetzt haben, werden entlang der Gangreihe jeweils noch ein Sitzplatz ausgeklappt und dann gehen sich nochmal zwanzig Leute aus. Aber nicht die, die noch draußen stehen. In einer liebevollen Aufopferung deutet eine Frau, die noch in den Bus dürfen hätte auf ihren Partner, sodass auch ich hinter meinem Fenster verstehe, sie geht nicht ohne ihn. Ich glaub, sie wollte ihn mithaben. Tatsächlich ist sie halt dann dageblieben.

fünfte Station: Die transnationale ästhetische Gleichgültigkeit von Mittelstationsarchitektur

Bis zur fünften Station ist es eine Stunde Fahrt in unserem bis auf den letzten Platz und dann noch ein paar mehr gefüllten Bus. Und dann ein bisschen ein Schock, na sagen wir eine Überraschung, weil die fünfte Station wie ein ganzes alpines Feriendorf daherkommt. Oder zumindest Alpines-Feriendorf-Hauptplatz. Und gleich einmal wieder die Verführungen des Konsumismus und ich ja auch tatsächlich als erstes gleich in den Shop abgebogen. Weil aber nicht von ungefähr: Weil in Kawaguchiko stand ein junger Mann in der Schlange, der hatte einen schicken Wanderstab. Und weil wir quasi im Skandinavien Ostasiens sind, handelt es sich um einen schlichten, geraden, hellholzigen und etwas zu langen Stock. Da hab ich mir schon gedacht, oha, das gefällt. Ich steh ja sowieso auf Wandern am Stock. Und natürlich bieten die Shops am AFH-Platz mir solche Stecken hunderfach an. Mit Fahnen und mit Glocken. Aber ich widerstehe und schüttel den Instinkt zu kaufen ab. Ich find mir schon einen praktikablen Stab am Weg, denk ich mir, übersehend, dass wir halb einen aktiven Vulkan (letzter Ausbruch: 1707) hoch sind und ich nach der ersten Stunde nur noch durch Schutt und Geröll stapfen werde.

Dann zahle ich noch die obligatorische Spende von tausend Yen für die Erhaltung des Gebiets und zack-zack, jetzt muss ich langsam in die Gänge kommen. Noch dazu wo ich die vier deutschen Burschen vermeiden möchte, die bereits seit Fujiyoshida mit mir Schritt halten. Da hätte ich gerne nach vorne oder nach hinten ein bisschen einen Abstand. Bloß so! Ich hab nichts gegen deutsche Burschen, aber für s allein gehen ist es angenehmer, die nicht in Hörweite zu haben. Oder so.

Es gibt insgesamt vier Routen auf den Fuji rauf, für mich, von meiner Seite wären zwei in Frage gekommen und ich hab das kurz überlegt, aber nachdem der Bus zur fünften Station vom Yoshidaweg führt hab ich mich der Einfachheit halber für den, den populärsten entschieden. Und ja, man kann nicht verloren gehen. Zu Beginn steh ich einmal kurz mit Zweifeln vor einem Schild, das die Climbing Route ausweist und ich nicht sicher bin, ob ich zum Klettern hergekommen bin. Aber nachdem mir Leute mit Kindern von dort entgegenkommen, denke ich mir, so schlimm kann s nicht sein. (Die Wahrheit, die mir in der Situation verdeckt bleibt, ist natürlich, dass das der Aufstiegsweg ist und wenn jemand den Aufstiegsweg runterkommt, dann haben sie umgedreht, weil s zu schlimm geworden ist.) Also rauf.

Ich mein, das ist literally da, wo die Route anfängt. Nicht nur bereits oberhalb aller umliegender Gipfel, auch über der Hälfte der Wolken

Die Aussicht ist schon beeindruckend. Nachdem wir ja schon ein gutes Stück auf den Berg hinauf sind, stehen wir bereits höher als die umliegenden Berge. Die hohen Berge hat Japan alle in einem Eck, das die Japanischen Alpen heißt und wieso heißen die immer noch so, das gibt s doch nicht, dass das Gebirge nur diesen Kolonialnamen bekommen hat. Aber nachdem der Fujiyama ja ein Vulkan ist, steht er so allein zwischen gar nicht so hohen Bergen. Und nachdem wir auch schnell einmal aus dem Wald raus sind, ist die Aussicht mehr oder weniger alles, was man hat. Weil es ist keine schöne Wanderroute in dem Sinn. Es ist, wie gesagt, Schutt und Geröll und das ganze hat die eine oder andere Zivilingenieurin am Hang befestigt und man geht dann in einem engen Zick-Zack einfach den Berg hoch. Zwischendurch eben ab und zu eine Zwischenstation an der einem eine Bechersuppe, eine Flasche Wasser oder „Snickers“ verkauft werden – letzteres ist, wenn ich die Zeichen richtig interpretiert habe, Code für eine Handvoll Nussvariation. Außerdem gibt s an nahezu jeder Hütte auch für zwei-, dreihundert Yen einen Stempel zu kaufen. Hier beginne ich langsam die Wanderstabkultur zu verstehen und erkenne nahezu mit Dankbarkeit, was für eine gute Entscheidung es gewesen ist, ohne aufzubrechen. Auf jeder Hütte kann man sich einen Stempel – ich glaube, die werden tatsächlich in das helle Holz gebrannt – in den Stab drücken lassen. Natürlich kann man sagen: schönes Souvenir. Aber ich seh zuerst einmal, dass man hier weiterhin konsumiert. Und zwar im Halbstundentakt. Und schließlich ergeben auch die zwanzig Zentimeter langen Staberl, die man alternativ zum zwei Meter Wanderstab erstehen konnte, einen gewissen Sinn. Und natürlich könnte man auch nächtigen. Aber wenn es mir in der Planung seltsam vorgekommen ist, dass man nicht einmal in der Nähe des Gipfels übernachtet, dann steigert mein tatsächlicher Aufstieg nur dieses Unverständnis. Außerdem bin ich flott unterwegs, die Stunden verfliegen und ich fliege schneller als die Stunden, die auf den Schildern die Entfernungen angeben.

In der Situation selbst hat das viel extremer gewirkt, wie s da oben stürmt und mit welcher Geschwindigkeit der Wind da über den Fujiyama bläst. Aber schön, dass ein bisschen Himmel zu sehen ist.

Es ist schon dicht am Weg. Also, wir hängen nicht hintereinander, aber man ist nie allein. Nicht alle sind derartige Quatschköpfe, wie sich die – stellt sich heraus süddeutschen – Burschen dankbarerweise berechtigterweise herausstellen, die meisten gehen schweigsam, vor allem im Mittelfeld. Unten haben manche noch zu viel Energie und oben, oben werden viele sehr ausdrucksfreudig. Auf den letzten eineinhalb Kilometern verdichten sich die Schilder, wie weit es noch bis zum Gipfel sei, bis dass mir dann alle zweihundert Meter angegeben wird, dass es zweihundert Meter weniger sind. Das ist nicht schlecht, weil obwohl der Anstieg so linear verläuft, versteckt sich der Gipfel zumeist in einer Wolke und die Entfernung ist deshalb kaum einzuschätzen. Und es drückt jetzt schon ganz schön in den Wadeln. Ich hab von den sechs etwa eineinhalb Stunden abgezwickt, aber das hat mich schon auch gekostet. Das Ziel, stellt sich heraus, ist auch gar nicht so sehr der Gipfel sondern ein Schrein. Und so gehen wir durch ein so ein symbolisches Tor durch, in dessen Holz die Leute kleinwertige Münzen hineingedrückt haben, und durch ein zweites. Und dann sind auch die letzten zweihundert Meter geschafft und der Wind hat zugenommen und der Nebel ist auch etwas dichter und die Finger werden kalt. Und dann gehe ich nicht nach links, zum Schrein, zu den Bänken und den windfangenden Gebäuden, sondern nach rechts, weil s dort mehr nach Gipfel ausschaut. Egal ob s a berg oda-r-a madl is / aufi muass i, de’es is gwiss, singt Alfred Dorfer in meinem Kopf. Und ich weigere mich dagegen, dass es eine Bezwingermentalität ist, die die Gipfelgier in mir schürt, ich glaub, das ist nicht intrinsisch.

Stapf, stapf, durch s Tor durch. Und im Tal liegt der Tamanaka See

Und jetzt, am Gipfel, wenn man zweitausend Meter höher ist, als irgendwas anderes in der Umgebung. Da geht ein ziemlicher Wind. Und da kondensiert der halbe Himmel und es nebelt, dass es mit der Hälfte auch bald einmal genug gewesen wäre. Aber wen finde ich natürlich ebenfalls den orkanhaften Gipfelverhältnissen trotzend oberhalb des Schreins? Meine deutschen Plaudertaschen. Und so kauere ich hinter einem Felsen, zu dem ich in einer kurzen Windstille vorgeprescht bin, um einen Blick in den Krater zu werfen. Ich kann tatsächlich nicht aufstehen, weil mich der Wind mitnehmen würde und meine Finger sind bereits so durchfroren, dass ich Schwierigkeiten habe, die Clips an meinem Rucksack zu öffnen oder zu schließen. Nicht, dass ich mir einen Tee einschenken hätte wollen, bei den Verhältnissen, aber ich hab mich mit einem getrockneten Tintenfisch belohnt, den ich mir als Gipfeljause im Geschäft gekauft hab: Gewöhnungsbedarf vorhanden, aber natürlich motiviert die Situation zum Genuss.

Den asiatischen MitwandererInnen scheint die ganze Gipfelgeschichte relativ egal zu sein. Ich mein: relativ. Weil das Erreichen schon Begeisterung auslöst. Auf den letzten Metern berichterstatten immer mehr Leute ihrem Selfiesticktelefon den Höhepunkt, auf den sie sich stetig zuarbeiten. Das, denke ich mir, das ist wie diese Selfieunfälle passieren. Weil man fragt sich schon, warum doch viele Leute dabei zu Tode kommen, von sich selbst ein Foto aufzunehmen, auch wenn sie neben einer Schlucht stehen. Aber hier sehe ich, das sind wahrscheinlich eher diese Leute, die sich während der Strapaze selbst noch im Bild halten und ihrem Telefon erzählen, wie anstrengend oder super die aktuelle Situation ist. Und nachdem letzten Tor, das das Ziel des Aufstiegs symbolisiert (nicht der Gipfel), höre ich viele Ausrufe der Dankbarkeit. Aber vielleicht ist das auch das einzige, was ich verstehe. Ich mein, ich kann sagen, dass sie nicht Guten Tag gerufen haben oder Auf Wiedersehen. Oder von eins bis zehn gezählt haben. Weil das ist es mit meinem Japanisch. Aber interessant schon, denke ich mir, wie das mit der Dankbarkeit in verschiedenen kulturellen Kontexten ist. Natürlich, ich mach gleich wieder einen kulturellen Kontext daraus anstatt einem Menschen zugehört zu haben, der auf japanisch Dankbarkeit für die Wegbeendung ausgedrückt hat. Und dem stell ich die alte Frau gegenüber, die in Maria Alm gesessen ist und als man sie fragt, ob sie stolz auf ihren Sohn sei, weil der diesen oder jenen Erfolg vorzuweisen hat, hat sie gemeint, nein, nicht stolz, nie stolz. Dankbar sei sie. Weil Gott und so. Und dann denke ich mir, dass so viele Aspekte des Lebens in Europa von Institutionen vereinnahmt und beansprucht worden sind und diese Institutionen, wie man in den letzten hundert Jahren dann zunehmend kritisch feststellt, eine lange Geschichte gewissen Fehlverhaltens besitzen und wir uns vielleicht mal mehr, mal weniger davon zu distanzieren beginnen. Von einer lustfeindlichen Kirche, von einem rassistischen Imperialismus, von einem entmündigenden politischen Autoritarismus. Mehr oder weniger. Und dann leidet vielleicht auch einmal die Dankbarkeit, weil vor lauter den Patriarchen dankbar sein und den Patriarchen dankbar sein müssen vielleicht die Wertschätzung einer Situation oder eine Hilfeleistung ein bisschen aus der Übung gegangen ist. Ein schwieriges Verhältnis zur Dankbarkeit, aber zu Recht.

Nachdem ich vom Philosophieren im selbstverschuldeten Kraterrandexil zurück in den relativen Windschatten geschafft habe, hock ich noch ein bisschen in der einen oder anderen herum und versuche durch die altbewährte Methode des Teetassehaltens wieder Wärme in die Finger zu bekommen. Ich krieg nach wie vor mehr Kiesel in den Tee geblasen als Lebenskraft in die Fingerspitzen, aber es tut sich was, ich werde alle meine Finger behalten können. Und dann noch ein bisschen Tintenfisch.

Von links nach rechts: der Schotter (-) und die Aussicht (+)

Aber ja, was tut man dann, wenn man am Gipfel ist? Man belohnt sich mit dem, was man sich bis dahin vorenthalten hat und wenn es nicht so zugenebelt wäre, dann werfe man einen Blick in die Umwelt. Durch den Nebel gestarrt zeigt sich bloß, dass mich mein Kraterrandsbesuch sicher nur auf bis zu zwanzig Meter unterhalb der höchsten Kraterrandsstelle geführt hat, das sind so die Schwierigkeiten mit einem kreisrunden Gipfel. Es reicht jetzt allerdings, ich begnüge mich mit einem Blick in die Richtung des Fujihöhepunkts und folge den Abstiegspfeilen.

Es geht flott, dass man wieder aus dem Ärgsten heraus ist. Aber dann wird s halt nochmal wirklich öd. Weil hier wiederum mehr Schutt und Geröll, die Serpentinen sind großzügiger aber Einschätzung für die Wegdauer ist dafür etwas entsprechender und es sind halt drei Stunden bergab stapfen. Ich will nicht sagen, dass es erst hier ist, dass die Bergschuhe nun wirklich zu leuchten beginnen, aber natürlich sind stabile Fesseln schon etwas wunderbares, wenn man so vor sich hin stolpert. Auch die Knie machen keine Spompanadeln, da hat mir einmal das linke ein bisschen belastet gewirkt und dann kurz darauf das rechte und ich hatte vergessen, dass es vorher das linke gewesen ist und hab mir gedacht, das sei immer noch dasselbe Knie und dann hab ich mich erinnert und mir gedacht, das ist wohl nicht so schlimm für die Knie, wenn sie sich abwechseln und ich merk s nicht einmal. Und weil der Geist frei ist, begeistere ich mich jetzt noch ein bisschen für die Geologie, hebe mal hier mal da einen Stein auf und freue mich über Formen und Farben des Vulkangesteins. Weil das ist irgendwie schon was tolles, wenn man einem Stein ansieht, dass er vor nicht allzu langer Zeit noch flüssig gewesen ist.

Na und dann bin ich wieder auf der fünften Station. Von halb acht bis dreiviertel drei, sieben und eine dreiviertel Stunde. Und nachdem um kurz nach drei der Bus mich bereits wieder nach Fujiyoshida geschupft hat, war ich um fünf schon frisch geduscht, den Kies großteils aus dem Rucksack gebeutelt und sogar die Steine, die ich mir als Andenken vom Gipfel mitgenommen hab, in den Mistkübel entsorgt, so sehr hatte ich das Adrenalin bis dahin abgebaut. So vom Gehen her, war s schon recht gut, auch wenn es insgesamt ein bisschen mehr eine spirituelle Erfahrung ist, in der relativen vulkanischen Einöde in den Wind hinauf zu stapfen und dann auf dem Forststraßenäquivalent wieder runter. Vielleicht war s ein Pech, dass das Wetter oben so stürmisch gewesen ist, auf der anderen Seite war s ein Wahnsinnsglück, dass das Wetter überhaupt so gut war, weil Freitag hat s dann tatsächlich noch geregnet und das ist sicher kein Spaß.

Aber nicht alle Wolken sind schlecht. Hier ist eine hübsche Altocumulus lenticularis, die den ganzen Tag lang über unserem Aufstieg gehangen ist

Und weil s ein Vulkan ist, gibt s auch Thermalquellen in der Gegend. Und da bin ich am nächsten Tag noch hin und hab mir eine Runde Onsen gegeben. Das gehört irgendwie noch dazu, weil da sind zwar keine Bergschuhe mehr im Spiel gewesen, aber ich war schon ein wenig muskelverkatert am nächsten Tag und da ist so ein Warmbadetag gerade das richtige.

Auch hier gibt s einen Shuttlebus, der mich von der Station abholt. Ich bin allerdings ein bisschen schlecht organisiert für diesen Ausflug, stelle ich fest. Ich hab einen Bus zu erwischen, der mich nach Tokio zurückbringt und dadurch komm ich fast ein bisschen in einen Zeitdruck, weil der Shuttlebusrhythmus so ein Klumpert ist. Ich hab schon gesehen, dass der Onsen nur vierzig Minuten entfernt ist, also: zu Fuß. Was ich nicht gesehen hab, ist, dass es nur noch zwanzig von der Busstation sind und ich nicht zwanzig Minuten hätte warten und dann zwanzig Minuten in die entgegengesetzte Richtung chauffieren hätte lassen müssen, bis der Kreisverkehr mich zurück an den Onsen gebracht hat. Pfff! Ach ja, weil nachdem der Bus beim Onsen selbst gar nicht mehr gehalten hat, bin ich von der vorletzten Station dann eh nochmal zehn Minuten gegangen.

Onsenonsenonsenonsen.

Zwischen dem Onsen und Fujiyoshida liegt ein Vergnügungspark mit verrückten Hochschaubahnen. Für mich blöd, weil ich um den Park herumgehen musst, was mir zwanzig Minuten Wegzeit beschert hat. Zwanzig Minuten Wegzeit und eine halbe Minute Panikakustik. (Zu der man sich jegliche Bewegung auf der Hochschaubahn selbst vorstellen muss – es ist nur ein Foto.)

Jetzt interessant auch, dass ich schon bevor ich mir eine Eintrittskarte kauf, meine Schuhe in einer Kiste lassen muss, auf deren Schlüssel ein Chip ist, den ich beim Rausgehen lesen lassen muss und zahlen, damit ich wieder raus kann. Es handle sich alles um bargeldlosen Bereich. Was irgendwie logisch ist, weil wo soll man s denn aufbewahren. Nein, keine Taschen, keine Hosen. Ich krieg ein kleines Handtuch und das stellt sich als sehr vielseitig heraus. Sonst lasse ich alles im nächsten Spind, und während ich noch den japanischen Bademantel anziehe, den ich ebenfalls ausgeborgt bekommen hab, dreh ich nach einem Blick durch die automatische Schiebetür wieder um und zu meinem Spind zurück. Den brauch ich hier nicht.

Jetzt. Da ist schon viel Nacktheit in so einem Onsen. Wir sind natürlich nach Geschlechtern getrennt, das fängt schon vor dem Kassenbereich (obwohl dort ja keine Kassen sind, ist wohl mehr ein Informationsbereich) an, dass die Schuhkästchen für die Frauen und die Männer getrennt sind. Und dann im Bad ist nicht so schlecht, dass hier in Japan Frauen und Männer selbst auf Toiletten immer auch farbcodiert sind, also Frauen alles rosa (mit einer Tendenz zu rot, ich betrachte das als das in dieser Hinsicht progressive Japan), Männer alles blau. Und so bin ich zumindest da zielstrebig. Mit meinem ersten Schritt ins Bad bin ich mit so viel neuem konfrontiert, gleich mal Kardinalfehler. Nicht, dass ich ganz ohne mich zu waschen ins erste Becken gestiegen bin, aber ich hab mich mehr ein bisschen nur so aus einem großen Bottich überschüttet, mehr rituelle Waschung. Während direkt daneben Duschen mit Seifen und Shampoos gestanden sind. Und die sind ja nicht einmal uneinsichtig oder besonders stabil von einander getrennt. Da sitzt man ja wirklich nebeneinander. Und man ist zum Waschen da. Dafür sind nämlich dann auch die Bademäntel, weil dann macht man sich Umkleidekabinenbereich noch hübsch, nicht nur Frisieren (sind das drei Sorten Haargel?) sondern auch Rasieren.

Aber ja, die ersten Minuten verbringe ich damit, mich über meinen Faux Pas zu sorgen, während ich die verschiedenen Bäder erkunde. Von der Architektur fand ich s auch schnell einmal interessant, weil die Männer und Frauen zwar getrennt, aber unter dem gleichen Dach sind. Und die Trennwand geht nicht bis zur Decke und so hören die einen die anderen und umgekehrt. Da kam mir schon manchmal vor, dass da drüben mehr gelacht würde als bei uns herüben, wo sich Männer ehrfürchtig vom Schlafbecken, ins aromatisierte Wasser, in die Sauna, auf die Liege bewegen. Aber dann kam eine Gruppe junger Zwanziger und ich hab mir gedacht, das ist schon sehr seltsam, weil die auch gar nichts vor einander versteckt haben, wenn sie da gemeinsam durch die Becken gestiegen sind. Ja, der eine saß sogar sehr offenbeinig am Beckenrand, während seine Kumpels bis zu den Schultern im Wasser untergetaucht waren. Das sind womöglich eigene Verhältnisse, die man da zu seinen Kollegen hat, wo das nicht mal kommentiert wird (worden scheint). Na, die haben auf jeden Fall auch manchmal ein bisschen einen Wirbel gemacht und haben diese Frau-Mann-Differenzen-Beobachtung relativiert.

Gibt s doch ein Bild aus dem Onsen, halt ohne Leute

Aber selbst der freizügige Freikörperumgang gleichgeschlechtlicher Twens hat mich weniger überrascht, als einen Fernseher in der Sauna zu finden. Dass die Sauna keine Saunaofen hatte, das ist das eine, das sind einfach unterschiedliche Saunatraditionen. Aber während im ganzen Bad verhältnismäßige Stille oder generische Massagetherapiemusik gespielt wird, kann man ausgerechnet in der Sauna dann Vormittagstalkshows schauen. Das kam mir seltsam vor. Und wie timed man seine Saunazeit, sans Aufguss? Bis zur nächsten Werbeunterbrechung? Well, I guess einfach bis man genug hat.

Zwischendurch kann man sich ein bisschen mit seinem kleinen Handtuch abtrocknen oder auf dem Weg von Becken zu Becken die eigenen gentleman vegetables verdeckt halten. Oder sich damit beim Waschen abschrubben. Wichtig ist, dass es dadurch zu einem persönlichen Gegenstand wird, den man nicht mit ins Becken nimmt. Traditionell hat man s einfach auf dem Kopf, weil der geht auch nicht unter Wasser. Aber oft genug legt man s einfach auf den Beckenrand. Da ist es gut aufgehoben. Das faszinierende ist aber doch, wie das Handtuch nass funktioniert und nach dem Auswringen tatsächlich noch gut genug zum Abtrocknen ist. Das ist schon faszinierend irgendwie. Ich mein, der ganze Onsen war angenehm warm und das ist wohl nicht nur das Thermalwasser sondern auch der Spätsommer, vielleicht ist das im Winter ein bisschen kritischer mit der Lufttemperatur. Aber ich kann mir vorstellen, dass es insgesamt schon angenehm warm ist, auch wenn s draußen winterlt.

Nachdem s bisschen abgeregnet hat, hat sich der Fujiyama auch am Freitag nochmal gezeigt.

So war das. Es war weniger aufregend als die vulkanischen Bäder in Neuseeland oder Indonesien, wo dem heißen Wasser der Geruch von Schwefel und anderen Gerüchen aus den Tiefen der Erde anheften. Um es mit einer für meine Japanbeschreibungen langsam aber sicher ausdrucksschwachen Beschreibung zu sagen: es war hübsch und schlicht, durchaus gemütlich. Und auf jeden Fall praktikabel. Wie gesagt, ich bin da mit der ritualisierten Waschung hineingegangen, aber es erschien in der Praxis wirklich etwas, wo nach wie vor der Aspekt der Hygiene eine zentrale Rolle spielt. Während man sich bei uns im Bad die Chancen dafür, dass man sich was einfängt in der Regel höher wirken, als dass man sich was auskuriere.

Hat jetzt nix besonders mit was anderem zu tun, nur weil ich den in Fujiyoshida gesehen hab: Ich einen Moment sehr überrascht darüber, dass es Zigarettenautomaten gibt, dass Zigaretten so hemschwellenfrei verfügbar sind. Mir ist dann sehr schnell eingefallen, dass es das bei uns ja total viel gibt

Nachdem ich ein letztes Mal im künstlich karbonisierten Wasser gelegen bin (weniger aufregend als man denkt), hab ich mich wie selbstverständlich auf meinem Schemel gewaschen und hab mich dann mit dem gleichen Handtuch abgetrocknet, mit dem ich mich gerade gewaschlappen hab. Und dann bin ich zu Fuß ins Hostel, wo ich noch kurz mit der Rezeptionsbesetzerin über ihren Abstieg im Regen geplaudert hab und dann wieder zurück zur Busstation. Dort noch schnell eine Schüssel Udon gelöffelt und nach zwei Stunden Autobahn wieder im vertrauten Tokio. Ich lauf trotz aller Vertrautheit sofort in die falsche Richtung. Nicht einmal sofort: nach minutenlanger Überlegung und Telefonrotation marschier ich zielstrebig los um dann festzustellen, dass ich absolut in die falsche Richtung unterwegs bin. Und for the sake of Textstrukturierung ist das ein guter Punkt um festzustellen, dass es gut ist, dass man s auf einem Berg schnell einmal merkt, wenn man in die falsche Richtung unterwegs ist.

Baba, Pape’ete! Tadaa, Tokio!

Es stimmt schon, ich hab mit einem Kulturschock gerechnet. Ich hab mir gedacht, der Unterschied zwischen einsiedeliger Inselidylle und halbautomatisierter Millionenstadt wird mich irritieren. Aber so sehr hab ich mich in den paar Wochen auch wieder nicht dran gewöhnt, immer nur die selben zehn Gesichter zu sehen. Ich war ja auch in Pape’ete im Einkaufszentrumsäquivalent und da sind auch viele verschiedene Leute zu sehen. Dass die Autos wieder auf der anderen Straßenseite fahren, habe ich mehr oder weniger ohne bewusste Entscheidung akzeptiert. Nein, womit ich mir ein bisschen schwer tu, ist der Schalter, den ich von Liegen wieder auf Laufen zu schieben versucht bin. Tahiti hat mich willkommen geheißen, wie ich es nicht erwartet hätte. Ich bin getaucht, ich hab gekocht, ich hab Leute gekannt… ich war manchmal ein bisschen überfordert, wenn ich auf französisch was sagen sollte oder wenn ich einem Gespräch folgen wollte. Ich bin meiner Tauchverpackung für den Fotoapparat hinterhergelaufen. Aber wenn ich erschöpft war, hab ich mich hingelegt, wenn ich aufgewacht bin, bin ich aufgestanden. Wenn ich spazieren gegangen bin, hab ich mir Sonnencreme draufgeschmiert. Und wenn ich was neues wollte, bin ich eine Woche auf die Nachbarinsel gefahren. Es war wirklich ein gemütliches Arrangement.

Ein letzter Blick auf Mo’orea und dann elf Stunden Pazifik bis nach Japan. À tout!

Ja, hänge ich dem ein bisschen hinterher. Und es hat ja auch gleich ein bisschen so ausgeschaut, als wollte mich Französisch Polynesien nicht loslassen. Der Benjamin (-scha’möö) hat mich morgens um fünf zu meinem sieben Uhr Flieger geschupft, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Weil zuerst hab ich recht lang am Eincheckschalter gewartet und als ich dann dran war, hat mir die Frau Schalterbeamte gesagt, dass sie mich nicht einchecken kann, wenn ich nicht einen Flug wieder raus hab, aus Japan. Und ich denk mir na geeeh. Der Flughafen Faa’a hat nicht mal eine Flughafenhalle, der hat wirklich nur ein Vordach und dann einen Duty-Free Bereich mit einem kleinen Café und all den Perlen, die sonst niemand gekauft hat. Und so steh ich also vor Sonnenaufgang und mit einer halben Stunde Gratisinternet vor dem Flughafen und ärger mich mit der Website von der koreanischen Fluglinie, weil es beim dritten Versuch noch immer nicht funktioniert hat, mir einen billigen Flug nach Seoul zu kaufen. Ich hab dann über lastminute.de und innovative Zahlungsmethoden den Flug ums doppelte gekauft. Sind immer noch nur achtzig Euro gewesen und ich war froh, dass das am Schalter dann für ein OK gesorgt hat. Hätte ich mir ein bisschen mehr Gedanken gemacht, dann wäre mir vielleicht sogar eine billigere Route eingefallen. Weil – psst! – das ist nur für Show, ich werde den Flug einfach verfallen lassen. Ab und zu muss man so eine zusätzliche Abgabe leisten, wenn man seine Pazifikquerung so nebenher einkauft. Und natürlich sagt das Außenministerium sehr wohl, dass ich ein Rausflugticket brauch. Aber das war bei Neuseeland, da hab ich mich ja informiert. Bei Japan hab ich so einen Kommentar sogar gesucht und wiederholt nicht gefunden. Aber ich mein, was soll ich das der Angestellten am Eincheckschalter kommunizieren versuchen. Es ist natürlich belanglos in der Situation. Computer says no – presumably.

Jetzt hat mir Tokio die ersten zwei Tagen wie gesagt verhältnismäßigen Stress gemacht. Eben aus dem Gefühl heraus, hier mit den TouristInnenaufgaben konfrontiert zu sein. Dass ich da in den richtigen Modus komme. Oder raus aus dem falschen. Es gäbert so viel zu sehen und gleichzeitig hab ich so wenig Ahnung, was ich sehen wollen würde. Ich bin ja eigentlich schon wieder hier wie wenn man mich in den Flieger gesetzt hätte und Ab die Post! in die Ferne katapultiert. Das ist heute schon ein wenig besser geworden, weil ich ein paar TouristInnensachen gemacht hab. Schrein besucht. Kreuzung gequert. Schnitzel gegessen. Was man halt so macht, wenn man in Tokio ist. Und mein erster Ausflug auf den Berg ist auch geplant. Hakerl gesetzt, alles auf Schiene. Ich bin deshalb heute tatsächlich mal bisschen aufgeschreckt in der Nacht, dass ich da wieder auf mich gestellt bin und Hostel buchen und Routen überlegen. Tsk, tsk. Ist doch Urlaub, hab ich versucht mir zu sagen. Und ich hab vielleicht bisschen mit den Schultern gezuckt und bin dann schnell wieder eingeschlafen. Dass ich Mitte September zum Wählen einen Sprung in Tokio sein soll. Aber dann hab ich gesehen, dass ich im schlimmsten Fall einen Tagesausflug mach, weil zwischen Osaka und Tokio ist es zwar die halbe Honshu, aber trotzdem nur zweieinhalb Stunden mit dem schnellen Zug. Alles also nicht so heiß gegessen wie die Ramen: drei Tage da und schon zweimal Gaumen verbrannt.

„What’ve they got in there? King Kong?“ Der Haupteingang zum Meiji Schrein, Ian.

Ich bin auch gar nicht besonders in der Stimmung zu schreiben, merke ich. Da ist schon eine allgemeine Überforderung. Dabei gäb s von den Windseitigen Inseln noch so viel zu berichten. Wie ich zum mo’oreanischen Belvedere hochgeradelt bin und gegen Ende schon alle zweihundert Meter eine Pause hab einlegen müssen. Aber für die Aussicht auf die schöne Aussicht dann doch durchgehalten hab. Und mich dann auf der Wanderung im Ananasfeld verlaufen hab. Oder wie ich im Vallée Blanche mit den Haien getaucht bin und so viel auf die vermutlich katalonischen TouristInnen herabgeblickt hab, weil die derart aufwendige Fotoausrüstung mitgebracht hatten. Und wo der Philippe nachher gesagt hat, dass ich eine gute buoyancy hab, auch wenn ich erst wenig getaucht bin. Oder dass wir tatsächlich eine Verabschiedung gefeiert haben, zu der ich eine Sachertorte gebacken hab, deren Glasur nicht so schlecht geworden ist. Dass alles ein bisschen zu kurz gewesen ist. Und über dieses Gefühl, jetzt wieder aufgebrochen zu sein, nachdem ich eine Art zuhause gefunden hab, in dem ich mich so wohl gefühlt hab, wie vielleicht seit Jahren nicht.

Die Blätter der Ananas sind hart und gleichen einer Säge. Nicht durch ein Ananasfeld laufen, auch wenn man das Gefühl hat, das wäre eine Abkürzung!

Das drückt alles vielleicht auch ein bisschen auf meine ersten Japaneindrücke, dass ich das Gefühl habe, ich bin ohne besonderen Grund und übereilt aus Tahiti abgereist und wie organisier ich mir das, dass ich da bald wieder einmal zurückkehre. Jetzt muss Japan das aushalten, ständig verglichen zu werden. Und ich, der ich gerade noch sozial gut eingebettet, wenngleich sprachlich eingeschränkt gewesen bin, fühle vielleicht dadurch ein bisschen mehr Fremde und Verlorenheit in dieser Gesellschaft, in der allen Vorurteilen zufolge, viele Einheimisch ebenfalls mit der sozialen Isolation kämpfen. Das erste Bild, das sich mir als „japanisch“ eingeprägt hat, waren die ordentlichen Reihen der Reisfelder, die ich schon aus dem Flugzeug und eine Stunde später auch aus dem Zug in die Stadt gesehen habe. So ordentlich, dass es fast ein bisschen wehgetan hat. (Zumindest wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass das eigene Bedürfnis nach Ordnung ab einem gewissen Grad etwas schmerzhaft sein kann.)

Im Hostel aber dann weiterhin: so ordentlich. Sehr viele Warn- und Verwendungshinweise, bebildert und japanisch beschriftet. Ich frag mich dann immer, ob mir das stärker auffällt, weil ich s nicht verstehe und deshalb mehr darauf konzentriere oder ob es das bei uns einfach weniger gibt. Vielleicht hatte ich sogar den gleichen Gedanken bereits in Indonesien. Obwohl das schwer vergleichbar ist… Und der Schlafsaal war vielleicht der ordentlichste, den ich je erlebt hab. He!, in Mo’orea haben sie sogar Wände zwischen den Betten hochgezogen und hier schlaf ich im Stockbett. Aber ich krieg mit Vorhängen und Benehmen (auch dafür gibt s schnell einmal ein paar Schilder) von meinen MitbewohnerInnen so wenig mit, ich weiß kaum, mit welchen sieben anderen Leuten ich überhaupt das Zimmer teile. In der minimalistischen Gemeinschaftsküche ist Platz für Handtücher für die Hände, Handtücher für die Tische, Handtücher die eigentlich Geschirrtücher sind.

Um ein Lokal zu bewerben, hat jemand anderswo ein Bild von einem Tier auf einem Teller ausgestellt. Die englische Übersetzung dazu hat gelautet Some Kind of Crustacean.

Ja, es ist a neurotic’s paradise und da wehrt sich alles ein bisschen in mir. Schön und überraschend schön in seiner schlichten Eleganz ist es natürlich trotzdem. Und Bewunderung für die U-Bahn, die ich nicht einmal zu verstehen versuchen muss, weil mein Maps mir sagt, welcher Bahnsteig, welcher Waggon, welche Station und welcher Ausgang. Ich kann nur annehmen, dass jemand vor zehn Jahren einen Tag lang planen hätte müssen, bevor sie die U-Bahn benutzen wollten. Nicht, dass nicht auch die Stationen mit Informationen zugepflastert sind. So überlässt man es beispielsweise nicht dem Zufall, wo die NutzerInnen entlanglaufen, die Pfeile am Boden sagen, dass man sich links halten soll. Außer manchmal, wenn man sich rechts halten soll. Und ich versteh nicht, warum, aber warum auch, ich tu, was mir die Pfeile sagen. Manchmal sagt mir eine Fußbodenbeschriftung auch, dass ich während dem Gehen nicht rauchen oder mit meiner Handheld Device spielen soll. Dann steck ich das Handy tatsächlich weg. Ja, man muss schon ein bisschen aufpassen im Straßenverkehr, nicht zuletzt, weil in den Seitenstraßen eigentlich keine Gehsteige sind, manchmal Markierungen. Und das gefällt mir, das macht aus jeder Gasse eine Begegnungszone. Es ist erstaunlich, wo in einer Gesellschaft, die so viel für einen geregelten Ablauf sorgt, sich plötzlich eine relative Leerstelle auftut, die bei uns daheim für Chaos oder zumindest eine Menge grantiger Leute sorgen würde.

Für Ordnung hingegen sorgen hier hunderte PensionistInnen in Uniform. Zumindest wirken sie so. Bei jeder Baustelle, bei einer komplizierten Ausfahrt stehen oft einmal zwei, drei Personen mit Helm und Insignien des Sicherheitspersonals und wedeln mit ihren Signalstaberln herum um jemandem die Ausfahrt oder Überquerung zu ermöglichen. Und das ist wiederum erstaunlich, weil ich das für in Europa einfach nicht für leistbar halte. Auf der anderen Seite handelt es sich dabei oft um ältere Personen, ich gehe also wirklich davon aus, dass sich hier jemand die Pension aufbessert.

„Auch das waren unsere Gäste…“ Während ich mich auf Mo’orea verlaufen gehabt hab, bin ich auf einen Pampelmusenbaum gestoßen, der mir Schatten und eine Jause spendiert hat. Man kann s kaum Verlaufen nennen, wenn man dabei derartige Erlebnisse macht.

Also ja. Alles fremd. Morgen geht s auf den Fuji und dann in einem Aufwischen wieder runter. Weil sich s anders nicht ausgeht. Das heißt früh aufstehen und neun Stunden Wanderung. Sechs rauf, drei runter. Und wenn s nur für zwei Tage ist, ich bin ganz froh, einmal einen Blick von Japan außerhalb von Tokio zu bekommen. In so einer Großstadt sind die Isolationserfahrungen schon einmal ganz von selbst etwas extremer.

Ilsebill

Ich hab einen kleinen Ausflug gemacht, den Ausflug, für den Mo’orea berühmt ist, wenn man den Stimmen zuhört. Dazu bin ich nochmal ein schönes Stück mit dem Rad gefahren, zu meinem Tauchzentrum an der nordwestlichen Spitze der Insel. Ich sag mein Tauchzentrum, aber das ist es ja gar nicht. Ich bin dort Anfang der Woche mal hingefahren und hab mir dann gedacht, hm, so gut gefällt mir das gar nicht, muss nicht sein, steig ich auf s Rad und fahr die vierzig Minuten wieder heim. Aber heute war ich ja nicht zum Tauchen sondern zum Kayakausborgen. Und das machen sie gut. (Ich weiß nicht, wie sie mit dem Tauchen sind, wahrscheinlich auch nicht schlecht.)

Also setz ich mich in mein Kayak und sie sagt mir noch, es ist heute viel Wind und die Strömung kommt ebenfalls mit voller Kraft aus dem Wochenende zurück. Versprochen, sag ich, ich pass auf. Und das tu ich dann auch. Kayaken ist ganz schön anstrengend, das merk ich schnell. Und ich muss das Meer überqueren, um zu den kleinen Inselchen zu kommen, die da auf der anderen Seite sind. ich sag Meer, aber natürlich ist das nur ein Katzensprung. Und in diese Richtung hat mich die Strömung ja noch unterstützt.

Man sieht hier nicht nur die zwei vorgelagerten Inseln, zwischen denen sich die Party abspielt, sondern auch, wie da eine dunklere Strömung die beiden von dem dahinterliegenden Mo’orea trennt.

Auf der anderen Seite ist dann wiederum Lagune. Und hier kommen die Leute von weither her um mit Stachelrochen und Haien zu schnorcheln. Also halte ich die Augen offen , während ich mir eine hübsche Stelle zum Anlegen suche. Etwa Hälfte rein zieh ich mein Kayak an den Strand und werde von aufgeregten Welpen begrüßt. So stellt man sich das vor: Welcome to Puppy Beach. Schon erstaunlich, wie viel Lebensfreude die Evolution in diese Tiere gepackt hat. War wahrscheinlich nicht einmal die Evolution sondern einfach, dass man über Jahrhunderte lieber die lebenslustigen Hunde aufgezogen hat, als die, die schon als kleine bisschen mehr zum Nachdenken geneigt haben.

In meiner ersten Runde finde ich weder Rochen noch Haie. Aber es ist trotzdem nicht schlecht durch s Riff zu tauchen. Und ja, es ist einfach die Farbe des Wassers, die so fantastisch ist, dass es unwirklich wirkt. Ich hab schon zuvor in meiner Einflugsschneise versucht, das Licht und, die Kontraste, die menschenleeren, palmüberhangenen, weißen Sandstrände festzuhalten. Aber natürlich hab ich meine Kamera vorgestern aufgeladen und heute ist keine Batterie mehr drin. Leicht verärgert, leicht frustriert mache ich mir geistig eine Notiz mal das Internet zu befragten, wie lange denn diese Batterie halten sollte. Ich mein, ganz ehrlich, das hat nach dem GBR nie wieder so funktioniert, wie ich das gerne gehabt hätte. Und das war nicht mal immer auf die Batterien zurückzuführen.

Ich war tatsächlich der erste in der Bucht, wenn man das eine Bucht nennen kann, die nach beiden Seiten hin relativ offen ist. (Wahrscheinlich nicht.) Oder vielleicht der zweite, nach dem Pärchen, die aber schon an der Spitze der Insel angehalten haben und sich mehr auf s Baden konzentriert zu haben scheinen als hier einem Rochen und/oder Hai zu begegnen. Das Riff gehört mir, wonderful! Natürlich nicht für lang: Während ich meine Runden drehe und den Fischen wie alten Bekannten beim Riffknuspern zusehe, kommen langsam die TouristInnenboote an… angeschwommen. Irgendwie fehlt mir oft das Verb, das die Bootsbewegung beschreibt. Und das ist im Englischen nicht einfacher. Weil irgendwie, klar: schwimmen. Aber für mich ist schwimmen entweder mehr so halt wie Tiere das machen oder aber wie ein Korken das macht. Also entweder eine durch körperliche Betätigung motivierte Bewegung oder eine passive Eigenschaft von einem Körper. Also beides nicht so ganz passend. Ich bin mit dem Flugzeug hergeflogen ist schon ein bisschen komisch. Ich bin mit dem Schiff hergeschwommen klingt, als ob ich neben dem Schiff hergeschwommen wäre.

So hab ich mir das vorgestellt. Es war zwar letztlich deutlich weniger dicht, aber das Wasser, das das Foto hier eine Aufnahme aus einem Schwimmbecken aussehen lässt, das ist akkurat, das schaut dort tatsächlich so aus.

Anyway. Ich schwimm ein wenig um die Boote herum, weil ich mir denke, die wissen wohl, wo s was zu sehen gibt. Aber da gibt s auch nicht mehr zu sehen. Also denk ich mir, vielleicht ist das ein bisschen weiter drüben und das Interinselriff zu seicht oder was. Also nehm ich mein Kayak und kayak ein wenig in der Gegend herum. Tatsächlich seh ich unter mir einen Stachelrochen vorbeiziehen, ich würde sagen, so ein Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben. Und er war sicherlich auf dem Weg ins Riff. Also umgekehrt und dem Rochen hinterher. Einmal kayak ich noch durch das Riff und erspähe tatsächlich noch einen Rochen, lege in der Nähe an, schnall mit die Brille und den Schnorchel um und rein ins Riff. So denk ich. Aber wie die reinste Berg-ProphetInnen-Beziehung bewegen sich plötzlich drei dunkelgraue, kreisrunde Gestalten auf den Strand zu: Ich bin kaum zwei Schritte ins Wasser, kaum die Knöchel benetzt, kommen die Stachelrochen auf mich zugeschwommen. Und kurzerhand krieg ich dann fast ein bisschen ein ungutes Gefühl, weil die sind schon sehr groß und ich weiß gar nichts über Stachelrochenverhalten. Aber noch während ich mich frage, wie sie das wohl anfühlt, wenn mir ein Rochen über den Fuß segelt, drehen die drei auch schon wieder ab. Eine gewisse Wehmut liegt doch in meinem Blick, mit dem ich ihnen hinterherschau.

Nachdem sich Anja (28) ihren Kindheitstraum erfüllt und ihre Beine gegen einen Fischschwanz eingetauscht hat, hilft ihr Jakob vom Rochentherapiezentrum Langenlois dabei, mit der Unterwassertierwelt Freundschaft zu schließen.

Noch eine Runde durch s Riff gedreht, aber ich hab weder weitere Rochen noch Haie gefunden. Und jetzt kommt schon die zweite Welle, die coolen TouristInnen, die vielleicht ein bisschen länger schlafen möchten und dann aber mit dem Jetski unterwegs sind. (Ein Wort, das nicht im geringsten darauf schließen lässt, dass es ein Wasserfahrzeug beschreibt.) Und da denk ich mir, na gut, das ist mir jetzt dann schon genug. Ich bin über die Inselchen gewandert, hab meine Fische beobachtet und war den Stachelrochen so nah, dass es mir fast zu nah war, ich hab eigentlich alles gesehen. Und mach mich an die Querung der Meerenge.

Jetzt. Ich würde es gern auf die Jetskiidioten schieben, aber das ist wahrscheinlich unfair. Die Wellen sind so oder so ein bisschen mal hier mal da und ich versuche, wie mir die Frau vom Tauchzentrum Slash Kayakverleih gesagt hat, durch die zwei roten Pfosten hindurch meine Anfahrt zu erledigen. Was mir nicht gelingt: die Strömung ist stark und der Wellengang ungut und so muss ich alle paar Paddelzüge das Kayak neu ausrichten. Ich mein, ich nähere mich langsam meinen Pfosten, das schon. Aber dann fahren halt doch die Jetskibuben und -mädchen vor mir durch s Meer und Schuld oder nur der Frust von einem, der den unerbittlichen Kräften der Natur mit Muskelkraft und Unterstufenphysik (Hebelwirkung) das Wasser zu reichen nicht in der Lage ist, während die anderen fossile Kilojoules befreien und mit verschwenderischer Leichtigkeit über die Wellen flitzen… eine Welle packt mich von der Seite und so schnell ist man gekentert, das man s noch kaum verstanden hat, schwappt einem schon die nächste Welle über den Kopf.

In dem Moment denk ich mir, gut, dass ich die Kamera an der Schwimmweste festgemacht hab, blöd, dass ich die Taucherbrille einfach zu meinen Füßen liegen hatte. Gut, dass ich das Paddel in der Hand hab, schlecht, dass mein Kayak wegdriftet. Meine Priorität ist den Krampf aus dem linken Wadel zu treten und dann das Paddel erst einmal in den Wind geschmissen und dem abtreibenden Kayak hinterher. Und das steht auch noch der quer zur Strömung und jede Welle überträgt ihre Kraft auf die komplette Breitseite. Für jeden meiner Meter macht das Kayak zwei.

Und da öffnen sich die Wolken und aus dem Dunkel schifft sich ein Bott ins Licht, aus dem sich eine französische Touristin beugt und im Vorbeifahren mein Paddel aus dem Wasser fischt: Captain Taina und ihre AusflugstouristInnen sind die Lichtgestalt, die die See glättet. Erst mein Paddel, dann mein Kayak und letztlich noch den patschnassen Österreicher. Ich werde geseenotrettet! Die Fanfaren mögen nur in meinem Kopf spielen, aber ich hab ziemlich viel Dankbarkeit zur Verfügung, als ich mich an Board hieve, aus der heraus ich am liebsten allen Anwesenden um den Hals fallen möchte. Tu ich aber nicht. Ich bin in gleichen Maßen erschöpft und erschrocken, aber die Regeln sozialen Anstands mauern bereits erfolgreich gegen das Adrenalin. Kaum dass ich mein Glück zu fassen bekomme und auch meine Atmung wieder im Griff habe, lenkt Captain Taina unser Glasboden(!)boot wieder zurück zur Unglücksstelle um die Taucherbrille zu suchen. Für den besseren Blick, werde ich kurz darazf wieder ins Wasser gelassen und überblicke durch geborgte Brillen im Schlepptau den Boden in der Gegend meiner Kenterung. Wir geben uns allerdings zunächst einmal geschlagen und Captain Taina bringt uns wieder auf Kurs. Ob ich mich hier absetzen lassen möchte? Dankbar nehme ich das Alternativangebot an, mich bei meinem Kayakverleih absetzen zu lassen. Natürlich erst nachdem ich geklärt hab, dass sie sowieso in die gleiche Richtung unterwegs sind.

Whey-oo! It’s Captain Taina on her glass-bottom boat! (Blumenschmuck optional)

Aber da erspäht sie durch den Glasboden tatsächlich meine Brille! Da ist Platz für so viel viel Wasser zwischen Mo’orea und den Inseln, aber sie die scharfen Augen immer auf die Attraktionen des Meeres, die Frau Kapitänin. Also ich wieder ins Wasser und mit Schwung das Schnorchelzeug hochtauchen. Nur: ohne Flossen ist das tatsächlich recht schwierig. Zweimal versuch ich s, aber es sind sicher vier, fünf Meter und ich merke, wie mir einen Meter vor dem Boden die Luft ausgeht. (Für den Fahrtenschwimmer waren s glaub ich nur zwei Meter.) Da entledigt sich einer der Passagiere bereits des Hemds und springt ohne Zimpern neben mir ins Meer. Wille, Weg und Vaterland durch französische Hand gerettet. Es sei allerdings, merkt er an, tatsächlich nicht so leicht, die Strömung sei ganz schön stark. So wahrt man auch noch mein Gesicht, in dem porentief die Dankbarkeit glänzen muss.

Fünf Minuten später sitz ich in meinem Kayak und paddel in der ruhigen Lagune meinem Bootshaus entgegen. Mein Zopfband ist perdu, aber das ist mehr eine Unannehmlichkeit. Zurückgebracht, bezahlt, geduscht. Weitere fünf Minuten später sitz ich auf dem Rad nach Hause und versuche mein Abenteuer in Perspektive zu setzen. Es war eine blöde Situation und es war zweifelsohne eine Rettung. Man darf ja auch einmal einfach aus einer blöden Situation gerettet werden, muss ja nicht immer Lebensgefahr sein. Vielleicht ist es es letztlich doch wert, sich mit einer Tour auf die Suche nach Haien und Stachelrochen zu machen. Vor allem wenn man dabei die Gelegenheit bekommt, einen triefenden Österreicher aus dem Meer zu fischen, so was macht eine Stachelrochensafari erst einzigartig. Und wir haben alle gelernt, dass man beim Kayaken die Taucherbrille am besten um den Hals trägt.

Und ja, die geneigte LeserIn muss mit Internetbildern vorlieb nehmen. Für die heutige Feuertaufe ist die Kamera wasserdicht genug gewesen, aber beim Fotografieren hat sie nicht so wollen, wie ich wohl gewollt hätt. Jetzt hat sie sich zumindest einen Namen gefunden.

The world was young, the mountains green…

Nachdem ich Mo’orea zum ersten Mal so ausgesprochen hatte, wie die FranzösInnen das tun, den Akzent also nicht auf s e gelegt hab, sondern auf das in der Praxis zusammengezogene o’o, hab ich s nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sehr das nach Durins gefallener Festung klingt. Aber es ist kaum der finstere Abgrund, den uns Tolkiens Etymologie von Moria glauben lassen möchte. Mich auf die besungene Hochzeit Khazad-Dûms beziehend, gibt es hingegen auf jeden Fall eindrucksvolle Berge und grün sind sie auch. In der Praxis sind meine Versuche, das fotografisch festzuhalten, leider bisher gescheitert. Ich bin allerdings wirklich ab und zu hingerissen genug, um auf der Straße stehen zu bleiben um an den Straßenrand zu fahren und vorsichtig anzuhalten um mich umzuschauen und festzustellen, wie toll das aussieht.

Für TahitianerInnen ist Mo’orea quasi das Abendland

Ich bin am Dienstag nach Mo’orea aufgebrochen. Das ist die Nachbarinsel von Tahiti, ein schönes Stück kleiner und auch gelassener, wie die Reiseführer gerne sagen. Ich erlebe es jetzt vor allem einmal als touristischer, aber das ist wohl einfach weil alles ein bisschen enger beieinander ist und sich auf der Straße die Einheimischen, die Hilton- und Sofitel-Leute sowie die Rucksackmenschen einfach mehr mischen. Das fällt zum Beispiel auf, wenn mir auf der Straße ein Konvoi Quadbikes mit fröhlichen TouristInnenpärchen entgegenkommt. Oder Familien die sich in Golfbuggies den Weg bahnen. Das ist ein bisschen seltsam, weil irgendwie ist dadurch die ganze Insel ein einziges Ressort, wenngleich halt so offen, dass alle in dem Ressort Platz haben.

Schau wie schön!

Ob es auch für mich ein bisschen mehr Urlaub ist, insofern, als dass ich mir hier jetzt mehr Freizeitaktivitäten organisiere als ich das auf Tahiti gemacht habe, das kann ich nach dem zweiten vollen Tag noch nicht wirklich sagen. Es gibt ein Belvedere, für das ich ein bisschen in den Berg hineinsteigen muss und dann eine kleine und eine große Runde mit schönen Aussichten und bisschen Tropen. Und es gibt Schnorcheln und Kayaken und Badestrände. Ich bin auf jeden Fall nur mit Minimalgepäck unterwegs und habe den Rucksack bei den MitbewohnerInnen auf Tahiti gelassen. Das ist schon ein ziemlicher Qualitätsunterschied! Ad Freizeitgestaltung hab ich mir jetzt einmal ein paar Tauchgänge organisiert, besonders beworben werden die ansässigen Zitronenhaie, von denen es einen Haufen geben soll. Auf Tahiti hab ich hingegen letztens einen Grauhai nur verpasst. Die Lisa hat nach mir gerufen, aber wenn ich fünf Meter entfernt bin und in die andere Richtung schau, ist es unter Wasser nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit erregt zu bekommen. Endlich Blickkontakt hat sie mir noch in die Richtung gedeutet, aber es hat dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich sie fragen konnte, was sie mir da eigentlich deutete, weil zu sehen war nichts mehr gewesen. Außer das Meer.

Und da hab ich bei einem anderen Tauchgang hineingeschaut, so, dass ich nur Blau gesehen hab, keinen Boden, keine Oberfläche. Da ist mir schon etwas schwummrig geworden und ich hab mich bemüht, meine 360° schnell fertig zu drehen, damit ich wieder die Wand im Blick hab, neben der wir entlanggetaucht sind. Es ist schon seltsam, mit so einer unspezifischen, unstrukturierten Unendlichkeit konfrontiert zu sein. Und natürlich kann man das auch schnell einmal auf das Leben ummünzen, wenn man meine Reaktion, mich schnell davon abzuwenden, in eine Form gießen möchte. Im gleichen Tauchgang hat uns übrigens auch ein Barrakuda verfolgt, der war sicher zwei Meter lang. Und hier war s dann eher ein Segen, dass wir uns unter Wasser nur schwer verständigen können, weil der Gaylord hat dann gesagt, er hätte ihn vertrieben, der sei einfach zu nahe gekommen. Unschuldslamm, das ich bin, hab ich natürlich nicht geahnt, dass es sowas gibt, wie „der Barrakuda zu nah“. Ich hatte durchaus ein bisschen Bauchmulm, als der ein paar Meter entfernt dann vorbeigeschwommen ist. Aber gleichzeitig hab ich mich an dem Gedanken festgehalten, dass alle Gefahren statistisch sicherlich unwahrscheinlich seien, zum Beispiel dass der große Fisch mit den langen Zähnen jetzt mit der Aggression anfängt. Jetzt weiß ich natürlich, dass die Wikipedia darauf hinweist, dass „[d]ie großen Unterkieferzähne der Barrakudas […] schwere Wunden [reißen], die zu großem Blutverlust führen können“. Nachsatz: „Sie beißen allerdings nur einmal zu und schwimmen dann weg“. Manchmal bin ich schon ein bisschen gespannt, was es zum Beispiel im Traunsee alternativ zu tauchen gibt.

Und ja, leider leider hab ich es in den Gegenden, wo mir ständig das Tauchgehäuse für meine Kamera angeboten worden ist, durchgehend vermieden, ein weiteres sinnloses Accessoire einzukaufen. Na, jetzt ist das natürlich nirgendwo zu kriegen und ich mach keine Fotos mehr von Unterwasser. Dabei wär ich jetzt langsam aber sicher doch in einer gewissen Routine, in der ich Auftrieb und Atmung beisammen hab und eben auch einmal ein bisschen in der Gegend herumschau, um einen Fisch oder eine Schildkröte zu beobachten. Ich darf im Logbuch ja auch Exploration anstelle von Instructional ankreuzen. So hab ich mir zur Kompensation halt einen Tauchcomputer gekauft, den ich am Samstag zum ersten Mal mit unter Wasser nehmen werde und der mir dann sagt, wie viel Stickstoff ich noch im Blut hab und wie lang ich nicht fliegen darf, dass er mir nicht Blasen im Blut wirft.

Nebenbei: Da liegt in Pape’ete also ein japanisches Kriegsschiff im Hafen. Eigentlich sind s zwei, aber das ist einerseits schwer zu erkennen und zweitens auch wurscht für den Moment. Weil was mich ein wenig überrascht hat, war, dass sie vorne schön mit ihrer Nationalflagge beflaggt sind, aber hinten herum vermeintlich die imperiale Flagge hängt. Kurze Recherche zeigt hingegen, dass sie die Sonne in der Flagge der Imperialen Armee nach dem Krieg bloß ein bisschen nach links geschoben haben und gut war s. Wenn man schaut, erkennt man das auch.

Ja, eigentlich wäre ich ja gerne auf die Tuamotus geflogen. Das ist so eine Gruppe von Atollen, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich von Tahiti. Aber man glaubt s kaum: ich hab drei Tage vor meinem erhofften Flug keine Unterkunft gefunden. Dabei ist bloß Hochsaison. Und vielleicht hätte ich ja sogar noch was gefunden, aber nach dem unteren und ausgebuchten Preissegment kommt erst einmal länger nichts. Na, da war ich dann kurzerhand froh, dass ich meine Flüge auch nicht gekauft hatte. Schade, aber natürlich ist das in meiner Verantwortung, wäre ich die zwei Wochen nicht auf der mal helleren, mal röteren, mal fast akzeptabel gebräunten aber stets erkennbar faulen Haut gelegen, wäre sich da durchaus was ausgegangen. Next time you know, hat mir ein David gesagt und da hab ich s ihm noch nicht geglaubt, dass er recht behalten wird.

Natürlich, ich bin vor allem herumgelegen, wenn ich nicht tauchen war oder auf dem Weg zur Marina, aber es ist ein entspanntes Herumliegen. Das geht ein bisschen in die Psychologie des Getrieben-Seins, des Eigentlich-tun-Sollens. Wahrscheinlich wäre es – jetzt ein bisschen weiter zurückblickend – gut gewesen, ein wenig früher einmal aus dieser Situation herauszukommen, wo ich nicht ständig in der Lage bin, eigentlich an einer Diplomarbeit, an einer Dissertation sitzen zu müssen. Seminararbeitenschreiben, Hausübungenerledigen, Klavierüben, Großelternanrufen. Ständig hätte es was zu tun gegeben und ich mich sehr daran gewöhnt, zum täglichen Herummuddeln eine Portion schlechtes Gewissen serviert zu bekommen. Das geht dann auf Kosten der intrinsischen Motivation, wenn ich mich so häufig und vor allem stetig im Müssen-Sollen finde, anstatt im Wollen-Können. Interessanterweise würde ich sagen, dass es auch das Können-Wollen letztlich beschädigt oder zumindest dass wenn für das Können so viel Müssen notwendig scheint und sich der Widerstand gegen das Sollen aufstaut, dann entrückt das Ziel und das Wollen verliert als Ganzes ein bisschen den Anschein des Möglichen. Und, ja, dürfen hab ich mich getraut. Aber das zeigt uns auch nur, dass ich meine Probleme nicht erfunden hab. Da ist es schon auch ein Erfolg den Atollausflug sausen zu lassen und zu vielleicht einfach anerkennen, wie sehr ich auch von hier tatsächlich hingerissen bin. Alles nicht so einfach.

Ja, weil. Es ist halt wirklich schön. Weil, ich mag die ganze Strandgeschichte immer noch nicht. Ich war einmal in Australien baden, erinnere ich mich. Also. Ich bin ins Meer gestiegen, hab mich mit den Wellen geärgert, bisschen ein Unwohlsein ob dem offenen Meer bekommen und bin nach drei Minuten wieder raus. In der Zeit hab ich mir sicherlich einen Sonnenbrand geholt. Ist also nicht meins. Mich am Strand in die Sonne zu legen kommt mir immer noch etwas seltsam vor. Aber mit dem Tauchen hab ich einen ganz guten Zugang zum Meer gefunden. Und wie sehr die Tropen mir als Paradies eindoktriniert worden sind oder ob die orangengroßen Maracujas (immer wieder die Maracujas), die ich aus dem Straßengraben geklaubt habe, nicht auch einfach die Freude daran, am Wegesrand Brombeeren zu pflücken um den Volumsunterschied potenziert, ist schwer zu sagen. Aber das Licht hell ist und der Himmel blau. Die Palmen, Früchte, Blüten. Die Blumen im Haar und der ausgeprägte Vokalismus in der Sprache (nur neun Konsonantenphoneme!). Und das in Kombination damit, dass selbst die Tortillastandlerin einen Champagner im Cola-Kühlschrank stehen hat und anderswo auf der Karte mehr Wasser zur Auswahl stehen als Bier. Ich finde das charmant.

Das ist tatsächlich ein schlechtes Beispiel für die hiesige Flora. Nicht, dass das nicht durchaus die vorhandene Üppigkeit ausdrücke und es gibt auch einen hübschen Farbkontrast her. Aber es sind halt nicht die „typischen“ Blumen, von denen ich halt keine Fotos gemacht hab…

Meiner vielleicht neugefundenen Entspannung liegt natürlich auch diese sich mir langsam eröffnende Frankophilie zugrunde. Sprachlich gesehen bin ich immer noch eingeschränkt, wobei ich auf Mo’orea auch selbstbewusster Leute auf Englisch anspreche, während ich auf Tahiti mehr gefordert war, Französisch zu sprechen. Und so konnte ich mich dann in Situationen oft kaum einbringen, aber vor allem letztlich auch nicht rausreden und nicht in der Lage mich aus einer Lage herausblödeln oder einfach ins Plappern zu verfallen. Gespräche sind harte Arbeit. Und selbst wenn ich mich mit jemandem unterhalte, die französisch können, war s in der Regel eine gemäßigte Unterhaltung, weil dann halt das Englisch für mein Gegenüber oft nicht super easy war. Für mich, der ich oft mehr rede weil das Reden lustig ist, ist das eine interessante Abwechslung, mal ein bisschen meiner sozialen Fluchtoptionen beraubt zu sein.

Mehr in ihrer Eindrücklichkeit schwer vermittelbare Berge unter Tropenwald. Und ja, es gibt schon viel von den rosa Buschblumen da links unten. Aber es sind nicht die, die man sich ins Haar steckt, deswegen wär s gewesen. Wer weiß, ob die nicht sogar importiert sind… Aber im Pflanzenbestimmen bin ich leider nicht so bewandert. Oder bemüht, sind wir sich ehrlich.

In other news hat zuletzt auch die letzte kleine Katze ein neues Zuhause gefunden und die verwirrte Katzenmutter ist zwei Tage lang rufend durch die Gegend gelaufen. Das ist schon ein bisschen herzzerreissend, wenn man sich die Biologie da anschaut. Aber so ist das wohl. Es war dann auch schnell wieder vorbei. Auf der anderen Seite leben die Kleinen zumindest, auch wenn das für die Katzenmutter natürlich nicht verständlich ist, dass das gerade gut ausgegangen ist für die nächste Generation. Mit etwas Glück – aber das ist jetzt wieder mehr meine Meinung als feline Glückseligkeit – werden sie in ihren neuen Haushalten sterilisiert. Von wegen Verantwortung für ein Haustier übernehmen war da auch noch ein Kater, der ebenfalls in der Nachbarschaft seine Runden gedreht hat. Ganz instinktiv hab ich mir immer gedacht, der würde ja auch von irgendwo kommen und irgendwohin zurückkehren, aber wenn das bei den hiesigen Hunden schon nicht immer klar ist, dann bei Katzen wohl umso weniger. Jedenfalls hat der ein kaputtes Bein oder was, und humpelt dementsprechend bereits ein wenig bemitleidenswert durch die Landschaft. Vor allem wo die Christine ihn in der Regel verscheucht, wenn er sich zum Beispiel des Essens, das sie den Kätzchen rausgestellt hat, habhaft machen wollte. Also emotional hochkomplex die emotionalen Schattierungen des Katzenalltags. Jetzt nämlich auch noch, dass der außerdem die halbe Nacht schreit. Aber was weiß man, ob das ob einem gebrochenen Bein ist oder vielleicht aufgrund der tagtäglichen Ablehnungserfahrungen. Oder ob es vielleicht gar eine Poussage ist, für die er sich in der Nachbarschaft hören lässt.

Und als ob der Verlust der Kinder bei der einen und die der Agilität bei dem anderen nicht schrecklich genug wären, bin ich anderntags dann noch einer toten Katze über den Weg gelaufen. Nachdem sie neben der Straße im Schatten eines Buschs gelegen ist, hab ich mir gedacht, dass sie wohl eine umsichtige AutofahrerIn noch auf den Straßenrand geschleudert haben wird, nachdem vielleicht ein bedauerlicher Unfall passiert ist. Am Donnerstag ist sie so dagelegen, da hätte es fast noch sein können, dass sich s da nur eine faule Katze im Schatten gemütlich gemacht hat. Freitag hat man schon gesehen, mehr faulig als faul, wie der Körper ob der Verwesung bereits ein bisschen unförmig wird. Zum Glück (?) hat sich über s Wochenende jemand die Mühe/den Spaß gemacht, der Katze eine Feuerbestattung zu organisieren, drei Meter weiter an der Straßenecke. Die Überbleibsel waren zwar durchaus noch identifizierbar und meine Lungenkapazität hat dem empfohlenen Radius des Luftanhaltens kaum Genüge getan, aber es ist viel besser, als wenn man sie dort ignoriert hätte. Also ja: so hält sich die Katzenpopulation im Gleichgewicht.

Nachdem meine Kamerasoftware keine Panoramas macht, hab ich selbst ein Panorama gemacht. Und dafür, dass ich das ich jetzt länger an diesem Absatz herumgeschrieben habe, als ich mir für die Bildbearbeitung Zeit genommen hab, ist es echt nicht so schlecht geworden. ’s Cook’s Bay, by the way.

Auf Mo’orea sind s unterdessen vor allem die HÜhner die sich aufdrängen. Also Hühner mit Binnen-Ü, weil es nicht zuletzt die Hähne sind, die einen Krach veranstalten. Sagen wir ab zirka fünf in der Früh. Mit einiger Verwirrung hab ich andererseits den hiesigen Hund gestern in der Distanz mit etwas, von dem ich sehr sicher bin, dass es ein Huhn war, aus dem Nachbarsgarten laufen kommen sehen. Begleitet von aufgeregtem Hühnergeschrei und einem etwas verdutzt dreinschauenden Nachbarshund. Aber ist das… ich mein, stiehlt ein leicht übergewichtiger Hund, der sich bei uns durchaus daran hält, dass er nicht auf die Terrasse darf, stiehl, ja: mordet so jemand ein Huhn?

Hier hört man, dass die Hühner aber schon auch was zu sagen haben in der Früh. Für die authentische Erfahrung kann man sich das ein, zwei Stunden lang in einer Schleife abspielen.

Und in bald einer Woche hab ich jetzt einen Flug nach Tokyo. Weil zwei Wochen vorher ist vielleicht nicht übertrieben, sich das zuzulegen. Noch dazu, wo ich von der Annabelle letztens den Hinweis bekommen hab, dass mir das nächste Jahrhundertereignis einen Strich in die Rechnung macht, indem der Rugbyworldcup zum ersten Mal in Asien stattfindet. Oder zumindest das erste Mal in einem Land, das nicht zu jener Handvoll Ländern zählt, in denen Rugby irgendeine Rolle spielt, also England, Frankreich, Südafrika, Australien und Neuseeland. Im Kontext der hiesigen No-Vacancy-Erfahrungen bin ich da jetzt auf jeden Fall ein bisschen unter Druck geraten. Und gar nicht so sehr, weil ich die Gelegenheit sehe, in einem Rugbystadium zur Sehnsuchtsfindung geschweige denn -erfüllung zu finden, sondern weil ich schlicht nicht mit dem Rugbytourismus um billige Hotelzimmer konkurrieren möchte.

Rugby World Cup Countries by Best Results: Wenn man sich das anschaut, es ist als ob Frankreich sich da in was sonst ziemlich Commonwealthiges einmischen würde.

#fragmente

(Nicht, dass der Text bisher besonders einer formalen Struktur entsprochen hätte…)

Witzigerweise sind auffällig viele ItalienerInnen auf Mo’orea. Und ItalienerInnen werden mir, so kommt mir manchmal vor, schon bei einer einzigen Familie auffällig. Irgendwie sind ItalienerInnen einfach nicht wer, die ich irgendwo in der Welt zu treffen erwarte und bin dementsprechend erstaunt, wenn s doch passiert. Außerdem haben sie oft eine besondere Präsenz, wohl auch, weil sie mir nur oder vielleicht auch erst auffallen, wenn sie zu mehrt sind. Schließlich hab ich ja auch das Gefühl, Italienisch eh zu verstehen. Mehr noch als SpanischsprecherInnen beim Spanischsprechen zuzuhören, die in der Regel nicht annehmen, dass ich sie verstehe, komm ich mir beim ItalienischsprecherInnenbelauschen noch ein bisschen mehr Undercover vor. Und dann sag ich trotzdem buongiorno, wenn wir einander in der Früh grüßen und hab sofort das Gefühl, mich verraten zu haben.

In Tahiti bin ich durch den Supermarkt gelaufen und hab einen Wahnsinnsappetit auf Äpfel bekommen. Kann schon mal vorkommen, aber dann hab ich gesehen, dass die wie so viel anderes halt aus Neuseeland importiert werden. Da hab ich mir natürlich ein bisschen an den Kopf gegriffen, weil ich dauernd davon schwärme, wie mir die Tropenfrüchte vom Baum vor die Füße fallen und manchmal dann schon keine Maracuja gegessen hab, obwohl ich eine Maracuja hätte essen können. Geschweige denn Sternfrüchte, von denen es einem schnell einmal langweilig wird, oder Mangos, die wirklich mehr Vogelfutter sind. Und jetzt will ich einen Apfel haben, die Eichnull des Obsts. Hab ich keinen gegessen. Aber zwei Minuten später hab ich einen neuseeländischen Apfelsaft gekauft. Ich hab nix anderes gefunden, nicht gekühlt zumindest. Und interessant da, dass es verschiedene Apfelsäfte nach Apfelsorten zur Auswahl gegeben hat.

Und am seltsamsten in drei Wochen Französisch Polynesien fand ich dann doch, dass man Marille mit B schreibt.

Ich hab das letztens mal festgehalten, dass um die Halbjahresgrenze herum jetzt langsam mein Equipment unter der Dauerbelastung nach- und aufgibt. (Stell dir eine Schublade vor, die von einem skandinavischen Schubladenroboter auf- und zugemacht wird. Unaufhörlich.) Das ist psychologisch schon ein Wendepunkt. Meine Sandalen hab ich dann kurzerhand einer Reparatur unterzogen, wobei ich endlich einmal die Ahle auf meinem Taschenmesser verwendet hab. Das war allerdings ein bisschen Mit-Kanonen-auf-die-Spatzen, wo dann eine einfache Nadel auch gereicht hat. Allerdings ist das Leder dann sowieso einfach ein paar Millimeter drunter nochmal gerissen. Und nachdem die Sohlen auch schon lange entzweigebrochen sind, hab sie der Müllabfuhr überantwortet. Dass ich sie jetzt wirklich lange gehabt habe, ich in ihnen bereits kubanische Autobahnen entlanggegschlendert bin, ist sowohl bedauerlich (Mensch-Schuh-Beziehung) als auch tröstlich (KundIn-Produkt-Beziehung). Als Ersatz schlurf ich jetzt in Flip-Flops, was persönlich auch ein großer Schritt gewesen ist und schwups! habe ich davon erst einmal links wie rechts Blasen bekommen.

Und zu hinterst noch Neuigkeiten von ebendort. Ich hab mir auf Mo’orea gleich mal ein Fahrrad gecheckt, weil ist sie mir auf Tahiti ja doch abgegangen, die Mobilität. Jetzt war ich nach meiner Ankunft in FranzPol doch ab und zu ein bisschen verwirrt, wenn ich mal wieder an einer T-Kreuzung gestanden bin, wo denn jetzt der Verkehr herkomme, weil natürlich ist das Land französisch genug, dass die Leute auf der kontinentaleuropäischen Straßenseite fahren. Aber weil das sprichwörtlich wie Radfahren ist, hinsichtlich der Verlernbarkeitsoption, hab ich mich schnell wieder daran gewöhnt und gebe meinen Selbstbewahrungsinstinkten mittlerweile bereits wieder weitgehend freie Handhabe dabei, mich sicher über die Straße zu bringen. Funktioniert auch beim Radfahren, alles kein Problem. Nein, was sich hingegen schnell einmal als eine Schwierigkeit herausgestellt hat, ist möglicherweise auf den Trainingsmangel der eigenen Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der Sattel einfach unverhältnismäßig schmal ist oder das Gelände unanständig holprig. Fakt ist, ich bin seit einem halben Jahr nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen und ich mich jetzt auf meinem VTT (veló tout terrain) herumwinde wie ein Sängerknabe unter Harndruck.

Wenn FranzösInnen Witze über Deutsche machen

Ein zum Beispiel französischer Handelsreisender kommt in einer deutschen Stadt an und nimmt sich ein Hotel zur Übernachtung. Um elf in der Nacht klingelt das Telefon in der Rezeption. Der Herr Handelsreisende fühlt sich lärmtechnisch belästigt und möchte gerne ein anderes Zimmer. Kein Problem, heißt s von der Rezeption, machen wir sofort.
Aber eine Stunde später ruft der Handelsreisende wieder an der Rezeption an, selbes Problem, bitte anderes Zimmer, kein Problem, wird erledigt.
Stunde später: selbe Sache und der Handelsreisende wechselt sein Zimmer.
Am nächsten Tag stellt sich dem Handelsreisenden beim Frühstück der Hotelmanager vor und entschuldigt sich für die gestörte Nachtruhe. Ja, er habe sich dann einmal damit abgefunden und habe gut geschlafen, aber er sei doch sehr von dem permanenten Eisenbahnverkehr irritiert gewesen.
Wie, sagt der Manager, nein, die Eisenbahn sei keinesfalls in der Nähe des Hotels, er wisse nicht, wodurch sich der Herr Handelsreisende… Aber ganz sicher, unterbricht der Handelsreisende, die ganze Nacht habe er die Eisenbahn vorbeischnaufen hören. Ah, sagt der ihm ein Licht aufgehende Hotelmanager, nein, das sei wohl nicht die Eisenbahn gewesen. Hinter dem Hotel stehe jedoch eine Ziegelsteinmanufaktur und dort reichen die deutschen ArbeiterInnen einander die Ziegelsteine, höflich, begleitet von einem ständigen
Bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön…

Cyrill, der Tauchlehrer

The Tahiti Life

Die Zeit vergeht so vor sich hin und es ist erstaunlich schwer, das in Worte zu fassen. Tatsächlich setz ich mich jeden Tag hin, tipp ein bisschen in diesen Text hinein, streich Sachen raus, bringe Daten und Reihenfolgen up-to-date und mache mir Notizen zu neuen und alten Sachen, die ich hier beobachte, die dann ein neuer Absatz werden. Manchmal merke ich, wie mich das eine oder andere Thema seltsam nachdenklich macht, politisch, fatalistisch oder sonst irgendwie in eine komische Richtung bringt. Das kommt dann in die privaten Notizen. Und so schwimmen die Tage ein bisschen in einander, ohne Rück- und ohne Weiterflug ist mir schnell einmal ein bisschen das Gefühl für die Zeit verloren gegangen. Und nachdem meine Unterkunft so leger organisiert ist und wir seit ich hier bin mehr oder weniger mit der gleichen Besetzung hier wohnen, die Türen sind offen, die letzte dreht das Licht ab… Die anderen gehen ja arbeiten tagsüber, wenn ich aufstehe, ist außer mir oft nur Christine da, die als Künstlerin weniger rigide Arbeitszeiten hat.

So schlurf ich durch das leere Haus und setz mich mit meinem Frühstück auf die Terrasse. Ich weiß nicht genau, wie sekundär da mein Analphabetismus zugeschlagen hat, aber als ich im Geschäft gesehen hab, dass in der Schachtel zweiundfünfzig Sackerl mit Fertigporridge enthalten sind, hab ich noch die Division zum Einzelpreis hin geschafft, aber dass ich davon zwei Monate lang Frühstück hab, ist nicht ganz durchgedrungen. In Wahrheit war ich schon froh, da eine Quelle gefunden zu haben. Ohne Janes Küche in Melbourne hab ich in dem Wegwerfporridge eine zufriedenstellende Lösung des Frühstückproblems gefunden, die ich froh bin, nicht der Veränderung der kulturellen Rahmenbedingungen zum Opfer machen zu müssen. Zugegeben, es ist mehr, dass ich mir nix überlegen muss. Weil was die kulturellen Rahmenbedingungen schon zur Verfügung stellen ist ein Baguette, das ich letztens fast aufgenascht hatte, bevor ich damit daheim angekommen bin, weil das gut gemacht war.

Seit ich mit dem Tauchen angefangen hab, bin ich abends dann auch müde vom Tag. Wobei mich der Sonnenbrand Anfang der Woche am meisten hergerissen hat. Das war auch nicht schön anzusehen, weil ich nicht nur, dass ich ja theoretisch aus dem Winter komme, ich hab ja auch sonst eine schwierige Beziehung zur Sonne. Wer weiß, was ein Witchetty Grub ist, ist im Vorteil, wenn ich mich mit einem solchen vergleiche. Also halb Kellerblässe, halb Sonnenbrand. Solange mir niemand anerkennend auf die Schulter klopft, ist es trotzdem gemütlich. Zum Beispiel weil ich Brownies für die Abschiedsfeier des Portugiesen gemacht hab, was viel besser angekommen ist als das Bananenbrot ein paar Tage zuvor. Butter, Zucker, Schokolade… da braucht man den Leuten nicht mit Obst kommen.

Witchetty Grub

A propos Obst: während ich meine Zeit also verhältnismäßig gelassen im Garten sitzend verbringe, ist mir letztens aufgefallen, wie quasi jeder Baum hier ein mehr oder weniger exotisches Obst trägt. Wenn man s genau nehmen will (und immerhin ist das das Internet, da muss man bei sowas durchaus vorsichtig sein), ist es nicht immer Obst oder nicht immer ein Baum auf dem das Zeug wächst: Bananen und Kokosnüsse, Maracujas, Sternfrüchte (von denen eine etwas überreife mal mit ziemlichem Karacho neben mir vom Baum gefallen und am Boden zergatscht ist), Papayas und Mangos. Die Maracujas haben den Zenit wohl gerade überschnitten, aber vier, fünf gibt s noch jeden Tag, die Papayas ist gerade erst so richtig im kommen. Der Mangobaum hingegen wirkt nicht, als wäre er wirklich für den Ertrag gemacht, da hängen an einem Ast eher einmal ein Dutzend kleine Mangos als eine ordentliche. Und vom anderen Nachbarn wachst der Brotfruchtbaum herüber.

Die Brotfrucht haben sie letztens in den Griller gelegt, direkt auf die Kohlen und es hat trotzdem ewig gedauert, bis sie durch war. Geschmeckt hat s dann ziemlich nach Kartoffel, aber, wie viele am Tisch beteuerten, das war wohl auch, weil sie zur Zubereitung kiloweise Butter drunter gemischt haben und das ganze dann bisschen Kartoffelpüree gewesen ist nur halt sans Kartoffel.

Paradiesische Zustände? Na ja, nicht wenn ich mir von den Ärztinnen über den Zustand des Gesundheitsbewusstseins auf der Insel erzählen lasse. Und wie das polynesische Gesundheitssystem nicht das Niveau des französischen hat. Oder von der Sozialarbeiterin Bilder gezeigt bekomme, wozu auch auf Tahiti soziale Isolation führt. Meine Probleme sind zugegebenermaßen etwas weniger dringend und tendenziell insektenbezogen. Die Gelsen sind recht eine Plage, meine Füße sind mit Bissen übersäht und heute bin ich tatsächlich aufgewacht, weil mich eine in den Arm gestochen hat. Da hab ich mir schon gedacht, irgendwo hört sich der Spaß auf. Sonst checke ich halt jetzt im Bad noch bevor ich das Licht andrehe oder die Klodeckelposition ändere, ob da nicht eine Küchenschabe sitzt. Aber ja, insgesamt: bof.

Finken am Futtern und Flüchten

Die meiste Aufregung hat uns die Nachbarskatze verschafft, weil sie ihre drei Kätzchen lieber bei uns großzieht als im Nachbarsgarten, wo ein Hund und eine Handvoll andere Katzen für Unruhe sorgen. So haben wir Katzenbabies bekommen: whoot! Letztens hat ihnen die Mutter eine halbe Ratte vorbeigebracht, nur dass ich das zuerst nicht erkannt hab und den Eindruck hatte, die spielen mit einem Kabel. Aber nein, die eine ist dann ein bisschen auf die Seite und dann hab ich gesehen, dass da Füße dran sind und überhaupt, dass an den zwanzig Zentimetern Rattenschwanz noch eine halbe Ratte dran hängt. Und in der Einfahrt liegen die Schwungfedern eines Finken (Lonchura castaneothorax), die ihm zuletzt wohl den notwendigen Aufschwung vorenthalten haben. Aber ur herzig. Und so unglaublich leicht, wenn man sie einmal zum Hochheben erwischt. Mittlerweile sind sie zwei von dreien auch schon vercheckt und wahrscheinlich haben sie da ziemlich ein Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Die Mutter wird Mimi gerufen und ich weiß nicht, ob sie so heißt oder ob das unter FranzösInnen eine generische Katzenbezeichnung ist. Aber in erster Linie (und nicht französisch ausgesprochen): moi!

Wer will noch was zur Vogelwelt lesen? Die „Honigfresser“, die mir in Australien so ein Novum gewesen sind, hab ich bisher echt in jedem Land gefunden, das ich seit dem besucht habe. Noch dazu schauen sie sich von Sumatra bis Tahiti relativ ähnlich und ich erinnere mich, schon mit dem einen in Australien Bestimmungsschwierigkeiten gehabt zu haben. Also zurück an den… Identifikationstisch. Und ich bin natürlich jetzt überhaupt nicht sicher, was ich damals gesehen habe. Aber was ich nicht bestimmt hab und sicherlich auch in Tin Can Bay gesehen hab, das ist der Hirtenmaina. Ich mein, den Namen hätten wir uns gemerkt. Aber das macht natürlich Sinn, weil der als extrem invasive Spezies beschrieben wird, nicht nur im Durchsetzen sondern auch im absichtlich Aussetzen. Also: Common Myna. Schaut jetzt nicht ur wie ein Hongfresser aus, hätte ich ein Bild gehabt, wäre das wohl schnell einmal aufgeklärt gewesen.

Außerdem gibt s diese kleinen Tauben, Sperbertaube (Geopelia striata). Dabei dürfte ich, nur weil sich s anbietet, in Australien das Friedenstäubchen (Geopelia placida, der deutsche Name ist ja wohl etwas herablassend) richtig bestimmt haben. Nah verwandt auf jeden Fall, die deutsche Wikipedia sagt, manche AutorInnen sehen in ihr eine Unterart der Sperbertaube. Die englische Wikipedia wiederholt diese Aussage und ergänzt until recently. Die Tauben laufen auf jeden Fall viel am Boden herum, was mir gut gefällt, weil es meine Dinosaurierassoziation erleichtert. Dann gibt s noch diesen Finken, von denen die Katzenmutter einen erledigt hat. Und den Rußbülbül (Pycnonotus cafer), der sich auch wiederum vor allem dadurch hervortut, dass er als extrem invasiv beschrieben wird. Und ich hab noch gedacht, schau, was für ein schöner einheimischer Vogel. Aber vor allem gibt s Unmengen von Hühnern. Zumindest auch nicht einheimisch, wenn schon nicht invasiv in dem Sinn. Invasiv vielleicht in meinen Schlaf, das schon, ich wach tatsächlich immer noch mit dem Hahnenschrei auf. Aber ich steh nicht auf sondern schlaf weiter, weil das ist üblicherweise etwas zu früh. Aber schon schön, die Hähne, wie die glänzen und schillern. Und wild, die Krallen.

Skeptischer Hahn

Ich bin immer noch nicht in Pape’ete gewesen, aber ich gehe regelmäßig die Straße hoch zur Marina für meine Tauchstunden. Und dort sitzen immer wieder Leute, die Mangos, Ananas und Honig in Flaschen verkaufen. Wobei ich selbst auch immer wieder mal eine ordentliche Mango einfach auf der Straße finde, weil die dort vom Baum gefallen ist. Und dafür, dass die hier so aufklaubbar sind, finde ich die vier Euro, die dafür verlangt werden, doch ein bisschen heftig. Interessant übrigens, dass in der Bevölkerung das Blumen-im-Haar-Tragen total wirklich praktiziert wird. Es gibt im Supermarkt auch künstliche, die man sich ins Haar spangerln kann, aber nachdem überall die großzügigsten Blüten sprießen sind s in der Regel doch wohl meistens echte.

Zur Marina rauf ist es eine knappe Stunde. Und dann wieder eine Stunde runter, aber das ist meine Bewegung. Komisch eigentlich, dass ich mir denke, dass es für einen echten Ausflug ins Landesinnere einfach zu heiß sei, ich aber trotzdem meinen Weg marschier. Es gabert sogar einen Bus, aber das erschien mir bisher tatsächlich als der größere Aufwand herauszufinden, wie der funktioniert. Dafür hab ich letztens mit einem Sonnenbrand bezahlt. Nämlich den Sonnenbrand im Gesicht. Den Sonnenbrand am Rücken hab ich mir in den zehn Minuten geholt, in denen ich mit nacktem Oberkörper am Boot gesessen bin, mit dem wir zu unserer Tauchstelle gefahren sind. (Sagt man gefahren für ein Boot?) Danach hab ich den Anzug zugezippt und die Sonne hat quasi keine Chance sonst irgendwann zu meiner zarten Engerlinghaut durchzudringen.

Oh, aber Tauchen! Ich war jetzt dreimal in der Lagune tauchen und einerseits versteh ich ein bisschen besser, was eine Lagune ist, und wie das in echt ausschaut, was komisch ausschaut, wenn man s auf einer Landkarte sieht und zweitens ist das schon unglaublich. Es ist nämlich wirklich unglaublich. Allein die Farbe, die das Meer hat. Ich war erst ein wenig perplex, bis die eine Taucherin meinen Blick gesehen hat und gemeint hat, es sei wohl wie ein Swimming Pool. Ich war ein wenig sprachlos auf der Suche nach einem Vergleich und dieser kam mir etwas banal vor. Aber es stimmt halt trotzdem: Das Meer ist da etwa sechs Meter tief und es hat eine Farbe wie Schlumpfeis. Das Wasser ist so klar, dass am Boden das Licht tanzt. Und so wie an den Straßenränder Zimmerpflanzen wuchern, so schwimmen schon im Yachthafen die Aquarienfische herum. Und natürlich die paar hundert Meter, die ich bisher draußen gewesen bin: mehr Aquarienfische. Insofern hab ich in meinem Tauchbuch unter der Ortsbezeichnung dann auch L’Aquarium hingeschrieben. Wobei das mehr die kontrollierten Umstände beschreibt, unter denen ich dort atmen lerne.

Das ist erstaunlich schwer. Selbst wenn ich meine Erfahrungen jetzt auch schon jenseits der Lagune sammle, so zu atmen, dass ich in einer Ebene bleibe, ist nach wie vor die größte Herausforderung. Immerhin hab ich die leichte Panik abgelegt, die mich anfangs bei dem Gedanken, dass ich zehn, zwanzig Meter unter Wasser für eine halbe Stunde und länger aus einer Flasche atme, durchflutet hat. Dieser eher theoretische Gedanke wird relativ schnell von der Praxis eingeholt, wo man einfach merkt: Es geht halt. Und jetzt sammle ich dann ein bisschen Fische: Noch bevor ich das allererste Mal unter Wasser getaucht bin, hab ich schon einen Stachelrochen durchs Wasser hab huschen sehen. Kurz darauf ist uns ein interessanter, aber mir mir im Nachhinein unbestimmbarer Fisch über den Weg und den Lagunenboden gekrabbelt. Am Tag darauf haben wir dann einen Feuerfisch aufgespürt, der sich in einem Riff versteckt hat. Aber dann raus aus der Lagune ist schon nochmal was anderes, allein weil wir in einer halben Stunde vier Schildkröten getroffen haben und das ist schon was ziemlich cooles.

Ich hab insgesamt Fotos gemacht bisher, aber vor allem von unter Wasser gibt s jetzt erst einmal welche aus dem Internet.

Sonst tu ich mir zum Beispiel noch ziemlich schwer, einmal unter Wasser, TaucherInnen von einander zu unterscheiden, aber insbesondere verschwimmen (haha!) mir die TauchlehrerInnen leicht einmal alle in zirka die gleiche Person. Nicht nur, dass die LehrerInnen in den Anschauungsvideos (die ich mir mit ZeugIn bestätigen musste, angesehen zu haben) genauso ausschauen, wie die in echt, ich hatte auch gestern einen anderen als heute, aber unter Wasser, hinter der Brille, mit dem Luftschlauch im Mund schauen sie alle bisschen gleich aus. Und von der Gestik her gibt s auch nicht viel Spielraum, nachdem alle Bewegungen zur Kommunikation mit großer Deutlichkeit gemacht werden. Darin muss irgendwo der Grund liegen, warum Taucherbrillen in Neonfarben auch für Erwachsene zu haben sind.

Insgesamt bin ich von der ganzen Eine-Neue-Fertigkeit-Erlernen fasziniert. Einerseits einfach, weil ich einer Didaktik ausgesetzt bin, weil ich Sachen gesagt und gezeigt bekomme, die ich dann wiederhole und später nochmal abgefragt werde. Aber auch weil es nicht in erster Linie kopfig ist sondern von mir Körperkontrolle oder halt Gestaltung von Muskelgehirn verlangt. Und auch, wo man ein bisschen in eine Gemeinschaft eingeführt wird, die ihre eigene Sprache und Gestik, ihre eigenen Werte und Bedeutungen mit sich bringt. In diesem Zusammenhang kann ich vielleicht auch feststellen, dass ich meine schicken Schwimmbadehosen letztens heimgeschickt habe. Aber jetzt vermiss ich sie fast. Einerseits sind die Franzosen wohl einfach ein bisschen näher an der Spandex-Badehose-Kultur als die Anglophonen, aber es ist auch eine Frage des In-den-Anzug-Hineinkommens.

Auf der anderen Seite erlebe ich die Verantwortung, die ich dabei für mich übernehmen muss als eine große Herausforderung. Also, nicht „Herausforderung“-Herausforderung. Aber es war ein bisschen unerwartet, als ich gestern meine Ausrüstung gecheckt hab, meine Luft und meinen Druck und dass alles richtig angeschlossen ist und funktioniert. Und es dass dann gewesen ist, der eine Anleiter hat mich gefragt, ob ich dieses und jenes gecheckt hab und ich sag ja. Und er sagt passt. Und das war s dann. Da hab ich ein bisschen gemerkt, ja, ich tu das nicht, damit ich die Checklisten in der richtigen Reihenfolge durchgehe, die ich am Tag davor gelernt hab. Sondern ich tu das, damit meine Sachen gecheckt sind, weil jetzt dann mein Leben davon abhängt, dass das Gerät mir erlaubt, unter Wasser zu atmen. Ich mein, ja, so schlimm ist es jetzt noch nicht, aber es hat einen Unterschied gemacht und ich hab ein bisschen gemerkt, dass ich immer noch ein bisschen mehr lern, weil s gelernt gehört und nicht, sagen wir mal: mit Anwendungsorientierung.

Auch sonst merke ich im übrigen die Abnutzungserscheinungen an meinen Gerätschaften. Innerhalb der letzten Woche hat mir in einem T-Shirt der Stoff der Belastung (Dauernutzung, Wäschetrockner) nachgegeben, das Leder meiner Waldviertler reißt an verschiedenen Stellen durch und heute sind hat sich mein linker Kopfhörer verabschiedet. Auf der anderen Seite bin ich grad bisschen viel mit Administration von meinem daheimgelassenen Leben beschäftigt und höre regelmäßig mal den Falter Podcast oder ein Ö1 Journal. So bin ich grad in einem relativ regelmäßigen Leben, wo ich Termine hab und wo ich zumindest via proxi einen Rhythmus von Arbeit und Wochenende erlebe. Hingegen erlebe ich auch den Bezug zu Österreich gerade etwas intensiver, auch wenn (oder weil) sich manches davon langsam auflöst, wenn s auch nur ein Schuh ist, der sich Stück für Stück verabschiedet.

Warte, wenn der Mond in der Nähe des Äquators in der Senkrechten sichelt, das bedeutet dann wohl für die Südhalbkugel… und ich hab das jetzt ein halbes Jahr nicht überrissen?

_y___y (2/2)

Nach dem Museum war ich abends kurz einmal in einer Bar in der Nachbarschaft vorbeischauen. Weil immerhin, am Tresen sitzen und den einen Leuten beim Arbeiten und den anderen beim Entspannen zuschauen, da hab ich gewissermaßen eine Routine darin. Ich hab mir gedacht, die Barkultur in Sydney, da sollte ich rein aus touristischen Gründen einen Blick hineinwerfen. Hat mich auch Überwindung gekostet letztendlich, dass ich mich dazu aufgerafft hab. Ich glaub ich hab dem Barkeeper dann gleich einen falschen Eindruck gemacht, weil ich irgendwie gemeint hab, ich mach das nicht so oft, dass ich mir eine Manhattenvariation hinstellen lasse, aber das war wirklich nur gemeint, ich hab schon lange keinen Drink in dem Sinn gehabt. Er aber, aufmerksam, dass sich hier ein Mann allein an die Bar setzt hochprozentiges ins Glas bestellt, hat mich gleich gefragt was meine Geschichte sei. Nein, nein, hab ich gemeint, das auch wieder nicht und gleich einmal einen Felgeaufschwung auf die Metaebenegemacht, als ich gesagt hab, dass das schon ein guter Job ist, das Barkeepen, weil man in wenigen anderen Berufen dazu kommt, dem Gegenüber mit diesem Satz zu kommen: Was die Geschichte sei. Und es ist ein guter Satz. Wie ich s gesagt hab, hab ich mir gedacht, dass natürlich eine qualitativ arbeitende SozialwissenschaftlerIn durchaus auch einmal in die Situation kommt, die Person gegenüber zu fragen, was ihre Geschichte sei. Insgesamt steckt man vielleicht mehr Aufwand in die Gestaltung des Leitfadens. Aber vielleicht haben Leute in ihre BarkeeperIn mehr Vertrauen als in die Person mit dem Aufnahmegerät und der Einverständniserklärung.

Oh, ich hab mich dann gleich noch ein bisschen wichtig gemacht, mit meinem Wissen, den Whiskey gelobt, einen Rye von den Woodford Reserves, von denen ich zwar nur den Bourbon kenne, aber der steht ja auch beim mir daheim an der Wand. Und dann haben die wilden Franzosen, die neben mir zugange waren, den Picon im Regal entdeckt und haben sich ein Picon Bière gewünscht, wo ich sofort nickend unterstützt habe, dass das eine gute Sache sei und so weiter. Im Element? Na ja, ein bisschen hab ich schon gesehen, dass ich da was gelernt hab, die letzten Jahre. Und dann war ich, ich würde gerne sagen, weil sie um zwölf zumachen, plötzlich der letzte Gast. Am Ende bin ich vielleicht noch ein bisschen dings, wehmütig geworden.

Noch ein Abend in Sydney. Der Himmel, sind wir uns einig, ist auf der Südhalbkugel besser.

Am nächsten Tag bin ich früh aufgestanden, weil ich hab mir einen Ausflug zu den Buckelwalen geleistet. Also bin ich auf, während die Leute in meinem Zimmer noch tief geschlafen haben, sich von ihren jeweiligen Samstagabendexzessen erholend. Das wilde Bubenzimmer am Ende des Gangs… Aber stimmt ja auch gar nicht. Wir sind alle ähnlich gegen Mitternacht daheim gewesen in Wirklichkeit. Die wilden Geschichten hab ich dann erst einen Tag später gehört, als ich auf der Couch im Gemeinschaftsraum gesessen bin und da schräg gegenüber eine Schottin gesessen ist, die laut und relativ freizügig von den Abenteuern ihrer Partie erzählt hat. Aber das tut hier nichts zur Sache und ich hab ihr wirklich mehr wegen ihrer blumigen Sprache zugehört.

Auf dem Weg zum Hafen hab ich mir noch schnell eine Seekrankheitstablette eingeworfen, von denen ich für die Überfahrt nach Steward Island eine Schachtel gekauft hab. Ich bin immer noch nicht sicher, wie man die nimmt und – um hier ein wenig vorzugreifen – ich bin mir mittlerweile recht sicher, dass man die nicht prophylaktisch nimmt. Weil ich hab mir nicht wirklich eine Schachtel gekauft, das sag ich nur, weil ich nicht weiß, wie das heißt, diese silberne Dings, wo man die Tabletten rausdrückt. So eins hab ich mir gekauft, deshalb hab ich auch keine Packungsbeilage. Und ja, ich hätte eigentlich mal nachschauen können. So hab ich eine von den nach Ingwer schmeckenden Tabletten mehr oder weniger so geschluckt. (Und das ist mir ja von Anfang an komisch vorgekommen, dass ich die schlucken möchte, wie die, die so wunderbar auf dem Weg zum Great Barrier Reef gewirkt haben, und sie aber Geschmack haben.) Wie gesagt, vorzugreifen: es ist mir sehr bald sehr schlecht geworden auf dem Walschiff.

Wir sind rausgefahren aus der Bucht und dann merkt man relativ schnell, was man an einer solchen Bucht hat. Nämlich kaum einen Wellengang, which is nice. Es war schon ein schöner Ausflug, die Crew war auch gut aufgelegt und sowohl witzig als auch informativ. Die Walbeobachtungsboote haben so einen Kodex, ich glaub, es werden normalerweise dreißig Meter Abstand gehalten und ab dem dritten Boot dann hundert Meter. Und wenn Kälber dabei sind, dann überhaupt von Anfang an hundert Meter und so weiter. In der Praxis wird das natürlich relaxter gehandhabt, weil die Leute wollen ja einen Wal sehen. Aber immerhin gibt s einen Standard. Natürlich erzählt der Erzähler von den wirklich tollen Begegnungen, weil wenn ein Wal in unmittelbarer Nähe des Boots auftaucht, dann muss das Boot stehenbleiben und dann kann der Wal auch machen was er will und wenn er interessiert ist, dann taucht er halt ein bisschen um das Boot herum und alle auf dem Boot freuen sich. Aber so was hatten wir natürlich nicht. Schade auch, weil wenn er das so erzählt, dann glaubt man ja ein bisschen daran, dass das heute passieren wird.

Aber der Delfin, der direkt neben uns auftaucht, der ist nicht strafbar

Die Buckelwale also sind auf dem Weg von der Antarktis in wärmere Gewässer um sich dort entweder fortzupflanzen oder Kinder zu bekommen. Was mir gerade in den Sinn kommt und nicht angesprochen war, warum die Jungtiere auch diesen Weg auf sich nehmen. Weil mit sechs glaub ich hat er gesagt, werden sie geschlechtsreif und im Alter von drei oder vier machen sie diesen Weg zum ersten Mal alleine, vorher sind sie im Gruppenverband mit der Mutter unterwegs. Und prinzipiell sind sie allein unterwegs, nur eben mit Kindern sind sie mal zu dritt oder so. Die große Ausnahme ist, wenn ein paarungsbereites Weibchen ein dutzend Bullen hinter sich herzieht, die sich um Dominanz prügeln. Aber ja, wird wohl irgendwas entweder mit Trieb zu tun haben, wo sie sich gleich einmal gewöhnen, diesen Weg zu gehen, auch wenn sie im Norden kaum was zu essen finden, im Vergleich zu den antarktischen Gewässern. Er hat gesagt, so eine Mutter isst quasi nichts, während sie ihr Kind säugt bis sie wieder zurück in der Antarktis ist. Aber vielleicht hat das doch eine Schutzfunktion, wenn die Jugendlichen nicht allein zurückbleiben und sie Verwandte in Reichweite haben. Weil hören tun sich die ja über hunderte Kilometer, bis nach Queensland rauf, hat er gesagt. Das ist quasi die ganze Ostküste Australiens entlang. Und zwar nicht jetzt immer nur Walgesang, sondern auch wenn jetzt herunten in Sydney einer mit der Flosse auf die Wasseroberfläche klatscht. Ich denke mir dann immer, dass da ja ein irrer Krach sein muss, wenn jeder Scheiß so gut zu hören ist und wie man das als Wal rausfiltert, was da die interessante Information ist und was nur jemand, der vom Luxusliner gefallen ist. Da kann man vielleicht noch was lernen von denen.

Wir sind also einmal in die Richtung eines anderen Walbeobachtungsschiffs gefahren, das den Eindruck gemacht (oder den Funkspruch durchgegeben) hat, dass sie einem Wal zuschauen. Und ist tatsächlich auch gewesen, aber die bleiben bis zu einer Viertelstunde unter Wasser, und so einen Tauchfan haben wir da wohl erwischt gehabt. Also bisschen Wasser in die Luft stoßen, dann abtauchen und Fluke zeigen. Das ist schon was wert, ganz ehrlich, aber mir war da schon schwummrig und ich hab viel auf den Horizont geschaut und mir nicht so viel Gedanken darüber gemacht hab, wie die Walteile, die ich zu sehen bekomme unter Wasser weitergehen. Wie so viele Beeinträchtigungen ist es auch bei der Seekrankheit schwer vorzustellen, wie sehr man darunter leidet und dass man dem überhaupt zum Opfer wird. Neben mir hat da eine Italienerin darauf verzichtet, hier weiterhin die Standhaftigkeit zu mimen und ihr Sackerl vollgespieben. Aus dem akustischen Äquivalent von Augenwinkel – weil ich hab da dezidiert in die andere Richtung geschaut – hab ich mitbekommen, dass es ein bisschen Probleme mit dem Verschließen des mit patentiertem Drehverschluss ausgestatteten Kotzbeutel gegeben hat. Auch wenn das Ergebnis super ist und man nur eindrehen und einklemmen muss, vielleicht sind die ErfinderInnen zu sehr von Geistesgegenwart ausgegangen, als in der Situation üblicherweise zur Verfügung steht. Aber ich bin da schnell ein paar Schritte weiter gewankt, um die Evakuierung zu erleichtern und selbst besseren Relingszugang zu bekommen. Das würde mir, hatte ich die Hoffnung, gut tun.

Als Symbolfoto eine Buckelwalfluke vor der Skyline von Sydney. So heißt es zumindest in der Stockfotobeschreibung.

Schnell derer enttäuscht, hat sich mir kurz darauf bereits der nächste Silberstreifen in Form eines Wals gefunden, der nah genug aufgetaucht ist, dass wir stehengeblieben sind. Das waren sicher kaum fünfzehn Meter, dass der da vor uns Wasser gespritzt hat und dann wieder abgetaucht ist. Wie gesagt: beeindruckend schon, aber ich nicht in der Verfassung, das zu genießen. Ich hab noch ein bisschen probiert, von meinem Fernglas zu profitieren, aber es ist so schon nicht einfach, einen Wal zu erwischen, wenn er für seine fünfzehn Sekunden aus dem Wasser auftaucht. Dementsprechend schwieriger ist es, wenn man sich mit dem Fernglas den Ausschnitt noch reduziert. Außerdem war meine Aufmerksamkeit yogigleicher Körperbeherrschung gewidmet. Und so wäre ich beinahe überhaupt der Qual menschlichen Daseins gen Nirvana entflohen, hätten mich Neid und Frust gegenüber alle jenen, die in fröhliche Unterhaltungen vertieft keine Anzeichen von Seekrankheit zeigten, mich nicht im Hier und Jetzt gehalten.

Zu meiner Erleichterung wurde dann zur Rückkehr gepfiffen. Um all jene, die diese Entscheidung nicht mit Dankbarkeit empfingen, vielleicht noch für die magere Walsichtungsausbeute zu entschädigen, sind wir dann noch zu den Felsen gefahren, auf denen üblicherweise die Robben rumliegen. Woraufhin ich mich mithilfe meines Mantra des Es-muss-doch-jetzt-gleich-einmal-vorbei-seins wieder dem Ausgleich meiner inneren Organlandschaft gewidmet habe. Und die Robben waren eh nur zwei dunkelbraune Flecken auf helleren Steinen unterhalb eines Steilhangs. Aber die Kameras klickten bereits was das Zeug hielt. Ich dachte daran, dass ich in Neuseeland quasi über diese Tiere drübergestiegen bin, auf der Suche nach den kleinen Pinguinen und hab mich als einziger weiter an der Reling gegenüber wie auch an meinem Magen festzuhalten.

Mit der Einfahrt in die Bucht war dann relativ schnell Entspannung da, wie gesagt, der Seegang, das macht schon was aus. Tags zuvor hab ich eine Plakette gelesen, auf der die Bucht von jemandem gelobt wurde, was sie nicht toll ein großartiger natürlicher Hafen sei, in dem hunderte Linienschiffe ohne großen Aufwand sicher verankert werden können. Daran hab ich gedacht, während es geheißen hat, leider müssen wir noch eine Runde drehen, weil der Hafen so busy ist. Weil der Hafen selbst ist nämlich relativ klein, auch das hat der Mann auf er Plakette für die Nachwelt festgehalten. So sind wir noch unter der Brücke durch und dann war ich. Wirklich. Schon. Sehr. Froh, den berühmten festen Boden unter den Füßen zu haben.

Aber weißt du was. Ich würde wieder. Weil ich weiß doch, dass das eine Gewohnheitssache ist und als ich festgestellt habe, dass Leute hier auf Schiffen anheuern, hab ich mir sofort gedacht, das wär was. Oder als ich gesehen habe, dass ich meinen Bootsführerschein machen kann, hab ich mir auch gedacht: super. Aber nachdem ich nicht weiß, zu was mich das wirklich ermächtigt und zehn Tage dauert, hab ich zumindest den Bootsführerschein jetzt einmal verschoben. Außerdem vergisst man ja schnell, wie hilflos man gegenüber diesem Gefühl ist. Ha!

Neben dem Botanischen Garten hat sich ganz hübsch der Gouverneur von New South Wales eingerichtet. Also, die englische Königin hat ihn da eingerichtet.

Den Nachmittag hab ich dann damit verbracht, meinem Körper diesen Mulm auszutreiben. Dazu war ich im Botanischen Garten spazieren, der sich wie gesagt über ein enorm großes Gelände erstreckt und viel davon auch viel mehr Park ist als sonst was. Aber dann wiederum haben sie dort so ein Glashaus, in dem eine Ausstellung zu fleischfressenden Pflanzen gewesen ist, wiederum ganz schön gemacht, fand ich. Klein zwar, aber natürlich bei freiem Eintritt, nur immer wieder mal eine Spendenbox aufgestellt. Das ist mir schon aufgefallen, dass nicht nur beim Eingang eine Spendenbox stand, sondern auch in der Ausstellung und beim Ausgang. Und man mag jetzt sagen, dass das viele Spendenboxen sind. Ja, schon. Aber ich hab nett gefunden, dass es Spendenboxenpositionen gibt, wo nicht ein Personal daneben steht. Man kann dann besser anonym vielleicht nur einen Dollar oder was einwerfen, ohne dass man jemandem gegenüber steht, vor dem man sich vielleicht dafür rechtfertigen möchte. Wär witzig, einen Blick in die Boxen zu werfen um zu sehen, ob die sich deutlich im Münz-Scheinverhältnis unterscheiden…

Besondere Beachtung bitte den Hintergrund, wo einfach ein paar Meter in die Senkrechte begrünt und beblumt und bemustert wurde.

Langsam geht die Sonne unter und ich liege auf der Wiese und schaue mal in den Himmel, mal auf mein Telefon, weil ich Nachrichten nachhause schreibe. Daneben höre ich den Vögeln zu und beobachte dann und wann auch, wenn einer um mich herumhüpft und vielleicht ein Käferchen aus der Wiese pickt. Es ist gemütlich und ikonisch mit dem Sydneypanorama vor mir.

Ja… ich mein. Blau halt. Das haben sie schon hübsch gemacht…

Tags darauf hatte ich keine großen Pläne, weil ich schon in der Vorbereitung von meinem Sydneyaufenthalt eine Karte für die Madama Butterfly gekauft hatte. Deshalb bin ich am Vormittag nur einmal Richtung Westen geschlendert, um abseits meiner Nord-Süd-Achse, auf der ich von meinem Hostel in die Innenstadt gehe, auch ein bisschen Sydney zu erkunden. Latent hatte ich das Aquarium und den Fischmarkt im Kopf. Fischmarkt irgendwie immer was aufregendes und bietet um kein Geld eh ein ähnliches Abenteuer wie das Aquarium. Ich war nicht darauf vorbereitet, was da im Fischmarkt los war. Ich hab gedacht, da wird eine große Markthalle sein und drinnen sind die Standler und ich lauf da ein bisschen durch, als einer von wenigen, die nicht hier sind, um sich einen Fisch zu kaufen. Nun. Es ist dann zwar eine große Markhalle gewesen, aber ziemlich durchorganisiert. Da waren drei oder vier Fischgeschäfte drinnen, die alle etwa gleich strukturiert waren. Für mich am aufregendsten und vielleicht auch Grund für viele von den AsiatInnen und asiatischstämmigen AustralierInnen, denen ich hier begegnet bin – nämlich sicher acht von zehn Leuten, die im Fischmarkt unterwegs waren – war, dass jedes Geschäft eine Sashimibar hatte. Oh yeah. Da geht man dann hin und sagt, das und das und das. Und sie sagt: aufschneiden. Und ich sag: ja bitte. Und dann hab ich einfach eine Tasse mit meinem rohen Fisch bekommen, ein Töpfchen Sojasauce mit Wasabi drin und kein Reis und nix sonst. (Da hab ich mir noch einen chinesischen Algensalat gekauft, der war sehr gut.) Damit hab ich mich in die Sonne gesetzt und das war wirklich sehr gut. Auch nicht viel billiger, als der Eintritt in das Aquarium gewesen wäre. Ich hatte zwei Ich-glaub-Jakobs-Muscheln, die sie horizontal halbiert hat, die waren ein Traum. Nein, das war sehr gut, wenngleich es mir schon ein wenig absurd vorgekommen ist, dass ich tatsächlich einfach einen Teller voll ungewürztem, rohem Fisch esse. Es hat schon was faszinierendes, auch wenn ich Sushiessen jetzt nicht unter der dubiosen Kategorie Exotisches einordnen würde. Auf die Austern hab ich dann verzichtet, weil ich mich tatsächlich ganz gut angegessen hatte, mit meinem Sashimi. Das tut mir schon ein bisschen leid, auch wenn ich wahrscheinlich auch das Gefühl hatte, dass das ein bisschen eine soziale Unternehmung sein sollte und allein Austern essen irgendwie… weiß nicht. Ich glaub, die Idee, sich an Austern satt zu essen kam mir ein bisschen unziemlich vor, von wegen Luxuskonnotation und so. Und es hätte noch viele Alternativen gegeben gegrilltes, gebratenes, überbackenes…

Ich bin ja dagegen, sein Essen zu fotografieren: deswegen gibt s leergegessenes Sashimigeschirr.

Am Abend gab s dann dann die Madama Butterfly. Erstens hat s mir wirklich gut gefallen. Ich mein, das ganze Setup war ein bisschen ungut, weil die Übertitel nur wenige Meter näher an der Bühne waren als ich und ich mich ziemlich hab winden müssen, um lesen zu können, was gesungen wird. Auf der anderen Seite, quasi zweitens, ist die Sydneyer Oper sehr bemüht und nicht nur dass sie mir eine Woche vorher Hintergrundinformationen per Mail geschickt haben, hat auch jede BesucherIn ein Programm bekommen in dem einige Informationen enthalten waren, nicht zuletzt eine Übersicht über die Handlung der drei Akte. Insofern war der Handlung durchaus zu folgen. Vor mir ist eine Sagen-wir-Achtjährige mit ihren Eltern gesessen, ich glaub, für die ist sich der Blick auf die Übertitel nicht mehr ausgegangen. Die hat sich dann auch bald einmal schlafen gelegt. Aber die Eltern haben trotzdem interessiert geschaut und es war ja auch schön gesungen und man hat doch noch das meiste gesehen, was auf der Bühne passiert. Ja, es gibt auch billige Plätze im Joan-Sutherland-Theatre. Außerdem gibt s geförderte Sitzplätze, das hab ich schon auch wieder gut gefunden. Da gibt s Sponsoren, die dann verschiedenen benachteiligten Gruppen Zehn-Dollar-Plätze ermöglichen. Aber ja, ich hatte nicht ideale Sicht, aber immerhin keine Säule, wie ich befürchtet hab. Ich glaub, es gibt da gar keine Säulen, so modern ist die Oper.

Als Opern noch aus Beton gegossen wurden.

Gutes Programm ansonsten auch, weil es in Australien, mit dem großen Anteil an asiatischstämmigen EinwohnerInnen vielleicht ein bisschen sensibler ist, diese Geschichte zu erzählen, von der Japanerin, die im All-Inclusive-Deal mitsamt dem Haus an einen Amerikaner verkauft wird, um dann von ihm stehengelassen zu werden wie die reinste Medea. Weil an die hab ich schon immer wieder mal denken müssen. Und in diesem Vergleich mit Medea ist es natürlich auch nochmal mehr eine Kolonialisierungsgeschichte. Ms Pinkerton gibt übernimmt die amerikanische Kultur, was in erster Linie heißt, dass sie zum Christentum konvertiert und amerikanisches Eherecht für sich in Anspruch nimmt. Aber wurscht, weil sie trotzdem ignoriert wird. Tragischer vielleicht als Medea, weil die sich in ihrer Verzweiflung zumindest wehrt während sich Cio-Cio-San (Ms Butterfly ist ja wohl ihr Sklavenname) begegnet ihrem Schicksal mit Autoaggression, d.h., sie schafft lieber sich selbst aus dem Weg statt der Familie. Und als in der allerletzten Szene, als sie sterbend daliegt, noch der Herr Pinkerton bei der Tür reinkommt und sie in den Arm nimmt, da wär es schon gut gewesen, wenn ihm wer was an den Kopf wirft. Nicht mal allein sterben darf sie sondern muss noch mit dem Schuldgefühl von ihrem blöden Gatten konfrontiert werden. Da war ich schon aufgewühlt. Aber diesmal halt im Gefühl statt im Magen.

Zwar hat das Gebäude zunächst schon eng gewirkt, aber da wird sich der Architekt was gedacht haben, weil nachdem s aus war, sind wir in nullkommanichts draußen und zerstreut quasi auch schon gewesen.

Anyway. Die Cio-Cio-San ist von einer Asiatin gespielt worden, während viele in ihrem Stab von EuropäerInnen dargestellt wurden, jetzt: phäno– und idealtypisch. Zuerst hab ich gedacht: das ist schon ok. Dann hab ich gedacht: muss wohl jede asiatisch aussehende Sopranistin die Cio-Cio-San spielen? Ist nicht so einfach… Wahrscheinlich haben sie s ganz gut gelöst, dass die Verwandtschaft und sonstige japanische Bevölkerung mehr durch ihre Kleidung als durch ihre Gesichtszüge als solche erkennbar gemacht wurden.

Na und sonst hat mir auch das Bühnenbild ganz gut gefallen. Nicht wirklich was besonderes, also, hat man alles schon gesehen: sich drehende, asymmetrische Plattform von einem weiteren, sich drehenden Ring umgeben. Und von den Wänden große Projektionsflächen, die je nachdem eine abstrakt die jeweilige Umgebung und/oder Stimmung dargestellt haben. Auch hier gab s natürlich so einen Moment, wo dann japanische Schriftzeichen herumgeflogen sind und ich hab mir gedacht, die können sich hier wohl kaum leisten, hier einfach nur für ein exotisches Flair zu sorgen, das muss schon auch eine Bedeutung haben, wenn die da so aufgereiht, anscheinend in Sätze geformt über die Leinwände driften.

Ich mein, es ist schon ein bisschen ein TouristInnenprogramm, natürlich. Aber dafür hatten sie im Eingangsbereich auch eine Weltkarte aufgestellt, wo man sich mit einem Pickerl hat eintragen können, woher man kommt. Und wenig überraschend haben wir wenige Gäste aus Afrika, Zentralasien oder Südamerika da gehabt. Hingegen war Europa, Japan oder auch die Pazifikküste der USA ziemlich zugestickert. Aber auch Australien und vor allem Neuseeland. Vielleicht gehört das dazu, dass ich hier ja selbst in der BesucherInnenrolle war, aber ich fand s aufregender, als das eine Mal, als ich in der Staatsoper in TouristInnenbegleitung Fidelio gesehen hab.

Wer ganz genau aufpasst, kann hier das Kreuz des Südens über dem Dach der Oper erkennen: etwa ein Drittel von links rein und bisserl über der Hälfte. Man sieht einen Stern gut, einen eher gut, einen eher schlecht und einen schlecht. Und für ein fünfteiliges Kreuz wie auf der Fahne sieht man einen weder/noch.

Den letzten Tag in Sydney hab ich dann auf der Post, im Park und im Zaubermuseum verbracht. Eigentlich hätte es andersherum sein sollen, aber als ich kurz vor der ausgemachten Zeit vor dem Zaubermuseum stand, war da nichts. Also nicht gar nichts. Ein bisschen hab ich zwar schon gedacht, ah, der wird jetzt um halb punktgenau in einer Staubwolke erscheinen. Oder sowas in der Art. Aber war nicht. Fünf vor halb hat mich die Bürokraft angerufen und gefragt, ob ich auch den Abendtermin wahrnehmen könnte, dem Zauberer geht s nicht so gut. Hab ich gesagt nein, das nicht, aber wenn sie s verschieben will, das ist mir recht. Also haben wir s verschoben und ich hab zuerst meinen Reiseführer heimgeschickt, was mich mehr kostet, als der wert ist, aber für irgendwas muss ich meine Scheine ja ausgeben. Und den wollte ich wirklich nicht mehr mit mir herumtragen.

Und dann war ich total gute Ramen essen, an der Bar und überhaupt, das hat sich schon gut authentisch angefühlt. Auch weil zum Beispiel auf der Speisekarte zwanzig Suppen abgebildet (und trotzdem hat sich s authentisch angefühlt!) waren, die sich optisch eigentlich kaum unterschieden haben. Auch erwähnenswert ist, dass ich mich nicht angepatzt hab und das ist ein bisserl ein First für mich und meinen Ramenkonsum.

Im Park gibt s zum Abschied einen Ibis und ein Opossum im Baum (nicht im Bild)

Der Zauberer ist dann zum neuen Termin aus seiner Tür gestiegen, ohne Rauch, ohne Tricks, ohne alles. Und dann hat er gesagt, ich bin der einzige und dann hab ich schwören müssen, nichts weiterzusagen, von dem, was ich in der nächsten Stunde lerne. Und weil das der Magierschwur war (so oder so ähnlich), bin ich jetzt, glaub ich, streng genommen ein Zauberer.

Jetzt die Tour. Es ist ja so, dass man sich dafür anmelden muss, es ist jetzt nicht ein Museum, wie man sich das vielleicht vorstellt, wo man vorne reingeht, dann bisschen rumgeht, eine Handvoll tolle Sachen hinter Glas sieht, teuer an die Wand geklebte Beschriftungen liest und dann im Giftshop lange witzigen Schrott anschaut bevor man maximal eine Ansichtskarte kauft. Es ist eine individuelle Führung, wo er zwischendurch zwei Tricks gezeigt hat und dann erklärt bisschen und fundamentale Prinzipien und ein bisschen Geschichte und Showbusiness und dann noch zwei, drei aufwendige Bühnentricks erklärt. Und zwischendurch hat er manchmal ein bisschen geschimpft auf VeganerInnen, die keine Ahnung haben, aber das nicht ok finden, wenn ZaubererInnen mit Tieren arbeiten. Oder PolitikerInnen, die die Aufmerksamkeit der Menschen misdirecten würden, wohingegen ZaubererInnen dieselbe bloß guideten. Interessant fand ich, dass er gemeint hat, Zauberei sei sehr stark eine Sache des Gefühls, viel mehr als des Geistes, dass er schnell ein Gefühl für s Publikum gewinne, in der Lage sei, schnell Sympathien und Widerstände und dergleichen zu erfassen. Oh-o, hab ich mir gedacht, ich will jetzt aber nicht, dass er erkennt, dass ich ihm als Person langsam ein bisschen skeptisch gegenüberstehe, so wie er vor sich hinredet.

Nah, ich glaub, das war schon ganz ok und einiges wirklich interessant. Und wir waren dann ein bisschen schneller fertig als geplant, ich hatte den Eindruck, meine Fragen und Anmerkungen gehen an ihm ein bisschen vorbei, er redet lieber über seine Sachen. Aber ja, ich mein, er hat sich nicht so gut gefühlt und hat dann für eine Person seine Tour gemacht. Und ich bin offensichtlich nach wie vor nicht jemand der sich da aufstellt beziehungsweise einen Aufstand macht, wenn der Konsum nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Und vielleicht auch ein bisschen verwöhnt von der Museumskultur hier im allgemeinen, dass ich dann so schnell ins kritisieren komm, wenn ich mal für was Eintritt gezahlt habe.

Keine Fotos im Zaubermuseum. Und mir ist erst ganz am Ende eingefallen, dass ich letzten Winter dieses Video mehrere Mal durchgeschaut hab, wenn der Arbeitstag grad etwas zu lang schien. Aber so hatte ich s nicht als Argument parat, als er gesagt hat, man könne nicht nur Kartentricks zeigen, das Publikum würde sich langweilen. Unter uns: alles andere, was ich von Lennart Green bisher gesehen hab ist ziemlich mies. Aber eine halbe Stunde Kartentricks, da bin ich voll dabei.

Und dann war ich ratzfatz im Hostel und ratzfatz am Flughafen und ein letztes Mal hab ich noch der Versuchung widerstanden, ein Stoffschnabeltier zu kaufen. Ich mein, in Wahrheit hab ich das beste Stoffschnabeltier im Zoo-Shop vom Melbourner Zoo gesehen, weil das war schön und es war eine Handpuppe auch. Das war super. Und das zweitbeste hab ich dann ab und zu mal gesehen und das hätte es sogar noch am Flughafen gegeben, hat aber dort zehn Dollar mehr gekostet, als ich noch hatte. Also hab ich jetzt meine Dollar mit ins Ausland genommen und jetzt kein Stoffschnabeltier im Gepäck.

_y___y (1/2)

Also gleich vorweg bin ich schon froh, auch Sydney noch besucht zu haben. Es gibt da ja so eine Konkurrenz zwischen SydneyerInnen und MelbournerInnen, wer aus der besseren Stadt kommt. Und nachdem ich so viel Zeit in Melbourne verbracht hab und eindeutig mehr MelbournerInnen kennengelernt hab, als SydneyerInnen, tendiere ich natürlich zu Melbourne, wenn ich mich da für was entscheiden sollen muss. Je mehr ich merke, dass das was ernstes ist, desto unsinniger kommt s mir natürlich gleich wieder vor. Aber ich hab zwei Vergleiche angestellt: Sydney ist schön zum Besuchen, Melbourne ist womöglich schöner zum Dort-Leben. Sydney ist eine Stadt des zwanzigsten Jahrhunderts, Melbourne vielleicht eine Stadt des einundzwanzigsten…? „Das versteh ich nicht,“ sagt V. und ich muss ihr zustimmen: Ja, nein, ist vielleicht ein blöder Vergleich.

Sydney ist jedenfalls pompöser, die haben dort diese Brücke, die ich aus der Nähe betrachtet tatsächlich sehr viel eindrucksvoller finde, als ich das zunächst von den Bildern, die ich von ihr gesehen habe, angenommen hätte. Aber das ist einfach eine enorme Brücke! Und erstaunlich, hab ich den anderen Tag nachgedacht, dass diese Brücke diesen Verkehr aushält. Weil die ist – wenn ich das kurz nachschau – vor sechsundneunzig Jahren gebaut, vor siebenundachtzig Jahren eröffnet worden. Und dass man da schon so gebaut hat, dass der heutige Massenverkehr drüberbrettert. Aber dann wiederum sei „[b]etween December 2006 and March 2010 the bridge […] subject to works designed to ensure its longevity [gewesen]. The work included some strengthening1. Und Entlastungstunnel haben sie auch gegraben. Also wunder ich mich schon zurecht, aber nicht als erster.

Ein Beispiel imposanter Architektur. Zugegeben, ein Kriegsdenkmal. Aber schaut aus wie direkt aus Metropolis. Letztlich eigentlich auch interessant, dass ich da durchaus gedenkend drin stehe, als Vertreter eines der Nachfolgestaaten, gegen die die Leute, denen da drinnen so art-nouveau gedacht wird. Die Architektur sagt ja schon: es geht hier um den Ersten Weltkrieg. Und trotzdem ist es einfacher, jenen zu gedenken, die jenes demokratische System in Europa etabliert haben, in dem ich aufgewachsen bin.

Wie dem auch sei. Da ist eine eindrucksvolle Brücke, da ist ein schickes Opernhaus, da sind protzige Gebäude, die in die Kolonialzeit zurückreichen, da sind riesige Gärten, ich mein, das halbe Zentrum ist im Wesentlichen der botanische Garten. Und ich mein, Melbourne hat auch viel Grün, wirklich, aber – und das mein ich ansatzweise mit dieser Jahrhundertsache – Melbourne kam mir so viel dezentraler vor. Hingegen liegt Sydney so viel mehr am Meer und vor allem ist das Meer im Zentrum, nachdem Sydney in dieser tollen Bucht liegt. Was sie beide haben, sind ihre CBDs, ihre Central Business Districts, wo die Hochhäuser stehen und Bankenlogos einander ausblenden. Wo in die Höhe gebaut wird, mit Glas und Stahl. Aber das ist einfach Spätkapitalismus, das ist halt so. Aber wer will das schon, da gibt s die Markenshops und das ganze Luxusgedings. Im Grunde ist das auch dasselbe wie das Einkaufszentrum in Jakarta, nur dass hier der Unterschied nicht so ins Auge sticht. Im Gegenteil wird hier ja so getan, als hätten alle Zutritt zum Luxus, weil man sich hier halt einmal ins Guylian Caféhaus setzt. Ich kann dir nicht mal sagen, wie teuer dort eine heiße Schokolade ist, weil ich mich nicht ins Guylian Caféhaus gesetzt hab. Nein, nein, wo ich meinen Kaffee trinke, das wird noch zu sehen sein.

Aber ja: Sydney find ich schon gut. Am ersten Abend bin ich gleich einmal die Stadt entlang gelaufen, weil wie gesagt, es gibt ja ein Zentrum oder sowas in der Art, was auch interessant anzuschauen ist. Dabei bin ich an einem Eislaufplatz vorbeigekommen, den sie hier angeeist haben. Ist ja Winter, auch wenn ich die fünfzehn Grad herzlich willkommen geheißen habe. War schön, in der lauen Nachtluft spazieren zu gehen. Am Eislaufplatz sind die AustralierInnen (?) herumgestakst, das war ganz lustig. Dazwischen war ein offensichtlich russisches Pärchen (sie mit Plusterjacke inklusive bepelzter Kaputze, er mit Dreimillimiterfrisur und diesem so beiläufigen no-nonsense Gesichtsausdruck, der auf russischen Gesichtern so richtig zur Geltung kommt), die sich mit fast aggressiver Leichtigkeit zwischen den leicht vorübergebeugten GleichgewichtsbewahrerInnen durchgeschlängelt haben, gleichgültig im Vorwärts- wie im Rückwärtsgang.

Und dann halt der erste Blick auf die Brücke. Das hat schon Eindruck hinterlassen. Und das Opernhaus. Das ist halt so ein klassischer Moment, wo man etwas sieht, was man schon so oft auf Bildern gesehen hat, dass es fast ein bisschen unwirklich ist. Eine halbe Stunde, würde ich sagen, habe ich mich gegen das Fotos-Machen gesträubt, bis ich dem nachgegeben hab. Aus der Entfernung ist das Opernhaus schon eindrucksvoll, und aus der Nähe sind die Details beeindruckend, weil die kennt man ja auch noch nicht so in und auswendig wie die das Große und Ganze. Nicht schlecht.

Sydney/Bucht/Nacht/Brücke.png

Aber eines nach dem anderen.

Am Freitag bin ich erst einmal in die Schnellbahn gestiegen und hab mich auf die Suche nach Wendy Whiteley’s Secret Garden2 gemacht. Das war noch eine Hinterlassenschaft von Jonathan, der gesagt hat, das sei sein Lieblingsplatz in Sydney, der repräsentiere für ihn so viel, was Sydney für ihn bedeute. Also bin ich zu der Station zurückgewatschelt, bei der ich Tags zuvor vom Flughafen angekommen bin und hab mich in den Zug über die Brücke nach Nord-Sydney gesetzt. Und dann bin ich in der Brücke einen Kaffee trinken gegangen. Das war von außen ein bisschen unscheinbar, aber drinnen, o mei, drinnen ist die Hipsterpost abgegangen. Also, das kann man sich ein bisschen wie die Stadtbahnbögen in Wien vorstellen: Da sind einfach Räume unter der Auffahrt auf diese massive Brücke und die sind so ein bisschen Lagerhallen oder was auch immer. Ich hatte ja dann das Glück, dass sich einer der Besitzer oder Manager oder was halt mit einem anderen auf die lange Bank neben mich gesetzt hat und dem dann die Geschichte vom Oberchef erzählt hat und davon, wie der das umgesetzt hat. Weil geplant, hat er gesagt, geplant ist da nicht so wirklich. Das sei mehr so organisch gewachsen. Also der hat nämlich sich diesen Raum gecheckt und dann hat ein anderer Freud von ihm irgendwie günstig ausrangierte Schiffscontainer organisiert und dann hat er da – und da ist mir das dann erst aufgefallen – einen Container schwarz angestrichen in der Mitte des Lagers als Kaffeebar hingestellt. Und auf der einen Seite saß ich auf einem der langen Tische und einer der dazugehörigen Bänken. Auf der Seite waren so Zweiertischchen und am fernen Ende ist einer mit einer Gitarre auf einer Bühne gestanden (über ihm sind zwei Fahrräder von der Decke gehangen) und hat dort vor sich hin gesungen. Freitagvormittag und die machen sich einfach einen lässigen Sonntagsbrunch! Ich hatte ein Stück Bananenbrot mit salziger Butter und das war eigentlich auch schon ziemlich ok. Und dann natürlich der Typ, der mich an der Bar bedient hat, locker-flockig, mit einem Akzent, den ich für Queensländisch halte.

Ich mein: schau wie cool die sind! Da fährt einer mit dem Rad durch s Kaffeehaus!!! Und das hat fix keine Gangschaltung auch nicht!!!!11! Aber dann wiederum war der Kaffee halt auch wirklich gut.

Na jedenfalls hat der Chef mit dem coolen Café noch nicht genug gehabt, hat den Künstler von nebenan rausgekauft (der Gegend beim Gentrifizieren zuschauen, möchte man meinen) und dort mehr Schiffscontainer reingestellt, die er als Büros für – nehm ich an – irgendwelche Crowdfundis oder Kickstars oder Starter-Uppers vermietet. Und dann natürlich gab s noch bisschen Galerie in der dritten Lagerhalle. Also: schon schön. Aber gleich mit der vollen Hipsterwumme, dass sich Melbourne ins Zeug legen muss, um als die hippere Stadt der kaffetrinkenden AppleprodukteverwenderInnen gelten zu können. So, der Unterschied, den ich im Artikel über die Rivalitäten verschiedener australischer Städte gelesen habe, ist, dass vor der Föderation der verschiedenen Kolonialterritorien, Victoria (Melbourne) und New South Wales (Sydney) einfach verschiedene wirtschaftliche Politiken gefahren sind. Das überrascht ein wenig, wenn man dem aus der Perspektive eines modernen Nationalstaates gegenübersteht, dass man in seinen Kolonien nicht ein einheitliches System verwendet. Ein Traum natürlich für die WirtschaftsprofessorInnen, die da die verrücktesten Experimente beobachten hätten können. New South Wales hat mehr auf freien Markt gesetzt, während in Victoria protektionistisch vorgegangen wurde. Und natürlich, nachdem ich so einen Satz gelesen hab, denke ich sofort: ahja, sieht man ja quasi immer noch: neoliberales Sydney mit seiner bombastischen Architektur und das Melbourne, das auf seine KünstlerInnen schaut. Ganz so einfach ist das natürlich auch wieder nicht. Heute dürfte die Differenz mehr darin liegen, dass die einen Australian Rules Football spielen und die anderen Rugby League und sonst halt so tun, als wären sie jeweils die allgemein wichtigeren.

Aber Wendey Whiteley’ Secret Garden ist einfach herzig. Das schaut auf dem Plan wirklich nach nicht viel aus, weil das ganze über einen Hang verteilt ist, aber da ist fast ein bisschen ein Urwald gepflanzt. Da steht man plötzlich zwischen Bäumen und in einer verhältnismäßigen Stille, dass es eine Freude ist. Ab und zu stehen kleine Statuen herum und am Fuß des Hügels stehen dann weit verteilt auch einige Tische und Bänke und andere Sitzgelegenheiten. Dazwischen staksen ein paar so Art Truthühner oder Pfaue, relativ unbeeindruckt von den paar europäischen und asiatischen BesucherInnen, die ihre Hälse winden um sich in alle Richtungen umzusehen. Und wenn man Glück hat, dann sieht man Freiwillige, die mühsam eine volle Schubkarre den steilen Hang hinaufhieven.

Immer gegen die Sonne fotografieren. Aber ich bin, wie dieses Bild beweist, nicht der einzige. Schwacher Trost für all jene, die lieber ein ordentliches Bild vom Wendy Whiteley’s Secret Garden gesehen hätten.

Unterhalb von WWSG setze ich mich ein bisschen ans Ufer und schau den Leuten beim Sporteln, Spazierengehen und Hundausführen zu. Die sind alle so aktiv! Und dennoch ist es immer noch still und gemütlich. Lauter wird s dann, als ich am Ufer entlang zur Brücke zurückgehe und dabei den Luna Park quere. Und ich geh jetzt nicht direkt durch, weil das Geschrei und das Gekreische und die weichen Pommes Frites und das schmierige Ketchup… das lass ich heute aus und gehe außerhalb den Steg entlang wo ich über die Beine hunderter jugendlicher TouristInnen (?) steige, die frittierte Hühnerteile teilen. Weil es ist Mittag und das ist eine Gelegenheit, bei netter Aussicht mit FreundInnen ein Mittagessen zu teilen.

Ich brauche dann ein bisschen, bis ich den Weg auf die Brücke hinauf gefunden habe. Weil ich annehme, dass die Brücke zirka dort anfängt, wo die Bucht ist. Aber das ist ein Irrtum, weil ich muss ein ganz hübsches Stück ins Land hineingehen, bis die Brückenauffahrt niedrig genug ist, dass sie eine Treppe hinauf gebaut haben. Und dann geh ich über die Brücke und wundere mich, dass die die Autos aushält.

Ich mein! Einer der beiden Pfosten auf der Nordseite der Brücke. Die auf der Südseite genauso imposant, also same-same. Dazwischen hängen 503 Meter Brücke.

Über die Brücke gehen ist gratis und schon ein bisschen aufregend. Also, nicht dass die Brücke schwankt oder sowas. Aber bei mir löst so ein Blick, der an meinen Füßen vorbei hundert Meter in die Tiefe geht schon ein Gefühl besonderer Mulmigkeit in meinem Bauch aus, das ich sonst nicht wirklich hab und auch nicht wirklich brauche. Auch wenn überall Zaun ist und Stacheldraht und Verbotsschilder und Sicherheitskameras. Und sogar Personal in Warnwesten herumsteht, die schnell einmal zur Stelle sind, wenn was passieren sollte, also: falls sich jemand nicht passend verhält. Ich mein, man kann dazu stehen wie man will, da gibt s sicherlich mehr als nur eine Perspektive. Aber ich finde, in Sachen ziviler Bevölkerungskontrolle und nämlich auch Sicherheits- und nicht zuletzt Hilfsservices sind die BritInnen und die Systeme in dem einen oder anderen Nachfolgestaat des Empires ziemlich gut aufgestellt. Und da denk ich immer sofort an die im Alltag unbewaffnete Polizei in Großbritannien. Aber in dem speziellen Fall meine ich auch, dass man mit Mobilitätseinschränkungen besser herum kommt als anders in der Welt. Und nicht nur, weil überall Rampen sind, sondern auch weil es in meinen Augen – und zugegeben, das sind nur die Augen – weitgehend enttabuisiert ist, Hilfe entgegenzunehmen. Sicherlich nicht total. Aber zum Beispiel kann sich eine Telefonfirma auch mit einer Werbung etablieren, in der ein junger Mann in einem Kleid und Ohrringen auf der Couch sitzt und zu einer unsichtbaren InterviewerIn sagt, dass er das für wichtig halte, dass die Leute unterschiedlich sein können, weil es sonst langweilig wäre (oder sowas). Das ist klingt jetzt wieder ein bisschen nach was anderem, aber das geht nicht überall, dass man Vielfalt so betont. Und Vielfalt heißt, dass Unterstützung auch verschiedene Formen annehmen muss. Und das wird am besten durch menschliches Personal geleistet, die in der Situation reagieren können. Gut. Großbritannien hat auch das dichteste Netz an Überwachungskameras… ja eh. Ist bei weitem nicht alles gut.

Auf der Südseite angekommen folge ich dem Stadtspaziergang über The Rocks, den mir der Lonely Planet ans Herz legt. Das ist quasi das historische Zentrum des kolonialen Sydneys. Hier steht das älteste Haus und der Zollverein und hier ist das Terminal für die internationalen Cruiseliner, die den Blick auf das Opernhaus blockieren. Zum Glück bricht die Pacific Explorer gerade auf. Und nicht, weil ich das Opernhaus sehen muss, aber weil das einfach imposant ist, wenn dieses riesige Schiff ausparkt. Hinten ist das kleine Lotsenboot angebunden, das weiß ich noch aus Oil Imperium, dass man sich ein Lotsenboot zukaufen kann, wenn man in einem schwierigen Hafen anlegen muss. Das ganze dauert vielleicht eine halbe Stunde oder was, bis sich die Pacific Explorer in Richtung Buchtausgang gerichtet auf den Weg macht und ich meinen The Rocks Spaziergang fortsetze.

Like No Place On Earth

Na ja, auf der anderen Seite der Hafenbucht wird gentrifiziert, was das Zeug hält, da reihen sich zunächst die Austernbars aneinander und die schicken Restaurants haben beheizte Plastikblasen am Kai aufgestellt, in denen sich während ich vorbeischlendere, launige Gruppen niederlassen, die ein bisschen nach After-Work-Trinkgelagen aussehen. Dahinter sind in die alte Lagerhallen bereits vermutlich elegant-rustikale Wohnungen hineingeschlichtet worden, in den Spielplätzen der Umgebung passen junge Väter darauf auf, dass ihre Kinder nicht von den Klettergerüsten fallen. Außerdem ist hier das… älteste Pub Sydneys? Es wirkt tatsächlich recht authentisch für diesen Titel. Ich aber vorbei und schau mir umgeben von Pärchen aus aller Welt den Sonnenuntergang vom Observatoriumshügel aus an. Dann langsam der Abstieg durch die „Altstadt“, wobei das aufregendste noch der Suez Canal ist, eine steile, immer enger werdende Gasse, die am unteren Ende nur noch knapp einen Meter breit ist. Der Name ist ein bisschen ein Wortwitz auf Sewers, weil hier wohl einiges zusammengelaufen ist. Nachteil des Systems war, dass hier regelmäßig Leute überfallen worden sind, die in solchen Gassen quasi ins Eck gedrängt wurden. Aber das dürfte im alten Sydney insgesamt ein Problem gewesen sein.

Der Observatoriumshügel beherbergt nicht nur das Observatorium sondern er überrascht auch mit dieser H.C. Andersen Büste. Nicht im Bild ist folgender Begleittext: „If ever a man preached justice and mercy and love of humanity, it was he. He wrote for the man in the child as no one else has ever done. -Dame Mary Gilmore“ Mein Mann im Kind war mit der kleinen Meerjungfrau und all der dort gepredigten Gerechtigkeit, Gnade und Menschenliebe seinerzeit ein bisschen überfordert.

Samstag war ich faul und nachmittags im Museum of Contemporary Art. Das ist nie so einfach, wie man denkt. Manchmal ist das gut und man sieht was, was witzig oder originell ist. Aber ein bisschen ist das dann auch gar nicht das, was Kunst vielleicht soll: witzig und originell. Die Sonderausstellung im MCA war Shaun Gladwell und da sind schon ein paar – wie gesagt – originelle Sachen ausgestellt. Aber ich denk mir dann: ich glaub ich brauch da mehr Kontext um zu verstehen, warum der gefördert wird, warum der ausgestellt wird, welche Beitrag der liefert und wen er wie beeinflusst oder provoziert oder so… Wem schafft er welche Einsicht oder zumindest Perspektive? Und wenn ich ein bisschen auf andere Leute schau, ich glaub, da geht s ja manchen ähnlich. (Wahrscheinlich brauch ich diesen Eindruck sogar, um meine Meinung so zu formulieren…) Schau: Was das Programm sagt, ist der Shaun Gladwell zum Beispiel mit so Videos geworden, zum Beispiel wie ausgestellt, wo er jemanden filmt, der auf einem Surfbrett sitzt, aber so, dass er unter Wasser ist. Und das wird dann in Zeitlupe abgespielt. Und es ist ganz witzig, weil zuerst weiß man ja gar nicht, was da passiert, das Wasser spiegelt unten genauso wie oben und dann merkt man erst, dass der unter Wasser ist, weil er zum Beispiel Luft holt indem er neben dem Surfbrett seinen Kopf durch die Wasseroberfläche steckt, aber eben nicht ins Wasser sondern aus dem Wasser hinaus. Und das schaut ganz witzig aus, wie er in den Wellen das Gleichgewicht hält.

So. Jetzt… Mein momentaner Go-to-Gedanke ist: wie ist der Prozess, bis jemand mit sowas in eine Ausstellung kommt? Weil der Shaun Gladwell hat zum Beispiel auch bei der Biennale mal den Australischen Dings gestaltet, Pavillion. Und ich lese hier, der Elton John sammelt seine Sachen. Also durchaus von Weltrang. Wie kommt er in diese Situation… aber ich wiederhole mich bereits. Die Frage erscheint nicht so kompliziert und trotzdem schwer auf den Punkt zu bringen. Vielleicht: Welche Rahmenbedingungen machen aus dem Banalen Kunst? Und es ist nicht einmal, dass ich s nicht gut finde, ich würde sogar sagen, ich kann damit was anfangen. Ich bin da zum Beispiel sehr dahinter, dass er seinen Skaterhintegrund einbringt und einbaut und bisweilen ins Zentrum stellt.

Dass bei sowas dann dabeisteht, dass die Form an den da Vincis Vitruvianischen Menschen gemahnt, das kam mir fast wie eine etwas zwängliche Distanzierung von einem ab und zu einmal zitierten Kreuzigungsbildnis vor. Aber muss man den Shaun fragen.

Und in dem oben zitierten Wikipediaartikel hab ich jetzt noch den folgenden Absatz gelesen: „John McDonald [The Sydney Morning Herald], wrote a piece recently that questioned his appeal: ’Watching the inexorable rise of Shaun Gladwell during the past decade makes me feel like the only teetotaller at a drunken party.’“ Und so boshaft das klingt und all meiner oben formulierten Anerkennung zum Trotz, I can see where he’s coming from.

Was irgendwie dann auch immer interessant ist, ist die Ausstellung von KünstlerInnen, die sich als Aborigines oder Torres Strait Islanders identifizieren. Also, bisschen auf der Metaebene: weil die mir kommt vor, an den „traditionellen“ Sachen laufen die Leute oft einmal schnell vorbei. Auf der anderen Seite gab s im MCA auch ein paar KünstlerInnen, die mit viel deutlicheren Objekten ausgestellt waren. Da war beispielsweise eine Videoinstallation, in der die Ereignisse einer Ausschreitung anlässlich des Tods eines Aborigines in Polizeigewahrsam gezeigt wurden. Relativ linear, ein bisschen überschneidend, weil 2004 schon viele private Videokameras unterwegs waren und zusammen mit den Bodycams der Polizei lässt das einerseits die Wut der Bevölkerung und andererseits den Stress der Polizei gut zur Geltung kommen.

Im Erdgeschoß war dann noch ein kenyanischer Künstler ausgestellt und da hab ich schon auch wieder gemerkt, wie sehr der Kunstbegriff (mein Kunstbegriff?) an der Leinwand, und noch nicht einmal der Kinoleinwand, festgemacht ist. Das hat lustigerweise auch der Roman Signer im MONA-Interview gesagt: dass in seiner Jugend ein Künstler jemand war, der gut malen hat können. Ja, da hab ich einiges daran zu kiefeln, hier ein bisschen ein breiteres Verständnis zu entwickeln als alteingesessene SchweizerInnen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts… Der Michael Armitage jedenfalls, malt zwar auf einem Material, das einen Bezug zu seiner Herkunftskultur herstellt (wo es traditionell als Leichentuch in Verwendung war), aber darauf ist Öl und es schaut mitunter auch ein bisschen aus wie ein Klimt. Easy.

Mangroves Dip (2015) „Sex Tourism is widespread along the coast of Kenya. Mangroves Dip is an image that can be read in multiple ways a tender portrait of a man dipping a woman into water or a reflexion on the sex industry.“ (aus dem Katalog)

Nun, es ufert jetzt schon ein bisschen über jedweden Beckenrand und ich bin erst den zweiten Tag in Sydney. Ja, so Städtetourismus braucht halt ein bisschen Reflexion. Ja, wahrscheinlich bin ich wirklich einfach ein bisschen zu viel Kopf…