Checking out Jakarta

Also ich bin ganz hin und weg von Jakarta. Das kann gut einfach sein, weil ich jetzt noch damit angefangen habe, Indonesien total super zu finden und jetzt gar nicht so recht wegfahren zu wollen. Und dann ist Jakarta auch gar nicht das, was ich befürchtet hab: die Stadt erschlägt mich nicht mit ihrer Größe, weil selbst wenn hier über zehn Millionen Menschen wohnen und gerade noch hinter Tokyo auf Platz zwei der größten Ballungszentren der Welt liegt, die seh ich ja nicht alle. Ich wohn zwar quasi an der Grenze zum Stadtzentrum, wenn nicht überhaupt eh im Stadtzentrum und bin heute halt durch das Stadtzentrum gelaufen, aber trotzdem: geh ich von der fünfspurigen Stadtautobahn in eine Seitenstraße, finde ich dort die selben kleinen Standeln, die selben Leute, die selben Häuser wie in jeder anderen Stadt, in der ich hier gewesen bin. Es herrscht dort schlagartig eine andere Stimmung, auch wenn sich der Verkehr manchmal ein bisschen auch dort den Weg durchbahnt, wenn sonst alles stockt. Es ist natürlich schwierig, etwas über eine Stadt zu sagen, nachdem man sie einen Tag lang gesehen hat.

Weil gestern bin ich ja um viertel fünf am Bahnhof in Bandung gesessen und hab darauf gewartet, dass ich auf den Bahnsteig darf. Weil da hat er mich nicht durchlassen. Ich bin dann etwa um halb auf dem Bahnsteig gewesen und da waren grob geschätzt schon hunderttausend Leute, also ich weiß nicht genau, warum ich nicht hab dürfen aber um ehrlich zu sein bin ich froh, wenn man mir irgendwas sagt. In einem Café in Bandung hab ich gefragt ob sie open oder closed sind und hinter der Budl war nicht so viel Englisch vorhanden oder ich weiß nicht, hat er einfach eines von den beiden ausgesucht und wiederholt, auf jeden Fall hatte ich den Eindruck es wär offen und hab schon die Karte angeschaut und dann hat er ganz bemüht versucht wieder meinen Blick zu bekommen um mir zu deuten, dass nein, doch closed. Und wie gesagt, ich bin wirklich dankbar für alle Informationen die ich dann letztlich bekomm, weil wegen mir muss niemand Englisch lernen. Na und in Jakarta ratz-fatz von dem einen Bahnhof zu meinem Bahnhof, zweimal umsteigen, alles kein Problem, die Sicherheitsleute am Bahnsteig total hilfreich, wissen was ich mein, wenn ich die Stationsnamen ausspreche und der eine hat sich sogar nochmal um mich gekümmert, als sie meinen Zug auf den anderen Bahnsteig umgeleitet hatten. Da hat er mich nochmal gesucht und mir das gesagt. Total nett. Erwartet man das in einer Großstadt? Nicht unbedingt.

Mein Fahrer in Bandung hat ein paar Mal den Kopf geschüttelt über wie verrückt der Verkehr in Jakarta sei. Es ist auf jeden Fall keine Stadt für FußgängerInnen. (Ist mir aber egal.)

Im Hotel hat man mir an der Rezeption gesagt, ich könne erst um zwei einchecken. Natürlich, ich hab ja auch geplant erst um zwei da zu sein… Aber sie ist so lieb und nimmt meinen Rucksack. Ob s ein Café gibt irgendwo oder irgendwas, frag ich. Mall?, fragt sie mich. Ja, warum nicht, Mall. Also geh ich zum Great Indonesian. Leider hat das zu. Ich glaub, weil ein Feiertag war, wie ich später gelesen hab. Aber zuerst glaub ich ja, dass es wegen Demonstrationen oder irgendwas ist. Und ich war mir nicht ganz sicher, ob der Polizeischutz, der das Einkaufszentrum umstellt, ob der immer da ist oder halt heute, quasi Ausnahmezustand.

Für mich aber blöd, ich lauf herum und weiß nicht so recht warum. Es ist nicht mal zehn, das ist mein Problem, wo soll ich meine vier Stunden hier versandeln. Ein bisschen ist mir schon noch unwohl, dass ich mit meinem ganzen Geld (sechzig Euro mindestens waren das) und dem Notebook und so unterwegs bin. Ich glaub ja, es ist Ausnahmezustand. Glücklicherweise hab ich die Karte ja auf dem Telefon und das funktioniert auch offline gut genug und ich schau bei dem einen oder anderen Café vorbei, die ich auf meiner Karte finde. Hinter der deutschen Botschaft finde ich dann eins, das auf den ersten Blick schon ein bisschen komisch ausschaut, aber sie haben offen und ich denk mir, gut, das schaut schon ok aus. Komisch mein ich, dass es total eine AusländerInnenabsteige war. Ganz einfach preislich gesteuert. Ich hab dort quasi Wien-Preise gezahlt. Aber dafür bin ich auch drei Stunden dort gesessen mit meinem Tabbuleh mit Chorizo und meinen zwei Kaffees. Weil ich hab jetzt ein bisschen angefangen, Kaffee zu trinken. Das ist für jetzt, weil das einfach, auch wenn ich grad noch bis zum Hals in Tee gestanden bin, ein Kaffeeland ist. Und er ist gut, was soll ich sagen.

Cup of coffee.

Weil ich in der Früh so irre müde gewesen bin, wollte ich mich dann am Nachmittag ein bisschen hinlegen. Aber die zwei Kaffee, naja, war nicht. Aber ich bin im Hotel herumgelegen und zum ersten Mal in Indonesien amerikanisches Fernsehen gehabt. Ist auch nicht wirklich was gewesen, aber ich hab meine Stadterkundung für heute aufgehoben.

Blöde Idee war das. Blöde Idee weil gestern war vielleicht Feiertag, aber heute ist Montag und anscheinend ist Montag alles zu. Mein Ausflug hat mich zirka sieben Kilometer nach Norden geführt – erm, Luftlinie. Und da waren allerhand Attraktionen aufgelistet. Als erstes führ ich mich in einen großen Park mit einem großen Ständer in der Mitte, stellvertretend für die Kraft, die für die indonesische Unabhängigkeit aufgewandt wurde. Aber als ich den Park betreten möchte, höre ich ein Mister! und der Sicherheitsbeamte sagt mir, dass heute leider der Park zu ist. Maintenance. Maintenance?, denk ich. Vielleicht wird der Park sauber gemacht. Und ich mein, das muss man schon sagen: Indonesien hat ein massives Problem mit dem Mist. Jakarta ist relativ sauber, ganz ehrlich, so wie ich auch in Yogyakarta oft, gefragt wie ich s finde, gesagt hab: sauber. Und die Leute sind freundlich und yaddah-yaddah. Aber das ist halt relativ. Während ich hier war hab ich auch diese Schlagzeile mal gelesen, dass sich die Länder der Welt relativ einig sind, dass es keine gute Idee ist, den Mist der Reichen in die Geographie der Armen zu exportieren. Weil es offenbar usus ist, dass Privatpersonen in Südostasien sich die Müllentsorgung abkaufen lassen und dann einfach tonnenweise Mist in die Landschaft kippen und sich eine zweite Yacht kaufen. Guter alter Kapitalismus.

…aber ich schaff es einfach nicht.

Also der Park zu, das Museum zu, das andere Museum zu. Was offen hat, und was ich besuche ist die Moschee. Die Große Moschee von Jakarta. Und ich mein, das ist nicht untertrieben, die hat schon irre viel Platz. Ich weiß ja zu wenig über Moscheen, warum da so viel Platz draußen ist, zum Beispiel. Weiß ich nicht. Und sie hat halt keine Bänke drinnen, das ist mehr so frei gestaltbarer Raum. Multi-Purpose. Außer dass die Frauen und Kinder halt bisschen auf der einen Seite sitzen müssen, weil die Männer den meisten Platz brauchen. Und jetzt will ich das nicht kleinreden, da ist eine Geschlechterdifferenz tief eingegraben in dieser Architektur. Wobei, in der Architektur, es ist ja nur ein Zaun in der, nun, nicht ganz in der Mitte. Mehr so zwei Drittel eben. Brauchen halt mehr Platz. Aber wie hier Menschen einfach Zeit verbringen, das finde ich immer wieder erstaunlich. Weil ein bisschen ist eine Moschee auch einfach ein Jugendzentrum für Erwachsene. Da kommen die Leute hin, nicht zuletzt, damit sie keinen Blödsinn anstellen und drin werden sie halt ein bisschen indoktriniert, aber auf der andren Seite lernen sie auch Arabisch. Und so liegen die meisten einfach so herum, spielen auf ihrem Handy oder schlafen. Dazwischen beten einige in dieser so seltsam anmutenden physischen Form mit dem Aufstehen und dem Niederknien. Und es ist ganz besonders irgendwie, wenn das einer allein macht oder drei nebeneinander. Na ja, und dadurch, dass dieser Raum so alltäglich genutzt wird, ist es letztlich gar keine schlechte Idee, finde ich, dass es auch einen Damenbereich gibt und einen Herrenbereich. Aber natürlich würde ich den Großteil meiner eigenen Tempel schon als Begegnungszone gestalten und gemeinsam feiern.

Die große Kugel in der Mitte hängt übrigens direkt in der Mitte der großen Kuppel, die nicht im Bild ist, weil ich schon zurückhaltend am Rand gesessen bin und nicht mittendurch marschiert bin.

Aber ja, es ist Ramadan und vielleicht ist es sonst ganz anders. Aber ich hätte gerne mal, dass wenn bei uns irgendwo eine Sendung ist und man braucht ein Symbolvideo für „den Islam“, dass man dann nicht immer diese uniform wippenden Reihen alter Männer zeigt sondern mal so einen großen Teppich, auf dem sich Asiaten in der Mittagshitze ausruhen, während einer in der Ecke sitzt und langsam mit dem Finger im Koran einer Zeile folgt und seine Lippen lautlos den Text nachahmen.

Gegenüber von der Moschee ist die Kathedrale, die hat auch nicht zu gehabt. Die Stimmung in einer Kathedrale ist schon was anderes, als in einer Moschee. Hier, so kommt mir vor, ist nichts mit einfach mal bisschen Zeit verbringen. Ich mein, ja: die TouristInnen sitzen hier auf den hinteren Bänken und genießen die Stille und die Kühle. Aber grad das vorne einer vor einer Marienstatue kniet. Es ist lustig, denke ich, während im Westen der Islam so viel mit seinem Jenseitskonzept assoziiert wird und man sich vor der scheinbar klaren Anleitung für den Märtyrertod fürchtet, dafür erscheint mir die Moschee viel mehr ein Ort des Lebens zu sein, als die Kirche.

Vor der Kathedrale kann man sich mit einem Pappendeckel-Franziskus fotografieren lassen

Was auch nicht zu hat, ist der Kim Tek Ie Tempel. Und o wow bin ich hier überfordert. Also, ich hab mittlerweile das lokale China Town erreicht. Ich muss sagen, ich erzähle wenig darüber, wie aufregend die Straßen einfach sind. Oft sind die Straßen so wie oben in dem Video. Mehrspurig und relativ frei interpretiert von Autos und Mopeds. Selten gibt s einen Übergang, von dem ich dann den Verkehr filmen kann. Öfter steh ich einfach zwei Minuten an der Straße und stürze mich dann in den Verkehr, den dem auf mich zukommenden Verkehr zugewandten Arm ausgestreckt, die flache Hand den FahrerInnen entgegen, als ob ich sie damit abbremsen oder auch nur besänftigen könnte. Zwischendurch steh ich auch mal in der Mitte der Straße und denk mir, ha!, daheim gibt s das nicht. Glücklicherweise gibt s viele Einbahnen und das macht s etwas einfacher. Oft hau ich mich dann aber in irgendwelche Seitengassen, die schnell nur einen, eineinhalb Meter breit sind. Da sitzen die Leute auf der Straße und gehen ihrer Arbeit nach. Richten irgendwas, kochen irgendwas, sortieren irgendwas aus. Dazwischen spielen Kinder und Katzen liegen in der Sonne. Vögel jammern in ihren Käfigen und ab und zu läuft ein Fernseher irgendwo. Und in den Straßen krieg ich dann auch eher mal Blickkontakt und Leute grüßen mich und ich grüße zurück und es fühlt sich gut an, dass mich diese Leute in ihrer Gasse willkommen heißen. Weil ich hab manchmal eh das Gefühl, ich laufe eher durch ihr Wohnzimmer als durch ihre Straße.

Also der Tempel. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ausschauen tut s chinesisch, von der Architektur. Und im Hintergrund läuft, nun ja, so chinesische Musik halt, wie man sich das vorstellt. Und es gibt dutzende von Schreinen und in jedem stehen Statuen und viele der Statuen haben sogar Namensschilder. Überall brennen Kerzen und Säulen voll Öl in denen ein Docht hängt. Tatsächlich gehen auch Menschen herum, in den Händen ein Bündel Räucherstäbchen, das sie der einen oder anderen Statue widmen, vor ihr so ein bisschen wippen und sich verbeugen und solche Sachen. Es ist… ich will sagen, es ist wie man sich das vielleicht vorstellt. Aber dann wiederum ist es auch wieder gar nicht, wie man sich das vorstellt. Wer sind diese vielen Menschen und möglicherweise GöttInnen und HalbgöttInnen und Dämonen oder… ich hab gedacht, das sei ein buddhistischer Tempel, aber hier sind so viele verschieden Leute.

Braucht noch wer ein Räucherstäbchen?

Ich verlasse den Tempel und China Town und finde mich alsbald wieder unter den vertrauen IndonesierInnen. Ein gutes Stück weiter komme ich dann in der Altstadt an. Hier sind noch einige herausfordernde Straßen zu überqueren, ein Busfahrer schaut mir aus seinem Fenster zu und spornt mich dabei an. Die Altstadt ist ein großer Platz mit Kaffeehäusern drumherum und dem alten Kolonialverwaltungsgebäude. Warte, nur, dass ich das richtig hab. Ja, also, der Sitz des Gouverneurs der Vereenigde Oostindische Compagnie. Der niederländischen Ostindiengesellschaft. Wiederum, man muss den Kapitalismus nicht lieben, aber immerhin haben sie einen hübschen Platz gestaltet und Jakarta ein Rathaus hingestellt. Auf dem Platz rufen mir noch einmal Mädchen nach und wir machen eine Handvoll Selfies, also in Wirklichkeit machen wir einfach Fotos auf denen ich mit drauf bin. Ich habe in den letzten zwei Tagen links im Mund eine Aphthe entwickelt, die mir das Lächeln ein bisschen schmerzhaft macht. Vielleicht, so denke ich, ist es eine Reaktion, eine Abnutzungserscheinung, weil ich hier meine Mundwinkel so viel mehr bemühe als in den Jahren zuvor.

Ich fahr dann mit der Schnellbahn heim. Weil ich war natürlich ganz schön lange unterwegs für das bisschen Luftlinie. Mir klebt das T-Shirt am Körper, alle Kleidungsstücke, die ich mitgebracht hab, verdunkeln sich immens, sobald der Schweiß kommt. Und der Schweiß kommt. Es ist heiß und die Luft ist sicher auch feucht und ich geh so viel, wie sonst niemand in dieser Stadt. Aber auch trocken pickt mir die Haut von Schweiß und Schmutz und… ja, nein. Schweiß und Schmutz, das ist es wahrscheinlich. Ich hatte ein Papaya-Calippo, also einfach eine Spalte Papaya, die mir der Obsthändler in einem Plastiksackerl serviert hat. Es ist ja nicht so, dass das Müllproblem nur importiert wäre. Aber vielleicht kleben meine Hände auch davon noch ein bisschen. Und so geh ich dann ins Mall.

Durchsage im Zug, vielen Dank für die englische Version. Am besten gefällt mir aber, dass Vorsicht auf Indonesisch Hati-hati heißt.

Weil ich wollte eigentlich ins größte Mall von Jakarta gehen, so als Abschluss nach der größten Moschee, der größten Kirche, vielleicht des größten chinesisch-buddhistischen Tempels und des größten erhaltenen Gouverneurssitzes einer niederländischen Multicorp hatte ich ja schon. Aber das Einkaufszentrum war mir dann zu weit entfernt und ich bin deshalb in das Great Indonesia, das ich gestern besuchen wollte. Das war heute offen und es dürfte nicht der Ausnahmezustand gewesen sein: Heute gehe ich an vielleicht hundert Polizisten vorbei, die auf der Straße herumliegen (ja, wirklich, die ruhen sich auch aus wenn s heiß ist), ich mein, de facto steig ich über einige drüber. An der Wand stehen dutzende Plastikschilder für besagte Polizisten. Am unheimlichsten sind jedoch die Granatwerfer, die einige der Polizisten umgehängt haben oder neben den sich ausruhenden (Ruhe vor dem Sturm und so) liegen. Ich kenn sowas nur aus Computerspielen, vor allem das Geräusch, das ich damit assoziiere (ein hohles plopp!) habe ich sicher noch nie in echt gehört. Nebelgranaten? Tränengas? Was weiß man, ich bin im Einkaufszentrum!

Ein paar Polizisten und ihre Deeskalationsausrüstung. Jetzt seh ich grad, dass auf dem Sonnendach Polantas steht, auch irgendwie witzig.

Ja, es ist wirklich ekelhaft. Es ist wie eine andere Welt zu betreten, hier lebt das andere Drittel oder Achtel oder Hundertstel. Hier haben alle Labels ihre Outlets und sie reihen sich alle aneinander. Sportzeugs und Mode, das ist, was die Leute wollen. Gut ausschauen. Und es schaut auch gut aus im Mall, alles ist hell und glatt und diesmal wirklich sauber. Glatt und kalt ist es außerdem. Unter der Kategorie Toys, Children and Maternity finde ich ein paar Spielegeschäfte, aber über Jenga und Vier Gewinnt sehe ich keine Brettspiele. Dann gibt s vier Geschäfte für Books and Stationary. Ich erschrecke ein wenig über mich, als ich feststelle, wie wohl ich mich fühle, von Blöcken, Heften und Kugelschreibern umgeben. Umgeben von einer unnötigen Auswahl an Papier, wird mein lästerndes Kritikerherz auch schon ruhiger. Es dauert lange, bis ich mich für ein Heft entscheide, aber es ist ja auch ein schöner Prozess, in dieser Auswahl zu schwelgen. Ich krieg dann zuerst eine Rechnung von der Abteilungsbetreuerin, mit der ich darauf zur Kassa gehe, wo der Preis nochmal von einer anderen Kassiererin in eine zweite Kassa eingetippt wird. Ich weiß nicht, ob das als extra Service verkauft wird, eine Sicherheits- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist. Ich geh dann noch teuer Ramen essen, weil ich schon da bin und der ist auch gut, was soll man sagen. Kapitalismus schafft mir ein hübsches Notizheft und gutes japanisches Essen in sauberer Atmosphäre, das passt schon. Zwischendurch denke ich, ob draußen gerade mit Tränengasgranaten auf DemonstrantInnen geschossen wird, während ich hier in scheinbarer Auswahl und neutraler Hintergrundmusik eingelullt vor mich hin schlender.

Abgeschirmt von der Außenwelt, hab ich im Mall heute sogar den Aufruf zum Fastenbrechen verpasst.

Wieder draußen bin ich nochmal ein bisschen euphorisch, wieder im echten Jakarta zu sein. Aber in Wahrheit gehören die ja eh zusammen. Es ist vielleicht ganz gut, den Kapitalismus so in einem zu sehen, die zwei Aspekte so nebeneinander, nicht wie bei uns, wo es so relativ mittig ist. Sondern wo die einen ihre Schubkarrenläden vor sich herschieben, auf der Straße schlafen und sich immer nur eine Handvoll Shampoo kaufen, weil sie das Geld für eine ganze Flasche in ihrem Haushalt nicht aufbringen. Und auf der anderen Seite der Spiegelpalast, in dem sich Menschen abkapseln, buchstäblich gegen die zunehmend verschmutzte Umwelt, gegen Hitze und Klimawandel, in dem sie sich amerikanische Sportschuhe kaufen, japanische Notizbücher und deutsches Bier. Und hier spüre ich dann auch, zu dem einen globalen Prozent zu gehören. Ich bin vielleicht zögerlicher und unwilliger, aber vielleicht ist das nur hinderlich beim Genuss meiner Privilegien. Natürlich bin ich froh, problemlos Zugang zum Luxusleben zu bekommen, auch wenn ich verschwitzt und schmutzig bin. Ich hab Geld, ich hab eine Hautfarbe, die hier ebenfalls Privileg bedeutet – ich weiß nicht, wie heruntergekommen ich daherkommen müsste, dass mir der Eintritt verwehrt werden würde.

Übrigens könnte ich nicht mal sagen, ob s überhaupt eine Demo gegeben hat heute. Zumindest nichts, was international berichtet würde.

Fields of Tea

Solo hinter mir gelassen, bin ich in Bandung. Was wirklich empfehlenswert ist, ist eine Zugfahrt, zum Beispiel von Surakarta nach Bandung. Weil der Zug ist super, ich mein, gut, ich bin in der Eksekutif Klasse gesessen, und immerhin hab ich dreissig Euro für die acht Stunden gezahlt. Aber dafür ist es urschön, wenn man aus dem Fenster schaut. Ich hab nämlich kurz einmal einen Nachtzug kontempliert, aber schnell einmal verworfen. Weil acht Stunden durch die javanesische Landschaft tuckern, da will ich schon zuschauen können. Und es ist dann wirklich einfach traumhaft, abwechselnd und ineinandergreifend Regenwald und Reisanbau.

Ich hab mal wieder die GoPro entstaubt. Dabei hab ich festgestellt, dass das Klumpert beim Urwaldraften nicht ordentlich funktioniert, also nicht aufgenommen hat. Hier hab ich mit dem Zeitrafferdings rumprobiert, das die Kamera anbietet. Mir wird ein bisschen schlecht dabei, muss ich sagen. Die Audiospur ist übrigens in normaler Geschwindigkeit und zehn Kilometer weiter aufgenommen. The Magic of Cinema™.

Und dann halt Bandung. Bandung ist mal wieder superbusy und ich hab mich mehr oder weniger gegenüber vom Bahnhof eingenistet, damit auch ziemlich im Zentrum. Ich steh schon immer wieder einmal ein paar Minuten, bevor ich über die Straße komm, das ist der Verkehr. Tatsächlich kann ich nur wenig sagen, am Anfang immer noch ein bisschen der Kulturschock, weil halt alles laut und schmutzig. Und zum ersten Mal sehe ich jemanden, von dem ich glaub, dass er bettelt. Weil das wollte ich schon seit Wochen einmal sagen: so arm die Gegend vielleicht ist, ich hab nie Leute betteln gesehen. Und jetzt vielleicht eben doch noch. Über die Obdachlosigkeit ist schwieriger zu urteilen, ich glaub, da sind die Übergänge auch flüssig. Es wird schon Leute geben, die mit ihren Familien unter zusammengelöteten Metalldächern leben. Und vielleicht dann auch mal jemand ohne Dach. Ich mein, die Becakfahrer – die lokale Rikscha – liegen selbst oft auf dem Passagiersitz ihres Gefährts, während sie darauf warten, dass es kühler wird oder Kundschaft daherkommt. Und da schlaft der eine oder andere (ich hab echt nur Männer in dem Job gesehen) gern auch einmal ein bisschen ein. Ich mein, die Leute schlafen auch so gern einmal quer über ihr Moped oder irgendwo in einer ruhigen Ecke und schlafen durch die Nachmittagshitze. Ist nur vernünftig.

Heute hab ich mir jedenfalls einen Ausflug organisiert. Weil ich noch nicht genug Kraterseen gesehen hab und überhaupt wollte ich auch gern noch auf einen Vulkan, weil auf Vulkane steigen ist immer lässig und das geht leichter dort, wo s auch Vulkane hat. Quasi: Voraussetzung. Ich hab ehrlich nicht gewusst, dass Indonesien so viele Vulkane hat. Nämlich sogar Krakatoa. Never would have thought. Ich mein, der Name klingt schon so nach Hawaii, nicht?

In diesem Gebäude hat neunzehnfünfundfünfzig die erste Afrika-Asien Konferenz stattgefunden. Deswegen heißen die teilnehmenden Staaten auch Bandung-Staaten: „In späteren Jahren wurde die Solidarität durch Differenzen unter den teilnehmenden Ländern zunehmend erschüttert, so dass die Vereinigung keine Rolle mehr spielte.“ Schade.

Das hab ich mir organisiert. Und weil ich gerade genug von Hot Springs hab, hab ich die ausgelassen. Naja. Ich hab wenig Lust daran, allein in einer heißen Quelle zu sitzen, das ist irgendwie schon eine soziale Beschäftigung. Also nur den „weißen Krater“ für mich, danke schön: Kawah Putih. Kratersee in einem aktiven Vulkan. Tatsächlich hab ich viel daran gedacht, dass dieser See eine neue Errungenschaft für meine Sammlung von Seen, die eine Farbe haben, die man von einem See nicht erwarten würde, ist.

Nach eineinhalb Stunden sind wir schon am Krater (nachdem ich in der Früh angerufen worden bin, dass mein Fahrer „five to seven minutes late“ sei. Aber es stimmt, dass die Fahrer allesamt total pünktlich waren. Am Krater dann ein bisschen eine Überraschung, weil ich noch hunderttausend Eintritt zahle und dann in einen orangen (die Niederländer schon wieder?) Bus zum Warten verwiesen werde. Weil wir warten jetzt noch, bis der Bus wirklich voll ist. Ich mein: wirklich voll. Interessanterweise gibt s ein Schild, das das Eigengewicht vom Bus mit neunhunderneunzig Kilo bezeichnet und als maximale Passagierzahl elf ausweist. Ein idealer Passagier hat in Indonesien übrigens nur sechzig Kilo. Tatsächlich sind wir dann dreizehn Leute im Bus. Neben mir sind ein paar malayische TouristInnen, drei IndonesierInnen, ein Libanese und noch zwei, die aber vorne beim Fahrer im Hütterl sitzen und sich nicht vorstellen. Ich glaub, wir sind immer noch unter Busgewicht, aber nicht viel und das lässt sich der Bus auch anhören. Wir kurven noch neun Kilometer auf den Berg hinauf und manch eine Kurve nimmt der Fahrer mit etwas mehr Schwung als ich ideal finden würde. Und es geht ja nicht nur mir so. So bei der Hälfte rasen wir mal in einer Kurve knapp an einem uns entgegenkommenden Auto vorbei und es gibt einen Moment kollektives Ausatmens gefolgt von einer Runde nervösem Kichern all around.

Oben ist der See und ich bin total überrascht, wie hier alles total aufgeräumt und touristisch durchgecheckt ist. Mit Geländern und Treppen und Absperrungen und Verbotsschildern. Mein Lieblingsverbotsschild macht darauf aufmerksam, dass man seinen Müll nicht liegen lassen soll. Ich weiß natürlich nicht genau, wie das auf Indonesisch formuliert ist, aber auf Englisch haben sie sich für No Littering! Litterbugs Are the Trash Itself entschieden. Bussi!

Und das Wetter war auch super.

Der Kratersee ist unwirklich. Mehr kann ich kaum sagen. Wie schon im Bus rauf sind vor allem asiatische TouristInnen da, ein niederländisches Pärchen grüßt mich mal wieder vor lauter Fremdheit drumrum, und dann seh ich sogar noch eine ganze Reisegruppe junger EuropäerInnen. Interessant fand ich dann doch, dass die meisten Gäste so im Zugangsbereich des Kratersees bleiben und von dort ihre Bilder machen. Das ist auch eine schöne Stelle, kein Zweifel. Ich selbst habe aber schon das Bedürfnis, bisschen weiter zu schauen und kletter am Ufer herum, bis ich hier und da auf das Bis-hierher-und-nicht-weiter-Schild komme.

Am Kratersee hat man alle paar Meter auch die Möglichkeit für zusätzliches Geld auf einen Steg oder einen Skywalk zu gehen.

Nach einer Stunde oder so gehe ich wieder zurück zum Bus. Ich muss gestehen, dass die Warnschilder, die sagen, dass man aus Gesundheitsgründen maximal eine Viertelstunde am See verbringen soll, weitgehend ignoriert habe. Mein Gefühl war, ich hab jetzt genug Schwefel geatmet und das hat mir nie wirklich was getan. Außerdem hat ein Blogeintrag im Internet gesagt, dass das nicht wirklich schädlich ist. Und ich mein… eben. Nach vierzig Minuten ist mir aber doch etwas schwummrig geworden, ich hatte bisschen Hustenreiz und insgesamt, ja, es war Zeit für ein Ende. Der Schwefel ist übrigens warum der See so milchig wirkt, da ist halt massiv Schwefel gelöst drin. Unter niederländischer Besetzung ist hier Schwefel abgebaut worden und dann noch ein bisschen unter japanischer.

Am Heimweg bleiben wir noch an einem Teefeld stehen. Weil ich hab kein Interesse an heißen Quellen, aber eine Teeplantage find ich schon interessant. Es ist total schön. Es ist wirklich irrsinnig herzig, weil Tee – das wusst ich nicht – auf Bäumchen wächst, die halt abgeerntet werden, aber es bleibt dabei eine Art Rebe stehen. Aber ja, man kann s sicherlich einfach auch als Bäumchen bezeichnen, ohne die Weinassoziation. Ich stehl mir ein paar Blätter und koste. Es ist zuerst etwas langweilig und dann schnell sehr bitter. Aber es kommt schon ein Teegeschmack durch, der bleibt dann auch noch einige Zeit, nachdem ich die Blätter mal ausgespuckt habe. Aber kurz darauf nehm ich noch ein paar. Weil: doch gut, irgendwie.

Angeblich (!) gehören irgendwelche Plantagen hier in der Gegend auch der Königin von England, sagt mein Fahrer. Aber in feinster Gerüchtemanier ergänzt er, dass er das längst schon mal hätte nachschauen sollen, anstatt es andauernd ungecheckt rumzuerzählen.

Wir sind dann drei Stunden oder so im Auto gesessen, weil der Verkehr in Bandung ist ungut, wenn am Sonntag die ganzen LokaltouristInnen auch rein oder raus wollen, ich weiß nicht. Wir fahren auch ein bisschen im Kreis. Im Radio hör ich eine Nummer, die ich ganz gut finde, bis ich jetzt zuhause gemerkt habe, dass Julia Michaels way nicht so underground ist, wie ich beim Hören gedacht hab. Überhaupt steht im Wikipedia nichts über sie persönlich sondern nur ihre MTV Music Awards und so Zeug. Halt trotzdem, ein sensibles Lied über soziale Angst. Es ist ja, so nebenbei, nicht so einfach, für social anxiety einen deutschen Begriff zu finden, der das Thema ernst genug nimmt – ich finde ja, dass „Angst“ da ein wenig versagt – und zweitens aber auch nicht so klinisch wie Angststörung klingt, damit kann ich mich im Alltag auch schwer identifizieren.

Aber ja, drei Stunden im Auto, zwei Stunden im Stau. Heute sei es schon besonders schlimm, er wisse auch nicht, was da los sei, heißt s vom Fahrersessel. Ich krieg aber derweil ein bisschen Nervosität zusammen, weil ich gestern am Bahnschalter so stehengelassen wurde: Als ich um halb eins dort war, hat s geheißen, er macht erst um eins auf. Dann war ich spazieren und um halb fünf wieder dort, hieß es: sorry, wir machen um vier zu. Und ich fahr morgen nach Jakarta, das war schon fix, weil ich ein Hotel gebucht hab. Zumindest hab ich gestern aber erfahren, dass der Zug um halb zwölf schon voll sei, es gäbe noch einen um vier, um fünf und einen um sechs in der Früh. Na gut, denke ich resigniert, dann also heute. Und natürlich machen sie heute ebenfalls um vier zu, wie immer. Deswegen bin ich langsam nervös geworden, als wir um drei noch zweieinhalb Kilometer entfernt waren.

So klingt s im Bandunger Bahnhof um halb eins, während ich überlege, ob ich jetzt ein halbe Stunde warten oder halt am Abend wiederkommen soll. Dabei stehen übrigens nicht gerade sechzig Leute am Schalter zwei und weitere sechzig am Schalter drei an.

Ich bin dann auch tatsächlich ausgestiegen. Jetzt: keine Überraschung, dass sich der Verkehr fünfhundert Meter weiter aufgelöst hat. Ich hab leider den Moment verpasst, ich war wohl zu konzentriert beim Mich-durch-den-Verkehr-schlängeln-ohne-angefahren-zu-Werden. Und gut so. Und eine halbe Stunde später stand ich in der Station. Zuerst hat mir die junge Frau gesagt, dass ich an Schalter fünf mein Ticket gleich kaufen kann. Ich brauch wohl keine Reservierung mehr dafür. Ok, Schalter fünf ist nicht, wie ich zuerst gedacht hab, der Schalter an dem sechzig Leute anstehen. Puh. Allerdings sagt der junge Mann an Schalter fünf, dass es nur noch Plätze im Zug um vier und in dem um fünf gibt. Argl. Na gut. Na gut… ok. Dann halt um fünf. Morgen Früh um fünf in den Zug nach Jakarta. Einmal bitte, Eksekutif.

Selamat Waisak

Am Samstag um drei Uhr aufstehen um einen Sonnenaufgang anzuschauen – das ist etwas, was man im Urlaub macht. Das passiert einem sonst nicht, nicht wenn man allein ist. Am Freitag bin ich dafür auf einen Sprung in so einem Geschäft gewesen. Mein Hotel ist zwar super gelobt worden dafür, wie viel Unterstützung man vom Besitzer für Planungen und für Ausflüge bekommt, aber weil grad nicht so Saison ist, war meistens nur einer, der darauf aufpasst, dass die Wasserlieferung im richtigen Gebäude ankommt. Ich bin also hier in der Nebenstraße dann in eine Tourismusinformation gegangen. Das ist ja auch interessant, dass das bei uns ein Qualitätssiegel hat, quasi: was offizielles. Und da bekommt man dann eben das. Aber hier schreibt sich das natürlich jede auf die Tür, die Programme für AusländerInnen parat hält. Also, wenn man zum Beispiel Ausflüge und Touren zu verkaufen hat. Beim Spazierengehen in den Tagen davor hab ich schon immer einmal Ausschau gehalten und dabei eine entdeckt, die mir sympathisch gewirkt hat und da bin ich dann also hin.

Dort hab ich als erstes gelernt, dass Waisak schon am Samstag gefeiert wird und zwar in den Sonntag hinein. Waisak, das hat mir noch L. gesagt, was ich für ein Glück hätte, weil da eben gerade dieses Fest gefeiert werden würde, wenn ich in Yogyakarta (Jogja) bin, irgendwas mit BuddhistInnen und Laternen. Natürlich hab ich mir eine Reihe von Nonnen und Mönchen vorgestellt, die Ich gehe mit meiner Laterne singen. Tatsächlich wird der Geburts-, Todes- und oder aber vor allem der Erleuchtungstag Buddhas gefeiert. Und dazu schreiben wir Wünsche auf Lampions, die wir dann in den Himmel steigen lassen. Ich weiß nicht, ob die Nonnen und Mönche das auch machen, aber das machen wir, die wir noch stärker im Weltlichen verhaftetet sind. Und ich hab mich gefragt, wer denn diese Wünsche liest – weil natürlich mit meinem kulturellen Hintergrund ist Wünsche formulieren und Hoffnung darauf haben, dass man diese Wünsche erfüllt bekommt sehr nah bei einander. Quasi dasselbe. Aber jetzt denk ich mir, vielleicht ist es eher was mit loslassen und die Wünsche gehen lassen. Dann hätte ich natürlich total die falschen Sachen draufgeschrieben…

Nun, ich hatte gedacht, Waisak sei erst am Sonntag. Was es ja auch ist, aber man feiert wohl hinein, nachdem es sich um eine Nacht-Sache handelt mit den Lampions und so. Als nächstes hab ich dann erfahren, dass der Ausflug, der mich das Fest nach Borobudur bringt, mich abends hinbringt und der Tempel selbst für die Zeremonie gesperrt ist. Na bravo. Also erst einmal: wie komm ich nach Borobudur und nach Prambanan, damit ich die Tempel tatsächlich anschauen kann. Im zweiten gibt s außerdem ein, aber nur Samstag, Dienstag und Donnerstag… Und wie schaut s aus mit den Ausflügen zum Vulkan. Und zum anderen Vulkan?

Ich bin lange in der Tourismusinformation gesessen. Aber es war nett, ich hatte eine nette Unterhaltung mit den TourismusinformantInnen und das hat ein bisschen geholfen, dass ich diese ganzen Überlegungen nicht nur im Kopf durchführen musste, sondern ein bisschen drüber reden konnte um meine Optionen abzuwägen. Allein Entscheidungen treffen, wo die Kosten plötzlich in den Millionenbereich schießen… das muss ich nicht haben. Aber natürlich, der Nachteil, wenn man sich diese Sachen mit Leuten durchdenkt, die einem diese Sachen auch verkaufen wollen: Ich hab dann einfach alles genommen und mich für beide Touren entschieden: Tempel und Tempel und dann nochmal den Tempel am Abend mit Lampions. Ja, ich mein, rechnet man s runter sind s ja trotzdem nur sechzig Euro, das ist e ok.

Eine von diesen Seitenstraßen in Yogyakarta

Das ist insgesamt ein Problem, weil man ja gewohnt ist, ein bisschen knausrig zu sein, einfach aus Prinzip. Und dann hat der Taxifahrer gestern mit Hundeaugen gesagt, er kann mir keine zweitausend auf meine zwanzigtausend rausgeben. Und ich denk mir, du Hund! und ärger mich darüber, hier beschissen zu werden. Vielleicht ist es auch mehr das, dass es unangenehm ist, betrogen zu werden. Aber dann denkt man drüber nach und irgendwie ist es sofort etwas beschämend, für zwölf Cents doch etwas aufgewühlt zu sein. Das ist wahrscheinlich eine ganz gute Übung für den Umgang mit Geld allgemein.

Auf jeden Fall werde ich für das Geld von daheim abgeholt, zum Sonnenaufgang geführt, und darauf geschaut, dass ich nicht nur Borobudur – zu dem ich schon weiß, dass es um dreißigtausend auch einen öffentlichen Bus gibt – sondern auch Prambanan zu sehen bekomme, ist auch. Und Waisak von mittendrin erleben und alles das. Und zwischendurch sitz ich dafür etwa – warte einmal – neun Stunden im Bus. Natürlich, sag ich, natürlich machen wir das. Und dann nehm ich mir die Broschüre bitte noch mit, weil vielleicht will ich ja doch noch das blaue Feuer anschauen (nur in Java und in Irland – wird vielleicht eher Irland werden), dass dabei entsteht, wenn irgendwas mit Schwefel brennt unter irgendwelchen bestimmen Umständen. Die Vulkane sind, nun, der Bromo, der ist zugesperrt, weil da weiß man nicht so genau. Der raucht seit zwei Wochen, Touristen dürfen zehn Kilometer ran. Wenn das so gesagt wird, hab ich immer den Eindruck, dass da noch einige Einheimische dabei sind, die nach wie vor an den Hängen wohnen. Und der Mount Merapi der ist sowieso seit Jahren eigentlich gesperrt. Kann man trotzdem raufgehen, aber mit Guide und dauert wohl zwei Tage für rauf und runter. Skip.

Also steh ich auf um drei in der Früh. Es ist ein bisschen später geworden als gehofft mit dem Hinlegen, weil ich noch im Computer rumgetippt hab und dann hat der mal wieder das gemacht, wo er sagt, tut mir leid, ich hab null Bytes frei auf der Festplatte und wenn du was löschst, dann ist mir das egal, mach ich keinen Speicherplatz frei oder den freien Speicherplatz sofort wieder voll – kommt ja auf s selbe raus. Was machen wir denn da, ich kann nix speichern, nix auslagern, ich stürz jetzt einfach mal ab und beim Neustarten lass ich dich dann nicht mehr ins Betriebssystem hinein, weil dafür brauch ich auch irgendeinen Cache oder was, den ich nicht anlegen kann. Und dafür brauch ich dann zwei Stunden, dass ich das wieder fixe. Addio, Rocky I-IV, ihr habt mir dann doch noch Speicherplatz freigemacht. Na, war s auch halb zwölf.

Nach den dreieinhalb Stunden Schlaf steh ich also auf und setz mich ins Auto hinten rein. Ich hab einen schönen Rucksack gepackt mit Jause und Jacke und Kapperl und Sonnencreme. (Die Sonnencreme – by the way – ist mir unlängst im Rucksack ausgeronnen, war aber kein größeres Malheur.) Wir fahren noch ein bisschen in Jogja herum, ein paar Leute abholen, ein paar NiederländerInnen, immer diese NiederländerInnen, ein paar Deutsche. München. Das ist wohl auch so eine Stadt, wo man die Stadt sagt, wenn man gefragt wird, wo man herkommt. Oh ja, zwei FranzösInnen waren auch dabei. Und zwei – sorry – AsiatInnen. Ich stell mich hier nicht hin und sag mit irgendeinem Quantum an Selbstsicherheit: das waren ChinesInnen, wie ich das in Australien gemacht habe. Dafür ist hier zu viel los. Und es ist nur fair, dass beim Waisakfest am Abend die Mistress of Ceremony gefragt hat, ob Leute aus Indien da sind? Jaaaa! und aus China? Jaaaaa! Japan? Jaaaaa! Australien? Jaaa! Und dann Europa einfach als Europa? zusammengefasst hat. Man ist schon irgendwo anders unterwegs im Kopf, wenn man aus Europa kommt. Da vergisst man manchmal schon, dass es sehr viele andere Leute gibt.

Den Sonnenaufgang selbst kann man ja nicht hören, aber hier ruft ein Muezzin möglicherweise zum Morgengebet und/oder dazu auf, mit dem Frühstück aufzuhören. Außerdem Grillen und ein früh aufgestandener Aufkehrer.

Aber ja, wo war ich? Im Bus. Im Bus Richtung Westen, halb vier. Um dreiviertel fünf stehen wir in Borobudur. Und ich weiß, ich hab nicht den Sonnenaufgang im Tempel gekauft, weil sie mir gesagt haben, das geht nicht für eine Person beziehungsweise schon, aber dafür schicken sie kein Auto, ich müssert hinten auf einem Moped sitzen für die eineinhalb Stunden raus und die eineinhalb Stunden zurück. Insofern, thank you m’am. Aber jetzt um zehn vor fünf steigen alle aus nur ich krieg ein Not you vom Fahrer. Not me, then. Ich werde nämlich auf einen Hügel geführt, der eine Aussichtsplattform ist und der es geschafft hat, Eintritt dafür zu verlangen, dass man in die Richtung von Borobudur schauen kann und die Sonne mehr oder weniger dahinter aufgeht. Ich solle nicht glauben, dass ich von dort die ganzen Details des Tempels erkennen werde, haben sie schon zu mir in der Tourismusinformation gesagt. Nachdem meine Kenntnis des Tempels überhaupt minimal ist, hab ich ihn gar nicht so recht entdeckt von meiner Aussichtsplattform. Aber immerhin bin ich um fünf der erste und nehm mir den Sitzplatz, den mir der Standorterklärer nahelegt. Und der Sonnenaufgang ist tatsächlich sehr schön. Die Sonne geht weniger hinter dem Tempel auf, oder was ich, als es heller wird vermute, dass der Tempel sein könnte, sondern hinter dem Mount Merapi, was e super ist. Mit dem Fernglas (!) sehe ich (glaube ich zu sehen), dass Rauch aus dem Krater aufsteigt und auch an manchen Stellen der Hänge sehe ich Schwaden in den Morgenhimmel aufsteigen. Kann auch einfach ein Morgennebel oder so was gewesen sein, aber tatsächlich ist der ganz gut aktiv. Und die gute Venus tut ihrem Namen total die Ehre und rast ebenfalls über Merapi hinaus in den Himmel. Wohl: rast, so schnell ist die auch schon wieder in den Wolken verschwunden. Und natürlich im vermehrten Tageslicht.

Ich mein, ich hab die Einstellungen in meiner Kamera-App eindeutig nicht gut unter Kontrolle. Wenn ich an dem Tag was gelernt hab, dann auf jeden Fall, dass ein Telefon als Fotoapparat seine Grenzen hat. Trotzdem schön: Venus über Vulkan.

Es ist schön, weil es so Klischeebilder vom Regenwald erzeugt, der im Morgennebel steht. Ich glaub ja, am glücklichsten sind wir, die UrlauberInnen, wenn wir Fotos von Dingen machen können, die den Fotos, die wir von den Dingen bereits einmal gesehen haben, möglichst ähnlich sind. Anders lässt es sich nicht erklären, dass ich unlängst dutzende Fotos von Reihern gemacht habe, die auf den Schultern von Wasserbüffeln balancieren, die ihrerseits im Reisfeld stehen. Und an diesem Samstag habe ich mehr als zweihundert Fotos von Tempeln und Regenwald im Morgendunst gemacht. Zurückgehalten habe ich mich bei den betenden BuddhistInnen in ihren orangen Roben. Das ist auch so Klischee und die Nonnen und Mönchen stört das auch nicht wirklich, auf jeden Fall haben da ein paar Leute wie wild geklickert, von so zwei Handlang entfernt, als der eine Mönch in Borobudur eine Stupa angefasst hat. Das ist auch so Klischee, aber mir zu viel. Das bekopftuchte Mädchen, die mit vor zwei Wochen lachend auf ihrem Pferd entgegengekommen ist, da hab ich mir auch gedacht, das wär schon ein Foto wert gewesen, irgendwie. Auch wenn s halt ultra-klischee ist, aber so lernt man s halt bei der World Press Photo.

Classic morgendlicher Urwald

Aber ja, alles nicht so einfach. Wenn man so einem Sonnenaufgang zuschaut kommt man halt manchmal ein bisschen ins Nachdenken. Oft weiß man ja gar nicht, was man tun soll mit so etwas einfachem, so etwas alltäglichem. Wie man dem die Bedeutung verleiht, die man ihm ja bereits gegeben hat, indem man um drei in der Früh aus dem Bett gestiegen ist. Am besten noch ein paar Fotos machen.

Um sechs herum werde ich dann auch schnell nach Borobudur geschupft. Jetzt, ein bisschen ein Hintergrund: Buddhistische Tempelanlage – die größte, wie gerne betont wird – ihrer Art. Im neunten Jahrhundert zirka ist das erbaut worden und aber relativ schnell wieder stehengelassen worden. Wie gesagt, kaum sechs- bis siebenhundert Jahre später gab s ja gar keine BuddhistInnen mehr in Java. Und jetzt ist die ganze Gegend aber vorher schon weitgehend verlassen worden, vermutet wird der eine oder andere Vulkanausbruch, wegen dem die BewohnerInnen das Land weitgehend aufgegeben hätten. Im neunzehnten Jahrhundert haben dann verschiedene europäische Expeditionen den Tempel entdeckt, freigelegt (von Dschungel und Vulkanasche) und zu dokumentieren begonnen. Und halt auch renoviert oder wiederhergestellt. Man sieht das ein bisschen, wie manche Teile einfach neuer sind als andere.

Und manche Stellen sind auch offensichtlich nur provisorisch wiederhergestellt. Interessant ist aber auf jeden Fall, dass die Borobudur’schen Reliefe eine seltene Quelle für die Kleidung der javanesischen Nobilität im neunten Jahrhundert sind.
Am Morgen dreht eine Gruppe BuddhistInnen ihre Runde um den Tempel. Eine Gruppe TouristInnen wartet geduldig, bis sie durchgezogen sind und den Zugang zum Tempel freigeben.

Also, der Tempel hat drei Ebenen, sagt die Broschüre, die den drei äh… die Kāmadhātu, Rūpadhātu und Ārūpyadhātu entsprechen. Um ehrlich zu sein, erschließt sich mir das jetzt nicht ohne weiteres, nicht aus der Broschüre, aber auch nicht wirklich aus der Wikipedia. Die Ebenen repräsentieren verschiedene „Welten“, in denen der Mensch mehr oder weniger seinen Sinnen unterworfen ist bis zur Befreiung durch die Erleuchtung in Ārūpyadhātu. Dementsprechend ist diese auch die letzte, oberste Ebene, wo nur noch Stupas und Buddhastatuen stehen. Die Zwischenebene fand ich am interessantesten, weil da sind viele Reliefs, die verschiedene Geschichten aus dem Ramayana zeigen. Also, da gibt s zum Beispiel diese Geschichte wo der gegen den Affenkönig kämpft. Oder wo der Krishna was besonders cleveres macht. Aber ich hab keine FührerIn und bin in diesen Geschichten ja nicht besonders bewandert. Aber ich mag den Stil der Darstellungen ganz gern, in denen die Szenen doch oft ganz lebendig werden, auch wenn ich die Geschichte nicht genau kenne.

Statuen, Stupas und Reliefe auf der Ostseite von Borobudur. Man sieht, dass die Sonne langsam hochkommt.

Auf der obersten Ebene laufen ein paar Europäerinnen in weißen Hemden mit Blumen in der Hand ihre Runden, andere sitzen im Lotus und schauen auf den Urwald oder die Innenseite ihrer Augenlider. Ein einzelner Mönch zieht die Aufmerksamkeit eines Spiegelreflexkamerabesitzers auf sich, der das wiederum ruhig mit sich geschehen lässt, obwohl scheinbar niemand mehr ein Foto macht sondern es gleich vier, fünf Mal klickern lässt, bevor er den Finger wieder vom Auslöser nimmt. Andere wecken die Aufmerksamkeit von SchülerInnen, die von ihren LehrerInnen geschickt werden, um ihr Englisch an TouristInnen auszuprobieren. Das ist mir hier mittlerweile auch schon öfter passiert ist aber in der Regel ganz nett. Ich hätte ein, zwei Tipps zur Fragengestaltung und Interviewführung, aber ist ja nicht mein Job. Nein, die machen das super und in irgendwelchen Englischklassen laufen jetzt Videos von mir, wie ich davon erzähle, wie nett ich die IndonesierInnen finde, wie fröhlich und offenherzig. Sama sama.

In ihrer Repetitivität und Schlichtheit wirkt eine buddhistische Tempelanlage auch tausend Jahre später zeitgemäß. Dazwischen ein Hinweisschild, sich nicht auf die Stupas zu setzen.

Interessant ist, dass ich hier am Eingang einen Sarong bekomme, weil ich in kurzen Hosen unterwegs bin und es warad wegen dem Respekt. Ich mein, interessant, weil ich das sonst nur aus Kirchen und Moscheen kenne (war ich überhaupt jemals in einer Synagoge?) und da sind s dann eher die Frauen, die ein Tuch für um die Schultern oder für über den Kopf bekommen. Aber hier sind die Männerwaden nicht gerne gesehen und das entspricht in Wahrheit ja eh meiner üblichen Herangehensweise an Shorts, insofern hab ich echt kein Problem damit. Dann wiederum muss das auch nicht einfach umgedrehter Sexismus sein, kann ja auch sein, dass Frauenwaden gar nicht besonders als der Respektlosigkeit im Stande betrachtet werden. Man weiß ja nie so recht bei den Religiösen. Nachdem ich mit einer Tour unterwegs bin, muss ich mich ein bisschen am Riemen halten und auch wenn ich gerne ein Stündchen mehr gehabt hätte, vielleicht um einen Sprung ins archäologische Museum zu schauen, muss ich mich letztlich sputen, mach noch zwei Fotos von den Elefanten und dann sitzen wir schon wieder im Bus auf dem Weg nach Prambanan.

Ein langer Weg nach Prambanan

Prambanan ist ein weniger gut in Schuss als Borobudur. Auf den zweiten Blick. Auf den erste ist es viel eindrucksvoller und löst mir gleich einmal eine Gänsehaut aus. Dabei ist es ja schon elf oder so und es wird langsam richtig warm. Der Broschüre nach ist Prambanan ebenfalls im neunten Jahrhundert gebaut worden. Ich hab irgendwo gelesen, dass es besonders sei, dass er als Hindutempel gleich drei Göttern geweiht ist, wo die angeblich sonst auf eine Gottheit fokussieren. Aber hier stehen drei Tempel für Brahma, Vishnu und Shiva. Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Und das ist doch sehr gewöhnungsbedürftig, wenngleich die Notwendigkeit vom Ende, das kann ich schon auch ein bisschen anerkennen, und dass Shiva damit so eine Neutralität besitzt zeugt von einer sehr unterschiedlichen Weltsicht. Nicht nur das, Shivas Tempel ist tatsächlich der große in der Mitte. Außerdem stehen den großen Tempeln noch drei kleinere gegenüber, die den Vehikeln der drei Gottheiten geweiht sind. Es ist alles sehr fremd. Aber auf den Tempeln der drei Götter sind wieder Geschichten in Reliefs erzählt und an die halte ich mich. Außerdem bin ich, ähnlich wie in Borobudur, schon fasziniert von den Steinen, von diesen riesigen Anlagen aus rohem Stein, der hier seit über tausend Jahren im Urwald steht. Und ja, auch diese Anlage ist schnell einmal verlassen worden, nachdem sie erbaut wurde und erst in den letzten hundert Jahren wieder aufgebaut worden. Um die Haupttempel herum stehen hunderte kleine Tempel, die nahezu alle komplett zerstört sind und deren Wiederaufbau ein fortlaufender Prozess ist. Außerdem war da vor nicht all zu langer Zeit ein Erdbeben, das hat auch in den großen Tempeln nochmal einiges ins Wanken gebracht.

Schneller, aber mit einer ähnlichen Regelmäßigkeit wie die buddhistischen Klanghölzer, fallen hier die Hämmerchen. Es klingt insgesamt mehr nach Wiederaufbau als nach Renovierung.

Die Tempel sind jetzt nicht ganz anders als Borobudur. Ein bisschen extravaganter von der Architektur, so gibt s zum Beispiel Dächer. Aber sonst laufen auch hier hinduistische Sagen in Reliefen ab. Außerdem gibt s die Geschichte von einer Prinzessin oder was, die mit einem Prinzen oder was wettet, dass er nicht tausend Tempel in einer Nacht bauen kann. Und er kriegt dann Hilfe von Dämonen – und steigt trotzdem irgendwie als der Held aus. Als die Nacht nahezu vorbei ist, merkt sie, dass sich das ausgehen wird und macht irgendwie ein Licht und dadurch wachen die Hähne auf und fangen zum Krähen an und da denken die Dämonen „Hoppala, ist schon Morgenstund“ und vertschüssen sich. Und er verwandelt sie dann noch in den tausendsten Tempel. Irgendwie so. Ich krieg das ja nur nebenher mit, von denen, die sich am Eingang eine Tourguide gekauft haben.

Schnelle Zusammenfassung: Von der Ästhetik unverkennbare Ähnlichkeiten. In der untersten Reihe Brahma, Shiva und Vishnu (v.l.n.r., und dass von denen tatsächlich zwei nach links und zwei nach rechts schauen war total unabsichtlich).

In der Umgebung von Prambanan beziehungsweise auf dem Gelände, das man mit seiner Eintrittskarte betreten kann, sind noch drei andere Tempelanlagen zu finden, zwei davon sind sicher buddhistisch, bei der dritten weiß ich jetzt nicht auswendig… aber durch die bin ich schon nahezu am durchlaufen, weil zwei Stunden schon wieder knapp sind. Interessant vielleicht, dass im Sewu Tempel, der ebenfalls von vielen dutzenden kleinen, sich im Wiederaufbau befindlichen Tempeln umgeben ist, keine einzige Buddhastatue findet, wenngleich einige Stellen eindeutig dafür gedacht sind. Auch hier wird bereits eine Bühne für Weisak aufgebaut und die Tänzerinnen proben gerade ihren Auftritt als ich Richtung Ausgang haste. Für die zwei Kasuare bleib ich nochmal stehen, aber so richtig foto opportunity ergibt sich nicht.

Und wenn Prambanan schlechter beisammen ist als Borobudur, dann ist trotzdem Sewu nachmal schlechter beisammen als Prambanan.

Und dann geht s heim. Ich schlaf wohl schon ein bisschen im Bus. Als ich im Hotel abgesetzt werde ist es halb eins, ich bin seit zehn Stunden wach und merke, dass ich eigentlich nichts gegessen habe. Ich dusch mich kurz und schau dann, dass ich ein Mittagessen finde. Das ist nicht so leicht, im Ramadan, vor allem, weil ich mich ein bisschen ziere in die Lokale zu gehen, in denen Nasi Goreng bereits vierzigtausend kostet. Fünfundzwanzig zahle ich dann in einem seltsamen Lokal, in dem ich der einzige Gast bin und die beiden BesitzerInnen so überschwänglich freundlich über meinen Besuch sind, dass ich kurz an ihrer Gesundheit zweifel. Während ich esse setzen sie sich wieder an ihren Fernseher. Wie so oft ist der Übergang zwischen Wohn- und Geschäftsbereich nicht ganz deutlich gezogen, das ganze Vorderbühne-Hinterbühne Konzept ist hier weniger deutlich ausgeprägt.

Um drei sitze ich wieder im Bus und werde wieder nach Borobudur geschupft. Das dauert jetzt etwas länger, weil der Verkehr am Nachmittag deutlich intensiver ist als in der Früh. Ich nicke an meinem Fensterplatz immer wieder ein. O, wie sind mir die BackpackerInnengeschichten nicht abgegangen in den letzten Wochen: Um mich herum unterhalten sich Deutsche und HolländerInnen über ihre Abenteuer, unterstreichen, wie lange sie schon unterwegs sind, wie unglaublich Nepal gewesen ist, wie superbillig sie gestern gegessen hätten und wie sehr sie sich auf Bali freuen. Wegen Nepal mache ich mir ein paar Notizen und stöpsel mich dann in meine sowieso vernachlässigten Podcasts ein. Das schlimmste am Reisen sind die anderen Reisenden. Zumindest hier im Bus habe ich keine Lust, mit irgendjemandem in Kontakt zu treten.

In Adam Buxtons Podcast empfiehlt James Acaster beispielsweise Surface to Air Missive.

Es ist schon dunkel geworden, aber wir kurven immer noch ganz schön in Borobudur herum, drehen ein paar Mal um, steigen aus und wieder ein. Die BackpackerInnen lachen, wünschen sich Bier und lästern über schlechte Organisation. Auch in meinen Augen könnten sie uns auch ein bisschen auf dem Laufenden halten, ich hab Verständnis dafür, dass hier improvisiert wird, dass wir andere Leute treffen sollen, dass es dunkel ist und viel los und überhaupt findet das einmal im Jahr statt und dieses Jahr haben sie auch noch ein neues Programm gestaltet, bei dem die TouristInnen ihre eigene Veranstaltung bekommen bevor die echten BuddhistInnen dann ihre eigene Feier um Mitternacht begehen. Und dann natürlich Stress, weil s nicht so läuft wie s soll. Ich habe Verständnis und überhaupt gehen mir die lachenden EuropäerInnen mehr auf die Nerven als nicht und natürlich solidarisiere ich mich im Stillen mit den OrganisatorInnen aus der Tourismusinformation.

Wir haben s dann irgendwann geschafft, bekommen unsere Snacks und das angekündigte Wasser. Um uns herum ist Kirtagsstimmung, Leute verkaufen (und kaufen) Fastfood, Getränke und Spielzeug. Unsere Snacks sind weitgehend unidentifizierbar, auch beim Essen selbst kann ich nicht wirklich sagen, was es ist, Reis, Fleisch, Fisch, Gemüse… keine Ansatzpunkte. Nachdem wir aufgegessen haben gehen wir gemeinsam in die Festivalzone. Hier sind schön schon die Reihen für uns vorbereitet und lassen wir uns auf dem Boden nieder, jede bekommt ihr Platzerl auf ausgelegtem Plastik. Ich glaub kurz, dass das schon die Lampions sind, irgendwie, aber dann sehe ich doch alle auf ihrem Plastik sitzen und außerdem die Lampions, die neben mir in der Wiese wie riesige Tortillas aussehen. Jetzt: Am Boden sitzen tu ich nicht viel und dafür braucht man Übung. Ich sitze lange – und wie ich sagen möchte: mutig – im Schneidersitz auf meinem Plastik, strecke meinen Scheitel zum Himmel und dann atme ich in den Schmerz. Ich weiß nicht genau, wo das herkommt, aber ohne besonderen Kontext würde ich an dieser Stelle sagen, dass ich in einem katholischen Land aufgewachsen bin und selbst, wenn ich das familiär nicht wirklich miterlebt habe, schon gar nicht katholisch, ist für mich offenbar diese ganze Zeremoniegeschichte stark mit Disziplinierung assoziiert. Vielleicht ist es nur der Satz, den ein Professor mal gesagt hat, über die Leistung der katholischen Kirche, dass sie den MitteleuropäerInnen über Jahrhunderte beigebracht hat, still zu sitzen. Und dann denk ich mir eben: muss so sein. Brav sitzen und das bisschen Schmerz, das, hm, naja, das mache sich noch belohnt irgendwie. Irgendwas mit Fokus oder mit… was weiß ich schon. Ganz furchtbar eigentlich. Gleichzeitig bin ich überrascht aber auch irgendwie stolz, wie lange mir das gelingt, doch konzentriert zu sitzen, während irgendwo vor mir aber unersichtlich für mich, ein Mann und eine Frau songcontestartig die Zeremonie einleiten. Also das waren jetzt erst einmal keine BuddhistInnen da vorne sondern eben UnterhalterInnen. Aber nach der ihrer überschwenglichen Begrüßung (s.o.) und einigen einführenden Worten zum Ablauf des Abends, haben sie dann auch an den buddhistischen Mönch übergeben, der jetzt dann eine zwanzigminütige Meditation anleitet. Und an der ersten Anleitung, die er mit dem feinsten Cary Grant Akzent ins Mikrophon spricht, scheitere ich: sitze gemütlich, sodass du nicht angespannt bist, dass dir nichts weh tut, frei von Belastungen. Ich bin von meinem Sitzen leider schon etwas überspannt, und rutsche die ersten Minuten ein bisschen herum, ob da noch was zu retten ist, aber in Wahrheit finde ich gar nicht erst in eine lockere Haltung hinein. Den Mond zu visualisieren und meine Gedanken ruhig zu stellen geht sich dementsprechend auch nicht wirklich aus. Und dann wünschen wir allen lebenden Wesen, dass sie erfolgreich und zufrieden sein mögen, bevor wir uns selbst auch alles gute wünschen und da denk ich dann daran, dass ich auf mein Wunschpickerl, dass wir dann mit den Lampions in den Himmel steigen lassen werden, natürlich nur Dinge geschrieben habe, die ich mir für mich selbst wünsche und nicht auch nur daran gedacht habe, mir für andere etwas zu wünschen. Pffff. Dabei bin ich mir schon erwachsen vorgekommen, weil ich nicht Gelddruckerei, Waschmaschine oder Unendlich viele Wünsche geschrieben hab.

Wie aufgefädelt warten wir auf Waisak.

Na und als dann alle wieder zu sich kommen bekommen wir noch dreimal gesagt, wie das mit den Lampions funktioniert. Die Lampions sind große Papierröhren, die oben rechteckig zugeklebt sind und unten einen runden Metallring haben, in dessen Mitte eine Kerze aufgespannt ist. Erster Schritt ist den Lampion auf Löcher zu überprüfen. Zweitens, Kerze anzünden. Die Frau, die uns von vorne die Anleitung gibt, mahnt uns zur Vorsicht, because we are playing with fire. Nein, denke ich, we are not playing with fire. Wir verwenden ein Feuer und wir sind sehr vorsichtig dabei. (Es brennt dann auch tatsächlich weniger ab, als ich gedacht habe.) Dritter Punkt: Laterne halten, während sie sich mit der heißen Luft füllt. Zwei Personen halten oben, zwei unten. Das tun wir nicht wirklich, aber er kippt uns trotzdem nicht um. Wir haben aber auch eine von den TourismusinformiererInnen bei uns, die hat das letztes Jahr schon gemacht, quasi Profi. Und dann sollen wir den Lampion noch eine Minute länger halten als wir glauben, dass es notwendig sei und dann zählt die Lautsprecherstimme auf null runter. Leider auf Indonesisch und ich hab mir so oft gedacht, ich sollte die Zahlen von eins bis zehn zumindest einmal angeschaut haben. Nachdem wir nicht einmal sicher sind, ob sie von zehn runterzählt und unsere Informiererin irgendwo strawanzen ist, müssen wir warten, bis um uns herum die ersten Lampions aufsteigen und lassen dann auch unseren los.

Ma!, die Hintergrundmusik, die hätte ich schon wieder komplett vergessen gehabt. Öffentliche Veranstaltungen laufen überall nach dem gleichen, anstrengenden Schema ab.

Eine Zeitlang stehe ich einfach da und denke mir, dass das wirklich ganz hübsch ist, auch wenn Borobudur wirklich nur entfernt eine Rolle spielt – quite literally ist Borobudur so weit weg, dass ich von meinem Platz aus nur die Spitze, die Erleuchtungsebene sehe. Es ist hübsch. Dann gestehe ich mir leise ein, dass ich ja wohl auch kein Herz aus Stein habe und hole mein Telefon um auch ein paar Fotos zu machen. Natürlich hab ich den Moment ein bisschen verpasst und überhaupt sind meine Einstellungen nicht ideal dafür, in der Nacht zu fotografieren. Da schallt es über die Lautsprecher, dass wir einen zweiten Lampion steigen lassen werden, nachdem das das erste Mal schon so gut funktioniert hat. Überraschung! Die Tourismusinformiererin meint, das sei wohl, weil die Regierung Leute vorbeigeschickt hat, die da drüben mit der Drohne filmen und die haben vielleicht auch erst ihre Kameraeinstellungen an die Situation anpassen müssen. So hat sie s nicht gesagt, weil sie wusste ja nicht, dass ich diese Schwierigkeiten hatte. Also Nummer zwei. Jetzt acht Leute an einen Lampion, heißt es, aber niemand hält sich daran. Wir finden ein Loch an unserem Lampion, neuer Lampion, alles kein Problem. Ich hoffe, die BuddhistInnen hatten dann später noch genügend Lampions.

Als die Regierung dann ihre Aufnahmen im Kasten hat und ich ob in den Himmel steigenden Lichtern doch ein bisschen schwummrig bin (das war schon schön), erklingt, offensichtlich von schlechtem Weihnachtspop inspiriert, Happy Weisak Day aus den Lautsprechern und wir verlassen das Festivalgelände: Vor den BuddhistInnen hat noch eine zweite Gruppe TouristInnen einen Platz zum Lampions-steige-Lassen gekauft. Hunderttausend hat das pro Person gekostet. Da kriegt der Borobudurpark ganz schön was zusammengesponsort an dem Abend.

Dabei, ich fand schon am Vormittag witzig, als ich gesehen hab, dass es einen Einheimischeneingang und einen TouristInneneingang gibt. Der eine Eintritt kostet fünfundzwanzig Dollar, der andere fünfzehntausend Rupien, das ist etwa ein Euro. Das find ich aber total ok, ich finde das schön, dass man sagt: wir wollen das auch für unsere Bevölkerung erschwinglich machen, die sollen das auch sehen. Jetzt ist Borobudur nicht unbedingt ein nationales Symbol, weil tausend Jahre alter Buddhismus ist nicht wirklich etwas, auf dem der Indonesische Staat aufbaut. Aber es ist die meistbesuchteste Attraktion in Indonesien und da ist es nur fair, wenn die IndonesierInnen das auch einmal gesehen haben. Fix. Das ist als wie wenn der ORF mal seinen Bildungsauftrag wahrnehmen würde und im Kulturprogramm eine kommentierte Version von Sound of Music spielen würde, mit international besetztem Diskussionsgremium nachher.

Und beides zweisprachig angeschrieben.

Dabei, ein bisschen skeptisch war ich schon, als unser Busfahrer gesagt hat: gebt s mir das Geld, dann muss sich niemand anstellen, ich hol euch die Tickets für alle gemeinsam. Aber in Wahrheit wird der nur ein bisschen vom Wechselkurs mitgeschnitten haben und nicht wirklich Einheimischentickets für uns bekommen haben. Weil wir haben in beiden Parks auch Willkommensdrinks bekommen (Tee, Kaffee, Wasser – ich vergesse immer, dass man hier am gern schwarzen Jasmintee trinkt, der mit Milch nicht viel besser ist als ohne) und die sind in den fünfzehntausend nicht mit inbegriffen.

Jedenfalls sitzen wir schnell wieder im Bus und sind schon am Heimweg. Die Heimfahrt vergeht wie im Flug, aber ich bin auch schon wirklich recht müde und schlaf sicher mal ein halbes Stündchen oder so. Auch die NiederländerInnen und Deutschen sind still, vielleicht besinnlich, vielleicht müde. Bisschen schnell vorbei war s, bisschen schnell sind wir wieder weg, aber ich verstehe auch, dass man sich das nicht antun will, zwanzig Mid-Zwanziger in dem nächtlichen Kirtag wieder einsammeln zu müssen.

Beim Aussteigen entschuldigt sich die eine der VeranstalterInnen bei mir für die Verspätung und das vermeintliche Chaos im Ablauf. Ich frag mich, ob sie das nur bei mir macht oder bei allen, aber auf jeden Fall versichere ich ihr, dass das nicht notwendig sei, ich fand s super, sag ich. Und das stimmt schon. Ich tu mir schwer mit diesen Touren, ich kann mich nie ganz mit der Rolle des Herumgeführten identifizieren und bin immer den LeiterInnen ein bisschen näher. Vielleicht ist das eine Arroganz oder die Erfahrung, die ich bei AFS als Organisator von so Unternehmungen gemacht habe, wo ich immer bisschen drauf schau, wie machen die das, was machen die und dementsprechend auch die Toleranz für, ja das Interesse an den Verzögerungen und Missgeschicken habe.

Bisschen foto opportunity ist sich aber schon ausgegangen: endlich eigene Kasuarbilder.

Präscriptum

Ich bin schon wieder mit allem hinterher kommt mir vor. Das ist auch, weil ich so viel unterwegs bin. Einmal mit den Mädels, jetzt schon wieder länger on my own, aber ständig einchecken, auschecken… Ich setz mich ab und zu hin und schreib was, wenn s dringend ist, weil vieles ist einfach nur zu erleben und da tun die ganzen Fotos und selbst die Audioaufnahmen, das geht alles ein bisschen am Gefühl vorbei. (Manchmal denk ich mir, ich würde gerne den einen oder anderen Geruch einfangen.)

Ich mag Indonesien sehr. Es ist eine ambivalente Sache, das auf jeden Fall. Gestern bin ich in Surakarta angekommen, eine Stunde mit dem Zug nach Nordosten von Jogja. Auch hier haben die coolen Kids einen eigenen Namen für: Solo. Und weil man sofort merkt oder vielleicht weniger definitiv: weil ich sofort einmal den Eindruck hatte, dass mich Jogja wohl ein bisschen verwöhnt hat und eine Seite von Indonesien gezeigt hat, die nicht so sehr Java (im Gegensatz zu Sumatra) entspricht sondern sehr Jogja ist. Da ist mehr Tourismus (weil man von dort seinen Borobudurausflug macht) und überhaupt, so hat mir die junge Frau in ihrem ziemlich lässigen Kaffeeladen („I only have black coffee“) verraten, dass Jogja ein bisschen das San Francisco, der siebte Bezirk oder auch das Melbourne von Indonesien ist, sprich: die coolen Kids ziehen hin und gentrifizieren das muslimische Äquivalent der Unterwelt aus der Stadt. Naja, und der Tourismus bringt wohl auch Geld rein.

Jedenfalls hat mich Solo gleich mal wieder ein bisschen erschreckt und ich bin gestern Abend eine Stunde herumgelaufen, weil ich abends tatsächlich kein Restaurant gefunden hab. Also gut: eines hab ich gesehen, aber das hat so fancy ausgeschaut, da wollt ich nicht rein. Und einen McDonald’s hab ich auch gefunden. Und x Standln auf der Straße, die die BesucherInnen dazu eingeladen haben, auf den Teppichen, die sie am Gehsteig ausgebreitet haben, zu sitzen. Zugegeben, das hat auch ein bisschen gedauert, bis ich das entschlüsselt hab. Dafür riesige, hell beleuchtete Telefongeschäfte mit eigenem Parkwart davor. Was sind eure Prioritäten!, wollte ich gern ausrufen, meinen grummelnden Bauch übertönend. Ich hab mich dann in einem Sateladen neben meiner Gasse hineingesetzt. Weil der hatte ein paar Tische und Sesseln. Und das war dann eh schon wieder total nett. Die Tür in die Wohnung stand halb offen, in der die Tochter hin- und hergelaufen ist, während ich meine Spießchen gegessen hab.

Sate in the making

Kann sein, dass das Huhn nicht ganz dort war, wo man es haben will. Ich hab mich in der Nacht ein bisschen hin- und hergewälzt, und im Traum bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass ich Blutflecken auf der Hose hab. Also hinten. Hat sich aber herausgestellt, ich hatte mich, wenn überhaupt, wo hineingesetzt. Halb so schlimm also… Als ich um halb fünf vom Muezzin von nebenan aufgeweckt worden bin (letzte Chance für Frühstück!), hat der Bauch dann auch ein bisschen gejammert. Aber ich hab dann noch ein bisschen geschlafen und da war s dann total ok.

Und nachdem ich dann heute Vormittag mehr mit Selbstorganisation verbracht hab – laut meiner ehemaligen Arbeitszeitaufzeichnung eine häufig notwendige Tätigkeit –, hab ich mich am Nachmittag auf einen ausführlichen Spaziergang hinausgewagt. Im Dunklen gestern hab ich ganz ehrlich nicht so viel mitbekommen, auf einer kleinen Verirrung hab ich mich für einen Moment sogar etwas unwohl gefühlt. Was ich sonst eigentlich nicht empfinde, wirklich nicht. Und im Hellen war s dann auch gleich was anderes. Und das beste an Indonesien sind e die Leute.

Ich hab mir das überlegt und einerseits wirke ich wie ein alter Mann, wenn ich mich jetzt gleich über die lachenden Kinder auf der Straße freue, die mich aus der Entfernung schon beäugen (oder auch nicht, in der Hälfte der Fälle spielen sie ohne Irritation weiter) und mir ein Hello! zurufen oder mich auch nur aus ihren dunklen Augen anschauen. Und andererseits überhaupt: dunkle Augen und was für eine eurozentristische Exotik lege ich hier den Leuten auf. Aber es wäre gelogen, würde ich meine Freude über diese Aufmerksamkeit leugnen. Ich war heute zum Beispiel bei der Statistikzentrale, weil ich die zufällig auf der Karte entdeckt hab und mir gedacht hab, das ist witzig. Und grad wie ich davor stehe, fährt eine Frau auf ihrem Moped raus und wir schauen uns an und auch wenn ich ihr Gesicht kaum gesehen hab (weil sie eine Atemmaske aufhatte) lächelt sie mir zurück, das sieht man ja auch in den Augen. Weil ich glaub, dass ich hier viel mehr mit einem Lächeln unterwegs bin als jemals irgendwo. Zum Teil ist es sicherlich einfach eine Maßnahme, um freundlich zu wirken, weil ich ja die Worte nicht wirklich hab. Und ich mein, ich such nicht ständig den Kontakt, ich bin schon viel auch wie e und je am Blickkontakt vermeiden. Wenn ich aber tatsächlich mal einen längeren Augenkontakt halte mit Leuten, krieg ich allerdings ein Lächeln öfter zurück als nicht.

Und so komm ich heute Abend in mein komisches Hotel zurück (um den Geruch im Bad ist s nicht schade, dass ich ihn nicht mitbringen kann, auch wenn er das Attribut komisch ansatzweise erklären würde) und bin schon wieder weitgehend versöhnt mit Solo, das mir gestern einen Schreck versetzt hat mit seinen Baustellen und seinen Straßenstandeln und das dadurch insgesamt erst einmal wieder fremder und unnahbarer gewirkt hat.

Noch eine Erinnerung: In Jogja war ich in einem Antiquitäten- und Kunstgeschäft und hatte dort ein längere Unterhaltung mit R., der Besitzerin. Ich wollte zuerst nur einen Blick auf die Masken werfen, die ich von draußen gesehen hab, weil ich mag das sehr, merke ich, diese javanesische Art. Ich hab das schon beim Löwen gesagt, aber diese Schattenspielfiguren und die Masken. Wobei, die sind schon unheimlich – und das war dann auch tatsächlich ausschlaggebend dafür, dass ich keine gekauft habe (so mühsam das auch gewesen wäre, die heil heimzubringen), aber ich hab das Gefühl mit so was an der Wand, muss ich auf Besuche meiner Nichte verzichten.

Jetzt ärger ich mich direkt, dass ich kein Foto gemacht hab, die waren nämlich weit schöner, als was ich hier jetzt schnell-schnell im Netz gefunden hab.

Das war s jetzt aber gar nicht. Ich mein, es war ein interessantes Gespräch darüber, dass sie dreisprachig aufgewachsen ist mit Indonesisch, Javanesisch (oder ihrem spezifischen Dialekt davon) und Arabisch. Und dass sie arm gewesen ist, aber dass (zumindest rückblickend würde ich ergänzen) kein Problem gewesen sei, weil sie das soziale Netzwerk hatte und sie geteilt haben und sich gegenseitig unterstützt und pipapo. Sie sei ihren Eltern zeitweise durchaus böse ob der familiären Armut gewesen, aber sieht das heute anders und kann heute dementsprechend froh darüber sein, die Erfahrung der Armut gemacht zu haben. Immerhin war s kein Hindernis, dass sie zum Beispiel auf die Universität gegangen ist. Als ich sie frag, ob ihr da der Islam irgendwie im Weg gestanden ist, als Frau und selbstständig und so… Das versteht sie s gar nicht wirklich: nein, nein, die Religion, das ist für sie sehr privat, Gott, das ist neutral für sie, sie müsse sich mehr vor sich selbst rechtfertigen.

Aber als ich zwei Tage später nochmal da war, dass ich doch noch was einkaufe von den schönen Sachen, ist sie nicht da, stattdessen sitzt eine kleine, bekopftuchte Frau in dem Geschäft, die sie entschuldigt. R. käme morgen wieder, am Nachmittag. Aber da bin ich dann schon weg, sage ich. Na, sie nimmt meinen Namen auf und dann reden wir halt ein bisschen und dann fange ich an, die Batiktücher näher anzuschauen. Und ich muss das mit dem Kopftuch immer noch und immer wieder betonen, weil das hier so eine andere Wirklichkeit macht. Weil das ist schon ein ordentliches, wo keine Haare sichtbar sind. Aber es macht für den Alltag nicht wirklich was aus, so scheint es mir. Weil diese kleine Frau ist fröhlich, lacht über ihre eigenen Witzchen und zupft an mir herum, als ich versuche, das eine oder andere Tuch als Sarong zu tragen. Und es ist im Kontext meiner Vorurteile eine fast surreale Situation.

Oder als ich mein Ronde noch bekommen hab (muss eine Empfehlung gewesen sein) und der Besitzer A. ganz unterhaltungslustig ist, damit ich seinem Standl, dass er da abends am Straßenrand aufstellt, eine Bewertung auf den Social Medias gebe. Oder bei denen, bei denen ich meinen Borobudurausflug gekauft hab, wo sich die eine darüber abhaut, als sie mir sagt, ich kann ja ohne Hemd gehen, wenn ich kein weißes hab (was für den Abend am Weisakfest ideal sei). Oder der Standlverkäufer von gestern Abend der seiner Frau belustigt dabei zuschaut, wie sie mich ohne Englischkenntnisse abkassiert und der mir heute wieder zugewunken hat, als ich vorbeiging. Es sind so kurze Momente, die sehr viel ausmachen in meinem Gefühl, wie ich auf den Tag zurückblicke. Und ich weiß schon, ebensowenig wie die Armut meiner Batikverkäuferin sollte ich meine Rolle hier romantisieren, ein bisschen mag ich es wohl einfach, reich zu sein und exotisch.

Naja, aber eigentlich ist das nur zwischendurch, weil in Wirklichkeit hab ich ein paar längere Texte zu den letzten zwei Wochen. Nur dass ich in den letzten zwei Tagen so gefordert war und zwischen dieses Land nicht verlassen und andererseits mich verkriechen wollen hin- und her bin, dass ich das kurz festhalten wollte. Es ist eh schon wieder kaum gelungen, weil auch wenn s vielleicht besser funktioniert als mit Fotos und Geräuschen, die ich auch mit Worten nicht festzuhalten imstande bin.

Salan, salan…

Ich bin auf Java angekommen. Ich hab mir von J. und L. noch eine Handvoll Tipps geholt, was hier zu tun ist und dann hab ich mich auf den Weg gemacht. Nochmal Medan zum Abschied und da hab ich schon gemerkt, dass ich an meinem Kulturschock gearbeitet hab und dass ich Indonesien nach zwei Wochen durchaus besser vertrage. Da war auch eine gewisse Vorbildwirkung oder Initiation durch J. und L., das würde ich nie leugnen. Die beiden gehen mit einer Souveränität durch Indonesien, von der ich mir durchaus ein bisschen was abgeschnitten hab.

So hab ich also am Flughafen in Medan mehr oder weniger ruhig gewartet, während der Lionair Flieger, der für zehn vor eins am gleichen Gate wie mein Airasia Flieger (zwanzig nach eins) um eins immer noch nicht mit dem Boarding begonnen hatte. Ist halt so. Im Flugzeug bin ich erste Reihe Gang gesessen, neben mir ein Herr, der sich bereits seiner Schuhe (und Socken sowieso) entledigt hatte, neben ihm ein Herr, der den ganzen Flug in seinem Koran geblättert gelesen hat. Gegenüber am Gang eine Reisegruppe, die alle so bunte Jacken tragen, nebst allerlei Stickerei auch mit einem großen, goldenen Hakenkreuz (linksdrehend) am Rücken. Ja, ich bin weit von zuhause weg.

Final Call… wir sind dann auf der Hinterbühne quasi noch ein oder zwei Gates weitergeleitet worden, ich nehme an, es ist einfacher gewesen, als uns das neue Gate über die Lautsprecher durchzusagen.

Zu den kleineren Unannehmlichkeiten gehört,
(eins) dass es im Flugzeug vor lauter Ramadan nicht einmal Nüsschen oder einen Joghurtbecher Wasser gegeben hat.
(zwei) dass ich im Hotel gemerkt habe, dass ich eine kleine Schabe in meiner Seifendose eingesperrt hatte, die sich beim Holterdipolter der vergangenen zwei Tage (in Medan hab ich zur Hotelseife gegriffen, just so you know) in einen unappetitlichen Scrub verwandelt hat. Hab ich aber schnell aus der Seife gespült gehabt.
(drei) dass sich um drei des Nachts (ist das eigentlich ein doppelter Genitiv? Von wegen der Genitiv von die Nacht sei der Nacht und von der Nacht dementsprechend des Nachts?) jemand in der Tür geirrt hat, sag ich jetzt einmal, und gerne in mein Zimmer kommen wollte. Ich nehme an, bereits als ich das Licht angemacht habe, hat sich die Person draußen korrigiert, als ich dann die Tür aufgemacht habe, war niemand zu sehen. Es kann natürlich auch sein, dass die Wände so dünn sind, dass ich wirklich den Schlüssel in der Nachbartür gehört habe, kann durchaus sein. Ich hab dann noch den Riegel vorgeschoben und weitergeschlafen.

Naja und heute hatte ich eigentlich einen ganz gemütlichen Tag in Yogyakarta, or as the cool kids are calling it: Jogja. Ich hab immer noch etwas gebraucht, um aus dem Haus zu gehen… Es gibt ja nicht so richtig ein Frühstück in Indonesien. Die Leute fangen gleich einmal mit einem Curry oder einer Hühnersuppe an. Und ich bin ganz ehrlich ein bisschen damit überfordert, wenn das nicht im Hotel irgendwo mit inbegriffen ist, mir in der Früh bereits was frittiertes zu bestellen. Es ist – glaub ich zu recht zu behaupten – mehr das Bestellen als das Essen.

Wer ist wieder da…?

Aber ich bin dann bisschen spazieren gegangen und es ist schon etwas touristischer als Medan. Aber der Tourismus ist viel asiatischer Tourismus, die EuropäerInnen sieht man wirklich nur vereinzelt, also selten tatsächlich vereinzelt, ab und zu zwei Mädels, immer wieder mal ein Pärchen, selten mehrere. Dafür in allen möglichen Alterskategorien. Und ab und zu grüßen wir uns, wenn wir irgendwo aneinander vorbeigehen. Es ist sicher eine zweiseitige Sache, wo ich mich in zwei Wochen doch etwas an Indonesien gewöhnt hab, aber Jogja ist auch ein bisschen aufgeräumter und insgesamt weniger überrascht mich zu sehen. Heute wurde ich nicht ein einziges mal darum gebeten, den Selfiehintergrund zu machen.

Die beste Begegnung des Tages hatte ich mit einer älteren Frau, in deren Standl ich mich auf der Suche nach Ronde niedergelassen hatte. (Keine Ahnung was Ronde ist, ich hab halt die Empfehlung… ist es eine Empfehlung oder eine Mutprobe, ich hab den Kontext ein bisschen vergessen.) Sie hat mir mit einem Wort und nach meinem Unverständnis mit einem Wort und einer Handbewegung vermittelt, dass Ronde aus ist. Aber weil ich jetzt schon da war, hab ich mir dann einen Kopi gekauft und dabei quasi mein ganzes Indonesisch an die Frau gebracht. Panas? fragt sie mich. Panas, sag ich. Das hab ich bei den heißen Quellen gelernt, die wir in der Zwischenzeit einmal besucht hatten: Air Panas – heißes Wasser. Das Air Wasser heißt ist ja besonders lustig, wenn man zum Beispiel ein Air Tonic bekommt. Hätten sie direkt in Space Balls verwenden können. Jedenfalls hat sie mir dann einen picksüßen Instantkaffee gemacht. Aber war nicht so schlecht. Ich hab mir nur gedacht: erstens würde ich das Zeugt zuhause aber sowas von nicht trinken. Und zweitens sitz ich hier in einem Land, in dem super Kaffee angebaut wird, in dem ich frische Kaffeebohnen vom Strauch genascht habe (und ich hab das ganz gut gefunden, fast schade, dass niemand Kaffee auf dickeres Fruchtfleisch hingezüchtet hat) und, naja, Instantkopi. Aber gut war er halt doch irgendwie. Und dann hat sie viertausend verlangt und das ist wirklich ok, weil immerhin hat sie einen guten Standort gleich neben dem Sultanspalast. Und lernen tu ich auch noch was: Sie fragt mich was ich tu und antwortet sich selbst mit salan, salan – walking, walking.

Ich hab das auch bei den Schmetterlingen mal gesagt: ich versteh das schon, dass man von der Schönheit angetan ist und sich das irgendwie einfangen möchte, aber daraus entstehen dann halt so Sammelkästen mit toten Insekten. Und so ähnlich ist es damit, dass hier überall Vögel in Käfigen gehalten werden. Das macht eine schöne Geräuschkulisse, aber es hat auch was trauriges.

Der Sultanspalast war allerdings schon zu. Ich war dafür in einer Kunstgalerie, in der Batik ausgestellt war. Und jetzt, nicht dass du glaubst, Hippieteeshirts. Neinein, das ist eine Technik, die hab ich mir dort erklären lassen und dann hab ich nichts gekauft und da war der Galerist nicht ganz glücklich mit mir, das hab ich schon gemerkt. Aber das war schon klar, weil mich auf der Straße echt drei Leute zu der Galerie geschickt haben. Und ich war eh schon skeptisch und voller Verdacht, dass einem hier die Leute, die einen auf der Straße ansprechen, tatsächlich nur gute Tipps geben, wo gibt s denn sowas? Aber scheinbar hält man mich für einen Künstler, wegen den langen Haaren. Long hair, long life ist ein Spruch, den ich schon ein paar Mal gehört hab. Das ist nicht ganz ernst gemeint, so viel hör ich schon raus. Aber was genau dahinter steckt, bin ich mir nicht ganz sicher. Es gibt schon Männer mit langen Haaren, so ist das nicht, aber irgendwie ist es nicht gewöhnlich und wenn, dann ist man damit wohl ein Künstler. Und so war ich dann trotzdem in der Galerie und das war auch interessant, weil es ist-a-so, dass da mit Bienenwachs auf Baumwolle das Bild quasi aufgetragen wird und dann wird drüber gemalt, von hell nach dunkel und wer will, der kann zwischen den Farben auch neu mit Wachs arbeiten und am Ende wird das ganze in kochend heißes Wasser getunkt und das Wachs schmilzt davon und übrig bleibt das Bild. Besonders interessant – aber das machen nur die wirklich guten – fand ich die Technik, wo das ganze Tuch schwarz gefärbt wird und dann wird wiederum mit Wachs gemalt und dann wird gebleicht und übrig bleibt schwarz. Fotografieren wäre wohl etwas frech gewesen zu dem Zeitpunkt.

Ausblick auf den Verkehr. Selbst auf GoogleMaps wird neben der Wegdauer mit dem Auto, dem öffentlichem Verkehr oder zu Fuß auch eine Moped als Option angeboten.

Und dann bin ich in den Wasserpalast gegangen, wo ich alle paar Meter einen selbsternannten Guide abgeschüttelt hab. Eigentlich sind sie echt nicht besonders aufdringlich, jetzt, überhaupt. Manchmal fragt mich einer, ob ich transport brauch, aber ein einziges Nein tut s in der Regel. Ab und zu fragt halt einer wo ich herkomm und sag dann ah, Vienna oder ah, Australia, je nach meiner Aussprache. Der eine hat mich gleich einmal als einen Deutschen erkannt, an meinen Sandalen oder an meinem Hipsterssackerl, das hat mir ein bisschen zu denken gegeben. Aber natürlich. Für einen Niederländer fehlt mir ein halber Meter Körpergröße und irgendwie gibt s sonst nicht so viel europäischen Tourismus. Am Lake Tabo waren noch ein paar RussInnen, also, das war auffällig. Aber sonst, ja Deutsche. Vielleicht muss ich mir da gar nicht so viel Gedanken drüber machen. Nicht, dass ich was dagegen hab, dass ich als Deutscher identifiziert werde, wirklich nicht. Ich mein, ich bedaure halt am ehesten, dass mein Französisch-Sein ausgeschlossen wird…

Der unterirdische Eingang in den Wasserpalast. Die Wände sind sichtlich renovierungsbedürftig.

Egal. Was? Ja, Wasserpalast. War ok. Da gibt s Eintritt und irgendwie ist es ein bisschen unübersichtlich und außerdem wird gerade renoviert und entweder ich hab eine Tür verpasst oder Teile sind abgesperrt, auf jeden Fall waren in meiner Broschüre mehr Räume als ich gesehen habe, aber dann wiederum darf man durch manche Durchgänge nur in eine Richtung und nicht mehr zurück und was man dann verpasst hat, hat man halt verpasst. Ich hab mir gedacht, schade, dass sie nicht diesen javanischen Stil für Dorne verwendet haben (Game of Thrones Referenz), weil im Grunde ist das eins zu eins der eine Ort gewesen, an dem Doran Martell gezeigt wurde. Es wäre schön gewesen, wenn die Rhoynar sich so deutlich im Architekturstil von den Andals und der First Men absetzen. Aber nachdem Dorne letztlich eh keine Rolle gespielt hat, wäre das auch vergebene Liebesmüh gewesen. Der hiesige Wasserpalast war ebenfalls nur ein Schatten von dem, was er mal gewesen ist. Aber es gibt auf jeden Fall eine Idee davon, dass das recht eindrucksvoll gewesen sein muss. Interessant auch, dass drumherum einfach Stadt ist, also an den Außenmauern quasi schon die nächsten Häuser angebaut sind. Sowas tät s bei uns nicht geben.

Über dem Tor ist das, was ich im nächsten Absatz als javanesischen Löwen bezeichne. Leider ist mir da die Sonne von der Seite ins Bild gesprungen…

Vom Stil eigentlich sehr schön. Es ist dieses Javanesische, mit den Löwen, die die Zunge herausstrecken und ich hab das vorher auch schon in der Galerie gesehen, bei denen, die traditioneller gemalt haben und hab mich daran erinnert, dass ich als Kind das schon interessant gefunden habe. Ich weiß nicht, war das im Naturhistorischen Museum? Wäre eigentlich seltsam… Aber ich erinnere mich an javanesisches Schattenpuppentheater und dass ich das toll gefunden habe. Nämlich wahrscheinlich leicht gruselig, aber faszinierend. Ich kann mich wahrlich kaum erinnern, aber es ist nicht komplett negativ besetzt.

Und dann hab ich mich in ein Hipstercafé gesetzt. Also, wirklich. Das hätte so auch in Melbourne stehen können. Dort hab ich einen Burger gegessen und einen Kaffee getrunken, einen echten jetzt. Der war auch ziemlich gut, hat mir aber auch echt ein bisschen den Kreislauf zusammengehaut. Hundertfünfzig Milliliter, sans Zucker, ich hab nicht zugeschaut, aber Bamboo Drip, durch oder zumindest mithilfe von Bambus gefiltert. Dort bin ich endlich dazu gekommen, mir ein bisschen indonesische Geschichte anzulesen…

Entkolonialisierung

Also, Indonesien war ja niederländische Kolonie. Im sechzehnten Jahrhundert sind die niederländischen HändlerInnen gekommen und zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich eine nationale Bewegung in Indonesien entwickelt. Weil eigentlich natürlich irgendwie nahezu hundert Ethnien, die auf den vielen Inseln halt leben. Und die Niederländer haben natürlich, für Verwaltung und alles selbst ein bisschen drauf geschaut, dass das zusammenkommt. Aber dann hat halt der Nationalismus auch hier begonnen und vielleicht ganz interessant, weil es schon ein bisschen eine andere Facette auch zeigt und man muss wohl vorsichtig sein, wenn man alles über einen Kamm schert tut man wohl auch dem einen oder anderen unrecht. Jetzt, das vorausgeschickt ist die Unabhängigkeit Indonesiens jetzt nicht nur vom Nationalismus sondern vielmehr vom Faschismus auch befördert worden. Weil die Niederlande sind ja schnell einmal besetzt gewesen, als das Deutsche Reich in Richtung Paris marschiert ist. Also, jetzt vor allem im zweiten Weltkrieg, aus dem ersten – wieder was gelernt – haben sich die Niederlande militärisch nicht beteiligt bzw. wurden auch nicht beteiligt. Indonesien ist dann nicht Teil des Deutschen Reichs geworden, wie ich einmal spekuliert hatte, die NiederländerInnen (ich mein, technisch gesehen, waren die Niederlande eine Demokratie, da ist auch die Kolonialpolitik durch den Volkswillen getragen) haben sich noch ein bisschen gehalten, bis Indonesien dann von Japan besetzt worden ist. Die haben in zwei, drei Jahren die niederländischen Verwaltungsstrukturen dekonstruiert und spätestens als es ihnen nicht mehr so gut gegangen ist, haben sie selbst den indonesischen Nationalismus gefördert. Nachdem Japan kapituliert hatte waren sie angehalten einerseits die Waffen niederzulegen, andererseits Indonesien weiterhin zu verwalten. Daraufhin haben sie – zumindest teilweise – einfach die nationalistischen Indonesier(Innen), die hinter Japan standen, bewaffnet. Irgendwann ist dann noch die britische Armee gekommen, auf die Bitte der NiederländerInnen, die da einfach kolonial weitermachen wollten, aber einfach nicht die Ressourcen hatten, um da ein Volk zu unterdrücken. Großbritannien hatte aber auch nicht gerade Lust, da jetzt stellvertretend einen Kolonialkrieg für die Niederlande zu führen und pi-pa-po hat Indonesien noch fünfundvierzig die Unabhängigkeit ausgerufen. Drei bis vier Jahre hat der Imperialismus gegen den Nationalismus gekämpft und etwa eine Viertelmillion Tote verursacht, größtenteils IndonesierInnen, Militär und Zivile. Aber dann haben die NiederländerInnen gesagt, ok, dann halt nicht, macht s euren Scheiß doch selber, wir wollen gar nicht wirklich Kolonialpersonen sein.

Weil es gibt hier schon viele Statuen, mehr oder weniger hässlich, muss man leider sagen, die einen militärischen Sieg feiern und oft haben die neunzehnfünfundvierzig draufstehen. Da hab ich mich oft gefragt, aber jetzt weiß ich s.

Der Islam in Indonesien

Das war das zweite Thema, das mich schon länger interessiert hat. Interessanterweise gibt s dazu angeblich einfach nur wenig Informationen. Es ist einfach nicht klar, wann und wie sich der Islam in Indonesien durchgesetzt hat, auf jeden Fall hat er das. Als die europäischen HändlerInnen im sechzehnten Jahrhundert hier groß angekommen sind, gab s praktisch keinen Buddhismus und keinen Hinduismus mehr. Und dabei mag der Islam tatsächlich nur hundertfünfzig Jahre vorher so wirklich angekommen sein. Aber wie ja oben schon angedeutet, gab s statt Indonesien ja einen ganzen Haufen an Völkern, die in unterschiedlichen Systemen gelebt und beherrscht wurden. Es ist ein bisschen ein Rätsel und, wie die Wikipedia schön sagt, der indonesische Staat ist mehr daran interessiert, neue Moscheen zu bauen als alte auszugraben.

Halbe Stunde noch bis Fastenbrechen!

Als nächstes wäre es interessant, den südostasiatischen Islam ein bisschen mehr ins Bewusstsein zu rücken. Bzw. auch besser zu verstehen. Schon auch, um zu zeigen, dass Islam Nuancen besitzt und dass man in Europa halt an den arabischen Raum denkt, wenn man Islam sagt und man kann gerne die Stellung der Frau, männliche Ehrenkodexe oder den Umgang mit Hunden diskutieren, aber vielleicht muss man da kulturell ein bisschen aufpassen und das nicht per se dem Islam in die Schuhe schieben. Ich bin nie so vielen, nämlich größtenteils total entspannten, umgänglichen Hunden wie hier, dem viertbevölkerungsreichsten Staat der Welt mit der größten muslimischen Bevölkerung begegnet. Auch wenn das nur mein kleiner Erfahrungsschatz ist.

…et le singe est sur la branche

Es ist nicht so einfach, so eine Erfahrung in zwei bis drei Absätzen festzuhalten. Weil auf der einen Seite war unser Jungle Trek ja wirklich bloß eine Wanderung, wenn auch unter besonderen Umständen, insbesondere, dass es einfach sehr warm und schwül war, drei Tage lang und ich mit Bergschuhen durch s Gestrüpp gestapft bin. Es geht erstaunlich viel bergauf und bergab im Urwald von Sumatra und der Urwaldboden ist lehmig und rutschig. Aber vielleicht greife ich hier vor.

Ein bisschen eine Audiokulisse für s Weiterlesen…

Am ersten Tag geht s um neun Uhr los und das ist sogar ziemlich genau die Zeit, zu der wir losmachen. Meine zwei Deutschen kriegen ihren eigenen Trek, weil die nur zwei Tage unterwegs sind, während ich neue Leute kennenlerne: C. und J. aus Kanada, St. und T. aus den Niederlanden und erstaunlicherweise sind ÖsterreicherInnen am häufigsten vertreten, neben mir sind noch J. und L. dabei. So trifft man sich im indonesischen Dschungel. Also, gleich stark vertreten wie Indonesier, denn mit uns unterwegs sind J., A. und M. aus Bukit Lawang, die darauf aufpassen, dass wir nicht verloren gehen, die darauf schauen, dass wir Tiere zu Gesicht bekommen und die sich darum kümmern, dass wir was zu essen bekommen, wenn wir müde sind.

Zehn Minuten in den Wald hinein stapfen wir zunächst wieder einmal durch eine Plantage. Auch hier auf den ersten Blick nicht gleich als solche erkennbar, weil es ist halt Wald und es ist Gestrüpp und es schaut aus wie Wald. Aber natürlich ist kaum zu übersehen, dass die Bäume alle angeritzt sind: hier wird Kautschuk geerntet. Es schaut sehr manuell aus, wie hier kleine Schalen unter den als Hähne improvisierten Blättern stehen, in denen die weiße Masse zusammentropft. Alle paar Tage kommen die Bauern und gießen den Kautschuk zusammen. Und obwohl es so klein wirkt, so manuell, wird das Zeug an die Industrie verkauft. Nicht unbedingt internationale Autoreifen, aber zumindest lokale Gummiringerl sagt der Guide.

Bisserl unpraktisch das Foto, merk ich grad, weil man gar nicht sieht, wie auf der anderen Seite des Baums in die Rinde geritzt ist. Außerdem ist die volle Schale trügerisch, das ist hauptsächlich Regenwasser…

Dann schauen wir noch eine Viper an, die im Baum liegt. Die liege hier seit mehreren Wochen, heißt s. Und am Weg sei nicht wirklich mit Schlangen zu rechnen, dafür ist der Weg zu busy, dafür gingen die Schlangen uns wohl doch zu sehr aus dem Weg. Ist uns wohl auch recht.

Kurz darauf stehen wir unserem ersten Orang-Utan gegenüber. Orang-Utan und auch dreißig anderen TouristInnen, mit denen wir diese Erfahrung teilen. Da sitzt eine Mutter im Baum und kaut Blätter für ihr Kind, das weit über uns in den Ästen herumturnt und ab und zu einen interessierten Blick auf uns herunterwirft. Ich sage „interessiert“, mein Eindruck von den Orang-Utans ist nicht, dass sie besonders expressive Gesichter hätten: leicht traurig, mehrheitlich gleichgültig, würde ich ihren Gesichtsausdruck in der Regel beschreiben. Vielleicht prägt mich wirklich der Eindruck dieser ersten Mutter, die wir hier zu sehen bekommen. Gemächlich speit sie ihren Mundinhalt in einer sauberen Wurst den Ast entlang, auf dem sie sitzt, um das Gekaute kurz darauf wieder aufzuschlecken. Ein sich wiederholender Prozess, so lange wir dort stehen.

Ich hab schon viele Fotos von den OU’s gemacht, deshalb hier ein bisschen zusammengefasst.

Die Mehrzahl der Orang-Utans, die wir zu sehen bekommen, sei halb zahm, also an Menschen gewohnt und im Kontakt mit den WildhüterInnen, die den Nationalpark betreuen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was das tatsächlich bedeutet. Es gibt auch zumindest zwei Weibchen, die tatsächlich ausgewildert wurden: Mina und Jackie. Die beiden sind problematisch, weil sie von den TouristInnen auch Essen einfordern. Mina, so sagt man, habe einmal jemanden in den Schenkel gebissen, wobei sie in der Geschichte etwas besser wegkommt, als in dieser Kurzfassung: sie habe nach der Kamera einer TouristIn gegriffen und eine WildhüterIn sei dazwischen gegangen, worauf sie sich Minas Ärger zugezogen habe und sie sie ins Bein gebissen habe. Ich versuche nachzufragen, ob sie denn einen ganzen Biss aus seinem Schenkel genommen hätte, aber diese Frage scheitert einfach sprachlich. Mina orientiere sich außerdem an der Hautfarbe: als unser Guide einmal mit einer Gruppe indischer TouristInnen durch den Wald spaziert sei, hätte sie keinen Mucks gemacht, um sich dann der nächsten Gruppe mit europäischer wirkenden Gästen aufzudrängen. Mina selbst ist etwa vierzig und seit dreißig Jahren im Nationalpark. Sie ist zur Zeit mit einem Kind unterwegs, das etwa sechs Jahre alt ist.

Jackie ist ähnlich problematisch, sie hat nur noch niemanden gebissen. Ihr Trick ist es, Männer (und ausschließlich Männer) am Arm festzuhalten und sie sich durch Obst auslösen zu lassen.

Letztlich sehen wir gar keine „wilden“ Orang-Utans und ausschließlich Weibchen. Die Männchen seien rund doppelt so schwer wie die Weibchen und kämen so auf gut neunzig Kilo. Und ihre Territorien sind wesentlich größer als die der Weibchen, die sich am Tag wohl kaum einen Kilometer bewegen. Schade zwar aber ich muss sagen, als unsere erste Orang-Utan Begegnung, dann durch ein zweites Weibchen ergänzt wird, merke ich schon, dass mir das auch so genug Aufregung ist. Die Neue lässt sich nämlich zwischen den Touristen auf den Boden herunter und geht dort so knapp an der einen oder anderen TouristIn vorbei, dass ich in sieben Metern Entfernung trotzdem das Zittern bekomme. Ich gewöhne mich in den nächsten Tagen ein bisschen an den Eindruck und entwickle durchaus auch Vertrauen in das Verhalten der Orang-Utans, aber der Satz, they will literally just pull your arms out schwirrt mir trotzdem durchgehend im Kopf herum. Ich bin nicht sicher, woher ich den habe oder ob er sich überhaupt auf Orang-Utans bezieht oder etwa auf Gorillas oder Wookies, aber es erscheint zumindest nicht unrealistisch, wenn ich sehe, mit was für einer Leichtigkeit, sie sich durch die Baumwipfel hieven.

Auf jeden Fall geht s dann einmal weiter und die große Attraktion ist einmal erledigt. Wir sind alle etwas baff von dieser Begegnung, ich denke mit dieser Nähe und mit dieser Geduld der Menschenaffen hat niemand wirklich gerechnet. Wir stapfen weiter durch den Regenwald und sehen fünf Zentimeter große Ameisen, Gibbons ganz oben in riesigen Bäumen und eine Art Pfau, den wir Kuau Raja genannt bekommen, der neben unserem Pfad steht und sich durch uns kaum irritieren lässt. Wikipedia beschreibt ihn als ein Stückchen vom Pfau entfernt verwandt und nennt ihn Argusfasan.

Vögel und ihre blauen Köpfe… interessant eigentlich, weil ich doch gerne mit der Erkenntnis hausieren gehe, dass es in der Natur wenig blaues gäbe, weshalb in Sprachen blau verhältnismäßig selten überhaupt als Begriff entwickelt werde.

Nach dem Mittagessen geht es jedoch turbulent weiter. Während wir mit unserem Nasi Goreng am Boden sitzen, bricht plötzlich J. aus dem Busch hervor und sagt, es wäre günstig, wenn wir langsam fertig machen, wir wollen aufbrechen, er habe Mina im Wald gesehen, sie sei auf dem Weg. Also packen und möglichst ohne Panik in die andere Richtung, flott, flott. Ich merke gewisse Zweifel in unserer Gruppe, ob wir hier wirklich gerade verfolgt werden oder ob man uns das für ein bisschen thrills einzureden versucht. Wenige Sekunden später murmelt einer unserer Gruppe, dass er sie gerade gesehen habe und tatsächlich ist uns Mina nur wenige Meter hinter uns auf Fersen. Nachdem die Wandergruppen ähnlich getaktet sind, treffen wir kurz darauf auf eine zweite und dritte Gruppe, die ebenfalls gerade Mittagspause machen. Damit wälzen wir das Problem ein bisschen auf die anderen ab. Es ist insgesamt nicht ideal, den Orang-Utans Essen zu geben, so wurde uns in der Einführung dargelegt. Viele Krankheiten sind vom Menschen auf die Menschenaffen übertragbar und während wir dagegen oft einmal immun sind, sind die Orang-Utans das nicht, insofern tut ihnen Essen aus unserer Hand oft einmal nicht besonders gut. Aber während unsere Guides da recht streng sind, tun sich andere leichter und so bekommt Mina im Rahmen großen Traras und allgemeiner Aufregung doch noch zu ihren Orangen. Insgesamt bekomme ich schnell den Eindruck, dass hier beide Seiten profitieren: Mina kriegt ohne großen Aufwand ihre Snacks, die sie sich im Urwald sonst mühsam zusammenklauben müsste und die Guides können vor den attraktionssuchenden TouristInnen mit Orang-Utans interagieren, weil sie nicht anders können, weil Mina nicht anders zu besänftigen sei. Und so ist alles ein großes Spiel, was mir schnell einmal etwas die Freude an der Situation raubt, weil ich mich von der Inszenierung ein bisschen verarscht fühle. Noch dazu ist es offensichtlich, dass Minas Kind dieses Verhalten lernt. Jedenfalls ist Mina am Ende zufrieden und die TouristInnen auch. Größtenteils.

Eine von den beiden auf dem linken Bild ist die berüchtigte Mina, die andere ist ihre Tochter.

Währenddessen laufen wir weiter unseren Wanderpfad entlang. Die Boyz unterhalten sich über Avengers und C. macht sich mit seiner Feststellung, dass da jetzt eine Frau dabei sei, die natürlich mächtiger sein muss, als alle anderen, because she’s a woman bisschen unsympathisch. Mit einiger Verwirrung stelle ich ab und zu fest, dass KanadierInnen wider meine Erwartung oft ein bisserl Nervbolzen bis Ungusteln sind, während die US-AmerikanerInnen wiederum wider den (wenngleich mittlerweile durch die allgemeine Erfahrung weitgehend entkräfteten) Stereotyp zuvorkommend, interessant und interessiert sind. Was soll man sagen: solche und solche (aber das sind die schlimmsten).

Gruppendynamisch bin ich ein bisschen dazwischen. Einerseits bin ich im Alter ein bisschen nach oben raus, die Kanadier und St. sind wohl so Mitte zwanzig, T. und die Österreicherinnen sind Anfang dreißig. Und so schwinge ich zwischen der Geschlechteridentität und der nationalen Zugehörigkeit. Ich mein, beides nicht unbedingt mein cup of tea. Und natürlich ist das mehr deskriptiv jetzt. Beim Wandern tendiere ich mehr und mehr zu den Österreicherinnen, bei denen ich mich inhaltlich besser aufgehoben fühle, mit denen ich mich besser unterhalte. Oh, und ich freue mich über die Austriazismen, die ich da zu hören bekomme: Ein Moi! drückt einfach ein Gefühl aus, dass abseits von diesem Ausruf kaum zu fassen ist. Und wenn das eigene Stolpern mit einem Hoppala! kommentiert wird, weiß ich auch schon, dass da nichts passiert ist. Und zwischendurch einmal ein Oida!, das schmiert die Sprache. So sehr mich der Gedanke an den Heimweg vom Flughafen schreckt, weil ich dort immer von der Grobheit und Herzlosigkeit der Sprache schockiert bin, so sehr genieße ich den einen oder anderen Ausdruck in diesem Kontext.

Aber als wir in unserem ersten Camp ankommen und zur Abkühlung (und durchaus auch für ein provisorisches Waschen) in den Fluss steigen, sitze ich wiederum eher mit den Burschen und nehme ein bisschen am Game of Thrones Gespräch teil. Wird allerdings nicht so wirklich was, weil einerseits nicht alle auf dem Laufenden sind und für meinen Geschmack viel zu viel Begeisterung über die Entwicklungen der letzten Staffeln vorherrscht. Und dann kommen die Gelsen und ich entsteige dem Fluss.

Und so klingt s am Fluss.

Am Abend gibt s Curries und Kroketten (die sind hier aus irgendeinem Grund sehr weit verbreitet, keine Ahnung…), das Huhn ist eher unpopulär, der westliche Gaumen tut sich mit der Art, wie hier Huhn einfach quer durch Haut und Bein aufgeschnitten wird, nicht ganz leicht und die Knochensplitter werden als unsexy empfunden. Aber nach den Anstrengungen des Tages schmeckt s natürlich trotzdem und außer dem Huhn bleibt nichts übrig. Am zweiten Abend geht s ähnlich mit dem Fisch, der mit Gräten und Köpfen frittiert wurde: der Fokus liegt auf Reis und Gemüse.

Um halb acht ist es dunkel und T. gibt uns die eine oder andere Blackstory zum Durchdenken. Dann kommen die Guides mit Zündholzrätsel und Kartentricks. Ich bin vielleicht nicht ganz fair dabei, aber der Oberrätselsteller geht mir ein bisschen auf die Nerven und meine Nachfragen gehen in eine Richtung, in der ich mich von ihm nicht verstanden fühle. Wir reden da aneinander vorbei. Aber wenn man mir

I+II+III=4

aufgibt, dann sehe ich darin nicht eins plus zwei plus drei ist vier sondern eins plus elf plus hundertelf ist vier. Da scheiter ich an der Inkonsistenz der Aufgabenstellung und wir haben s dann auch kollektiv nicht ohne Hilfe gelöst. Aber ja, ein bisschen ging s auch darum, dass nicht alle Leute eine Bühne haben können…

Große Aufmerksam bekommt hingegen die Vogelspinne, die plötzlich quer über unsere Sitzmatten läuft und die schnell von den Guides weggewischt wird, mit parallelen Beteuerungen, dass es hier keine giftigen Spinnen gebe. Jaja, aber Hauptsache, alle Raupen lösen Lähmungserscheinungen aus… Irgendwann sind alle von den Rätseln frustriert und eine kleine Nachdenkpause wird kurzerhand für den großen Aufbruch in Richtung Bettenlager genutzt. Ich sitze noch ein bisschen mit T. und wir spielen eine Runde Rummy, was ohne zählen kaum witzig ist, wechseln dann zu Yaniv („he will prosper“), einem tibetanisch-israelischen Spiel, das eh so ähnlich ist, aber mehr Interaktion ermöglicht. Und dann spielen wir noch drei Runden vom besten Spiel des Abends, wo wir abwechselnd Karten vom Stapel nehmen und jeder vervollständigt parallel fünf Pokerhände. Großer Spaß, ganz ehrlich. Um elf oder was ist auch das genug und ich schlupf einmal mehr in meinen Hüttenschlafsack.

Zwei weitere Campgäste. Wobei der grausliche Hunderfüßer (links) bereits halbtot aus dem Busch gefallen ist, sonst hätte ich mich nicht so nah an ihn herangetraut.

Ich liege sicher eine halbe Stunde wach neben St. unter dem gemeinsamen Moskitonetz. Ich hab das im Dunkeln nicht mehr besonders gut hinbekommen, mir darunter den notwendigen Platz zu schaffen und ekel mich eine Zeit lang vor dem süßlichen Verwesungsgeruch, den die Plastikmatratze und/oder das feucht-schimmlige Moskitonetz verströmen. Wie viel St. eiternde Wadenwunden womöglich auch noch dazu beitragen, bin ich nicht bereit mir zu überlegen. (Wenig bis nichts muss ich ehrlich sagen, der Gestank ist jedenfalls schlimmer, wenn ich vom ihm abgewendet liege.) Irgendwann schlafe ich ein und bis darauf, dass ich einmal aufwache, als ich bei dem Versuch mich umzudrehen mit dem ganzen Oberkörper an der Matratze festklebe, schlafe ich besser als befürchtet. Aber ich wache um halb sieben auf und setze mich an den Fluss, wo ich den bläulichen, metallic schimmernden Libellen zusehe.

Hier rauchen schon die Kohlen für den morgendlichen Kaffee.

Der zweite Tag ist strukturell dem erste nicht unähnlich. Wir entdecken noch ein paar neue Affen (helle, dunkle, langer Schwanz, kurzer Schwanz…) und L. macht eine Begegnung mit einer Kakerlake, die auf ihrer Schulter landet. Aber das steckt sie verhältnismäßig gut weg. So sehr, dass ich mich sagen getraue, dass ich die jetzt sogar ganz hübsch gefunden habe. Es war so eine große, flache. Ich mein, wirklich groß. Aber ich finde sie weniger eklig als wenn ich sie in Schönbrunn im Terrarium unter dem ultravioletten Licht sehe, zwanzig Stück, wie sie übereinander klettern. Aber ja, ich hab sie auch nicht auf mir gehabt.

Wir haben sogar noch eine Mina Begegnung. Insgesamt machen wir ein bisschen einen kürzeren Tag, durchaus etwas anstrengender als der Vortag, zumindest was die Höhenmeter betrifft und es ist auch mehr zu klettern. Aber wir sind wohl kaum fünf Stunden unterwegs und schlagen um drei bereits unser Lager auf. Auf den letzten Metern verfolgt uns eine Orang-Utan, die sich wahnsinnig elegant an unserem Weg entlang durch die Bäume hantelt. Im Gegensatz zu Affen, so erzählt man uns, springen Orang-Utans nicht von Baum zu Baum sondern halten sich immer mit einer Hand oder einem Fuß an dem nächsten Ast fest, bevor sie den alten loslassen. Dabei sind sie geschickt und schnell.

Der höchste Punkt unserer Wanderung belohnt mit diesem Blick über den Regenwald.

Im Lager wir der Orang-Utan zu, die ihr Nest über unserem Lager aufschlägt. Außerdem gibt s Affen im Wald hinter uns und im Fluss davor gibt s große Eidechsen, die die Kanadier Water Monitor nennen und die Guides Waran. Oder Crocodile, wenn sie lustig sind. Auf deutsch heißen die wohl Bindenwarane. Und über uns fliegen die Nashornvögel in Paaren. Die sind viel größer, als ich mir das gedacht hatte, ich hab mir die so wie Tukans vorgestellt, die ich mir so wie ein kleineres Huhn vorstelle. Aber die Hornvögel schienen zumindest Schwanengröße zu haben. Sonst spielen wir wieder Karten und die Burschen erzählen sich Geschichten über ihre Reisen (Party-Party) und lassen eine Drohne steigen, wofür die ÖsterreicherInnen kollektiv auf sie herabsehen.

Der Abend ist mit Witzeleien und Partyspielen der Kategorie There-Was-No-Internet-Then,-Kids gefüllt. Und ich siniere über die Frage, ob und wie ich auf die pausenlosen Avancen der Guides reagieren möchte, deren Tricks und Spielchen viel damit zu tun zu haben scheinen, Frauenhände zu halten. Natürlich kommen sie zurecht, J. sitzt seit zwei Jahren in Kairo, L. hat zumindest drei Monate bereits auf Java verbracht und niemand braucht mich, um hier Grenzen zu ziehen. (Überhaupt: ausgerechnet ich…) Andererseits muss ich ja nicht unbedingt das Ziel dieser Anbandelungen sein, um die Situation dadurch als getrübt zu empfinden. Dann wiederum wie L. bei anderer Gelegenheit mit voller interkultureller Kompetenz ausdrückt: „anders als wir es gewohnt sind“.

Morgens um sechs im Urwald, wieder ein bisschen früher wach, als die KollegInnen.

Nachdem Frühstück machen wir einen kleinen Ausflug zum nahen Wasserfall, in dem wir ein bisschen planschen, J. lässt sich mit natürlichen Pigmenten im Lehm eine Augenklappe auf s Gesicht zeichnen und hat große Freude mit den Ergebnissen der Gesichtsbemalung. St. wird ein Tiger und dann bekommt er noch einen Mittelfinger auf den Rücken gezeichnet, während ihm alle sagen, er hätte, so wie die beiden Kanadier, einen Orang-Utan auf dem Rücken. Wir spielen ein bisschen Steine gegen eine Plastikflasche auf der anderen Seite des Flusses werfen, ein Spiel aus dem ich mich bald verabschiede, als die Buben schnell einmal zu wild spielen und dann diskutiere ich mit L. ob die Palmen am Flussufer nicht eigentlich Farne sind. (Sind sie. Und selbst wenn nicht, wären auch Palmen keine Bäume. Rechthaben unter ÖsterreicherInnen, home sweet home.)

Nochmal ein morgendliches Stück Wald. Manchmal sind die Bäume sehr hoch, manchmal stehen sie auf einem Hügel, das ist oft schwer zu erkennen.

Schließlich packen wir unsere Sachen und machen uns fertig dafür, auf dem Fluss wieder nach Bukit Lawang zurückzukehren. Das ist durchaus ein Spaß, aber ich bin ein bisschen erschöpft davon, dass der Spaß hier ein bisschen gezwungen wirkt. Vielmehr bin ich überrascht, wie viel hier am Flussufer bereits ausgebaut ist, wie viel hier noch gebaut wird. D. aus Deutschland hat gemeint, es gäbe hier etwa hunderttausend TouristInnen im Jahr. Und es ist nachvollziehbar, wenn man die Kapazität sieht, für die hier gesorgt ist: ein Guesthouse reiht sich hier neben das andere und irgendwann müssen die ja auch voll sein. Aber ja, die Stromschnellen sind schon ein Spaß.

Nach dreißig Minuten sind wir wieder in unserem Guesthouse und die letzte Unannehmlichkeit ist noch, dass meine Schuhe nicht mitgekommen sind. Kann passieren, war ein Missverständnis, sage ich: M. hätte meinen Rucksack zum Fluss heruntergetragen und meine Frage, ob sie jetzt alles herunter trügen, ob ich helfen könne, wurde abgewehrt. Bin ich davon ausgegangen, sie tragen meine Schuhe auch runter, weil das ja alles beisammen gestanden ist. Und ich will gar nicht granteln, aber ich hatte doch den Eindruck, dass mein Angebot, hier gegenseitige Schuldlosigkeit festzustellen nicht angenommen wurde und ich mit dem Vorwurf, ich hätte mich schon um mein Zeug zu kümmern übriggeblieben bin. Am Ende sind die zwei aufs Motorrad gestiegen und waren zwanzig Minuten später wieder mit meinen Schuhen da. Meine zum Dank ausgestreckte Hand ist auch in der Luft hängengeblieben.

Interessanterweise läuft das Ganze dort als Community Based Tourism, wozu ich mal ein Seminar auf der Uni gemacht hab. Das bedeutet im Wesentlichen, dass lokale MitarbeiterInnen angestellt sind und dass Erträge des Tourismus auch in die Entwicklung der Region und eben der Community fließen. Vielleicht war da noch mehr, ist lange her. Ich erinnere mich aber, dass der Begriff der Authentizität eine wichtige Rolle gespielt hat und dass das Seminar mir den Begriff durchaus enttäuscht hat, wir viel über die Inszenierung von Authentizität diskutiert haben. Und jetzt hab ich mir überleggt, ob daraus nicht auch ein Konflikt entstehen kann, wenn, sagen wir einmal, die Guides dort als Persönlichkeiten arbeiten, mit ihren individuellen Fähigkeiten, Geschmäckern und Vorlieben, was in der Praxis vielleicht auf Kosten der Professionalität, nämlich einer bürokratischen Neutralität geht. Aber ich bin natürlich nicht geeignet, das hier zu analysieren, ich war wohl einfach ein bisserl enttäuscht, wie das zu Ende gegangen ist.

Aber dann wiederum war ich zehn Minuten später draußen und auf dem Weg in den Süden. Ich hab mich nämlich bei den Mädels ins Auto hineingebeten, die noch am gleichen Tag nach Berastagi los sind. Dabei hab ich wieder auf eine bereits bezahlte Nacht verzichtet und wenn ich auch durchaus noch ein bisschen geblieben wäre, ich war einerseits froh, ein Auto teilen zu können und nicht die sechzig Euro selbst zahlen zu müssen. Auf der anderen Seite bin ich auch froh über Gesellschaft, das kennt man ja jetzt schon.

Zf1G (7)

I found myself walking the streets of B’restagi
Asking myself the question “Wen frag i
for sunscreen?, the sun’s really hot!”
By now all you readers will know the plot…
I should have brought that straw-hat from Nagy.

Für den Kontext, ohne dass ich hier beginne, Poesie zu erklären: Es ist eine Herausforderung, der ich hier erst einmal ausgewichen bin, auf indonesische Städte englische Reime zu finden. Ich hab mit doggy rumprobiert, es gäbert auch viele Hunde hier auf der Straße (durchgehend entspannte, was sympatisch ist), aber frag i ist phonologisch einfach gelungener. Für den Hutmacher ergänze ich gern, dass L. mit einem Nagy’schen Strohhut in Indonesien angekommen ist, der aber die Temperatur-Luftfeuchtigkeitskombination nicht lange ertragen hat. Und sie besteht darauf, dass man sich bei Nagy Hüte mit „Nagi“ am Telefon meldet, anstatt – wie ich nicht allein war, unverzüglich zu korrigieren – mit dem korrekten „Nådsch“. Lass mich auf den ebenfalls nur geschrieben funktionierenden Schüttelreim verweisen, der das Ausbacken von Scampi beschreibt: Erst wälzt ich es im Bierteige / Dann färbte sich das Tier beige.

Nordhalbkugel

Das hab ich vergessen: Ich bin ja jetzt wieder auf der Nordhalbkugel. Das wird wohl der Grund für mein Kopfweh gewesen sein. Alles dreht sich ein bisschen andersherum…

Bukit Lawang bisher: Bambusotter in Kokospalme (l.o.), Libelle (r.o), o wie schwierig, Schmetterlinge zu fotografieren, wenn der Auslöser erst Sekunden nach dem Drücken geht (l.u.), Bukit Lawang, die nicht touristische Flussseite (r.u.), herzige kleine Katze mit nur halbem Schwanz (ohne Abbildung)

über Stock und über Stein

In Wirklichkeit hab ich mich ganz flott an Medan gewöhnt. Nein, das ist nicht einmal richtig, ich würde sagen, ich habe eigentlich ganz flott gelernt, einiges in Medan lieb zu gewinnen, sodass es mir heute fast leid getan hat, dass ich etwas verfrüht abgerauscht bin. Aber ich hab dann eine etwas günstigere Mitfahrgelegenheit bekommen, um in den Urwald zu kommen. Und stell dir vor: ich bin jetzt im Urwald. Also, nicht so richtig, weil ich hab Internet und wohne in einem Haus mit Dusche und einem Ventilator. Aber es sind Affen auf meinem Dach und der Wald ist hinter mir.

Es sind Affen auf meinem Dach!

Aber ja, Medan. Ich war gestern einmal spazieren in der Stadt. Das schwierige ist, dass es so wenig zum Niederlassen einlädt. Also, es sitzen schon Leute auf der Straße herum, wie gesagt, auch in der Stadt sind die IndonesierInnen große FreundInnen des Rumsitzens. Aber ich stech so heraus aus dem Ganzen, dass ich mir das einfach nicht gemütlich vorstelle. Aber immerhin, das Rausstechen ist schon auch das Gute. In den letzten zwei Tagen bin ich doch ein bisschen aus meinem Hotelzimmer und aus mir selbst heraus und sei s nur, um meine Geschäfte zu erledigen: Hier ein Huhn mit Reis, hier zwei Flaschen Wasser, hier eine Obstmischung. Und die Auseinandersetzungen sind eigentlich total lieb. Die Unterhaltungen. Aber oft ist halt nicht genügend Englisch, geschweige denn Indonesisch zur Verfügung. Aber weil sie gemeinsam rumsitzen, wird oft einmal jemand zur Hilfe herangezogen, die dann zwei Wörter übersetzt. Oder wir sagen einander einfach solange in unseren jeweiligen Sprachen, was wir von einander wollen, mit der Unterstützung von Händen und Füßen, bis wir verstehen, was geht.

Rausstechen schaut dann übrigens so aus: Im Supermarkt werde ich geheim von zwei Mädels gefilmt (aber schlecht geheim). Im Hühnergeschäft lass ich auf Wunsch Selfies mit mir machen – das Wort ist längst ein Synonym für Foto. Dabei werde ich übrigens zum Lächeln aufgefordert und merke, wie wenig ich Zähne zeige und wie schnell mir das Gesicht einfriert, wenn ich mich bemühe, Zähne zu zeigen. Insgesamt finde ich das schon charmant, aber ich komm mir natürlich auch komisch dabei vor.

So gern ich fotografiert werde, so schüchtern bin ich hier beim ersten Mal im Hühnergeschäft beim Fotografieren aus der Hüfte. Aber wie man sieht ist einiges los, die Leute stehen an für ihr Huhn. Dementsprechend war das Schäkern da auch auf Minimum.

Aber sonst, ja, ich mag das schon, das sind so ein paar Momente, wo ich das Gefühl habe, Leute freuen sich einfach, mich zu sehen, sind auf eine seltsame Art und Weise von mir fasziniert – ist ja in Wahrheit schwer vorstellbar für den Herrn von Welt und dementsprechnd plump ist hier die Beschreibung meines Gefühls dazu. Natürlich schmeichelt mir das, aber letztlich weiß ich kaum damit umzugehen. Wenn mir die eine Standlverkäuferin beim Vorbeigehen so offen zulächelt, dann reißt mich das heraus aus meiner allgemeinen Überforderung mit der Stadt. Aber es irritiert mich natürlich, nicht zuletzt, weil ich so viel über Weißes Privileg gelesen hab in V.s Dissertation.

Aber natürlich ist nicht jeder Kontakt auch eine Freude, nicht zuletzt weil s da auch noch eine Tendenz zum Genderbias gibt. Von den Männern hab ich öfter so ein Hey, Mister von der Seite oder sogar erst hinterher gehört. Und da weiß ich echt nicht, was ich damit tun soll. Oft ein Hey, Mister, manchmal ein Sir, einmal wohl ein Monsieur und von einem alten Mann, der in einer Schubkarre gelegen ist ein Hello friend. Aber es geht mehr darum, so von hinten angesprochen zu werden, what gives, oida! Und von dem einen Typen bei mir aus der Gasse, der hat mich wohl gefragt, ob ich Hunger habe, aber die Geste, die er dazu gemacht hat, wo er mit der flachen Hand vor dem Gesicht Kreise gezogen hat und und sich dann an den Mund fasst, das war eher seltsam als einladend.

Ach ja, Indonesien, das Land mit der größten muslimischen… das größte muslimische… die meisten MuslimInnen in einem Land.

Aber ich war heute quasi noch für ein Frühstück bei meinem Hühnerstand, wo man mich fröhlich begrüßt hat und ja, ich denk mir, schade eigentlich, diese zehn Minuten, die ich auf mein Essen warte, da komm ich ein bisschen ins Sozialisieren, da freu ich mich gemeinsam mit anderen über gelingende Kommunikation und über Wertschätzung. Ich mag das Essen und sie mögen, dass ihnen ein exotischer Ausländer im Geschäft steht. Das ist ein schöner Moment, das kann mir abgehen, das wäre eventuell ausbaufähig. Und tatsächlich hab ich s auch mit dem Obstmann, zwanzig Meter weiter ganz lustig, auch wenn wir gar keine Wörter haben, um einander zu verstehen. Es sind Menschen, die mich ein bisschen aufgefangen haben in meinem Verlorensein. Und ich werde sie nie wieder sehen.

Hier der Blick von der Terrasse über meine Gasse. In meiner Annahme, der Name des Hotels ließe auf westliche Touristen schließen, hab ich mich geirrt, auch in Indonesien ist Englisch einfach cooler.

Ich werde abgeholt und wir fahren nach Bukit Lawang. Im Auto sitzen K. und D. aus Deutschland, die gerade zwei Tage in Kuala Lumpur verbracht haben und ein bisschen Indonesienurlaub vor sich haben. Der Verkehr ist ein Wahnsinn, die Hupe klingt dauernd um jedes Überholmanöver anzukündigen und da sind viele Überholmanöver. Dann wiederum fahren wir zehn Minuten im Schritttempo, weil wir Schlaglöchern ausweichen müssen. Und wir stehen eine halbe Stunde in der Tankstelle, weil Effizienz im Handel hier einfach klein geschrieben wird. Selbst im Supermarkt dauern zwei Flaschen Wasser und ein Sackerl Bohnensnacks eine Minute und länger, obwohl man die scheinbar auch nur über den Scanner ziehen muss. Aber ich hab ja keinen Stress.

Bukit Lawang (je öfter ich den Namen schreib, desto eher merke ich ihn mir jetzt einmal…) ist im Urwald. Zumindest auf einer Seite, weil die letzte halbe Stunde sind wir durch Palmölplantagen gefahren. Das hat zuerst ausgeschaut wie Urwald, aber dann ein bisschen zu ordentlich, zu wenig Busch. Und ich hab mich die längste Zeit gefragt, mit was die großen Trucks beladen sind. Adieu, cher Regenwald. Aber deshalb gibt s ja auch den Nationalpark. Und der Nationalpark beheimatet gut fünftausend Orang-Utans und auch darüber hinaus plenty of wildlife, aber die OUs sind die Stars. Und die geh ich mir dann anschauen, ab Montag. Jetzt einmal „nur“ die Affen, die hier herumturnen. Was ist das, Gibbons? Aber das ist schon sehr cool, Affen auf dem Dach. Cooler als Papageien in den Bäumen? Schwer zu sagen. I guess frei fliegende Papageien sind sogar lässiger, weil die Affen sind letztlich nicht viel anders als die auf der Affeninsel in Schönbrunn. Aber ist ja kein Wettbewerb!

’s sind übrigens Makaken. Auf der Affeninsel sind s Gibbons, deswegen wahrscheinlich… Und jetzt drehen mir echt alle den Rücken zu, wenn ich ein Foto mach!

Insgesamt bin ich allerdings erschöpft. Ich weiß nicht genau: der Kulturschock? Das Essen? Die Luft? Ich bin nicht ganz auf der Höhe, merke ich, bisschen Kopfweh, bisschen einfach überanstrengt, obwohl ich kaum was unternommen habe, die letzten Tage. Vielleicht ist es auch, dass ich seit drei Tagen keinen Tee getrunken hab.