Millionen in Medan

Die ersten Stunden in Indonesien sind voll der Überforderung. Ich lerne auch nur ganz langsam, dass es mir die Sache nicht erleichtert, wenn ich mich zuerst einmal in einer Millionenstadt niederlasse. Mit dem Zug fahre ich gemächlich vom Flughafen ins Stadtzentrum. Aus dem Fenster sehe ich Wälder und dann langsam einige Felder und die Leute, die darauf arbeiten. Einzelne Leute mit ihren Werkzeugen, die den Boden bearbeiten oder Familien, die sich um die Ernte zu kümmern scheinen. Kukuruz, vielleicht Reis ab und zu, aber ich weiß nicht wirklich, wie Reis ausschaut. Über den Gleisen dreht mal wieder ein Raubvogel seine Runden, aber die Vogelwelt ist mir so fremd wie alles andere.

Mit den Kilometern verschwinden die Felder und die Hütten reihen sich näher aneinander. Viel Wellblech und auch der Müll wird stellenweise dichter. Die Menschen sitzen vor ihren Häusern, viele Leute sitzen und schauen in die Gegend, das hat eine gewisse Gelassenheit, die Abwesenheit vom Dringlichen. Wenn wir an einem Bahnübergang vorbeikommen (oder aus der Zugperspektive wohl eher: wenn wir eine Straße kreuzen), stehen oft dutzende Mopeds mit zwei bis drei Personen darauf, die auf den erhobenen Schranken warten. Es sind, wenig überraschend, ausschließlich Einheimische.

Im Zug sind neben mir noch einige EuropäerInnen, da ist zumindest das deutsche Pärchen, die mit mir gemeinsam im Flugzeug aus Kuala Lumpur gekommen sind. Aber sonst ausschließlich AsiatInnen. Das ist einfach eine neue Erfahrung auf dieser Reise, weil bisher bin ich doch durch europäisch geprägte Gegenden gefahren und hier merke ich zum ersten Mal wirklich, dass ich nicht als Einheimischer durchgehe. Aber im Flughafentransferzug bin ich noch in einer Übergangszone, hier bin ich auf jeden Fall noch Tourist und die Welt ist noch weitgehend um meine Bedürfnisse herum organisiert.

Vor dem Fenster sind die Häuser noch etwas dichter geworden, die Hühner sind seltener geworden, ebenso ist die Erde, in der sie scharren könnten, dem Beton gewichen. Um die Zugstrecke herum verdichtet sich die Stadt Medan. Werbeflächen werden sichtbar, großteils flatternde Transparente oder schlicht bemalte Gebäudefronten. Ich ärgere mich ein bisschen über mich, dass ich mich nicht besser vorbereitet habe, als ich mir mein Hotel ausgesucht hab: vom Bahnhof sind es etwa drei Kilometer und tendenziell würde ich die zu Fuß gehen.

Als ich dann im Taxi sitze, merke ich, dass das die einzige vernünftige Entscheidung gewesen ist. Zum einen weiß der Taxifahrer selbst nicht, wo er hin muss, so gut ist die Stadt doch nicht organisiert. Wer mir das Hotel empfohlen hätte, fragt er. Niemand, sage ich, ich schau mir das einfach auf der Karte an und wähle das nach Gutdünken aus, antworte ich. Aber ja, ich denke, dass ich mir das besser vorher einmal anschauen hätte sollen. Ein bisschen unterhalte ich mich mit ihm, wo er herkommt, was es in Medan so gibt. Aber ich bin dann auch viel zu sehr damit beschäftigt, diese Stadt zu betrachten, den Verkehr, die Unordnung, die Dichte, die Leute, die Standeln. Wir biegen in eine Seitenstraße ein und stehen vor meinem Hotel. Den auf den Fünfzigtausender kann er nicht rausgeben oder will er nicht, ich weiß nicht. Obwohl das knapp drei Euro sind und am zweiten Tag kann ich schon sagen, dass das so unüblich auch wieder nicht ist. Aber so kommt er noch kurz hinein, wechselt den Schein bei den Boys, die im Eingang die Lobby machen und gibt mir noch seine Karte. For whatever.

Die Lobby ist ein Tisch mit einem Computer und einem Buch, in dem die Gäste eingetragen werden. Insgesamt ist das Hotel sogar ganz nett. Also, es ist insgesamt etwas vom Schuss, das ist mein eigenes Ding. Die Zimmer sind schlicht, aber das ist ja fast schon euphemistisch für ein bisschen traurig. Ich denke, der große Fernseher hebt das Zimmer zu schlicht. Auf jeden Fall ist es sauber und das ist gut. Die Matratze fühlt sich ein bisschen an wie ein Wasserbett obwohl es sich um Federkern handelt. Dementsprechend rutsche ich ein bisschen hin und her, wenn ich mich beispielsweise auf die Kante setze. Und das Bad ist ein Klo in dem eine Dusche an der Wand hängt. Literally. Das ist auch ok, ich erinnere mich an diese Konstruktion aus Thailand und hab damit keine Probleme. Schwieriger ist, dass es ein klopapierfreies Klo ist und ich nur eine Brause neben der Schüssel zur Verfügung hab. Auch das geht, stelle ich später fest. Weil es muss gehen. Aber ein seltsames Gefühl ist es trotzdem, nicht recht zu wissen, wie, was, wann… ich fertig bin.

Während ich mich also nach wie vor ein bisschen über meine Unfähigkeit wundere, meine Verlorenheit in der großen Stadt antizipiert zu haben und auf diese Verlorenheit bereits im Vorfeld einzugehen, mache ich einen kleinen Spaziergang um den Block. Dabei gehe ich gleich ein bisschen verloren, aber nachdem die Straßen alle verhältnismäßig rechtwinkelig aufeinander treffen, eben nur ein bisschen. Viel mehr Schwierigkeiten habe ich mit der Temperatur oder vielleicht der Luftfeuchtigkeit. Innerhalb von Minuten beginnt mir der Schweiß durchs T-Shirt zu treten und ich merke auch wie schnell sich die Haut unter der Sonneneinstrahlung strafft, spüre die Belastung. Aber insgesamt ist es das Gefühl hier in eine Welt getreten zu sein, in der ich mich so fremd fühle und nicht zurechtfinde, was mir zu schaffen macht.

Ich bin auch einfach müde merke ich, als ich im Hotel ankomme. Ich hole mir von den Lobbyboys das Kennwort für das Internet und tippe ein bisschen auf meinem Telefon herum, aber ich bin schnell auf meinem wackeligen Bett eingeschlafen. Am Abend gehe ich nochmal außer Haus und in den kleinen Supermarkt, den ich nebenan entdeckt habe, um mir Wasser zu kaufen. Ich bin nicht sicher, wie das ist, mit dem Wasser hier, aber im Zweifelsfall gehe ich es wohl lieber vorsichtig an. Die erste Flasche ist schnell ausgetrunken und im Großen und Ganzen lege ich mich auch bald wieder hin.

Ich versuche, meinen Aufenthalt ein bisschen zu planen und stoße immer wieder auf s Geld. Einerseits schlicht auf die Umrechnung, die sich so kompliziert anstellt (für dreiundsechzig Euro hab ich eine Million Rupien bekommen), aber vor allem über die Schieflage zwischen Touristenpreisen und Einheimischenpreisen. Soll ich für eine Autofahrt hunderttausend Rupien ausgeben oder das sechsfache? Es ist schwierig, mich zu der teureren Version durchzuringen, um den Ärgernissen und dem Stress, allein mit dem Rucksack den richtigen Bus zu finden, zu entgehen. (Aber es schaut so aus, als ob es das wird.) Und mein seltsamer Unwillen, mit Taxis zu fahren, macht mich hier besonders immobil.

Ich habe mich für bisschen off the track entschieden, als ich den Flug hierher gekauft habe, das hab ich schon gewusst. Ich bin momentan noch ein bisschen überfordert, aber immerhin hab ich heute einige Notwendigkeiten erledigt, hab mir ein Huhn mit Reis gekauft, meine Wäsche in der Wäscherei abgegeben und einem Kind gewunken, das hinten auf einem Moped gesessen ist. Es schien, als ob der Vater zehn Meter die Straße runter extra stehengeblieben sei, damit sie einen Blick auf mich werfen können.

Newsflash!

Wieder einmal ein letzter Abend in Melbourne. Ich hab mich relativ kurzfristig für Sumatra entschieden und hab morgen Abend einen Flug nach Kuala Lumpur und weiter nach Medan, der größten Stadt auf Sumatra, knapp zwei Millionen. Und weil Indonesien oder weil die Webseite unseres Außenministeriums sagt, dass Indonesien mitunter bei der Einreise nach einem Ausreiseticket fragt, hab ich auch wieder einen Flug hinaus gebucht. Und zwar aus Jakarta, weil ich das auf Neuseeland nicht so praktisch gefunden hab, dass ich am gleichen Ort abfliege, an dem ich angekommen bin. So lerne ich langsam beim Reisen.

Auf Sumatra ist der Tiger einzusammeln und dann ziehe ich in Jakarta eine Leuchtturmkarte.

Mein Rückflug führt mich dann Ende Mai auch tatsächlich wieder zurück, nämlich zurück nach Melbourne. Hier wird es langsam Winter, aber ich hab die ehrenvolle Aufgabe angetragen bekommen, auf eine Wohnung aufzupassen, während die reguläre Bewohnerin im europäischen Frühling rumtingelt. Also werde ich dann noch für ein paar Wochen nach Melbourne zurückkommen, bevor ich mich dann vielleicht doch einmal in Richtung Nordhalbkugel aufmache. (Natürlich liegt Sumatra quer über den Äquator, wie ich gerade gesehen habe…) Aber jetzt freu ich mich zuerst einmal wieder aufs Unterwegs-Sein.

Im Übrigen hab ich mich gestern, beim Flugbuchen über kiwi.com geärgert, weil ich bei denen zunächst das Ticket kaufen wollte. Dann haben die aber Spompanadeln gemacht und wollten einen Ausweis um mich zu verifizieren. Das hat aber nicht gereicht und dann hab ich angerufen und da wollten sie dann noch ein bisschen Informationen von mir, nicht wirklich was anderes als ich ihnen schon auf der Seite mitgeteilt hab… Es war schon bisschen fishy das Ganze. Aber sie sind ziemlich präsent auf den Flugcheckerseiten, deswegen hab ich da so lang mitgespielt. Als ich dann in der Nacht ein Mail bekommen hab, dass ich nicht erfolgreich verifiziert werden konnte (am Telefon hieß es ninety-nine percent are successfully verified…) war ich aber fast erleichtert, nachdem sie auch Post-Buchung in den Reviews nicht gut wegkommen. So hab ich dann bei Malaysia Airways hunderfünfzig Euro mehr bezahlt und werde jetzt über Jakarta zurückfliegen, was ich ein bisschen vermeiden wollte. Aber mein Gepäck wird durchgecheckt und insgesamt fühle ich mich ein bisschen besser aufgehoben.

Jetzt: Sumatra? Ich hab keine Vorstellung davon, was mich erwartet. Ein bisschen hab ich mir das schon angeschaut, da gibt s Wald und Inseln und während sich viele Leute auf Bali eher etwas langweilen, soll s im Westen ganz schick sein. Ich bin aufgeregt.

Shoop de-lang de-lang

Das hat jetzt ein bisschen gedauert, meine Nordinselerinnerungen zusammenzufassen. Wir waren flott unterwegs, K. und ich in K.s Freundins Sportwagen. (Die hat gerade ein Kind bekommen gehabt und hat gemeint, sie fahre jetzt eh nicht so viel damit.) Die letzten zehn Tage bin ich wieder in Melbourne gesessen und hab das mit bisschen Abstand zusammengeschrieben. Es ist ziemlich lang geworden, aber statt es zu unterteilen hab ich zumindest Zwischenüberschriften gemacht.

Aufbruch

Ich bin also mitten in der Nacht auf Waiheke aufgewacht. Mitten in der Nacht, halb fünf war s. Ich hab im Zelt geschlafen, das war die letzte Möglichkeit. Die Betten waren voll, aber Tom der Hosteltyp stimmt mir lachend zu, als ich sag, ich würde lieber nicht für eine Nacht nach Auckland zurückfahren. Quasi: lieber auf dem Fußboden. Aber es ist nicht schlimm, die Zelte sind permanent installiert, es sind Möbel in den Zelten, most importantly sind Betten in den Zelten. Und ich bekomme zum dritten Mal einen Schlafsack ausgeborgt. (Also, technically correct. In Arthur’s Pass hab ich mir einen Schlafsack ausgeborgt, der dort zur Verfügung stand, hab aber letztlich in meinem Hüttenschlafsack geschlafen. Einerseits weil es eh Decken gab, andererseits damit der auch einmal zum Einsatz kommt. Damit ist das Feinrippshirt das letzte Kleidungsstück, das ich bisher nur mit mir herumgetragen habe.) Ich wache also um halb fünf auf, weil ich um halb sechs aufwachen will, weil ich um halb sieben los muss. Insofern: etwas nervös um mein Rechtzeitig-Aufstehen. Aber um halb fünf kommen die FranzösInnen nachhause und plaudern in Hörweite. Und auf der Liste, worin Häuser besser sind als Zelte, steht der Schallschutz ganz oben. (Und der funktioniert in beide Richtungen nicht, aber auch das ist den FranzösInnen relativ egal.) Und da liege ich quasi schon im Dawn Chorus. Wie heißt das bei uns: wenn die Vögel in der Früh zu singen beginnen? Es heißt Vogeluhr. Definitiv der weniger attraktive Begriff und so ein herzlicher Fokus auf die Nützlichkeit.

Das ist schön, also der Vogelgesang, aber ich schlaf nicht mehr ein. Also stehe ich auf, dusche, mache mir noch einen Tee und richte mich auf s Ausziehen ein. Ich bin auf meinen ersten Schritten Richtung Hafen überrascht darüber, dass es relativ hell ist. Dass ich zwischen Schlafengehen und Aufstehen eine Stunde Zeitumstellung geschenkt bekommen habe, werde ich erst zwei Tage später rekonstruieren. Im Moment ist es in erster Linie hilfreich, weil ich bin doch ein bisschen unterwegs anstatt mir ein Taxi oder was zu nehmen. Stapf-stapf, me and my Rucksack.

Relativ hell

Fährenfahren

Ich freu mich immer wieder einfach darüber, ein Boot als Fortbewegungsmittel zu benutzen. Es ist eine andere Route, als die, die mich auf die Insel geführt hat, weil ich mit K. ausgemacht habe, sie in der Half Moon Bay zu treffen. Und da fahre ich nicht zurück ins Zentrum von Auckland, sondern lande eben bisschen weiter östlich, bereits am Weg nach Tairua, wie wir uns in den Tagen vorher ausgemacht haben. Und so komm ich diesmal auch auf eine andere Fähre, bisschen die gröbere Version, nicht so sehr für den Tagestourismus sondern mehr für den Transport von Lebensmitteln, Autos und anderen Gebrauchsgegenständen. Leichter Rost und sanfter Ölgeruch dementsprechend, aber es gibt Sessel und Aussicht und Kaffee. Aber natürlich wirkt das etwas authentischer in der Früh. Da macht das auch nichts aus, dass Espresso mal wieder in seinem eigenen Beiwasser ertrunken ist.

Mit K. gehen wir erst einmal einkaufen und das ist immer gleich ein erster Test für wie man miteinander auskommt. Immerhin ist K. eine Ernährungswissenschaftlerin und ich bin zumindest pingelig. Aber mit Pasta und Jamie Olivers fertiger Tomatensauce strapazieren wir einander Geduld nicht allzusehr mit unseren Vorlieben. Brot, Käse, Hummus für die Verpflegung auf unseren Ausflügen, bei den Bananen die alte Frage, wann man die als reif empfindet und vielleicht übertreiben wir s ein bisschen mit den Äpfeln, rein quantitativ. Aber insgesamt sind wir sind nicht ganz weit weg von einander. Und die Aussicht gemeinsam zu kochen ist auf jeden Fall ganz erfreulich, zu kochen ganz erfreulich.

Heißes Wasser

Hahei, unser erstes Ziel, ist ein Strand, an dem sich knapp am Meer heiße Quellen den Weg an die Oberfläche bahnen, deshalb auch einfach Hot Water Beach genannt. Um die Ebbe herum schaufeln sich die TouristInnen Löcher in den Sand, heben Wannen, Becken und Fußbäder aus, um sich darüber zu freuen im warmen Wasser zu sitzen. In Wahrheit ist es natürlich schwieriger, als die Idee zunächst klingt. Weil das Wasser kommt wirklich heiß aus dem Boden und wir verbrennen uns zuerst einmal die Füße. Jetzt gräbt man entweder seinen Pool groß genug, dass das Wasser auch zum Auskühlen kommt oder man bewegt sich weiter zum Meer, um von der einen oder anderen Welle Kaltwasser zu profitieren. Letztlich sind die Quellen nicht riesig und erstrecken sich über etwa fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter Strand und als wir am Strand auftauchen, haben wir nicht exactly freie Platzwahl. Wir probieren einige verlassene Becken aus, sind aber mit Wasserstand und -temperaturen in der Regel nicht zufrieden, wir sind zuversichtlich, das besser zu können.

Nachdem wir drei, vier verschiedene Stellen ausprobiert haben, lassen wir uns nah am Meer nieder, und hoffen auf eine gute Kombination aus heißer Quelle und kaltem Meerwasser. Wir haben zwei Heißwasserzuläufe und halten genug Distanz zur Brandung, um nicht dauernd zugespült zu werden. (Zumindest nicht anfangs.) Hinter uns am Strand sind zwei AmerikanerInnen, die es sich sehr gemütlich gemacht haben, und die in ihrem Pool verhältnismäßig eloquent wirken. Neben uns badet eine englische Mutter mit zwei Kindern, die (ich sag mal „altersbedingt“) mehr Freude am Graben finden, als am Im-Warmen-Wasser-Sitzen.

Ratz-fatz haben wir unseren Pool ausgehoben, unter Zuhilfenahme der Schaufel, die uns das Hostel ausgeborgt hat, in dem wir auf dem Weg eingecheckt haben. Und da sitzen wir dann, quasi Fremde, gemeinsam in der Sitzbadwanne, die wir gemeinsam gebaut haben. (Ganz schön viel Nähe, die ich da aushalte, wenn ich das so sagen darf.) Und erstaunlich schnell kommen wir mit unseren NachbarInnen ins Gespräch und erstaunlich schnell rufen wir George!, wenn eine Welle unseren Schutzwall überschwemmt. George ist das Nachbarskind mit der Schaufel, der tiefe Gräben gegen das Meer zieht und äquivalent hohe Wälle aufwirft. (Ich denke übrigens bei jedem Ruf seines Namens an Narnia, auch wenn weder Peter, Susan, Edmund noch Lucy George heißen.)

Nicht mein Foto, aber im Großen und Ganzen ein ähnliches Bild, mir kommt vor, als ob bei uns mehr losgewesen ist…

Aber wer das Meer kennt, die weiß, dass es unersättlich, unerlässlich… dass es immerwährend seine Wellen wirft. Alles, was wir ihm in den Weg stellen können, geduldig von seiner Ewigkeit hinweggerafft wird. Ein Sandwall schneller als vieles andere. Und so besteht die vierte Iteration unseres Warmwasserbeckens aus wenig mehr als unseren, halb vom angespülten Sand begrabenen, Körpern und einigen Zentimetern Wasser. Es ist weniger showy als viele andere Pools, aber letztlich tut es seinen Zweck und die meiste Freude ergibt sich sowieso daraus, anderen dabei zuzuschauen, wie sie langsam ihre Ansprüche an die Schwimmbadkonstruktion abbauen.

Parken und Psycholgie

Auf dem Weg zurück bereue ich dann ein bisschen die Sorglosigkeit, mit der ich meinen Kopf auf den sandernen Polster gelegt habe. Und noch ist es nicht Zeit für eine ordentliche Dusche oder auch nur für Pasta, wir haben noch einen Ausflug zur Cathedral Cove vor uns. Also einmal kurz abgespült, rein ins Cabrio und weiter zur Te Whanganui-A-Hei Marine Reserve. Mir kommt das Programm in dem Moment bereits ein bisschen dicht vor, aber was will man. Ich hab die Tendenz, da anderen ein bisschen viel Platz zu lassen. Immerhin – erkläre ich mir meine Zurückhaltung – nehmen die mich ja mit. Letztlich bin ich ja auch nicht unglücklich darüber, keinen Plan machen zu müssen. Andererseits merke ich auch, dass das für die andere Person mitunter ein bisschen anstrengend wird. Also, ich sag „mitunter“ aber ich mein natürlich „schnell“, „immer“ und „verständlicherweise“. Und mein „anstrengend“ teilt Bedeutungsebenen mit Begriffen wie „frustrierend“, „enttäuschend“ und „die Abwesenheit des Gefühls, im Gegenüber eine Person zu haben, also jemanden, der beispielsweise einen eigenen Standpunkt einnimmt, sich ausdrücken und einbringen möchte – was schön wäre, immerhin ist man gemeinsam unterwegs“.

Cathedral Cove ist ein bisschen ein Spaziergang, weil wir in einiger Entfernung bereits darum gebeten werden, das Auto stehen zu lassen, es handle sich um die letzte Parkmöglichkeit. Also lassen wir das Auto stehen und spazieren die Küste entlang, vorbei an den Privatvillen, die die Zufahrtsstraße säumen und für zehn Dollar Parkplätze anbieten. Es ist ein netter kleiner Weg, auf dem wir ins Plaudern über Familien und Berufe und Pläne und die Unterschiede zwischen irischem und österreichischem Katholizismus kommen. Die Bucht erreichen wir günstig: zu viel Flut hätte uns den Weg zum Felsen abgesperrt, der da protzig im Meer Modell steht und das Licht unterstreicht die hübsche Aussicht auf die kleinen Inseln, die vor uns aus dem Meer ragen.

Am Heimweg langsam schon dunkel. Aber die Wolken sind tatsächlich überirdisch.

Am Weg zurück merken wir, dass wir uns ein bisschen zu viel Zeit gelassen haben. Einerseits sind wir mittel müde und leicht launisch, andererseits muss uns K. jetzt im Dunklen zurück zur Jugendherberge schupfen. Und da sind eineriseits viele Berge, was die Gegend sehr pittoresk erscheinen lässt, uns aber einen entsprechend kurvigen Heimweg beschert. Und andererseits sind die Entfernungen gar nicht so klein und so sitzen wir noch ein gutes Stündchen im Flitzer. Und in der Nacht zahlt es sich leider nicht einmal besonders aus, das Verdeck abzunehmen. Jetzt: natürlich hab ich meinen Kopf am Fenster, weil der neuseeländische Sternenhimmel ist das wert. Aber es wäre auch ganz gut gewesen, wenn auch ich mich einmal hinter das Steuer gesetzt hätte, aber das heben wir uns für Tageslicht auf und es wird auch dann nicht ganz so gut laufen.

Das Hostel in Tairua ist sehr herzig: Ein alleinstehendes Haus mit einer hölzernen Veranda auf einer großen Wiese, es gibt eine blonde Deutsche mit zwei blonden Kindern und ein Pferd, das über Nacht eine Jacke trägt, weil es schon ganz schön kühl ist. Es ist sehr idyllisch. Auf dem Parkplatz steht unser AngeberInnenauto zwischen VW-Bussen, die in BackpackerInnenmanier mit Batiktüchern, Matratzen und semi-professionellen Küchen ausgestattet sind, etwas fehl am Platz.

Linksverkehr und andere Strapazen

Der zweite Tag beginnt mit Frühstücksschwierigkeiten: Auch wenn das Hostel in jeder Hinsicht liebenswert ist, so wird uns leider kein Tee zur Verfügung gestellt. Nach einigem Suchen finden wir ein Packerl Earl Grey, aber das tut s auch nicht wirklich. Also Porridge und stopping for coffee. Das zweite Mal halten wir in Katikati an, worüber K. sehr amüsiert ist, und wir gehen eine Runde spazieren, schauen uns Wandmalereien an, mit denen sich Katikati hervorhebt und machen Fotos von K. vor Katikati Schildern.

Und dann setze ich mich für die nächsten vierzig Kilometer hinter das Steuer. Es ist nicht besonders entspannend, weder für K. noch für mich. K. schaut drauf, dass ich nicht links von der Straße abkomme, während ich bemüht bin, nicht in den Gegenverkehr zu fahren. Es ist nicht ganz klar, wer von uns beiden dabei mehr zu tun hat. Und dann natürlich the pleasure of Spurenwechsel, da sind drei, vier Dinge gleichzeitig zu beachten: Blinker an, Scheibenwischer aus, Blinker an, Gangschalten mit der falschen Hand, gleichzeitig die Augen auf der Straße lassen und wider jedes Gefühl eher rechts halten wo der Gegenverkehr tut was Gegenverkehr tut, d.h. mir entgegenkommen. Und jetzt noch in einem Kreisverkehr, da bleibt einem zwar der Gegenverkehr erspart, aber es ist trotzdem nicht weniger stressig. Und das ist dann der Moment, wo s zu viel wird und ich auf der linken Seite ein bisschen am die Fahrbahn verlassen war. Dass ich dann ein paar Minuten später beim Einparken nicht zurechtkomme, ist dann nur noch die Dings auf dem Dings. Aber wir haben unser Ziel auf jeden Fall erreicht. Meine Hände sind etwas verschwitzt, aber weder das Auto noch wir sind jetzt besonders kaputt.

Das Ziel war Mount Muanganui. Das ist ein hübscher Vulkankegel am Ende einer Halbinsel, da steigt man eine Stunde rauf und dann hat man einen hübschen Überblick über die Stadt und die Strände, die links und rechts die Halbinsel entlanglaufen. Andererseits erlebe ich uns hier am strapaziertesten. Ich glaub, die K. hat sich das bisschen anders vorgestellt, als dass ich mich nur herumkutschieren lasse. Vielleicht ist das nur mein Eindruck, aber wir bringen diesen Aufstieg etwas stiller hinter uns, als die Spaziergänge am Vortag.

Blick vom Mount Maunganui. Das Wetter ist nicht ideal, aber wir sind trotzdem mit offenem Verdeck unterwegs.

Oben finden wir eine Aussicht und essen unsere Sandwiches. Und dann haben finden wir einen Manchunian, der witzigerweise einen Galwegian kennt, dessen Bruder mit K. in der Schule gewesen ist. Or something. Aber so machen wir ein bisschen eine lockere Jause und oft hilft einem eine dritte Stimme ein bisschen aus seiner Zweierenge herauszufinden. Oder zumindest in diesem Fall, dass es uns ein bisschen einen Ausweg gegeben hat. Oder ich hab s mir wirklich nur eingebildet. Aber am Weg runter verirren wir uns wieder ein bisschen und schauen dann den SurferInnen zu, wie sie im Meer sitzen, darauf wartend, dass die Welle kommt. Und unten kaufen wir uns dann ein Eis und spätestens da haben zumindest wir wieder eine ganz gute Welle gefunden.

Abendessen in Rotorua

Und das war auch das Programm eigentlich für den zweiten Tag. Die Lektion aus dem ersten war doch, es nicht zu übertreiben, insbesondere, wenn wir doch nur noch eine Fahrerin haben, also bisschen schonen. Im Hostel machen wir nochmal Pasta mit Fertigsauce, diesmal Geschmacksrichtung Knoblauch/Rotwein. Schmeckt aber auch nicht viel anders. Und K.s Ansatz wertet das ganze sowieso zumindest in die Neutralität auf: für Geschmack und Nährwert reiben wir eine Karotte drüber (und idealerweise, aber ebenso wie die Karotte von der Verfügbarkeit abhängig, eine Zucchini). Und zum Essen dazu erzählt uns dann der rothaarige Deutsche von seinen Wanderungen quer durch Neuseeland. Und K. lauscht aufmerksam, weil sie Informationen für unsere Wanderung über den Mount Ngauruhoe sammelt. Ich hab zugegebenerweise nach wie vor nicht die Übersicht über unsere Route. Und auf der Nordinsel haben viel mehr Orte Namen auf Māori, wie beispielsweise „Ngauruhoe“ und mein Hirn schafft es kaum, sich derartige Lautfolgen bis zum Ende des jeweiligen Satzes zu merken.

Mein Handtuch, nur so nebenbei hängt über Nacht zum Trocknen draußen, weil es nach unserem Besuch von Hot Water Beach nie wirklich getrocknet ist. Und über Nacht gibt s wohl den einen oder anderen Schauer, jedenfalls brechen wir am nächsten Tag wieder mit nassem Handtuch auf. Aber zumindest gibt s Tee zur freien Verfügung – auch wenn wir unterwegs mal stehengeblieben sind, um Notfalltee zu kaufen. Es ist gut mit jemandem unterwegs zu sein, die Tee einen ähnlichen Stellenwert zuschreibt.

Heißes Wasser, galore!

Der dritte Tag führt uns zunächst in den Heißwasserpark. Die Hostelfrau, die uns dabei unterstützt hat, anhand der vorhandenen Attraktionen eine Prioritätenliste und einen dazugehörigen Zeitplan zu gestalten, hat die Formulierung perfect geothermal day verwendet, was mich auch jetzt nach zwei Wochen noch erheitert: Ich hab nie von einem geothermalen Tag geträumt, geschweige denn mehrere mögliche nach ihrer Qualität gereiht. Aber ich bin dann viel mehr begeistert, als ich zunächst geglaubt hätte. Einerseits ist es einfach angenehm in der feucht-warmen Luft, weil s rundherum schon bisschen kühl wird. Und andererseits ist es wirklich beeindruckend, wenn man dem Wasser zuschaut, wie es aus der Erde kommt.

Blubb

Ein geothermaler Tag braucht Struktur: Um viertel nach zehn geht der Geysir und zwar unabhängig von Sommer- oder Winterzeit. (Das war der Zeitpunkt, zu dem wir draufgekommen sind, dass am Wochenende vorher eine Zeitverschiebung passiert ist.) Das heißt wir haben nach unserer Ankunft in Wai-O-Tapu noch gute vierzig Minuten Zeit für Kaffee und einen Ausflug zu den Schlammblasen, die etwas weiter nördlich vor sich hin blubbern. Ich glaube, das ganze wurde als Schlammvulkan beschrieben, was enorm ungut klingt. Für uns blubbert der nur ein bisschen vor sich hin, eigentlich recht beeindruckend, guter Anfang für den perfect geothermal day.

Lady Knox heißt der Geysir und die Lady Tourguide füttert ihn mit Seife. Dadurch werde die Oberflächenspannung im unterirdischen Heißwasser reduziert und so ließe sich die Fontäne provozieren. Ist das enttäuschend? Es ist mein erster Geysir und natürlich fühlt es sich ein bisschen geschummelt an. Immerhin sei die Seifengeschichte historisch, die Strafgefangenen, die hier seinerzeit die ursprüngliche Fauna zusammengehackt haben, hätten sich und ihr Zeug hier im warmen Wasser gewaschen und seien dabei auf die Wechselwirkung zwischen Seifenlauge und Geysireruption gestoßen. (Selbst die Situation der Gefangenen scheint in Neuseeland so viel leichtherziger als die jener in Australien.) Bezeichnenderweise ist der Geysir auch nach der Tochter vom damaligen Gouverneur Herr Knox, benannt. Aber angesichts dessen, dass sich zwei-, dreihundert Leute versammelt haben, um dem Ausbruch zuzuschauen, ist es nicht so schlimm, dass da ein bisschen nachgeholfen wird: Insgesamt ist es eh mehr Tourattraktion als Naturschauspiel. Auch wenn sich die heutige Fontäne entgegen den angekündigten Zwanzig-Meter-Höchstleistungen heute eher zurückhält und das eine oder andere Stück Seife im Eruptionswasser schwimmt: beeindruckend.

Waiting for Lady Knox

Nach dem Geysir führt eine kleine Wanderroute durch den Heißwasserpark. Nachdem wir heißen Schlamm und Kaffeepause schon in der Früh erledigt haben, haben wir hier einen kleinen Vorsprung. Weil natürlich: wenn sich alle in der Früh den Geysir anschauen, dann wandern jene zwei-, dreihundert Leute von dort auch mehr oder weniger gleichzeitig in den Park hinein. Und zu Beginn kommt es mir ein bisserl komisch vor, dass das so Parkstruktur hat, aber über kurz oder lang erkenne ich das durchaus als sinnvoll. Es gibt einige Wege, die man entlang wandern kann, aber im Großen und Ganzen sind hier einfach einige verschiedene Quellen und verschiedene Seen, an denen man auf der einen oder anderen Seite vorbeispaziert und dann am anderen Ende den Lake Ngako erreicht. Von dort geht s dann wieder zurück. Und das klingt jetzt so… aber bis zum Schluss finden sich regelmäßig einfach tolle Momente. Es ist interessant, weil wie so oft kann man sagen: Es wird auch hier nur mit Wasser gekocht. Aber es ist so fremd, es sind die Farben und die Gerüche, die alles unwirklich erscheinen lassen. Und der Dampf in der Luft, die Wärme aus dem inneren der Erde… ein bisschen stellt es alles in Frage, was man im Alltag über die Stabilität der Welt annimmt. Alternativ kann man einfach nur ein bisschen über gelbe Schwefelkristalle hingerissen sein und auf hunderte Meter tiefe, kochende Seen starren.

Leute, die in kochende Seen starren
Den hier nennen sie Champagne Pool weil in ihm ebenfalls große Mengen CO2 hochprickeln, weniger weil er die ideale Temperatur für Bubbly hätte.
Es gab sechs oder sieben verschiedene Elemente, die sich quer durch den Park anhand ihrer Farbe haben identifizieren lassen. Aber ich glaub, da ging s mehr um Ablagerungen und nicht unbedingt um einen ganzen Teich. Das Wetter ist auf jeden Fall auch besser geworden.
Lake Ngako, der hat einen gut siebzig Grad heißen Zufluss. Ich hab mir dennoch gedacht, dass da doch trotzdem Fische drin leben müssen, die halt aufpassen müssen, sich in der heißen Strömung nicht die die Flossen zu verbrennen.

Willkommen im Māoripark

Aber das war s dann noch nicht. Weil wir stehen so um halb zwei oder was wieder am Eingang, jetzt Ausgang, und was tun mit dem halb-angerissenen Tag. Wir haben uns bis zuletzt beide nicht so wirklich zu einem Besuch in einem der umliegenden Māoridörfer bekennen wollen. Du weißt schon, weil das hat so viel Potenzial für… awkward. Für das beklemmende Gefühl, das man hat, wenn man anderen Leuten dabei zuschaut, wie sie eine Kultur inszenieren, die für sie selbst vielleicht mehr sekundärer Lebenswandel ist. Kein gutes Gefühl ist das. Aber jetzt, zurück im Auto ist es die gute Erfahrung im Heißwasserpark und der unverplante Nachmittag, den wir um diese Uhrzeit für ein Mittagessen mehr oder weniger aufgeben würden, die uns die Entscheidung erleichtert und mit Karacho fahren wir über die kurvige Landstraße wieder zurück nach Rotorua, beziehungsweise nach Whakarewarewa, jenes Māoridorfs, das wir für vierzig Dollar besuchen dürfen.

Wir kommen gerade rechtzeitig für die kulturelle Vorführung an. Und wenn ich das auf deutsch niederschreibe klingt es in meinen Ohren… also Augen… Es wirkt fast noch etwas mehr wie das, was ich gefürchtet habe, dass es sein würde. Cultural performance. Und ein bisschen ist es natürlich genau so, wie ich mir das vorgestellt habe, meine Phantasie ist ja nur ein drittel Paranoia. Es treten Menschen in Kleidung auf, von der man sich vorstellen mag, dass sie Māori einst getragen haben, vor Hennes, Mauritz und Levi’s Strauss, aber doch leicht in Richtung Faschingsverkleidung adaptiert, nicht so sehr die oft beschworenen Naturfasern sondern uniforme Plastikoberflächen bestimmen die Mode. Aber als sie mit ihrer Einführung beginnt, hat sie eine unerwartete Lebendigkeit in ihrer Sprache und spätestens als der Tänzer links vorne beginnt, mit dem Kleinkind zu schäkern, das vor der Bühne auf und ab lauft, bekommt das ganze eine authentische Metaebene, was mich mit der Inszenierung versöhnt.

Als ein Beispiel dafür, wie sich Māori und westliche Kultur in Neuseeland ganz gut vertragen, hab ich vorhin Bohemian Rhapsody gefunden. Die Kleider schauen weit traditioneller aus, als was wir geboten bekommen haben.

Sie sind zu sechst auf der Bühne. Hinten steht ein großer, bärtiger Rothaariger mit einer Gitarre. Not very Māori, denk ich mir, nichts davon. Dann ist das eine schielende Mädel oder der Typ, der wie Nicolas Cage ausschaut. Und bei dem vierten bleiben die Abdrücke der Socken, die er sich kurz vor dem Programm ausgezogen hat, einige Minuten in die Aufführung sichtbar an den Wadeln. Aber in Wahrheit sind auch das Details, die mir das Beiwohnen der Inszenierung leichter machen, die das Ganze in der Gegenwart, in der Wirklichkeit verankern. Die Nummern, die sie bringen, sind gut, liebe- und kunstvoll dargebracht. Und es ist ja auch so, dass gewisse Elemente der Māorikultur viel stärker Teil einer breiten neuseeländischen Kultur sind, als ich hätte glauben wollen. Nicht zuletzt der Haka, den sie natürlich auch bringen und der erstaunlich effektvoll ist, mit dem ganzen Zungerausstrecken und Augenaufreißen.

Ein Haka ist ein bisschen eine Hymne, wenn man mit einer Hymne BesucherInnen in erster Linie Angst machen wollen würde.

Anschließend gibt s noch eine Führung durch das Dorf. Das Dorf macht seit über zweihundert Jahren kulturelle Führungen in mehr oder weniger der Art und Weise, wie wir sie in dem Moment machen: Die Grenzen zwischen Inszenierung und Authentizität sind längst verschwommen, die touristische Öffnung ist seit Generationen Teil des Selbstverständnisses in dem Dorf. Aber jetzt wird s noch wirklich interessant, weil wir lernen, dass die ganze Gegend ja über thermale Quellen liegt. Und es gibt verschiedene Quellen im Dorf, die traditionell zum Baden, zum Waschen und zum Kochen verwendet werden (eine für Gemüse und Meeresfrüchte, eine andere für Fleisch). Und dann kriegen wir meine Lieblingsinformation, die ich immer noch nicht ganz fassen kann: der Pool, in dem das Gemüsekochwasser hochblubbert soll, als… ja, jetzt natürlich. Also der Pool sei um drei Meter gefallen, als in Italien ein Vulkan ausgebrochen ist. Ich nehm an, es ging um den Ätna irgendwann in den letzten zwanzig Jahren, aber ganz ehrlich, es könnte auch der Vesuv neunzehnsechs gewesen sein. Ist ja auch egal, das Wesentliche ist, dass ein südeuropäischer Vulkanausbruch, also auf der anderen Seite der Welt, eine direkte Wirkung gezeigt hat. Und das ist mehr von dem, wo ich oben gesagt habe, dass es das Weltbild im geologischen Sinne ein bisschen ins Schwanken bringen kann. Aber es ist schlichtweg eine unfassbare Ebene, auf der sich diese Sachen abspielen.

Wir bekommen eine Information mit four faultlines – Verwerfungslinien – die unter Rotorua zusammenlaufen würden. Wobei Rotorua etwa einen Fingerbreit links vom „t“ in Waiohau Fault liegt, aber vielleicht hab ich auch die falsche Karte. Plus die Tatsache, dass ich keine Ahnung hab, wie weit die Wirkung von solchen faultlines geht.

So nebenbei sehen wir hier übrigens auch noch etwas imposantere Geysire, als in der Früh. Der Tourleiter war gerade in seiner Erzählung über die drei Geysire, die sich auf dem Dorfgelände befinden und mehr oder weniger mitten in dem Satz in dem er sagt, dass er sich nicht zurückhält, uns eine Eruption des großen Geysirs zu versprechen, noch bevor wir das Dorf verlassen werden, weil man sich bei dem auf stündliche Ausbrüche verlassen könne, als der tatsächlich in dem Moment anfängt Dampf und Wasser zu speien. Das war der Pohuto Geysir. Witzig auch, dass einerseits die Leute, die in dem Dorf wohnen, in dem Pool daneben baden gehen, wenn die BesucherInnen ab fünf wieder nachhause gehen. Und dass die Fläche gegenüber dem Staat oder dem Land oder jemandem vermietet ist, die dort Eintritt für den Blick auf den Geysir verlangen. Und dann kaufen wir uns Kukuruz aus dem Kochloch.

Das ist der Pohuto Geysir, rechts unten ist der natürliche Privatpool von Whakarewarewa

Queren

Am Abend sind wir in Taupo im dritten Hostel innerhalb von drei Tagen, das ist ein ziemlicher Rekord, aber ich lasse mir nichts anmerken. Mein Handtuch ist noch nass und das Sechserzimmer etwas eng. Die Küche hingegen ist groß und unübersichtlich und wir machen Süßkartoffelchili und Reis. Das ist eigentlich ein ziemlicher Aufwand, aber so ist das, wenn ich mich beim Essen einmal einbringe, dann landen immer mehr Dinge im Einkaufswagerl, weil ich am Anfang noch nicht ganz abzusehen im Stande bin, was für eine Zutatenliste denn da tatsächlich zustandekommt. Ich denk mir: Da kommt so viel Zeug aus der Dose rein, das kann gar nicht so viele Zutaten haben. Aber dann doch und wiederum werden unsere Erwartungen bezüglich Gewürzen im Hostel enttäuscht, dabei ist Chili etwas, was oft von anderen Gästen zurückgelassen wird. Immerhin finden wir ein bisschen flüssiges Ghee in der Schachtel mit den Gratiszutaten, damit wir die Zwiebel nicht in Wasser andünsten müssen.

Was vom Abend bleibt wird in die Planung unserer Wanderung am nächsten Tag, des Tongariro Crossings, investiert. Wir müssen früh raus und ich bin etwas nervös, weil ich das Gefühl habe, um halb fünf sicher etwas zu vergessen. (Natürlich hab ich am Abend vorher gepackt, bin ich meinetwegen nervös gewesen, am Abend um halb zehn an etwas nicht gedacht zu haben.) Am nächsten Morgen fahren wir dann eine Stunde zu einem Parkplatz an dem uns ein Bus abholt, der uns eineinhalb Stunden dorthin führt, wo wir ankommen würden, würden wir die Wanderung in die andere Richtung unternehmen. So herum werden wir am Nachmittag also auf unserem Parkplatz ankommen, wo dann praktischerweise unser kleines Auto steht, mit dem uns K. wieder zurück ins kleine Hostelzimmer zum übriggebliebenen Süßkartoffelchili schupfen wird. Aber das ist natürlich vorgegriffen und dient nur zur Orientierung.

Nachdem wir jetzt schon einige Tage in unsere gemeinsame Reise hinein sind, bin auch ich ein bisschen in meine Verantwortung hineingewachsen und habe mich am Abend zuvor noch ein bisschen über Route und Anforderungen informiert. Vielleicht ist es auch der Berg gewesen: dass ich mir nicht einfach eine Wanderung vorsetzen lasse, für die ich früh aufstehe und mir meine Wanderschuhe anziehe, ohne dass ich eine Ahnung hab, wohin es geht. Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass wir jetzt schon einige Tage in unsere gemeinsame Reise hinein sind und der Moment, wo ich mich für die Abschnitte, die einzelnen Ausflüge unserer Reise interessieren kann ohne gleichzeitig offen zugeben zu müssen, dass ich mich die ersten drei Tage nur habe mitschleppen lassen, einer Seiltänzerei gleichkommt. Ich mein, „Ngauruhoe“ akustisch zu verstehen ist mir einfach nicht möglich, aber ich weiß ja zirka, wo wir uns befinden und so ist das in Wahrheit nicht allzu schwierig, mir das Notwendige im Internet zusammenzusuchen.

Das Tongariro Crossing führt uns über einen Vulkan, wie in der ganzen Gegend steckt da immer noch einiges an Aktivität drin, der letzte Ausbruch war neunzehnsiebenundsiebzig. Irrsinnige Artenvielfalt hat sich seit dem nicht etabliert.

Der Wetterbericht hat uns die letzten drei Tage ständig nur das beste Wetter für unseren Aufstieg versprochen und jetzt stehen wir in der Früh im Nebel und diverse Wetterwarnungen für den Nachmittag stehen ebenfalls auf unserem Programm. Und dabei muss man auch dazusagen, dass insgesamt viele Leute ihren Aufstieg verschieben und überhaupt absagen müssen, weil vom Aufstieg bei Schlechtwetter dezidiert abgeraten wird. Aber neben dem Nebel und dem bisschen Müdigkeit läuft in der Früh alles gut, die Hoffnung auf Sonnenschein wird regelmäßig durch den blauen Himmel genährt, der durch die dichten Wolken blinkt. Bis auf ein bisschen Müdigkeit läuft auch sonst alles gut in der Früh. K. bereut noch vor dem ersten Schritt, ihre Stirnlampe im Hostel gelassen zu haben, aber mehr, weil ihr die Infozetteln am Klo sagen, dass sie eine Stirnlampe mitbringen soll.

Die ersten Meter des Aufstiegs bonden K. und ich noch etwas über den nervigen Australier, der sich auf der Anfahrt beim Busfahrer wichtig gemacht hat. Obwohl die Sicht hier nicht ideal ist, sind wir uns einig, wie schottisch, wie irisch, wie vertraut die Gegend auf jeden Fall aussieht. Ich mein, ist nicht unbedingt ein großes Kompliment mit einer Gegend verglichen zu werden, die immer wieder von Vulkanausbrüchen dahingerafft wird. Aber es wuchert überall die Erika, und wie so oft in dieser Gegend wuchert sie, weil ein überambitionierter Brite einst Erika ausgesetzt hat – vermutlich, weil ihn die Gegend an zuhause erinnert hat und ihm letztlich die Erika gefehlt hat. Aber ja, ich freu mich ja, auf meinen Wanderungen Erika und Distel blühen zu sehen, immer ein bisschen Reminiszenz an den West Highland Way.

Mount Ngauruhoe

Der Weg verläuft relativ flach und wir sind in der ersten Stunde ständig am An- und Ausziehen, weil es, als der Tag ein bisschen in die Gänge kommt, einfach zu warm wird und das Wandern selbst auch schnell wärmt. Bei unserer ersten Pause überholen wir eine Gruppe Kinder, die uns den restlichen Tag auf den Fersen sind und die wir gerne außer Hörweite halten möchten – was nicht immer möglich ist. Und schon bald einmal lässt sich rechts neben uns der Vulkankegel des Mount Ngauruhoe erkennen. Der ist weltberühmt, weil der Peter Jackson in seinen Herr der Ringe Filmen als Mount Doom verwendet hat. Aber dafür hat er ihn irrsinnig hergeschminkt, natürlich, bis zu dem Punkt, wo ich nicht mehr verstehe, warum sie dafür überhaupt einen echten Berg als Vorbild genommen haben. Ich mein, vielleicht für die Szenen, an denen Frodo und Sam tatsächlich den Berg hochklettern?

Das Wetter war insgesamt nicht immer ideal, der Aufstieg war windig und stellenweise unangenehm kühl. Hier machen wir mit anderen Pause hinter einem günstig gelegenen Felsen.

Aber der Aufstieg wird dann noch richtig ungut, weil es uns ordentlich den Wind um die Ohren bläst. Noch dazu zieht es auch wieder zu je höher wir steigen. Es ist auch kein Wunder, immerhin gibt s kaum irgendwelche Flora, die höher als hüfthoch wächst und den Wind etwas abfangen würde. Immer wieder erreichen wir die eine oder andere Ebene, die ich bereits für den Gipfel halte, nicht zuletzt, weil der Wind so ungebremst über uns hinwegfegt und die Sicht einfach nicht ausreicht, um zu sehen, wohin der Weg führt. Dementsprechend irre ich mich auch zwei-, dreimal bis wir dann tatsächlich – es ist ja nicht wirklich ein Gipfel, die ganze Wanderung ist ja als eine Querung ausgeschrieben. Insofern erreichen wir schließlich mehr den Grat als den Gipfel und setzen uns für unsere dritte Jause in den Windschatten, den uns eine Aufwerfung bietet. Und als Überraschung stellt sich der Boden als warm, geradezu als heiß heraus, sodass Sitzen nach einigen Minuten direkt unangenehm wird. An sich ist das aber nicht schlecht, dass man sich tatsächlich am Boden aufwärmen kann, auf einer Wanderung. Und dann reißt s auch noch wirklich auf und macht den Ausblick auf die drei Salzsehen auf, die einen gleich einmal auf dem Abstieg belohnen.

’s reisst auf. Gerade rechtzeitig für einen Blick auf die farblich auffällige Seen und den Dampf, der aus dem Boden aufsteigt.

Nachdem hinter uns schon die Kinder zu hören sind und K. sich aufgrund der Sitzhitze schon immer wieder rearrangiert, fällt uns der Aufbruch nicht schwer, auch wenn s zunächst so aussieht, als müssten wir tiefer in den Nebel steigen. Noch dazu stellt sich der Abstieg relativ schnell als gar nicht so unkompliziert heraus, weil der Boden aus derart lockerem Material besteht, dass hier alle ins Rutschen und Stolpern gelangen. Erschwert wird der Abstieg den Leuten auch, weil sie alle ihren Blick auf die farbigen Seen gerichtet haben, die da vor uns durch den Nebel blitzen und so bleiben sie alle paar Meter stehen, sobald der Blick halbwegs frei wird, um Bilder zu machen. Aber dann nimmt der Wind schließlich die Wolken mit und die Fotografiererei beginnt erst so richtig. K. und ich stehen einen Moment an einer Kante für unsere eigenen Fotos und bekommen schnell eine Kamera nach der anderen in die Hand gedrückt mit der Bitte um Fotos. Weil wir so professionell mit unseren Handytelefonen ausschauen, apparently.

Ein paar Geräuschbrocken vom ersten, rutschigen Stück des Abstieg

Ich bin ja total hingerissen von den Steinen, die da rumliegen. Der beste Platz der Welt, um ein Interesse an Geologie zu entwickeln, der Hang eines Vulkans. Ich mag den Basalt und denke an die Oma, von der ich gelernt habe, dass man sich mit dem bröseligen Vulkangestein die Hornhaut von den Füßen reibt. Es ist faszinierend und ein bisschen aufregend, diese Steine einfach vom Boden aufzuklauben und zwischen den Handflächen zu zerbröseln. Auch die anderen Felsbrocken mag ich und komm mir superschlau vor, wenn ich erkenne, dass sie luvseits, also auf der Windseite rote Flecken haben, die sie leewärts nicht besitzen. Rost, denke ich mir. Und dass Vulkangestein aus dem Inneren der Erde kommt und dass im Inneren der Erde das Eisen herumliegt. Classic Schulwissen. Ich komm mir clever vor, aber es ist wohl eher Stolz, dass ich in der Schule aufgepasst habe und mir diese Sachen bis heute gemerkt hab, weshalb ich damit auch nicht hausieren gehe. Gut, Luv und Lee hab ich nachschauen müssen.

Der Ausblick am Abstieg auf Lake Taupo

Über den Berg sehen wir nochmal farbige Seen aus der Nähe und dann führt uns der Weg noch durch die Graslandschaft auf der Nordseite von Mount Ngauruhoe. Da wird alles wieder mehr Spaziergang, der Berg liegt hinter uns. Mir gefällt diese Gegend wirklich gut, den Feldstecher trage ich allerdings umsonst mit mir herum, die Tierwelt hält sich fern vom Vulkan, zumindest alles was größer als ein Käfer ist und sich nicht in den braunen Wiesen zu verstecken weiß. Wir laufen und plaudern und ich krieg meine erste Irischstunde. Also, K. sagt mir zwei Wörter, die Hallo heißen (dia duit) und eine Antwort darauf, die Gott noch tiefer in die Begrüßungsformel hereinholt. Und ein Äquivalent zu Oachkatzelschwoaf, aber um ehrlich zu sein, beginnt mir dia duit bereits von der Zunge zu entfliehen, während ich es das erste, zweite Mal sage. Diese keltischen Sprachen bedienen sich Phoneme, die mir ebenso fremd erscheinen wie reo Māori. Mit der Erzählung, dass IrInnen aber tatsächlich zweisprachig aufwachsen und im schlechtesten Fall ihre ganze Schullaufbahn lang eine tägliche Irischstunde bekommen, wenn nicht in den besseren Fällen auch der Unterricht zumindest teilweise auf Irisch geführt wird, kann ich hingegen viel mehr anfangen, das merk ich mir, das gefällt mir, das ist mir bewundernswert.

Einmal noch ins heiße Wasser

Die letzte halbe Stunde spazieren wir dann noch durch den Wald und dann noch eine halbe Stunde zurück zum Parkplatz. Als wir nachhause kommen, legt sich K. noch ein bisschen auf s Ohr, ich mach Tee für mich und Reis für das Chili. Es bleibt entspannt, wir spielen eine Runde sowas ähnliches wie Rummy und am Abend raffen wir uns nochmal auf und suchen im Dunklen noch ein letztes Mal nach heißen Quellen, nach geothermal aufgeheizten Badewannen am Fluss, was nicht ganz so einfach ist, weil wirklich keine Lichter sind und der Parkplatz gute zwanzig Minuten entfernt. So laufen wir zuerst einmal ein bisschen durch den falschen Park und folgen dann einsamen Lichtern im Dunkeln, bis wir nur noch mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, über die Steine ins Wasser zu steigen. Die Becken sind dann ähnlich wie Sauna: je weiter oben, desto heißer.

Ich seh diese Quellen auch zum ersten Mal bei Tageslicht… es waren weit weniger Leute da, um acht in der Nacht.

Am Heimweg checken wir uns noch ein Bier und eine Pizza oder als was auch immer das durchgehen soll, was sie bei Domino’s verkaufen. Teigig und ölig, plus: ich komm nicht mehr dazu das Missverständnis über pepperoni aufzuklären, weil ich in der Bestellungskoordination sag, wenn man das bei uns bestellen würde, bekäme man wohl ein oder zwei ungeschnittene einfach quer über die Pizza gelegt. Und das übersieht natürlich, dass es sich dabei nicht um Pfefferoni sondern um was salamiähnliches handelt. Ist aber ok. Ich versuche sowieso vom Recht-Haben, Andere-Ausbessern und der Trivial-Pursuit-Wissen ein paar Schritte Abstand zu nehmen.

Na, und am nächsten Tag sitz ich allein im Regen an der Busstation und warte auf meinen Bus nach Wellington, wo ich dann mein Handtuch endlich trocknen werde. Und die nächsten Tage bin ich dann ein bisschen verloren, vor lauter Wieder-auf-mich-allein-gestellt-Sein.

Melbourne Comedy Festival II: Exfreundinnen und Agenten

Beim James Acaster waren sicher tausend Leute. Im Internet steht, dass die Veranstaltungshalle bis zu über zweitausend Leuten Platz bietet, je nach Bestuhlung. Das ist schon viel. Dass man von der Comedy reich werden kann hätte sie sich nicht gedacht, sagt die V. in meiner Begleitung. Wird der James auch nicht, glaub ich. Der spielt fünf mal vor den zweitausend Leuten in Melbourne und dann geht er wieder zurück und macht seine Runden in Großbritannien. Und auch für Mock the Week kriegt man keine Millionen.

Aber gut war er, das Programm für mich ein bisschen überraschend, weil erstens flucht er jetzt, wie der Eröffnungsgag zeigt, zweitens bekommen wir nicht die elaborierten Wortspielereien und die Metaebene von Bringing-an-Apple-to-an-Orchyard Routine sondern ziemlich privates, ziemlich schmerzhaftes, ziemlich persönliches über vergangene Beziehungen, einen unsensiblen Agenten und eine irritierende Psychotherapeutin. Er kriegt das ganz gut hin, find ich, das distanziert zu erzählen und nicht in die Falle des beleidigten Mannes, der sich darüber aufregt, dass die Welt nicht so läuft, wie er sich das vorstellt, tappt. Das war schon ganz ok. Und letztlich auch ein gutes Anschauungsbeispiel um V. darzustellen, was ich an der britischen Comedy so schätze bzw. warum das ein bisschen ein Sehnsuchtsort für mich ist: Weil ich dort so viele Leute sehe, die es schaffen, ihre psychischen Probleme auszudrücken, darzustellen und in gewisser Weise zu überwinden. Zumindest so weit, dass sie darüber öffentlich sprechen können. Und das ist ja immer schon was: Sich öffentlich hinzustellen und eine Wahrheit zu sagen, eine Empfindung auszudrücken, einen Standpunkt einzunehmen und sich definieren, als diese bisschen verbogene Person, als die man sich vielleicht wahrnimmt. Und zusätzlich noch ein Geschäft zu machen.

Da war die Fern Brady nicht viel anders, für die ich mir am letzten Tag des Festivals noch schnell eine Karte gekauft hab. Damit hab ich zwar nur europäische Comedians gesehen, aber ich war zumindest noch ein bei einer Frau. Von den Männer hat übrigens jeder einzelne zumindest eine Bemerkung über ihr jeweiliges privilege gemacht, über den Fakt, dass sie hier als weiße, middle-classed Männer auftreten. Und Melbourne ist da sehr sensibel, sie haben bspw. den Barry Humphrey Preis für das beste Programm umbenannt, nachdem der namengebende Barry, der seinerzeit die Gründung des Comedy Festivals maßgeblich unterstützt hat, seine Meinung zu Transgender ausgedrückt hat, die das Comedy Festival, bei dem gerade Cassie Workman, eine Transgenderperson, für den eben den Preis nominiert wurde, nicht unterstützen wollte.

Bei Fern Brady waren knapp hundertfünfzig Leute, aber es war ausverkauft. Es war auch das Programm, das am ehesten Stand-Up war. Weil sie stand halt da vorne und das Publikum saß vor ihr es war übersichtlich genug, dass sie immer wieder auf Reaktionen aus dem Publikum reagiert hat. Das Publikum direkt ansprechen, das hat sie sich auch nicht gegeben, aber das hat sie auch dazugesagt, dass sie sich das nicht geben will. Weil auch die Fern stellt sich vorne hin und sagt, dass sie Ängste und Unsicherheiten hat und mit Menschen in der Regel überfordert ist. Aber dann sagt sie auch, dass sie es satt hat, die britische Höflichkeit und die katholische Gesprächsverweigerung ihrer Familie. Daraus ergeben sich natürlich diverse Kapriolen. Und dann redet sie viel über ihre Sexualität und das find ich schwierig, find ich als Comedy schwierig. Oft ist das dann billiger Tabubruchhumor und nicht so aufregend. Ganz so schlimm war das jetzt auch gar nicht, insgesamt hat sie auch dabei eine gute Interaktion mit dem Publikum gehabt. Man hat gemerkt, dass sie aufgeregt und auch einfach schon müde war, vom Festival oder was auch immer. Sie hat zum Beispiel das Telefon liegen gehabt, auf dem sie presumably die verstrichene Zeit gecheckt hat. Und manchmal hat sie sich ein bisschen verirrt in ihren Routinen. Und sie hatte da „weniger Professionalität“, wenn man so will, als die anderen, die ich gesehen hab. So hat sie das alles ins Programm eingebaut und das hat dem ganzen eine gute Lebendigkeit gegeben.

Symbolfoto, weil von 2014. Aber vor der Town Hall ist eine Tafel, auf der jeden Abend in zwei solchen Spalten alle der an dem Tag stattfindenden Programme aufgelistet sind. Für den Überblick, wie viel hier tatsächlich los ist.

Der James Acaster hat übrigens den Preis für s beste Programm gewonnen. Und das find ich ok, auch aus meiner eigenen Auswahl. Ich hab den David O’Doherty zwar jetzt mindestens so gut gefunden wie den James, aber das Programm selbst war vom James Acaster wahrscheinlich das bessere. Es war stringenter und es war interessanter von der Balance aus Privatem und Öffentlichem. Ist das, frag ich mich natürlich, soll das ausschlaggebend sein in der Bewertung eines Comedyprogramms? Er hat auch Brexit nicht erwähnt, zumindest nicht wortwörtlich. Den David fand ich sympathischer von den beiden und seine Routinen, nicht zuletzt die Songs, liebevoller. Insgesamt hab ich s aber auf jeden Fall aufregend gefunden, wie viel los ist in Melbourne um das Festival herum und wie viele Leute sich dafür interessieren. Beneidenswert. Da werde ich s jetzt doch einmal auch nach Edinburgh müssen… Natürlich bedauer ich, keine AustralierInnen gesehen zu haben. Und überhaupt, nur die letzten vier Tage erlebt zu haben. Aber natürlich überwiegt die Freude, gesehen zu haben, was ich gesehen hab. Es ist ja normalerweise mehr eine virtuelle Begeisterung, wenn ich die Leute im Fernsehen und im Radio bekomme, da ist es schon eine besondere Freude die ich hier entwickeln kann. Wie gesagt, bisschen Sehnsuchtsort.

Melbourne Comedy Festival I: The Dangers of Stand-up Comedy

In Melbourne macht man gerade Comedy Festival. Also, man macht Comedy Festival seit Mitte April, aber jetzt bin ich erst wieder da und hab die Zeit das Comedy Festival zu besuchen. Ich hab mir vor einem Monat am Weg nach Neuseeland Karten für zwei Veranstaltungen gekauft: Den James Acaster und den Phill Jupitus. Der James Acaster ist einfach sehr witzig, da kann man nichts sagen, da braucht s eigentlich keine weitere Erklärung.

Und der Phill Jupitus, naja, ich hatte da ein paar verschiedene Comedians in der engeren Auswahl und irgendwie mag ich den. Im Fernsehen find ich ihn ganz sympathisch und sein Instagram lässt darauf schließen, dass er viel Zeit in Dundee und Umgebung verbringt und das find ich auch gut. Beim Acaster bin ich morgen, gestern war ich beim Jupitus.

So hat das Programm angefangen, Jupitus in Hut und Sakko, den Rücken zum Saal, während das Publikum langsam die Plätze eingenommen hat.

Leider fand ich den Phill Jupitus dann gar nicht besonders besonders. Viel von seinem Programm war einfach er am Blödeln. Das heißt: er hat Witze über s Essen gemacht und darüber, dass er gerne isst (weil er ist dick und dann ist das lustig) und er hat viel einfach geschrien. Das kann er, er kann ganz gut laut sein, das will ich ihm gar nicht nehmen. Und er hat ganz gut Stimmen gemacht in seinen Anekdoten. Aber insgesamt war das Programm mager, die Geschichten, die den Faden durch das Programm gezogen haben, waren halt einfach zwei Erlebnisse aus der jüngeren Vergangenheit, um die herum er seine Erzählungen gesponnen hat. Und ich hab ihn ein bisschen vor mir gesehen, wie er im Flugzeug sitzt, zwanzig Stunden Flug vor sich und sein Programm zusammenstellt. Der ist ja ein alter Hase, für den ist das kein Problem. Aber für mich halt ein bisschen eine Enttäuschung.

Ich war dann heute beim David O’Doherty, spontan gestern beim Nachhausekommen noch eingekauft, weil den hatte ich auch in jener engeren Auswahl. Und da kann man schon sehen, wie sich einer Mühe gegeben hat, ich würde jetzt auch sagen: ist kein neues Programm, aber muss ja nicht sein. Es war auf jeden Fall ausgewogener, und man hat gemerkt, dass da Gedanken drin sind, Beobachtungen und Überlegungen, wahrscheinlich schon mehr mit Publikum abgetestet und insgesamt weniger shouty. Und natürlich macht der Musik auch, da kann man auch nicht einfach nur hin- und herimprovisieren. Hat mir gut gefallen. Das dürfte insgesamt absehbar gewesen sein, weil da waren heute mindestens fünfhundert Leute. Beim Jupitus gestern vielleicht die Hälfte, wenn überhaupt. Und beide machen drei Abende. Und keiner der beiden hat auf eine Brexit Routine verzichtet. Interessant, weil der DO’D natürlich eine andere Perspektive hat und nicht „nur“ genervt darüber ist, dass seit zwei Jahren kein anderes Thema in der Politik vorkommt sondern das etwas ist, was the fragile peace in my country gefährdet.

Ich find auch immer schön, wenn jemand von den Inseln in Euro rechnet. (Wobei ich gelernt hab, dass die IrInnen ungern in einen gemeinsamen Topf geworfen werden mit den GroßbritannierInnen.) In seinem Programm hat der DO’D dann vierhundert Euro auf zwölfhundert Dollar umgerechnet, was einfach falsch ist, aber nachdem s nicht wirklich ein Witz war, könnte ich nicht sagen, ob ich der einzige war, der sich darüber gewundert hat.

Am Weg ins Theater bin ich übrigens dem Joe Lycett auf der Straße begegnet. „Begegnet“. Ich bin ihm ein Stück auf der Straße hinterhergelaufen.

Und, ergänzend, möchte ich hinzufügen, dass ich am Abend vorher, auf dem Weg zum Phill, möglicherweise die DeAnne Smith gesehen hab. Aber wiederum nur von hinten und in dem Fall literally bloß eine blonde Frau in Jeansjacke, die die Schläfen hochrasiert hatte. Aber wenn, hätte ich mich auf jeden Fall gefreut.

Departure

Jetzt sitz ich wieder am Flughafen in Christchurch. Da ist einiges an Zeit vergangen, seit ich hier das letzte Mal ein bisschen abwartend gesessen bin. Da war es fünf in der Früh, jetzt ist es fünf am Abend und ich hab noch vier Stunden. Aber ich hab eine clevere Abkürzung genommen und war dann ein bisschen zu faul, nochmal in die Stadt zu fahren. Hier hab ich Strom und Netzwerk und bin gar nicht so schlecht daran, die Fehlerchen auszubeulen, die sich in den letzten Wochen in meinem Computer manifestiert haben.

Hier stellen sich die an, die auf die Fähre wollen, mit der ich eben in Picton angekommen bin und die sich wieder auf den Weg zurück nach Wellington macht.

Es ist interessant, wie Neuseeland jetzt ein Urlaub in meinem Urlaub war. Oder vielleicht mehr: Eine Reise im Rahmen meiner Reise. Immerhin: nach Melbourne komme ich „zurück“ und ich sehe einigen entspannten Tagen entgegen. Letztlich ist in Neuseeland jetzt auch schon ein bisschen viel Herbst angekommen und ich hab den einen Pullover, den ich mit hab, schon ein bisschen als Standardausrüstung angehabt. Da erwarte ich mir von Australien doch noch ein bisschen Wärme und Sonnenschein für die kommende Woche.

Ich hab in der letzten Woche nicht nur mehr Orte besucht, als ich bisher in dem Zeitrahmen geschafft habe, ich habe auch einen ganzen Haufen Fotos gemacht, die durchzuarbeiten ein bisschen abschreckend ist. Es ist zumindest Arbeit. Und dann natürlich werden neue Pläne geschmiedet über die weiteren Abenteuer des kleinen Teehäferls da draußen in der Welt.

Nordinsel

Jetzt hat es dann doch wieder zu regnen angefangen. Aber glücklicherweise bin ich den Großteil des gestrigen Tages im Bus gesessen und bin dort zum ersten Mal seit einigen Tagen, so scheint es mir, wieder zum Sitzen und Nichtstun gekommen. Die vergangene Woche auf der Nordinsel hat mich doch ziemlich auf Trab gehalten. Im besten Sinn, würde ich sagen. Zuerst war ich eben ein paar Tage auf Waiheke, eine Wochenenddestination für AucklanderInnen: Wälder, Weinberge und weite Strände in vielleicht vierzig Minuten mit der Fähre zu erreichbar. Dort war ich einige Tage in einem sympathischen Hostel zwischen FranzösInnen, ArgentinierInnen und zwei Italienern, die sich viel ums Essen gekümmert haben. Ein bisschen wollte ich dort gar nicht mehr weg, das gebe ich gerne zu. Es herrschte eine sehr umgängliche Stimmung, entspannt, gelassen, persönlich. Man lädt sich ein, man umarmt einander, irgendwer macht irgendwo eine Musik. Ich bin kaum in der Lage, die Situation zu schildern, würde man mir mein Interesse mit meinen eigenen Worten wecken wollen, ich würde mich winden, um meiner Abneigung den notwendigen Ausdruck zu verleihen. Aber es war nett, es hat s gut getroffen und ich hab es genießen können, so gut ich halt genießen kann. Denn sind wir uns ehrlich: Wenn mir das so einfach wäre, mit dem Genießen, ich müsste vielleicht gar nicht hinaus in die Welt fahren. Und es war auch wichtig, dass A. dort war, die Schweizer Psychotherapeutin, mit der ich zwischendurch ein bisschen auf eine Metaebene gestiegen bin, angesichts der Hütte voll Savoir Vivre. Allem seine Zeit, und auch wieder loszulassen war nicht das schlechteste.

Inselidylle

Und ich hab gelernt, dass wenn man sich Pariserinnen mitunter als Pariserinnen vorstellen und nicht schlichterweise als Französinnen. Und ich merke, ja, da reagiere ich anders drauf. Nicht viel anders, weil ich merke auch, meine Frankophilie steht ein wenig im Wildwuchs.

Am Sonntag der Zeitumstellung bin ich dann später als gedacht aber durchaus rechtzeitig zur Fähre gewandert und bin in der Half Moon Bay von K. abgeholt worden. Als ich in meiner ersten Half Moon Bay gestanden bin, hab ich mir noch gedacht, was für ein poetischer Name für diese Bucht. Aber es ist ein relativ generischer Name für eine Bucht. Letztlich ist jede Bucht ein bisschen ein Halbmond, are they not? Vielleicht ist das auch einfach das, dass ich als Binnenbub aufgewachsen bin und deshalb jede Bucht noch ein bisschen etwas besonderes ist und ein Allerweltsname kränkt meine vor Wunder strahlenden Augen.

K. hat mich abgeholt und dann sind wir vier Tage lang mit dem Auto einer Freundin, die ob eben geborenem Kind ihren Sportflitzer eh nicht fahren kann, auf der Nordinsel rumgedüst – Abenteuer galore! Weil mit dem Auto ist man schon anders unterwegs als mit dem Bus. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass ich mit dem Auto anders unterwegs bin, als es für die Felgen gut ist und nach einer halben Stunde war klar, auch wenn sie auch gerne bisschen BeifahrerInnensitz gemacht hätte, das ist nicht die entspannendere Position für sie.

„Monty“, aber wir haben den Namen nie verwendet.

Ich lass das jetzt aber mal aus, weil wir waren so viel unterwegs und ich hab die Namen oft erst behalten, nachdem wir schon wieder in der nächsten Stadt waren. Wir sind im geothermalen Wasser gesessen, haben Pasta gekocht, sind auf den Berg gegangen und in einander Begleitung haben wir uns sogar in eine cultural performance in einer Māorisiedlung gesetzt. Und das war letztlich gar nicht einmal so schlecht und vor allem gar nicht einmal so unangenehm, wie man – wie ich – das mit Sicherheit angenommen hätte.

Tee für vier Dollar ist an der Grenze zur Unverschämtheit, aber dann echten Tee, das ganze Ornament und mehr Untertassen than you can shake a stick at, das ist dann schon wieder ok.

Gestern haben wir uns verabschiedet, K. ist zurück nach Auckland und heute in der Bay of Islands, wo s sehr schön sein soll. Ich bin in den Süden gefahren und bin gestern Abend im verregneten Wellington angekommen. Nach einem kleinen Spaziergang (d.h. vom Bus zur Herberge) durch die nasse Dunkelheit bin ich in meinem angenehm unkomplizierten Hostel angekommen und bin dann gar nicht mehr von meinem Bett aufgestanden. Den heutigen Vormittag habe ich damit verbracht, meine Sachen und dann auch meine Wandersocken zu waschen. Neuseeland neigt sich für mich. Mit etwas Glück seh ich übermorgen noch einen Wal und dann sitz ich schon wieder im Flugzeug nach Melbourne. Das fühlt sich ein bisschen an, als würde ich nachhause fahren, auf jeden Fall zurück in vertrautere Umgebung. Ich glaube, es ist einfach, dass ich nicht viel mehr Plan habe, als zwei, drei Abende im Melbourne Comedy Festival, aber nicht weiter als April…

Heiliger Königsangler, Batman!

Ein kurzer Nachtrag: Ich bin heute Morgen mit der Fähre von Auckland nach Waiheke gefahren. Wieder auf einem Boot, hab ich mich schon darüber gefreut. Und dann auf der Insel bin ich einem Eisvogel begegnet. Und ich bin ein bisschen seit dreißig Jahren auf der Suche nach einem Eisvogel. Wobei ich natürlich kaum eine Mühe eingegangen bin, um einen zu finden. Aber für Mitteleuropa habe ich den Eisvogel immer ein bisschen als für zu aufregend empfunden, zu farbenfroh. Und mit dem hiesigen hab ich auch noch Glück, weil der ist fast zehn Zentimeter größer als der mitteleuropäische. Quasi: leichter zu sehen. Er saß da einfach, während ich versucht habe, mit den Sittich möglichst gut einzuprägen, der gerade über mich hinweggeflogen ist. Das war ein Rosellasittich (Platycercus eximius), der hier eigentlich nicht zuhause war. Der Eisvogel hingegen heißt auf Māori Kōtare und auf deutsch Götzenliest (Todiramphus sanctus). Und ich hatte leider nicht mal den Ferngucker mit, freu mich natürlich denhoch, dass ich ihn gesehen hab. Steve Holt!

Kurz darauf bin ich beim Bierkaufen nach dem Ausweis gefragt worden, war auch ein Erlebnis.

The one where he talks about birds – again

Ich glaub, Neuseeland ist eine zweite Vogelfolge wert. Immerhin waren Vögel ja die dominante Lebensform, bevor die ersten Menschen ihre Fußstapfen in den Sand getreten haben. Und erst die Europäischen EinwandererInnen (Pākehā) haben ihre Säugetiere mitgebracht: Den einen haben sie die einheimische Flora großflächig umgestaltet, nämlich Schafen und Kühen – für die ganze Landschaften mit europäischen Gräsern bepflanzt wurden –, die anderen haben von sich aus die vorhandene Fauna aufgemischt. Letzteres in erster Linie Ratten, Mäuse, Katzen, Hunde, Opossums, Frettchen und Marder. Und weil die neuseeländischen Vögel zum Teil nicht einmal ihre Nester in den Bäumen gebaut haben, haben sich eingeschleppten Allesfresserchen und die ihnen nachgeschleppten Jäger über das Federvieh hergemacht, dass es buchstäblich die Hälfte auch getan hätte.

Es gibt dieses hübsche Poster neuseeländischer Vögel. Besonders witzig ist, dass in der Legende auch die Größenverhältnisse angegeben sind.

Und weil der Mensch lernt oder zumindest angesichts der ausgerotteten Tier- und Pflanzenarten eine gewisse Reue an den Tag legt, versucht man heute, Reservate zu schaffen, zu denen die Vögeltöter keinen Zugang haben. Das Paradebeispiel ist die Geschichte von „Old Blue“, die Anfang der Achtziger das letzte Weibchen einer kleinen Vogelart (Petroica traversi) auf Chatham Island war und die, dank enormer Bemühungen, zur Stammmutter von heute etwa zweihunderfünfzig Chatham-Schnäppern wurde. Das gelingt weil Neuseeland ja viele Inseln ist, die mehr oder weniger gut kontrollierbar sind und da macht man ein Reservat quasi nach dem anderen und schafft den Vögeln dort Lebensraum. Und sie ist man in Neuseeland auch durchaus stolz auf die lokale Vogelwelt, die ja doch in vieler Hinsicht was besonderes, was eigenes und was herausragendes ist. Quasi: die Beuteltiere Neuseelands. Und man kann dementsprechend kaum irgendwo um die Ecke gehen, ohne irgendwo schemenhaften Kiwiabbildungen gegenüberzutreten.

Einer der imposantesten und sicherlich für die frühe Besiedelung durch die Māori nicht unwesentlichen Vögel, ist der Moa (Dinornis). Zur (unmerklichen) Schonung des gesamteuropäischen Karmas, waren sie leider schon ausgestorben, bevor Abel Tasman hier sechzehnzweiundvierzig seinen europäischen Fuß an Land gesetzt hat. Ach, hätten wir doch bloß heute noch eine Handvoll Moas bei der Hand, würde die ganze Diskussion über die Lächerlichkeit gefiederte Dinosaurier nur ein halbes Gespräch und einen deutlichen Fingerzeig dauern. Ein drei Meter großer Vogel mit Horrorklauen sollte jedeR SkeptikerIn zumindest das lächerliche Argument des „gefiederten Huhns“ entkräften.

Die feinen Illustrationen urzeitlicher Tiere Heinrich Harders.

Im Museum von Christchurch lerne ich, dass man Moas heute in sechs bis neun Arten unterscheidet, die aber allesamt vor vierhundertfünfzig Jahren ihre jeweils letzten Eier gelegt haben. Interessant ist außerdem, dass wie so oft Unklarheit über die Verwandtschaftsverhältnisse besteht. Ich höre immer wieder, dass die nahen Verwandten der Moas die Kiwis und der Strauß sind. Und ich stelle mich und meine Behauptungen einmal mehr auf die wackeligen Beine, eines welchen, der sich in seinen Quelle auf Wikipedia beschränkt: Die nächsten Verwandten der Moas, so sagt man heute, wohnen in Mexiko und nennen sich Steißhühner (Tinamiformes). Das Lesen des Artikels macht sich vor allem für jene bezahlt, die gerne ihr Wissen über ausstülpbare Vogelpenisse erweitern möchten. Hingegen sind Kiwis, Emus, Kasuare und gar der Vogel Strauß, eher Cousinen als genetische Geschwister der Moas.

Die ersten Tage in Neuseeland bekomme ich außer den allgegenwärtigen Stockenten (Anas platyrhynchos) ehrlicherweise nicht viele Vögel zu Gesicht. Vielleicht, dass ab und zu einmal einem Paradieskasarka begegne, der auf Māori Pūtangitangi (Tadorna variegata) heißt. Ein Kasarka, das ist im Wesentlichen etwas zwischen Gans und Ente. Die Weibchen sind mit ihrem weißen Kopf eher die auffälligen, wohingegen mir die dunkel gehaltenen Männchen mir wahrscheinlich kaum aufgefallen wären. Wenn also überhaupt, dann hab ich wohl mal ein vereinzeltes Pärchen gesehen oder was. Meine erste größere Gruppe hab ich am Strand von Oban auf Rakiura (Steward Island, aber ich hab so lange gebraucht, bis ich mir den Māori Namen gemerkt hab, dass ich den jetzt verwende) gesehen, dort sind sie gemeinsam am Spielplatz gelegen, bevor sie sich daran gemacht haben, vom Rasen zu naschen.

Die sind so herzig, weil sie so pausbackig-verschmitzt dreinschauen!

Dann ist mir ein Purpurhuhn namens Pūkeko (Porphyrio melanotus) über den Weg gelaufen. Die sind, wie ich lerne, bekannt für ihre Hinterhältigkeit, zumindest in der Māori Mythologie. Nachdem ich jetzt ein bisschen darüber nachgedacht hab und mir das von der Verbreitungslandkarte bestätigen habe lassen, werde ich mein erstes Pūkeko wohl noch im botanischen Garten in Melbourne gesehen haben. Das hat bei mir schon Faszination ausgelöst, weil schön sind die eigentlich nicht, aber halt doch fantastisch, kann ich mir nicht helfen. Mittlerweile hab ich auch hier das eine oder andere rumstaksen gesehen und ich mag die Rumstaksevögel ja gern.

Tatsächlich in Neuseeland habe ich einen Gelbaugenpinguin (Megadyptes antipodes) gesehen. Einen. Das war in Oamaru und ich hab mir einen Sonnenbrand dabei geholt. Zuerst waren wir auf der Suche nach den Zwergpinguinen (Eudyptula minor), aber für die haben sie Eintritt verlangt. Und für beide Pinguinarten hat gegolten, dass sie tagsüber im Meer unterwegs sind und am Abend nachhause kommen um sich in ihren Höhlen zu verstecken. Wir sind dann über den Berg drüber geklettert – mehr ein Hügel tatsächlich, darauf hat die Innsbruckerin bestanden – um auf der anderen Seite den Strand der Gelbaugenpinguine zu finden. Was wir dort gefunden haben waren Paua Muscheln und ich habe in der Elster (Pica pica) mein Totemtier entdeckt: Ich hab s einfach nicht geschafft, diese Muscheln liegen zu lassen, und es ist wirklich mehr gewesen, weil sie so hübsch perlmuttern schimmern. Ein gutes Dutzend hab ich gesammelt, wie Römerhelme ineinander gestapelt und bald einen parallel laufenden, internen Konflikt aufgerissen, weil es gibt nichts wenig unsinnigeres, als beim Backpackern Muscheln mit sich herumschleppen. Ich sammel ja auch regelmäßig mal Federn auf, aber die sind wenigstens von berufswegen leicht und selbst die schmeiß ich regelmäßig weg, wenn ich wo eine finde, die ich nicht mehr zuzuordnen weiß. Gerade für die Paua Muscheln gibt es ja als warnendes Vorbild jenes ältere Paar, das ganze Haus voll hatte, das sie dann nach Christchurch ins Museum gestellt haben. So hab ich wenigstens immer vor Augen gehabt, wohin das führen würde, sollte ich nicht in der Lage sein, die Dinger liegen zu lassen. Letzten Endes hab ich zuerst ein paar und dann die anderen auch noch liegen gelassen. Und die eine, die ich seit dem bei mir trage, stinkt so sehr, dass ich sie eh öfter bereue als nicht. In den Bergen hab ich die Gelegenheit, das ganze Hostel für mich selbst zu haben, einmal genutzt, um sie auszukochen. Aber nach dem vierten Mal hat sich immer noch nicht allzu viel getan, bis auf dass die Außenschale jetzt hässlich ist.

Fred und Myrtle in ihrem Muschelhaus

Am Gelbaugenpinguinstrand haben wir außerdem einen Haufen Seehunde Seelöwen (Phocarctos hookeri) angetroffen, die gerade dort in der Sonne herumliegen. Angeblich sind die auch am Land mitunter schneller als ich, aber das hab ich erst nachher gelernt und zweifle ich seit dem auch an. Es ist einfach schwer vorstellbar, dass Tiere, die so gut in Gemütlichkeit zu sein scheinen, insgeheim SprinterInnen sein sollten. Was sie auf jeden Fall haben, sind ziemliche Klauen an den Hinterbeinen. So nah dran waren wir dann doch. Hätten wir nicht sein sollen, hat die Dame uns gesagt, die um dreiviertel Vier gekommen ist um uns zu sagen, dass wir seit halb eigentlich nicht mehr da sein sollten. Weil nämlich: wenn die Pinguine sich nicht sicher fühlen, dann kommen sie einfach nicht nachhause. Und das sind sie dann auch nicht, zumindest nicht innerhalb der neunzig Minuten, die wir in der Nachmittagssonne gestanden sind, über die faulen Robben Seelöwen lästernd, denen wir die vermeintliche Angst der Pinguine in die Schuhe geschoben haben.

Hier wird gewarnt, wo wir gesucht haben.

Wirklich mit den Vögeln hat es dann erst auf Rakiura angefangen. Rakiura ist im Süden von Neuseeland, die „dritte Insel“, wie einige Lustige sagen, aber viele dürften das nicht sein. Insgesamt wohnen nicht einmal vierhundert Leute in Oban, dem einzigen Ort der Insel, kaum sechshundert insgesamt auf der Insel. Dafür gibt es aber große Bemühungen, den Ratten, Opossums und was sonst noch am Vogeltöten und Eierpecken ist, auf der Insel den Garaus zu machen. Ich war etwas überrascht, dass es im Supermarkt so viel Katzenfutter zur Auswahl gab, aber hey!, sollen sie zumindest gut gefüttert sein, vielleicht gehen sie dann weniger auf die Vögelchen.

Der erste Vogel, dem ich auf meiner Dreitageswanderung begegnet bin, war ein Tūī (Prosthemadera novaeseelandiae). Und eigentlich hab ich ihn zuerst gehört und erst dann gesehen. Der Tūī ist ein Honigfresser, die kennen wir noch aus Australien. Und er hat – sehr witzig – ein weißes Federbüschel am Hals hängen, bisschen wie ein aufwendiges Mascherl. Und er singt ausgiebig und eindrucksvoll. Ich bin vor dem Baum gestanden, in dem er auf und ab gehüpft ist und war natürlich ganz hin und weg: drei Tage Wanderung vor mir und dementsprechend viel Energie, Enthusiasmus und Trockenheit in den Schuhen. Da ist jedes Naturerlebnis gleich noch einmal so erlebnisreich.

Tūī y yo

Auf Māori Beach bin ich dann meinen ersten Austernfressern (Haematopus finschi) begegnet. Nachdem auch diese Vögel Staksen zu ihrer vornehmlichen Fortbewegungsmethode ausgewählt haben, sind sie mir natürlich von vornherein nah am Herzen. Außerdem haben sie einen sehr roten Schnabel und ein im Vorbeigehen durchaus beobachtbares Sozialleben. Während ich ihnen zugeschaut hab, ist der eine eindeutig dem anderen ständig leicht unterwürfig hinterhergelaufen, hat nie den Schnabel in den Sand gesteckt, wo nicht zuerst der andere schon gebohrt hatte. Und dann ist er auch noch lautstark verjagt worden, weil laut können sie auch werden.

Ebenfalls mir bereits aus Australien bekannt ist der Fantail, zu Deutsch kompakt Neuseelandfächerschwanz (Rhipidura fuliginosa) genannt oder halt auf Māori Pīwakawaka. Und die gewinnen fast im Herzigsein. Den ersten hab ich auf einem Parkplatz in Cairns gesehen, wo er minutenlang vor mir auf und ab gehüpft ist und – nomen/omen/etc. – den Schwanz wie ein ganz ein kleiner Pfau aufgefächert hatte und damit hin- und hergewippt hat. Witzig auch, und da ist der neuseeländische nicht viel anders, dass Willie Wagtail (Rhipidura leucophrys – und interessant, weil die wagtails sind eigentlich Stelzen, der Name also nicht nur ein fahrlässiger Ausflug in den Kolloquialismus, eine falsche Zuschreibung auch noch!), wie der australische Fächerschwanz heißt, auf dem ansonsten dunklen Kopf deutliche weiße Streifen über den Augen hat. Wie man vom Orca und dem Marienkäfer weiß, verwechselt man dadurch leicht einmal, wo tatsächlich die Augen sind und es gibt ihm eine gewisse, wie ich finde, Strenge. Vielleicht sehe ich mehr buschige Augenbrauen als Augen…

Auf Rakiura gibt es dann noch – ich bin ganz offenbar in der Herzigkeitsabteilung der neuseeländischen Vogelwelt gelandet – den South Island Robin (Petroica australis). Und jetzt reicht s mir schon langsam mit den blöden deutschen Namen! Weil, natürlich war ich jetzt gespannt, wie der bei uns genannt wird, nachdem ein Robin ja ein Rotkehlchen ist. Und man sieht ihm natürlich sofort die Ähnlichkeit zu unserem Rotkehlchen an, auch wenn ihm die bezeichnende Kehlchenfarbe fehlt. Und ja, auf deutsch wird er Langbeinschnäpper genannt. Unsexy! Aber korrekt. Weil wie uns Wikipedia.de lehrt (ja, übrigens, wider den Uploadfilter und all das!), dass „[d]ie Schnäpper […] nicht […] mit den auch in Europa verbreiteten Fliegenschnäpper [zu denen das Rotkehlchen gehört, Anm.] (Muscicapidae) [zu verwechseln sind], mit denen Sie [sic!] nur fern verwandt sind.“

Kleiner, neugieriger Kakaruai.

Auf jeden Fall hatte ich einige sehr nette Begegnungen mit – nennen wir sie bei ihrem Māori Namen – Kakaruai. Insbesondere auf Ulva Island, wo ich nach meiner Dreitagstour einen Ausflug hingemacht hab. Da hat uns schon der sympathische Skipper Peter darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn wir uns langsam bewegen, regelmäßig stehenbleiben auf unseren Spaziergängen, dann kämen die Vögel zu uns, weil sie in uns eine Nahrungsmittelquelle sehen. Und sie seien nicht hinter unserem lunch her, sie sind hinter den Insekten her, die wir aufscheuchen, wenn wir beim Gehen den Boden aufwühlen. Das war dann auch so, dass da einmal drei kleine Kakaruai um mich herum gehüpft sind und hinter mir im Boden gepickt haben. Natürlich ist jede Bewegung zu viel und der Griff nach der Kamera ist unmöglich, ohne sie zu verjagen. Insofern steh ich dann und schau und freu mich. Eine Führerin hat etwas später einen Kakaruai angelockt, indem sie diese Zigaretten-austreten-Bewegung gemacht und damit ein leckeres Würmchen freigelegt hat.

Auf dem Boot in Richtung Ulva Island kann man schon aus einer gewissen Distanz die Māori-Fruchttaube oder Kererū (Hemiphaga novaeseelandiae) erkennen, die in hohen Bögen aus dem Wald herausfliegt und sich dann wieder in denselben fallen lässt. Ich hab keine Ahnung, was sie dabei machen… Auf der Wanderung ist mir allerdings einmal eine mitten am Weg gesessen. Riesiges Ding. Wir schauen uns kurz an, bevor sie sich auf den nächsten Baum gehievt hat. Dabei wirkt sie wahnsinnig sauber. Weil halt weiße Federn machen schnell einmal den Eindruck, dass es sich umein besonders sauberes Tier handelt und dann der bunt schillernde Kopf, auch ziemlich cool. Sie machen ein ziemlich lautes Geräusch beim Fliegen, wobei ich mir nicht ganz einig war gemeinsam mit einem fellow Tourengeher, ob sie das Geräusch einfach mit den Flügel machen oder tatsächlich irgendwie aus dem Schnabel heraus.

Schwer vorstellbar, die Innenstadt voll mit diesen Vögeln. Aber wie so oft finde ich, es wäre einen Versuch wert…

Nachdem mich der Mitwanderer eines Abends auf die Geräusche einer Eule aufmerksam gemacht hat, die wir allerdings nur zu hören bekommen haben, bin ich natürlich versucht, ihm zu glauben, dass das tatsächlich ein Laut ist, den die Taube macht. Andererseits gibt s nur eine Eule in Neuseeland und dass da draußen eine Eule zu hören war, das hätte ich vielleicht auch knapp so erraten. Allerdings nennen sie ihre Eule Morepork (Ninox novaeseelandiae), was sie onomatopoetisch erklären. Ist interessant, weil man möchte das ja gerne für indigene Namen annehmen, aber die Māori nennen sie Ruru. Mit etwas Fantasie und wenn man sich nicht abends über einen Vogel amüsieren möchte, der mehr Schweinefleisch verlangt, dann geht sich für Ruru allerdings auch eine mehr oder weniger onomatopoetische Erklärung aus. An ihrem deutschen Namen lässt sich dann auch erkennen, dass es sich natürlich gar nicht um eine Eule sondern um ein Kauz handelt. Einen Neuseeland-Kuckuckskauz. Und jetzt halt dich fest: „Sein tiefer zweisilbige [sic!] Ruf ‚buh-buk‘ erinnert an einen Kuckuck.“ Meine like-the-city-Bemerkungist leider von niemandem aufgegriffen worden. „Was bis du für eine software engineer, wenn du deine Scheibenweltreferenzen nicht parat hast?“, hab ich nicht gesagt.

Morepork in Terry Pratchetts Wappen.

Was wir nicht gesehen haben, ist der Kiwi (Apteryx). Also, ich hab ihn nicht gesehen. Der anstrengende Deutsche hat einen gesehen und vielleicht der eine oder die andere WandererIn ebenfalls. Aber die tragen auch nicht das Attribut anstrengend vor sich her und haben deswegen auch weitgehend ihren Schnabel ob diverser Kiwisichtungen gehalten. Ich hab einen gehört, mitten in der Nacht und in Folge die Hälfte der BettenlagerliegerInnen aufspringend und sich Kiwigeräuschbestätigungen zuraunend erlebt. Aber raus sind tatsächlich nur wenige mit ihren roten Lampen. Und soweit ich das im Halbschlaf mitbekommen hab, haben die auch keine Kiwis erwischt. Ich hab in der selben Nacht ein Reh (Odocoileus virginianus) gesehen, als ich auf einen Sprung meinen Urin raustragen war. Die haben sie dort ausgesetzt, damit die JägerInnen was zu schießen haben. Anschließend hatte ich tagelang Sting im Kopf, weil mein Unterbewusstsein der Meinung gewesen war, dass es unsinnig sei, mit dem roten Licht den Kiwis hinterherzujagen. Letztlich eignet sich Roxanne aber eh schlecht für einen Ohrwurm, so melodiös ist das wirklich nicht.

Kiwidarstellung am Infoboard der Bunkers Backpackers in Oban

Während man auf Rakiura auf Schritt und Tritt Rattenfallen findet, ist es auf Ulva Island bereits gelungen, die Jäger auszurotten und deshalb ist das dort ein ziemliches Paradies für Vögel. Es ist nicht ganz so abgesichert, wie Codfish Island, das westlich von Rakiura liegt. Dort gibt es eine von zwei übriggebliebenen Kākāpō Populationen (Strigops habroptila). Ich habe ähnliche Sicherheitsvorkehrungen für Ulva erwartet, aber letztlich war ich nicht unglücklich, dass außer dem Hinweis, dass wir bitte unsere allfälligen Ratten auf Rakiura lassen sollen, keine besonderen Maßnahmen getroffen wurden. Ich hab sogar einen Apfel mitgehabt, obwohl wir auch keine Samen auf die Insel mitnehmen sollten. Aber dann wiederum lässt sich aus einem Industrieapfel wohl eh kaum ein echter Setzling ziehen, oder irr ich mich? Vorauseilend wie eh und je habe ich den Apfel jedoch unangebissen wieder zurückgebracht.

Hier ist die Kakapo-Folge von Last Chance to See, in der ich zum ersten Mal von dem Vogel gehört hab (und die unheimlichen Wetas, riesige neuseeländische Insekten, ca. 17:15). Last Chance to See, nur zur Ergänzung, hat neunzehnneundundachzig als ein Projekt von Douglas Adams und Mark Carwardine angefangen, in dem er dem Aussterben-nahe Tiere aufgesucht hat. Stephen Fry hat sich zwanzig Jahre später mit Mark und einem BBC Budget auf seine Spuren begeben. Ich beginne hier ca. bei der Hälfte, wo sie sich aus Invercargill nach Codfish aufmachen.

Auf Ulva hab ich noch eine Wekaralle oder einfach Weka (Gallirallus australis) gesehen. Kann man leicht mit einem Kiwi verwechseln und so lange hab ich mich dann doch damit beschäftigt, der Weka beim Baden zuzusehen, um ihren Schnabel ins Bild zu bekommen – in meinen Augen der einzige sichere Test, ob es sich nicht doch um einen der dreißig bis vierzig Kiwis handeln sollte, die auf Ulva leben. War nicht. Und dann springt die Weka auf und ratz fatz in den Busch. Und aus dem Geäst fliegt mir ein Kākā entgegen. Oh ja, großer, dunkler Kākā (Nestor meridionalis), der sich eineinhalb Meter mir gegenüber auf einem Ast niederlässt und mich mit seinen schwarzen Augen mustert. Das war schon beeindruckend, irgendwie hatte ich doch ein anderes Gefühl von Intelligenz in Anbetracht dieser Augen, als wenn mich, sagen wir, ein Fliegenschnäpper betrachtet. Ist auch herzig, aber das ist fast eine Begegnung.

Sie haben schon ein schönes Federkleid, die Wekas, ganz ehrlich. Viel zu sehen gibt s trotzdem nicht.

Natürlich, der Name, das ist schon schwierig. Auf Rakiura bin ich auf einen Aussichtshügel gestiegen und da kommt mir eine vielleicht Sechsjährige entgegen, die mir mitteilt, dass weiter vorne ein guter Ausblick ist und dass da Bänke sind und ihr Vater. Und ich war gerade dabei, in den Bäumen zwei Kākās zu finden, die ich an ihrem Flügelschlag und Gekrächze dort vermutete. Und in dem Moment seh ich auch den einen und sag zu ihr, dass da oben, also, wenn sie von hier da rauf schaue… Es ist nicht so einfach – insbesondere einem Kind gegenüber – festzustellen, dass da in den Bäumen ein Kākā zu sehen sei. Noch dazu war ich mir zu dem Zeitpunkt gar nicht sicher, ob s da nicht verschiedene Unterarten gäbe, ich dachte, das irgendwo auf einem Poster gelesen zu haben. Und man will ja einer Sechsjährigen keinen Unsinn erzählen. Bin mir nicht ganz sicher, ob sie sie gesehen hat, aber ich bin mit Vater und Tochter am Nachmittag auf der Fähre gewesen und da hat sie auch noch gerne mit mir geplaudert.

Die zwei Kākās in den Ästen über mir waren schon toll, aber natürlich, dass ich zwei Stunden später einem im Wald gegenüberstehen würde, das hab ich mir da noch nicht gedacht. Und es war auch nur ein Moment, weil mit zwei drei Sätzen ist der der Vogel dann von Baum zu Baum gesprungen und so schnell konnte ich mich gar nicht umdrehen ist er auch schon wieder in den Wald entflogen gewesen. Deshalb heißt er wohl auch Waldpapagei.

Bittersüßer Schmerz, wenn die Begegnung mit einem Kākā zu Ende geht

Im Wald von Ulva hab ich auch noch einen Schwarm Ziegensittiche gesehen, die durch das Geäst geflogen sind, Kākāriki (Cyanoramphus novaezelandiae). Während die Bedeutung des Māori Namens wie die des englischen Namens sich darauf beschränkt, den roten Tupfer hervorzuheben, bezieht sich die deutsche, tendenziell uncharmante Bezeichnung auf ihre Laute, die angeblich an meckernde Ziegen erinnern. Kann ich nicht sagen, ich hab sie wohl bisher nur das eine oder andere Mal auf Bäumen gesehen, hauptsächlich im Flug eigentlich.

Als ich mich schließlich von Rakiura wieder verabschiedet hab, hab ich vom Pier aus noch einen Albatros (Diomedea epomophora) im Wasser schwimmen gesehen und es war ein bisschen eine Epiphanie, was so dieses Größenverhältnis zwischen Möwe und Albatros betrifft. Es war ein bisschen wie den Raben oben an der Devil’s Staircase zu sehen, der mir so deutlich den Unterschied zwischen Krähe und Rabe reingedrückt hat. Der Albatros hat s dem Fischer schwer gemacht, dessen Köder der Albatros sofort hinterher geschwammflattert ist – so mit Hilfe seiner Flügel an der Wasseroberfläche entlanglaufend. Und dann sitzt der Albatros geduldig, bis der Herr Fischer den Köder wieder aus dem Wasser zieht und dann ist er wieder zur Stelle. Als dann ein relativ großer Hai von unter dem Pier hervor geschwommen ist, hat s dem Albatros allerdings schnell gereicht und er hat sich auf weiteres aus dem Wasser erhoben.

Im Gegensatz zu Sting macht J. Cleese aus einem einzigen Wort einen Ohrwurm

Die letzten Beobachtungen hab ich dann in Arthur’s Pass gemacht. Zurückblickend war die Aussicht, dort Keas (Nestor notabilis) zu sehen wohl mindestens zu fünfzig Prozent dafür ausschlaggebend, dass ich mir den Aufwand gegeben habe, dorthin zu kommen. Interessanterweise hab ich noch sehr gut in Erinnerung, wie gleichgültig ich den Keas in Schönbrunn gegenüber gewesen bin, als ich sie dort zum ersten Mal gesehen hab. Sie kommen wohl nicht ganz dorthin, wo meine Papageienerwartungen sie gerne empfangen hätte. Mal angefangen damit, dass sie farblich nicht irrsinnig aufregend sind, leben sie in den Bergen, tun sich auch mit Schnee ok und sie sind am Ende auch noch Aasfresser. Also, wenn sich die Gelegenheit bietet, ich glaube, sie sind sehr opportunistische Esser. In Schönbrunn war dann diese Plakette, wie intelligent sie sind und dass sie zusammenarbeiten, um Probleme zu lösen und all das. Hat mich alles wenig beeindruckt. Aber seit dem hat sich wohl doch einiges getan. Meinem ersten Kea bin ich am ersten Abend über die Straße gefolgt und halb in einen Busch gekrochen, bis ich mir überlegt habe, was allfällige Passanten über mein wirres tun im Halbdunkeln denken mögen. Ich hab den Kea in dem Busch auch nicht mehr gefunden, aber ich nehme an, er ist irgendwo belustigt auf einem Baum gesessen.

Von der Qualität spielt diese Aufnahme in der Kategorie meiner Versuche, Wasserfälle aufzunehmen. Aber der Ruf des Keas ist doch so eigenartig, dass es sich auszahlt ihn zwischen dem abendlichen Gezwitscher, dem allgemeinen Rauschen und der einen oder anderen Windbö herauszuhören.

Zu hören sind die Keas schnell einmal gewesen, vor allem abends, aber auch tagsüber hat man immer wieder ihre Rufe gehört. Beim Spazierengehen ist dann einmal einer einige Meter über mir vorübergeflogen, so dass ich die rote Musterung an der Flügelunterseite zu sehen bekommen habe. Und am zweiten Abend hab ich dann einen ganzen Schwarm beobachtet. Jemand hatte geschnittene Äpfel auf einem Rasen ausgeschüttet und das ist eigentlich gar nicht ok. Don’t feed the kea!, informieren einen die Schilder. Und wer sich die Mühe macht kann auch die rezente Geschichte eines mit Lebensmittelvergiftung eingelieferten Keas lesen, der glücklicherweise unlängst wieder in die Freiheit entlassen werden konnte.

Reines Glück, den Kea mit den offenen Flügeln erwischt zu haben. Ein Handytelefon ist wirklich nicht dafür geeignet, im Halbdunklen Fotos von Vögeln zu machen.

Für mich war das natürlich trotzdem nicht so schlecht, weil das ein gutes Dutzend Vögel angelockt hatte, die jetzt vor mir durch die Wiese spaziert sind, um sich die besten Apfelstücke herauszupicken. Wiederum am eindrucksvollsten war es, als ein relativ großes Exemplar einen Meter neben mir gelandet ist. Das ist einfach ein witziges Erlebnis, wenn man so mittendrin ist, dass die Vögel auf einen zu kommen oder zumindest einen soweit ignorieren, dass sie einen dann erstaunt, weil ebenfalls entsprechend unerwartet, beäugen.

Bei meinem Spaziergang den Pass entlang war aber vor allem ein Vogel präsent und der zunächst auch mehr über seinen Gesang. Und wer versteckt sich da im Gäst? Der Maori-Glockenhonigfresser (Anthornis melanura). Ein Gefühl für Namen, die deutschen BiologInnen. Vielleicht sollte man das mal den SprachverteidigerInnen unter die Nase halten, dass das Deutsche immer schon weniger auf Ästhetik denn auf Exaktheit Wert gelegt zu haben scheint. Denn immerhin, soviel muss ich ihnen lassen, weiß ich anhand des Namens, dass ich hier wieder einen Honigfresser zu Gesicht bekommen habe. Das weiß ich natürlich bei Bellbird ebensowenig wie bei Korimako, wie er auf Māori genannt wird.

Ich hätte die Honigfresser ja insgesamt mehr nach ihrem Gesang benannt und nicht nach ihrer Lieblingsspeise. Der Korimako hat wenigstens die Glockerl in seinem Namen.

Zwei hab ich noch, abschließend, nämlich aus der Raubvogelkategorie. Da gibt s den Maorifalken (Falco novaeseelandiae) – die oben erwähnten BiologInnen scheinen da wesentlich öfter zum „Maori“ als zum „Neuseeland“ Präfix gegriffen zu haben. Das ist der einzige neuseeländische Falke und damit hab ich sicher ab und zu einen gesehen. Den Blick aus dem Autobus hab ich nämlich immer wieder etwas raubvogelartiges über den Wäldern und Feldern kreisen gesehen. Nie wirklich aus der Nähe, aber vom Verhalten her halt eindeutig Raubvogel.

Leider ausgeschlossen ist, dass ich ihn mit dem Haastadler (Harpagornis moorei) verwechsle, weil der hat sich gemeinsam mit den Moas bereits vor einigen Jahrhunderten aus unserer Welt verabschiedet. Der größte Greifvogel der Neuzeit mit einer Flügelspannweite von drei Metern, bis zu achtzehn Kilo schwer… Eine der Wandernden hat gemeint, think Gandalf. Weil im Gegensatz zum Herrn Pratchett sitzen die Herr der Ringe Referenzen hier ganz locker.

Zur besseren Veranschaulichung der Größe des Haastadlers muss man sich hier wohl die beiden Leute aus dem obigen Moabild mit hineindenken. Sonst gefallen mir die Moas vom Herrn Harder ja besser, mit ihrer statischen Körperhaltung, ihren strammen Beinen und ihren Sockenpuppenköpfen.

Zf1Musik

Der V. ist für diesen Link zu danken, den sie mir mal ausgeborgt hat. Unabhängig von der Musik liebe ich die Nonchalance der Sprecherin in ihrer Einleitung (ca. ab 0:02:35): „Coming up is Schubert’s Fantasia in f minor for piano for four hands. This is a piece written on the heartache of unrequited love. Shoutout to my music-loving mom. And a big shoutout to Tom.