Es stimmt schon, ich hab mit einem Kulturschock gerechnet. Ich hab mir gedacht, der Unterschied zwischen einsiedeliger Inselidylle und halbautomatisierter Millionenstadt wird mich irritieren. Aber so sehr hab ich mich in den paar Wochen auch wieder nicht dran gewöhnt, immer nur die selben zehn Gesichter zu sehen. Ich war ja auch in Pape’ete im Einkaufszentrumsäquivalent und da sind auch viele verschiedene Leute zu sehen. Dass die Autos wieder auf der anderen Straßenseite fahren, habe ich mehr oder weniger ohne bewusste Entscheidung akzeptiert. Nein, womit ich mir ein bisschen schwer tu, ist der Schalter, den ich von Liegen wieder auf Laufen zu schieben versucht bin. Tahiti hat mich willkommen geheißen, wie ich es nicht erwartet hätte. Ich bin getaucht, ich hab gekocht, ich hab Leute gekannt… ich war manchmal ein bisschen überfordert, wenn ich auf französisch was sagen sollte oder wenn ich einem Gespräch folgen wollte. Ich bin meiner Tauchverpackung für den Fotoapparat hinterhergelaufen. Aber wenn ich erschöpft war, hab ich mich hingelegt, wenn ich aufgewacht bin, bin ich aufgestanden. Wenn ich spazieren gegangen bin, hab ich mir Sonnencreme draufgeschmiert. Und wenn ich was neues wollte, bin ich eine Woche auf die Nachbarinsel gefahren. Es war wirklich ein gemütliches Arrangement.
Ja, hänge ich dem ein bisschen hinterher. Und es hat ja auch gleich ein bisschen so ausgeschaut, als wollte mich Französisch Polynesien nicht loslassen. Der Benjamin (-scha’möö) hat mich morgens um fünf zu meinem sieben Uhr Flieger geschupft, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Weil zuerst hab ich recht lang am Eincheckschalter gewartet und als ich dann dran war, hat mir die Frau Schalterbeamte gesagt, dass sie mich nicht einchecken kann, wenn ich nicht einen Flug wieder raus hab, aus Japan. Und ich denk mir na geeeh. Der Flughafen Faa’a hat nicht mal eine Flughafenhalle, der hat wirklich nur ein Vordach und dann einen Duty-Free Bereich mit einem kleinen Café und all den Perlen, die sonst niemand gekauft hat. Und so steh ich also vor Sonnenaufgang und mit einer halben Stunde Gratisinternet vor dem Flughafen und ärger mich mit der Website von der koreanischen Fluglinie, weil es beim dritten Versuch noch immer nicht funktioniert hat, mir einen billigen Flug nach Seoul zu kaufen. Ich hab dann über lastminute.de und innovative Zahlungsmethoden den Flug ums doppelte gekauft. Sind immer noch nur achtzig Euro gewesen und ich war froh, dass das am Schalter dann für ein OK gesorgt hat. Hätte ich mir ein bisschen mehr Gedanken gemacht, dann wäre mir vielleicht sogar eine billigere Route eingefallen. Weil – psst! – das ist nur für Show, ich werde den Flug einfach verfallen lassen. Ab und zu muss man so eine zusätzliche Abgabe leisten, wenn man seine Pazifikquerung so nebenher einkauft. Und natürlich sagt das Außenministerium sehr wohl, dass ich ein Rausflugticket brauch. Aber das war bei Neuseeland, da hab ich mich ja informiert. Bei Japan hab ich so einen Kommentar sogar gesucht und wiederholt nicht gefunden. Aber ich mein, was soll ich das der Angestellten am Eincheckschalter kommunizieren versuchen. Es ist natürlich belanglos in der Situation. Computer says no – presumably.
Jetzt hat mir Tokio die ersten zwei Tagen wie gesagt verhältnismäßigen Stress gemacht. Eben aus dem Gefühl heraus, hier mit den TouristInnenaufgaben konfrontiert zu sein. Dass ich da in den richtigen Modus komme. Oder raus aus dem falschen. Es gäbert so viel zu sehen und gleichzeitig hab ich so wenig Ahnung, was ich sehen wollen würde. Ich bin ja eigentlich schon wieder hier wie wenn man mich in den Flieger gesetzt hätte und Ab die Post! in die Ferne katapultiert. Das ist heute schon ein wenig besser geworden, weil ich ein paar TouristInnensachen gemacht hab. Schrein besucht. Kreuzung gequert. Schnitzel gegessen. Was man halt so macht, wenn man in Tokio ist. Und mein erster Ausflug auf den Berg ist auch geplant. Hakerl gesetzt, alles auf Schiene. Ich bin deshalb heute tatsächlich mal bisschen aufgeschreckt in der Nacht, dass ich da wieder auf mich gestellt bin und Hostel buchen und Routen überlegen. Tsk, tsk. Ist doch Urlaub, hab ich versucht mir zu sagen. Und ich hab vielleicht bisschen mit den Schultern gezuckt und bin dann schnell wieder eingeschlafen. Dass ich Mitte September zum Wählen einen Sprung in Tokio sein soll. Aber dann hab ich gesehen, dass ich im schlimmsten Fall einen Tagesausflug mach, weil zwischen Osaka und Tokio ist es zwar die halbe Honshu, aber trotzdem nur zweieinhalb Stunden mit dem schnellen Zug. Alles also nicht so heiß gegessen wie die Ramen: drei Tage da und schon zweimal Gaumen verbrannt.
Ich bin auch gar nicht besonders in der Stimmung zu schreiben, merke ich. Da ist schon eine allgemeine Überforderung. Dabei gäb s von den Windseitigen Inseln noch so viel zu berichten. Wie ich zum mo’oreanischen Belvedere hochgeradelt bin und gegen Ende schon alle zweihundert Meter eine Pause hab einlegen müssen. Aber für die Aussicht auf die schöne Aussicht dann doch durchgehalten hab. Und mich dann auf der Wanderung im Ananasfeld verlaufen hab. Oder wie ich im Vallée Blanche mit den Haien getaucht bin und so viel auf die vermutlich katalonischen TouristInnen herabgeblickt hab, weil die derart aufwendige Fotoausrüstung mitgebracht hatten. Und wo der Philippe nachher gesagt hat, dass ich eine gute buoyancy hab, auch wenn ich erst wenig getaucht bin. Oder dass wir tatsächlich eine Verabschiedung gefeiert haben, zu der ich eine Sachertorte gebacken hab, deren Glasur nicht so schlecht geworden ist. Dass alles ein bisschen zu kurz gewesen ist. Und über dieses Gefühl, jetzt wieder aufgebrochen zu sein, nachdem ich eine Art zuhause gefunden hab, in dem ich mich so wohl gefühlt hab, wie vielleicht seit Jahren nicht.
Das drückt alles vielleicht auch ein bisschen auf meine ersten Japaneindrücke, dass ich das Gefühl habe, ich bin ohne besonderen Grund und übereilt aus Tahiti abgereist und wie organisier ich mir das, dass ich da bald wieder einmal zurückkehre. Jetzt muss Japan das aushalten, ständig verglichen zu werden. Und ich, der ich gerade noch sozial gut eingebettet, wenngleich sprachlich eingeschränkt gewesen bin, fühle vielleicht dadurch ein bisschen mehr Fremde und Verlorenheit in dieser Gesellschaft, in der allen Vorurteilen zufolge, viele Einheimisch ebenfalls mit der sozialen Isolation kämpfen. Das erste Bild, das sich mir als „japanisch“ eingeprägt hat, waren die ordentlichen Reihen der Reisfelder, die ich schon aus dem Flugzeug und eine Stunde später auch aus dem Zug in die Stadt gesehen habe. So ordentlich, dass es fast ein bisschen wehgetan hat. (Zumindest wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass das eigene Bedürfnis nach Ordnung ab einem gewissen Grad etwas schmerzhaft sein kann.)
Im Hostel aber dann weiterhin: so ordentlich. Sehr viele Warn- und Verwendungshinweise, bebildert und japanisch beschriftet. Ich frag mich dann immer, ob mir das stärker auffällt, weil ich s nicht verstehe und deshalb mehr darauf konzentriere oder ob es das bei uns einfach weniger gibt. Vielleicht hatte ich sogar den gleichen Gedanken bereits in Indonesien. Obwohl das schwer vergleichbar ist… Und der Schlafsaal war vielleicht der ordentlichste, den ich je erlebt hab. He!, in Mo’orea haben sie sogar Wände zwischen den Betten hochgezogen und hier schlaf ich im Stockbett. Aber ich krieg mit Vorhängen und Benehmen (auch dafür gibt s schnell einmal ein paar Schilder) von meinen MitbewohnerInnen so wenig mit, ich weiß kaum, mit welchen sieben anderen Leuten ich überhaupt das Zimmer teile. In der minimalistischen Gemeinschaftsküche ist Platz für Handtücher für die Hände, Handtücher für die Tische, Handtücher die eigentlich Geschirrtücher sind.
Ja, es ist a neurotic’s paradise und da wehrt sich alles ein bisschen in mir. Schön und überraschend schön in seiner schlichten Eleganz ist es natürlich trotzdem. Und Bewunderung für die U-Bahn, die ich nicht einmal zu verstehen versuchen muss, weil mein Maps mir sagt, welcher Bahnsteig, welcher Waggon, welche Station und welcher Ausgang. Ich kann nur annehmen, dass jemand vor zehn Jahren einen Tag lang planen hätte müssen, bevor sie die U-Bahn benutzen wollten. Nicht, dass nicht auch die Stationen mit Informationen zugepflastert sind. So überlässt man es beispielsweise nicht dem Zufall, wo die NutzerInnen entlanglaufen, die Pfeile am Boden sagen, dass man sich links halten soll. Außer manchmal, wenn man sich rechts halten soll. Und ich versteh nicht, warum, aber warum auch, ich tu, was mir die Pfeile sagen. Manchmal sagt mir eine Fußbodenbeschriftung auch, dass ich während dem Gehen nicht rauchen oder mit meiner Handheld Device spielen soll. Dann steck ich das Handy tatsächlich weg. Ja, man muss schon ein bisschen aufpassen im Straßenverkehr, nicht zuletzt, weil in den Seitenstraßen eigentlich keine Gehsteige sind, manchmal Markierungen. Und das gefällt mir, das macht aus jeder Gasse eine Begegnungszone. Es ist erstaunlich, wo in einer Gesellschaft, die so viel für einen geregelten Ablauf sorgt, sich plötzlich eine relative Leerstelle auftut, die bei uns daheim für Chaos oder zumindest eine Menge grantiger Leute sorgen würde.
Für Ordnung hingegen sorgen hier hunderte PensionistInnen in Uniform. Zumindest wirken sie so. Bei jeder Baustelle, bei einer komplizierten Ausfahrt stehen oft einmal zwei, drei Personen mit Helm und Insignien des Sicherheitspersonals und wedeln mit ihren Signalstaberln herum um jemandem die Ausfahrt oder Überquerung zu ermöglichen. Und das ist wiederum erstaunlich, weil ich das für in Europa einfach nicht für leistbar halte. Auf der anderen Seite handelt es sich dabei oft um ältere Personen, ich gehe also wirklich davon aus, dass sich hier jemand die Pension aufbessert.
Also ja. Alles fremd. Morgen geht s auf den Fuji und dann in einem Aufwischen wieder runter. Weil sich s anders nicht ausgeht. Das heißt früh aufstehen und neun Stunden Wanderung. Sechs rauf, drei runter. Und wenn s nur für zwei Tage ist, ich bin ganz froh, einmal einen Blick von Japan außerhalb von Tokio zu bekommen. In so einer Großstadt sind die Isolationserfahrungen schon einmal ganz von selbst etwas extremer.
Ich hab einen kleinen Ausflug gemacht, den Ausflug, für den Mo’orea berühmt ist, wenn man den Stimmen zuhört. Dazu bin ich nochmal ein schönes Stück mit dem Rad gefahren, zu meinem Tauchzentrum an der nordwestlichen Spitze der Insel. Ich sag mein Tauchzentrum, aber das ist es ja gar nicht. Ich bin dort Anfang der Woche mal hingefahren und hab mir dann gedacht, hm, so gut gefällt mir das gar nicht, muss nicht sein, steig ich auf s Rad und fahr die vierzig Minuten wieder heim. Aber heute war ich ja nicht zum Tauchen sondern zum Kayakausborgen. Und das machen sie gut. (Ich weiß nicht, wie sie mit dem Tauchen sind, wahrscheinlich auch nicht schlecht.)
Also setz ich mich in mein Kayak und sie sagt mir noch, es ist heute viel Wind und die Strömung kommt ebenfalls mit voller Kraft aus dem Wochenende zurück. Versprochen, sag ich, ich pass auf. Und das tu ich dann auch. Kayaken ist ganz schön anstrengend, das merk ich schnell. Und ich muss das Meer überqueren, um zu den kleinen Inselchen zu kommen, die da auf der anderen Seite sind. ich sag Meer, aber natürlich ist das nur ein Katzensprung. Und in diese Richtung hat mich die Strömung ja noch unterstützt.
Auf der anderen Seite ist dann wiederum Lagune. Und hier kommen die Leute von weither her um mit Stachelrochen und Haien zu schnorcheln. Also halte ich die Augen offen , während ich mir eine hübsche Stelle zum Anlegen suche. Etwa Hälfte rein zieh ich mein Kayak an den Strand und werde von aufgeregten Welpen begrüßt. So stellt man sich das vor: Welcome to Puppy Beach. Schon erstaunlich, wie viel Lebensfreude die Evolution in diese Tiere gepackt hat. War wahrscheinlich nicht einmal die Evolution sondern einfach, dass man über Jahrhunderte lieber die lebenslustigen Hunde aufgezogen hat, als die, die schon als kleine bisschen mehr zum Nachdenken geneigt haben.
In meiner ersten Runde finde ich weder Rochen noch Haie. Aber es ist trotzdem nicht schlecht durch s Riff zu tauchen. Und ja, es ist einfach die Farbe des Wassers, die so fantastisch ist, dass es unwirklich wirkt. Ich hab schon zuvor in meiner Einflugsschneise versucht, das Licht und, die Kontraste, die menschenleeren, palmüberhangenen, weißen Sandstrände festzuhalten. Aber natürlich hab ich meine Kamera vorgestern aufgeladen und heute ist keine Batterie mehr drin. Leicht verärgert, leicht frustriert mache ich mir geistig eine Notiz mal das Internet zu befragten, wie lange denn diese Batterie halten sollte. Ich mein, ganz ehrlich, das hat nach dem GBR nie wieder so funktioniert, wie ich das gerne gehabt hätte. Und das war nicht mal immer auf die Batterien zurückzuführen.
Ich war tatsächlich der erste in der Bucht, wenn man das eine Bucht nennen kann, die nach beiden Seiten hin relativ offen ist. (Wahrscheinlich nicht.) Oder vielleicht der zweite, nach dem Pärchen, die aber schon an der Spitze der Insel angehalten haben und sich mehr auf s Baden konzentriert zu haben scheinen als hier einem Rochen und/oder Hai zu begegnen. Das Riff gehört mir, wonderful! Natürlich nicht für lang: Während ich meine Runden drehe und den Fischen wie alten Bekannten beim Riffknuspern zusehe, kommen langsam die TouristInnenboote an… angeschwommen. Irgendwie fehlt mir oft das Verb, das die Bootsbewegung beschreibt. Und das ist im Englischen nicht einfacher. Weil irgendwie, klar: schwimmen. Aber für mich ist schwimmen entweder mehr so halt wie Tiere das machen oder aber wie ein Korken das macht. Also entweder eine durch körperliche Betätigung motivierte Bewegung oder eine passive Eigenschaft von einem Körper. Also beides nicht so ganz passend. Ich bin mit dem Flugzeug hergeflogen ist schon ein bisschen komisch. Ich bin mit dem Schiff hergeschwommen klingt, als ob ich neben dem Schiff hergeschwommen wäre.
Anyway. Ich schwimm ein wenig um die Boote herum, weil ich mir denke, die wissen wohl, wo s was zu sehen gibt. Aber da gibt s auch nicht mehr zu sehen. Also denk ich mir, vielleicht ist das ein bisschen weiter drüben und das Interinselriff zu seicht oder was. Also nehm ich mein Kayak und kayak ein wenig in der Gegend herum. Tatsächlich seh ich unter mir einen Stachelrochen vorbeiziehen, ich würde sagen, so ein Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben. Und er war sicherlich auf dem Weg ins Riff. Also umgekehrt und dem Rochen hinterher. Einmal kayak ich noch durch das Riff und erspähe tatsächlich noch einen Rochen, lege in der Nähe an, schnall mit die Brille und den Schnorchel um und rein ins Riff. So denk ich. Aber wie die reinste Berg-ProphetInnen-Beziehung bewegen sich plötzlich drei dunkelgraue, kreisrunde Gestalten auf den Strand zu: Ich bin kaum zwei Schritte ins Wasser, kaum die Knöchel benetzt, kommen die Stachelrochen auf mich zugeschwommen. Und kurzerhand krieg ich dann fast ein bisschen ein ungutes Gefühl, weil die sind schon sehr groß und ich weiß gar nichts über Stachelrochenverhalten. Aber noch während ich mich frage, wie sie das wohl anfühlt, wenn mir ein Rochen über den Fuß segelt, drehen die drei auch schon wieder ab. Eine gewisse Wehmut liegt doch in meinem Blick, mit dem ich ihnen hinterherschau.
Noch eine Runde durch s Riff gedreht, aber ich hab weder weitere Rochen noch Haie gefunden. Und jetzt kommt schon die zweite Welle, die coolen TouristInnen, die vielleicht ein bisschen länger schlafen möchten und dann aber mit dem Jetski unterwegs sind. (Ein Wort, das nicht im geringsten darauf schließen lässt, dass es ein Wasserfahrzeug beschreibt.) Und da denk ich mir, na gut, das ist mir jetzt dann schon genug. Ich bin über die Inselchen gewandert, hab meine Fische beobachtet und war den Stachelrochen so nah, dass es mir fast zu nah war, ich hab eigentlich alles gesehen. Und mach mich an die Querung der Meerenge.
Jetzt. Ich würde es gern auf die Jetskiidioten schieben, aber das ist wahrscheinlich unfair. Die Wellen sind so oder so ein bisschen mal hier mal da und ich versuche, wie mir die Frau vom Tauchzentrum Slash Kayakverleih gesagt hat, durch die zwei roten Pfosten hindurch meine Anfahrt zu erledigen. Was mir nicht gelingt: die Strömung ist stark und der Wellengang ungut und so muss ich alle paar Paddelzüge das Kayak neu ausrichten. Ich mein, ich nähere mich langsam meinen Pfosten, das schon. Aber dann fahren halt doch die Jetskibuben und -mädchen vor mir durch s Meer und Schuld oder nur der Frust von einem, der den unerbittlichen Kräften der Natur mit Muskelkraft und Unterstufenphysik (Hebelwirkung) das Wasser zu reichen nicht in der Lage ist, während die anderen fossile Kilojoules befreien und mit verschwenderischer Leichtigkeit über die Wellen flitzen… eine Welle packt mich von der Seite und so schnell ist man gekentert, das man s noch kaum verstanden hat, schwappt einem schon die nächste Welle über den Kopf.
In dem Moment denk ich mir, gut, dass ich die Kamera an der Schwimmweste festgemacht hab, blöd, dass ich die Taucherbrille einfach zu meinen Füßen liegen hatte. Gut, dass ich das Paddel in der Hand hab, schlecht, dass mein Kayak wegdriftet. Meine Priorität ist den Krampf aus dem linken Wadel zu treten und dann das Paddel erst einmal in den Wind geschmissen und dem abtreibenden Kayak hinterher. Und das steht auch noch der quer zur Strömung und jede Welle überträgt ihre Kraft auf die komplette Breitseite. Für jeden meiner Meter macht das Kayak zwei.
Und da öffnen sich die Wolken und aus dem Dunkel schifft sich ein Bott ins Licht, aus dem sich eine französische Touristin beugt und im Vorbeifahren mein Paddel aus dem Wasser fischt: Captain Taina und ihre AusflugstouristInnen sind die Lichtgestalt, die die See glättet. Erst mein Paddel, dann mein Kayak und letztlich noch den patschnassen Österreicher. Ich werde geseenotrettet! Die Fanfaren mögen nur in meinem Kopf spielen, aber ich hab ziemlich viel Dankbarkeit zur Verfügung, als ich mich an Board hieve, aus der heraus ich am liebsten allen Anwesenden um den Hals fallen möchte. Tu ich aber nicht. Ich bin in gleichen Maßen erschöpft und erschrocken, aber die Regeln sozialen Anstands mauern bereits erfolgreich gegen das Adrenalin. Kaum dass ich mein Glück zu fassen bekomme und auch meine Atmung wieder im Griff habe, lenkt Captain Taina unser Glasboden(!)boot wieder zurück zur Unglücksstelle um die Taucherbrille zu suchen. Für den besseren Blick, werde ich kurz darazf wieder ins Wasser gelassen und überblicke durch geborgte Brillen im Schlepptau den Boden in der Gegend meiner Kenterung. Wir geben uns allerdings zunächst einmal geschlagen und Captain Taina bringt uns wieder auf Kurs. Ob ich mich hier absetzen lassen möchte? Dankbar nehme ich das Alternativangebot an, mich bei meinem Kayakverleih absetzen zu lassen. Natürlich erst nachdem ich geklärt hab, dass sie sowieso in die gleiche Richtung unterwegs sind.
Aber da erspäht sie durch den Glasboden tatsächlich meine Brille! Da ist Platz für so viel viel Wasser zwischen Mo’orea und den Inseln, aber sie die scharfen Augen immer auf die Attraktionen des Meeres, die Frau Kapitänin. Also ich wieder ins Wasser und mit Schwung das Schnorchelzeug hochtauchen. Nur: ohne Flossen ist das tatsächlich recht schwierig. Zweimal versuch ich s, aber es sind sicher vier, fünf Meter und ich merke, wie mir einen Meter vor dem Boden die Luft ausgeht. (Für den Fahrtenschwimmer waren s glaub ich nur zwei Meter.) Da entledigt sich einer der Passagiere bereits des Hemds und springt ohne Zimpern neben mir ins Meer. Wille, Weg und Vaterland durch französische Hand gerettet. Es sei allerdings, merkt er an, tatsächlich nicht so leicht, die Strömung sei ganz schön stark. So wahrt man auch noch mein Gesicht, in dem porentief die Dankbarkeit glänzen muss.
Fünf Minuten später sitz ich in meinem Kayak und paddel in der ruhigen Lagune meinem Bootshaus entgegen. Mein Zopfband ist perdu, aber das ist mehr eine Unannehmlichkeit. Zurückgebracht, bezahlt, geduscht. Weitere fünf Minuten später sitz ich auf dem Rad nach Hause und versuche mein Abenteuer in Perspektive zu setzen. Es war eine blöde Situation und es war zweifelsohne eine Rettung. Man darf ja auch einmal einfach aus einer blöden Situation gerettet werden, muss ja nicht immer Lebensgefahr sein. Vielleicht ist es es letztlich doch wert, sich mit einer Tour auf die Suche nach Haien und Stachelrochen zu machen. Vor allem wenn man dabei die Gelegenheit bekommt, einen triefenden Österreicher aus dem Meer zu fischen, so was macht eine Stachelrochensafari erst einzigartig. Und wir haben alle gelernt, dass man beim Kayaken die Taucherbrille am besten um den Hals trägt.
Und ja, die geneigte LeserIn muss mit Internetbildern vorlieb nehmen. Für die heutige Feuertaufe ist die Kamera wasserdicht genug gewesen, aber beim Fotografieren hat sie nicht so wollen, wie ich wohl gewollt hätt. Jetzt hat sie sich zumindest einen Namen gefunden.
Nachdem ich Mo’orea zum ersten Mal so ausgesprochen hatte, wie die FranzösInnen das tun, den Akzent also nicht auf s e gelegt hab, sondern auf das in der Praxis zusammengezogene o’o, hab ich s nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sehr das nach Durins gefallener Festung klingt. Aber es ist kaum der finstere Abgrund, den uns Tolkiens Etymologie von Moria glauben lassen möchte. Mich auf die besungene Hochzeit Khazad-Dûms beziehend, gibt es hingegen auf jeden Fall eindrucksvolle Berge und grün sind sie auch. In der Praxis sind meine Versuche, das fotografisch festzuhalten, leider bisher gescheitert. Ich bin allerdings wirklich ab und zu hingerissen genug, um auf der Straße stehen zu bleiben um an den Straßenrand zu fahren und vorsichtig anzuhalten um mich umzuschauen und festzustellen, wie toll das aussieht.
Ich bin am Dienstag nach Mo’orea aufgebrochen. Das ist die Nachbarinsel von Tahiti, ein schönes Stück kleiner und auch gelassener, wie die Reiseführer gerne sagen. Ich erlebe es jetzt vor allem einmal als touristischer, aber das ist wohl einfach weil alles ein bisschen enger beieinander ist und sich auf der Straße die Einheimischen, die Hilton- und Sofitel-Leute sowie die Rucksackmenschen einfach mehr mischen. Das fällt zum Beispiel auf, wenn mir auf der Straße ein Konvoi Quadbikes mit fröhlichen TouristInnenpärchen entgegenkommt. Oder Familien die sich in Golfbuggies den Weg bahnen. Das ist ein bisschen seltsam, weil irgendwie ist dadurch die ganze Insel ein einziges Ressort, wenngleich halt so offen, dass alle in dem Ressort Platz haben.
Ob es auch für mich ein bisschen mehr Urlaub ist, insofern, als dass ich mir hier jetzt mehr Freizeitaktivitäten organisiere als ich das auf Tahiti gemacht habe, das kann ich nach dem zweiten vollen Tag noch nicht wirklich sagen. Es gibt ein Belvedere, für das ich ein bisschen in den Berg hineinsteigen muss und dann eine kleine und eine große Runde mit schönen Aussichten und bisschen Tropen. Und es gibt Schnorcheln und Kayaken und Badestrände. Ich bin auf jeden Fall nur mit Minimalgepäck unterwegs und habe den Rucksack bei den MitbewohnerInnen auf Tahiti gelassen. Das ist schon ein ziemlicher Qualitätsunterschied! Ad Freizeitgestaltung hab ich mir jetzt einmal ein paar Tauchgänge organisiert, besonders beworben werden die ansässigen Zitronenhaie, von denen es einen Haufen geben soll. Auf Tahiti hab ich hingegen letztens einen Grauhai nur verpasst. Die Lisa hat nach mir gerufen, aber wenn ich fünf Meter entfernt bin und in die andere Richtung schau, ist es unter Wasser nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit erregt zu bekommen. Endlich Blickkontakt hat sie mir noch in die Richtung gedeutet, aber es hat dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich sie fragen konnte, was sie mir da eigentlich deutete, weil zu sehen war nichts mehr gewesen. Außer das Meer.
Und da hab ich bei einem anderen Tauchgang hineingeschaut, so, dass ich nur Blau gesehen hab, keinen Boden, keine Oberfläche. Da ist mir schon etwas schwummrig geworden und ich hab mich bemüht, meine 360° schnell fertig zu drehen, damit ich wieder die Wand im Blick hab, neben der wir entlanggetaucht sind. Es ist schon seltsam, mit so einer unspezifischen, unstrukturierten Unendlichkeit konfrontiert zu sein. Und natürlich kann man das auch schnell einmal auf das Leben ummünzen, wenn man meine Reaktion, mich schnell davon abzuwenden, in eine Form gießen möchte. Im gleichen Tauchgang hat uns übrigens auch ein Barrakuda verfolgt, der war sicher zwei Meter lang. Und hier war s dann eher ein Segen, dass wir uns unter Wasser nur schwer verständigen können, weil der Gaylord hat dann gesagt, er hätte ihn vertrieben, der sei einfach zu nahe gekommen. Unschuldslamm, das ich bin, hab ich natürlich nicht geahnt, dass es sowas gibt, wie „der Barrakuda zu nah“. Ich hatte durchaus ein bisschen Bauchmulm, als der ein paar Meter entfernt dann vorbeigeschwommen ist. Aber gleichzeitig hab ich mich an dem Gedanken festgehalten, dass alle Gefahren statistisch sicherlich unwahrscheinlich seien, zum Beispiel dass der große Fisch mit den langen Zähnen jetzt mit der Aggression anfängt. Jetzt weiß ich natürlich, dass die Wikipedia darauf hinweist, dass „[d]ie großen Unterkieferzähne der Barrakudas […] schwere Wunden [reißen], die zu großem Blutverlust führen können“. Nachsatz: „Sie beißen allerdings nur einmal zu und schwimmen dann weg“. Manchmal bin ich schon ein bisschen gespannt, was es zum Beispiel im Traunsee alternativ zu tauchen gibt.
Und ja, leider leider hab ich es in den Gegenden, wo mir ständig das Tauchgehäuse für meine Kamera angeboten worden ist, durchgehend vermieden, ein weiteres sinnloses Accessoire einzukaufen. Na, jetzt ist das natürlich nirgendwo zu kriegen und ich mach keine Fotos mehr von Unterwasser. Dabei wär ich jetzt langsam aber sicher doch in einer gewissen Routine, in der ich Auftrieb und Atmung beisammen hab und eben auch einmal ein bisschen in der Gegend herumschau, um einen Fisch oder eine Schildkröte zu beobachten. Ich darf im Logbuch ja auch Exploration anstelle von Instructional ankreuzen. So hab ich mir zur Kompensation halt einen Tauchcomputer gekauft, den ich am Samstag zum ersten Mal mit unter Wasser nehmen werde und der mir dann sagt, wie viel Stickstoff ich noch im Blut hab und wie lang ich nicht fliegen darf, dass er mir nicht Blasen im Blut wirft.
Ja, eigentlich wäre ich ja gerne auf die Tuamotus geflogen. Das ist so eine Gruppe von Atollen, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich von Tahiti. Aber man glaubt s kaum: ich hab drei Tage vor meinem erhofften Flug keine Unterkunft gefunden. Dabei ist bloß Hochsaison. Und vielleicht hätte ich ja sogar noch was gefunden, aber nach dem unteren und ausgebuchten Preissegment kommt erst einmal länger nichts. Na, da war ich dann kurzerhand froh, dass ich meine Flüge auch nicht gekauft hatte. Schade, aber natürlich ist das in meiner Verantwortung, wäre ich die zwei Wochen nicht auf der mal helleren, mal röteren, mal fast akzeptabel gebräunten aber stets erkennbar faulen Haut gelegen, wäre sich da durchaus was ausgegangen. Next time you know, hat mir ein David gesagt und da hab ich s ihm noch nicht geglaubt, dass er recht behalten wird.
Natürlich, ich bin vor allem herumgelegen, wenn ich nicht tauchen war oder auf dem Weg zur Marina, aber es ist ein entspanntes Herumliegen. Das geht ein bisschen in die Psychologie des Getrieben-Seins, des Eigentlich-tun-Sollens. Wahrscheinlich wäre es – jetzt ein bisschen weiter zurückblickend – gut gewesen, ein wenig früher einmal aus dieser Situation herauszukommen, wo ich nicht ständig in der Lage bin, eigentlich an einer Diplomarbeit, an einer Dissertation sitzen zu müssen. Seminararbeitenschreiben, Hausübungenerledigen, Klavierüben, Großelternanrufen. Ständig hätte es was zu tun gegeben und ich mich sehr daran gewöhnt, zum täglichen Herummuddeln eine Portion schlechtes Gewissen serviert zu bekommen. Das geht dann auf Kosten der intrinsischen Motivation, wenn ich mich so häufig und vor allem stetig im Müssen-Sollen finde, anstatt im Wollen-Können. Interessanterweise würde ich sagen, dass es auch das Können-Wollen letztlich beschädigt oder zumindest dass wenn für das Können so viel Müssen notwendig scheint und sich der Widerstand gegen das Sollen aufstaut, dann entrückt das Ziel und das Wollen verliert als Ganzes ein bisschen den Anschein des Möglichen. Und, ja, dürfen hab ich mich getraut. Aber das zeigt uns auch nur, dass ich meine Probleme nicht erfunden hab. Da ist es schon auch ein Erfolg den Atollausflug sausen zu lassen und zu vielleicht einfach anerkennen, wie sehr ich auch von hier tatsächlich hingerissen bin. Alles nicht so einfach.
Ja, weil. Es ist halt wirklich schön. Weil, ich mag die ganze Strandgeschichte immer noch nicht. Ich war einmal in Australien baden, erinnere ich mich. Also. Ich bin ins Meer gestiegen, hab mich mit den Wellen geärgert, bisschen ein Unwohlsein ob dem offenen Meer bekommen und bin nach drei Minuten wieder raus. In der Zeit hab ich mir sicherlich einen Sonnenbrand geholt. Ist also nicht meins. Mich am Strand in die Sonne zu legen kommt mir immer noch etwas seltsam vor. Aber mit dem Tauchen hab ich einen ganz guten Zugang zum Meer gefunden. Und wie sehr die Tropen mir als Paradies eindoktriniert worden sind oder ob die orangengroßen Maracujas (immer wieder die Maracujas), die ich aus dem Straßengraben geklaubt habe, nicht auch einfach die Freude daran, am Wegesrand Brombeeren zu pflücken um den Volumsunterschied potenziert, ist schwer zu sagen. Aber das Licht hell ist und der Himmel blau. Die Palmen, Früchte, Blüten. Die Blumen im Haar und der ausgeprägte Vokalismus in der Sprache (nur neun Konsonantenphoneme!). Und das in Kombination damit, dass selbst die Tortillastandlerin einen Champagner im Cola-Kühlschrank stehen hat und anderswo auf der Karte mehr Wasser zur Auswahl stehen als Bier. Ich finde das charmant.
Meiner vielleicht neugefundenen Entspannung liegt natürlich auch diese sich mir langsam eröffnende Frankophilie zugrunde. Sprachlich gesehen bin ich immer noch eingeschränkt, wobei ich auf Mo’orea auch selbstbewusster Leute auf Englisch anspreche, während ich auf Tahiti mehr gefordert war, Französisch zu sprechen. Und so konnte ich mich dann in Situationen oft kaum einbringen, aber vor allem letztlich auch nicht rausreden und nicht in der Lage mich aus einer Lage herausblödeln oder einfach ins Plappern zu verfallen. Gespräche sind harte Arbeit. Und selbst wenn ich mich mit jemandem unterhalte, die französisch können, war s in der Regel eine gemäßigte Unterhaltung, weil dann halt das Englisch für mein Gegenüber oft nicht super easy war. Für mich, der ich oft mehr rede weil das Reden lustig ist, ist das eine interessante Abwechslung, mal ein bisschen meiner sozialen Fluchtoptionen beraubt zu sein.
In other news hat zuletzt auch die letzte kleine Katze ein neues Zuhause gefunden und die verwirrte Katzenmutter ist zwei Tage lang rufend durch die Gegend gelaufen. Das ist schon ein bisschen herzzerreissend, wenn man sich die Biologie da anschaut. Aber so ist das wohl. Es war dann auch schnell wieder vorbei. Auf der anderen Seite leben die Kleinen zumindest, auch wenn das für die Katzenmutter natürlich nicht verständlich ist, dass das gerade gut ausgegangen ist für die nächste Generation. Mit etwas Glück – aber das ist jetzt wieder mehr meine Meinung als feline Glückseligkeit – werden sie in ihren neuen Haushalten sterilisiert. Von wegen Verantwortung für ein Haustier übernehmen war da auch noch ein Kater, der ebenfalls in der Nachbarschaft seine Runden gedreht hat. Ganz instinktiv hab ich mir immer gedacht, der würde ja auch von irgendwo kommen und irgendwohin zurückkehren, aber wenn das bei den hiesigen Hunden schon nicht immer klar ist, dann bei Katzen wohl umso weniger. Jedenfalls hat der ein kaputtes Bein oder was, und humpelt dementsprechend bereits ein wenig bemitleidenswert durch die Landschaft. Vor allem wo die Christine ihn in der Regel verscheucht, wenn er sich zum Beispiel des Essens, das sie den Kätzchen rausgestellt hat, habhaft machen wollte. Also emotional hochkomplex die emotionalen Schattierungen des Katzenalltags. Jetzt nämlich auch noch, dass der außerdem die halbe Nacht schreit. Aber was weiß man, ob das ob einem gebrochenen Bein ist oder vielleicht aufgrund der tagtäglichen Ablehnungserfahrungen. Oder ob es vielleicht gar eine Poussage ist, für die er sich in der Nachbarschaft hören lässt.
Und als ob der Verlust der Kinder bei der einen und die der Agilität bei dem anderen nicht schrecklich genug wären, bin ich anderntags dann noch einer toten Katze über den Weg gelaufen. Nachdem sie neben der Straße im Schatten eines Buschs gelegen ist, hab ich mir gedacht, dass sie wohl eine umsichtige AutofahrerIn noch auf den Straßenrand geschleudert haben wird, nachdem vielleicht ein bedauerlicher Unfall passiert ist. Am Donnerstag ist sie so dagelegen, da hätte es fast noch sein können, dass sich s da nur eine faule Katze im Schatten gemütlich gemacht hat. Freitag hat man schon gesehen, mehr faulig als faul, wie der Körper ob der Verwesung bereits ein bisschen unförmig wird. Zum Glück (?) hat sich über s Wochenende jemand die Mühe/den Spaß gemacht, der Katze eine Feuerbestattung zu organisieren, drei Meter weiter an der Straßenecke. Die Überbleibsel waren zwar durchaus noch identifizierbar und meine Lungenkapazität hat dem empfohlenen Radius des Luftanhaltens kaum Genüge getan, aber es ist viel besser, als wenn man sie dort ignoriert hätte. Also ja: so hält sich die Katzenpopulation im Gleichgewicht.
Auf Mo’orea sind s unterdessen vor allem die HÜhner die sich aufdrängen. Also Hühner mit Binnen-Ü, weil es nicht zuletzt die Hähne sind, die einen Krach veranstalten. Sagen wir ab zirka fünf in der Früh. Mit einiger Verwirrung hab ich andererseits den hiesigen Hund gestern in der Distanz mit etwas, von dem ich sehr sicher bin, dass es ein Huhn war, aus dem Nachbarsgarten laufen kommen sehen. Begleitet von aufgeregtem Hühnergeschrei und einem etwas verdutzt dreinschauenden Nachbarshund. Aber ist das… ich mein, stiehlt ein leicht übergewichtiger Hund, der sich bei uns durchaus daran hält, dass er nicht auf die Terrasse darf, stiehl, ja: mordet so jemand ein Huhn?
Und in bald einer Woche hab ich jetzt einen Flug nach Tokyo. Weil zwei Wochen vorher ist vielleicht nicht übertrieben, sich das zuzulegen. Noch dazu, wo ich von der Annabelle letztens den Hinweis bekommen hab, dass mir das nächste Jahrhundertereignis einen Strich in die Rechnung macht, indem der Rugbyworldcup zum ersten Mal in Asien stattfindet. Oder zumindest das erste Mal in einem Land, das nicht zu jener Handvoll Ländern zählt, in denen Rugby irgendeine Rolle spielt, also England, Frankreich, Südafrika, Australien und Neuseeland. Im Kontext der hiesigen No-Vacancy-Erfahrungen bin ich da jetzt auf jeden Fall ein bisschen unter Druck geraten. Und gar nicht so sehr, weil ich die Gelegenheit sehe, in einem Rugbystadium zur Sehnsuchtsfindung geschweige denn -erfüllung zu finden, sondern weil ich schlicht nicht mit dem Rugbytourismus um billige Hotelzimmer konkurrieren möchte.
#fragmente
(Nicht, dass der Text bisher besonders einer formalen Struktur entsprochen hätte…)
Witzigerweise sind auffällig viele ItalienerInnen auf Mo’orea. Und ItalienerInnen werden mir, so kommt mir manchmal vor, schon bei einer einzigen Familie auffällig. Irgendwie sind ItalienerInnen einfach nicht wer, die ich irgendwo in der Welt zu treffen erwarte und bin dementsprechend erstaunt, wenn s doch passiert. Außerdem haben sie oft eine besondere Präsenz, wohl auch, weil sie mir nur oder vielleicht auch erst auffallen, wenn sie zu mehrt sind. Schließlich hab ich ja auch das Gefühl, Italienisch eh zu verstehen. Mehr noch als SpanischsprecherInnen beim Spanischsprechen zuzuhören, die in der Regel nicht annehmen, dass ich sie verstehe, komm ich mir beim ItalienischsprecherInnenbelauschen noch ein bisschen mehr Undercover vor. Und dann sag ich trotzdem buongiorno, wenn wir einander in der Früh grüßen und hab sofort das Gefühl, mich verraten zu haben.
In Tahiti bin ich durch den Supermarkt gelaufen und hab einen Wahnsinnsappetit auf Äpfel bekommen. Kann schon mal vorkommen, aber dann hab ich gesehen, dass die wie so viel anderes halt aus Neuseeland importiert werden. Da hab ich mir natürlich ein bisschen an den Kopf gegriffen, weil ich dauernd davon schwärme, wie mir die Tropenfrüchte vom Baum vor die Füße fallen und manchmal dann schon keine Maracuja gegessen hab, obwohl ich eine Maracuja hätte essen können. Geschweige denn Sternfrüchte, von denen es einem schnell einmal langweilig wird, oder Mangos, die wirklich mehr Vogelfutter sind. Und jetzt will ich einen Apfel haben, die Eichnull des Obsts. Hab ich keinen gegessen. Aber zwei Minuten später hab ich einen neuseeländischen Apfelsaft gekauft. Ich hab nix anderes gefunden, nicht gekühlt zumindest. Und interessant da, dass es verschiedene Apfelsäfte nach Apfelsorten zur Auswahl gegeben hat.
Ich hab das letztens mal festgehalten, dass um die Halbjahresgrenze herum jetzt langsam mein Equipment unter der Dauerbelastung nach- und aufgibt. (Stell dir eine Schublade vor, die von einem skandinavischen Schubladenroboter auf- und zugemacht wird. Unaufhörlich.) Das ist psychologisch schon ein Wendepunkt. Meine Sandalen hab ich dann kurzerhand einer Reparatur unterzogen, wobei ich endlich einmal die Ahle auf meinem Taschenmesser verwendet hab. Das war allerdings ein bisschen Mit-Kanonen-auf-die-Spatzen, wo dann eine einfache Nadel auch gereicht hat. Allerdings ist das Leder dann sowieso einfach ein paar Millimeter drunter nochmal gerissen. Und nachdem die Sohlen auch schon lange entzweigebrochen sind, hab sie der Müllabfuhr überantwortet. Dass ich sie jetzt wirklich lange gehabt habe, ich in ihnen bereits kubanische Autobahnen entlanggegschlendert bin, ist sowohl bedauerlich (Mensch-Schuh-Beziehung) als auch tröstlich (KundIn-Produkt-Beziehung). Als Ersatz schlurf ich jetzt in Flip-Flops, was persönlich auch ein großer Schritt gewesen ist und schwups! habe ich davon erst einmal links wie rechts Blasen bekommen.
Und zu hinterst noch Neuigkeiten von ebendort. Ich hab mir auf Mo’orea gleich mal ein Fahrrad gecheckt, weil ist sie mir auf Tahiti ja doch abgegangen, die Mobilität. Jetzt war ich nach meiner Ankunft in FranzPol doch ab und zu ein bisschen verwirrt, wenn ich mal wieder an einer T-Kreuzung gestanden bin, wo denn jetzt der Verkehr herkomme, weil natürlich ist das Land französisch genug, dass die Leute auf der kontinentaleuropäischen Straßenseite fahren. Aber weil das sprichwörtlich wie Radfahren ist, hinsichtlich der Verlernbarkeitsoption, hab ich mich schnell wieder daran gewöhnt und gebe meinen Selbstbewahrungsinstinkten mittlerweile bereits wieder weitgehend freie Handhabe dabei, mich sicher über die Straße zu bringen. Funktioniert auch beim Radfahren, alles kein Problem. Nein, was sich hingegen schnell einmal als eine Schwierigkeit herausgestellt hat, ist möglicherweise auf den Trainingsmangel der eigenen Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der Sattel einfach unverhältnismäßig schmal ist oder das Gelände unanständig holprig. Fakt ist, ich bin seit einem halben Jahr nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen und ich mich jetzt auf meinem VTT (veló tout terrain) herumwinde wie ein Sängerknabe unter Harndruck.
Ein zum Beispiel französischer Handelsreisender kommt in einer deutschen Stadt an und nimmt sich ein Hotel zur Übernachtung. Um elf in der Nacht klingelt das Telefon in der Rezeption. Der Herr Handelsreisende fühlt sich lärmtechnisch belästigt und möchte gerne ein anderes Zimmer. Kein Problem, heißt s von der Rezeption, machen wir sofort. Aber eine Stunde später ruft der Handelsreisende wieder an der Rezeption an, selbes Problem, bitte anderes Zimmer, kein Problem, wird erledigt. Stunde später: selbe Sache und der Handelsreisende wechselt sein Zimmer. Am nächsten Tag stellt sich dem Handelsreisenden beim Frühstück der Hotelmanager vor und entschuldigt sich für die gestörte Nachtruhe. Ja, er habe sich dann einmal damit abgefunden und habe gut geschlafen, aber er sei doch sehr von dem permanenten Eisenbahnverkehr irritiert gewesen. Wie, sagt der Manager, nein, die Eisenbahn sei keinesfalls in der Nähe des Hotels, er wisse nicht, wodurch sich der Herr Handelsreisende… Aber ganz sicher, unterbricht der Handelsreisende, die ganze Nacht habe er die Eisenbahn vorbeischnaufen hören. Ah, sagt der ihm ein Licht aufgehende Hotelmanager, nein, das sei wohl nicht die Eisenbahn gewesen. Hinter dem Hotel stehe jedoch eine Ziegelsteinmanufaktur und dort reichen die deutschen ArbeiterInnen einander die Ziegelsteine, höflich, begleitet von einem ständigen Bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön-bitteschön-dankeschön…
Die Zeit vergeht so vor sich hin und es ist erstaunlich schwer, das in Worte zu fassen. Tatsächlich setz ich mich jeden Tag hin, tipp ein bisschen in diesen Text hinein, streich Sachen raus, bringe Daten und Reihenfolgen up-to-date und mache mir Notizen zu neuen und alten Sachen, die ich hier beobachte, die dann ein neuer Absatz werden. Manchmal merke ich, wie mich das eine oder andere Thema seltsam nachdenklich macht, politisch, fatalistisch oder sonst irgendwie in eine komische Richtung bringt. Das kommt dann in die privaten Notizen. Und so schwimmen die Tage ein bisschen in einander, ohne Rück- und ohne Weiterflug ist mir schnell einmal ein bisschen das Gefühl für die Zeit verloren gegangen. Und nachdem meine Unterkunft so leger organisiert ist und wir seit ich hier bin mehr oder weniger mit der gleichen Besetzung hier wohnen, die Türen sind offen, die letzte dreht das Licht ab… Die anderen gehen ja arbeiten tagsüber, wenn ich aufstehe, ist außer mir oft nur Christine da, die als Künstlerin weniger rigide Arbeitszeiten hat.
So schlurf ich durch das leere Haus und setz mich mit meinem Frühstück auf die Terrasse. Ich weiß nicht genau, wie sekundär da mein Analphabetismus zugeschlagen hat, aber als ich im Geschäft gesehen hab, dass in der Schachtel zweiundfünfzig Sackerl mit Fertigporridge enthalten sind, hab ich noch die Division zum Einzelpreis hin geschafft, aber dass ich davon zwei Monate lang Frühstück hab, ist nicht ganz durchgedrungen. In Wahrheit war ich schon froh, da eine Quelle gefunden zu haben. Ohne Janes Küche in Melbourne hab ich in dem Wegwerfporridge eine zufriedenstellende Lösung des Frühstückproblems gefunden, die ich froh bin, nicht der Veränderung der kulturellen Rahmenbedingungen zum Opfer machen zu müssen. Zugegeben, es ist mehr, dass ich mir nix überlegen muss. Weil was die kulturellen Rahmenbedingungen schon zur Verfügung stellen ist ein Baguette, das ich letztens fast aufgenascht hatte, bevor ich damit daheim angekommen bin, weil das gut gemacht war.
Seit ich mit dem Tauchen angefangen hab, bin ich abends dann auch müde vom Tag. Wobei mich der Sonnenbrand Anfang der Woche am meisten hergerissen hat. Das war auch nicht schön anzusehen, weil ich nicht nur, dass ich ja theoretisch aus dem Winter komme, ich hab ja auch sonst eine schwierige Beziehung zur Sonne. Wer weiß, was ein Witchetty Grub ist, ist im Vorteil, wenn ich mich mit einem solchen vergleiche. Also halb Kellerblässe, halb Sonnenbrand. Solange mir niemand anerkennend auf die Schulter klopft, ist es trotzdem gemütlich. Zum Beispiel weil ich Brownies für die Abschiedsfeier des Portugiesen gemacht hab, was viel besser angekommen ist als das Bananenbrot ein paar Tage zuvor. Butter, Zucker, Schokolade… da braucht man den Leuten nicht mit Obst kommen.
A propos Obst: während ich meine Zeit also verhältnismäßig gelassen im Garten sitzend verbringe, ist mir letztens aufgefallen, wie quasi jeder Baum hier ein mehr oder weniger exotisches Obst trägt. Wenn man s genau nehmen will (und immerhin ist das das Internet, da muss man bei sowas durchaus vorsichtig sein), ist es nicht immer Obst oder nicht immer ein Baum auf dem das Zeug wächst: Bananen und Kokosnüsse, Maracujas, Sternfrüchte (von denen eine etwas überreife mal mit ziemlichem Karacho neben mir vom Baum gefallen und am Boden zergatscht ist), Papayas und Mangos. Die Maracujas haben den Zenit wohl gerade überschnitten, aber vier, fünf gibt s noch jeden Tag, die Papayas ist gerade erst so richtig im kommen. Der Mangobaum hingegen wirkt nicht, als wäre er wirklich für den Ertrag gemacht, da hängen an einem Ast eher einmal ein Dutzend kleine Mangos als eine ordentliche. Und vom anderen Nachbarn wachst der Brotfruchtbaum herüber.
Paradiesische Zustände? Na ja, nicht wenn ich mir von den Ärztinnen über den Zustand des Gesundheitsbewusstseins auf der Insel erzählen lasse. Und wie das polynesische Gesundheitssystem nicht das Niveau des französischen hat. Oder von der Sozialarbeiterin Bilder gezeigt bekomme, wozu auch auf Tahiti soziale Isolation führt. Meine Probleme sind zugegebenermaßen etwas weniger dringend und tendenziell insektenbezogen. Die Gelsen sind recht eine Plage, meine Füße sind mit Bissen übersäht und heute bin ich tatsächlich aufgewacht, weil mich eine in den Arm gestochen hat. Da hab ich mir schon gedacht, irgendwo hört sich der Spaß auf. Sonst checke ich halt jetzt im Bad noch bevor ich das Licht andrehe oder die Klodeckelposition ändere, ob da nicht eine Küchenschabe sitzt. Aber ja, insgesamt: bof.
Die meiste Aufregung hat uns die Nachbarskatze verschafft, weil sie ihre drei Kätzchen lieber bei uns großzieht als im Nachbarsgarten, wo ein Hund und eine Handvoll andere Katzen für Unruhe sorgen. So haben wir Katzenbabies bekommen: whoot! Letztens hat ihnen die Mutter eine halbe Ratte vorbeigebracht, nur dass ich das zuerst nicht erkannt hab und den Eindruck hatte, die spielen mit einem Kabel. Aber nein, die eine ist dann ein bisschen auf die Seite und dann hab ich gesehen, dass da Füße dran sind und überhaupt, dass an den zwanzig Zentimetern Rattenschwanz noch eine halbe Ratte dran hängt. Und in der Einfahrt liegen die Schwungfedern eines Finken (Lonchura castaneothorax), die ihm zuletzt wohl den notwendigen Aufschwung vorenthalten haben. Aber ur herzig. Und so unglaublich leicht, wenn man sie einmal zum Hochheben erwischt. Mittlerweile sind sie zwei von dreien auch schon vercheckt und wahrscheinlich haben sie da ziemlich ein Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein.
Wer will noch was zur Vogelwelt lesen? Die „Honigfresser“, die mir in Australien so ein Novum gewesen sind, hab ich bisher echt in jedem Land gefunden, das ich seit dem besucht habe. Noch dazu schauen sie sich von Sumatra bis Tahiti relativ ähnlich und ich erinnere mich, schon mit dem einen in Australien Bestimmungsschwierigkeiten gehabt zu haben. Also zurück an den… Identifikationstisch. Und ich bin natürlich jetzt überhaupt nicht sicher, was ich damals gesehen habe. Aber was ich nicht bestimmt hab und sicherlich auch in Tin Can Bay gesehen hab, das ist der Hirtenmaina. Ich mein, den Namen hätten wir uns gemerkt. Aber das macht natürlich Sinn, weil der als extrem invasive Spezies beschrieben wird, nicht nur im Durchsetzen sondern auch im absichtlich Aussetzen. Also: Common Myna. Schaut jetzt nicht ur wie ein Hongfresser aus, hätte ich ein Bild gehabt, wäre das wohl schnell einmal aufgeklärt gewesen.
Außerdem gibt s diese kleinen Tauben, Sperbertaube (Geopelia striata). Dabei dürfte ich, nur weil sich s anbietet, in Australien das Friedenstäubchen (Geopelia placida, der deutsche Name ist ja wohl etwas herablassend) richtig bestimmt haben. Nah verwandt auf jeden Fall, die deutsche Wikipedia sagt, manche AutorInnen sehen in ihr eine Unterart der Sperbertaube. Die englische Wikipedia wiederholt diese Aussage und ergänzt until recently. Die Tauben laufen auf jeden Fall viel am Boden herum, was mir gut gefällt, weil es meine Dinosaurierassoziation erleichtert. Dann gibt s noch diesen Finken, von denen die Katzenmutter einen erledigt hat. Und den Rußbülbül (Pycnonotus cafer), der sich auch wiederum vor allem dadurch hervortut, dass er als extrem invasiv beschrieben wird. Und ich hab noch gedacht, schau, was für ein schöner einheimischer Vogel. Aber vor allem gibt s Unmengen von Hühnern. Zumindest auch nicht einheimisch, wenn schon nicht invasiv in dem Sinn. Invasiv vielleicht in meinen Schlaf, das schon, ich wach tatsächlich immer noch mit dem Hahnenschrei auf. Aber ich steh nicht auf sondern schlaf weiter, weil das ist üblicherweise etwas zu früh. Aber schon schön, die Hähne, wie die glänzen und schillern. Und wild, die Krallen.
Ich bin immer noch nicht in Pape’ete gewesen, aber ich gehe regelmäßig die Straße hoch zur Marina für meine Tauchstunden. Und dort sitzen immer wieder Leute, die Mangos, Ananas und Honig in Flaschen verkaufen. Wobei ich selbst auch immer wieder mal eine ordentliche Mango einfach auf der Straße finde, weil die dort vom Baum gefallen ist. Und dafür, dass die hier so aufklaubbar sind, finde ich die vier Euro, die dafür verlangt werden, doch ein bisschen heftig. Interessant übrigens, dass in der Bevölkerung das Blumen-im-Haar-Tragen total wirklich praktiziert wird. Es gibt im Supermarkt auch künstliche, die man sich ins Haar spangerln kann, aber nachdem überall die großzügigsten Blüten sprießen sind s in der Regel doch wohl meistens echte.
Zur Marina rauf ist es eine knappe Stunde. Und dann wieder eine Stunde runter, aber das ist meine Bewegung. Komisch eigentlich, dass ich mir denke, dass es für einen echten Ausflug ins Landesinnere einfach zu heiß sei, ich aber trotzdem meinen Weg marschier. Es gabert sogar einen Bus, aber das erschien mir bisher tatsächlich als der größere Aufwand herauszufinden, wie der funktioniert. Dafür hab ich letztens mit einem Sonnenbrand bezahlt. Nämlich den Sonnenbrand im Gesicht. Den Sonnenbrand am Rücken hab ich mir in den zehn Minuten geholt, in denen ich mit nacktem Oberkörper am Boot gesessen bin, mit dem wir zu unserer Tauchstelle gefahren sind. (Sagt man gefahren für ein Boot?) Danach hab ich den Anzug zugezippt und die Sonne hat quasi keine Chance sonst irgendwann zu meiner zarten Engerlinghaut durchzudringen.
Oh, aber Tauchen! Ich war jetzt dreimal in der Lagune tauchen und einerseits versteh ich ein bisschen besser, was eine Lagune ist, und wie das in echt ausschaut, was komisch ausschaut, wenn man s auf einer Landkarte sieht und zweitens ist das schon unglaublich. Es ist nämlich wirklich unglaublich. Allein die Farbe, die das Meer hat. Ich war erst ein wenig perplex, bis die eine Taucherin meinen Blick gesehen hat und gemeint hat, es sei wohl wie ein Swimming Pool. Ich war ein wenig sprachlos auf der Suche nach einem Vergleich und dieser kam mir etwas banal vor. Aber es stimmt halt trotzdem: Das Meer ist da etwa sechs Meter tief und es hat eine Farbe wie Schlumpfeis. Das Wasser ist so klar, dass am Boden das Licht tanzt. Und so wie an den Straßenränder Zimmerpflanzen wuchern, so schwimmen schon im Yachthafen die Aquarienfische herum. Und natürlich die paar hundert Meter, die ich bisher draußen gewesen bin: mehr Aquarienfische. Insofern hab ich in meinem Tauchbuch unter der Ortsbezeichnung dann auch L’Aquarium hingeschrieben. Wobei das mehr die kontrollierten Umstände beschreibt, unter denen ich dort atmen lerne.
Das ist erstaunlich schwer. Selbst wenn ich meine Erfahrungen jetzt auch schon jenseits der Lagune sammle, so zu atmen, dass ich in einer Ebene bleibe, ist nach wie vor die größte Herausforderung. Immerhin hab ich die leichte Panik abgelegt, die mich anfangs bei dem Gedanken, dass ich zehn, zwanzig Meter unter Wasser für eine halbe Stunde und länger aus einer Flasche atme, durchflutet hat. Dieser eher theoretische Gedanke wird relativ schnell von der Praxis eingeholt, wo man einfach merkt: Es geht halt. Und jetzt sammle ich dann ein bisschen Fische: Noch bevor ich das allererste Mal unter Wasser getaucht bin, hab ich schon einen Stachelrochen durchs Wasser hab huschen sehen. Kurz darauf ist uns ein interessanter, aber mir mir im Nachhinein unbestimmbarer Fisch über den Weg und den Lagunenboden gekrabbelt. Am Tag darauf haben wir dann einen Feuerfisch aufgespürt, der sich in einem Riff versteckt hat. Aber dann raus aus der Lagune ist schon nochmal was anderes, allein weil wir in einer halben Stunde vier Schildkröten getroffen haben und das ist schon was ziemlich cooles.
Sonst tu ich mir zum Beispiel noch ziemlich schwer, einmal unter Wasser, TaucherInnen von einander zu unterscheiden, aber insbesondere verschwimmen (haha!) mir die TauchlehrerInnen leicht einmal alle in zirka die gleiche Person. Nicht nur, dass die LehrerInnen in den Anschauungsvideos (die ich mir mit ZeugIn bestätigen musste, angesehen zu haben) genauso ausschauen, wie die in echt, ich hatte auch gestern einen anderen als heute, aber unter Wasser, hinter der Brille, mit dem Luftschlauch im Mund schauen sie alle bisschen gleich aus. Und von der Gestik her gibt s auch nicht viel Spielraum, nachdem alle Bewegungen zur Kommunikation mit großer Deutlichkeit gemacht werden. Darin muss irgendwo der Grund liegen, warum Taucherbrillen in Neonfarben auch für Erwachsene zu haben sind.
Insgesamt bin ich von der ganzen Eine-Neue-Fertigkeit-Erlernen fasziniert. Einerseits einfach, weil ich einer Didaktik ausgesetzt bin, weil ich Sachen gesagt und gezeigt bekomme, die ich dann wiederhole und später nochmal abgefragt werde. Aber auch weil es nicht in erster Linie kopfig ist sondern von mir Körperkontrolle oder halt Gestaltung von Muskelgehirn verlangt. Und auch, wo man ein bisschen in eine Gemeinschaft eingeführt wird, die ihre eigene Sprache und Gestik, ihre eigenen Werte und Bedeutungen mit sich bringt. In diesem Zusammenhang kann ich vielleicht auch feststellen, dass ich meine schicken Schwimmbadehosen letztens heimgeschickt habe. Aber jetzt vermiss ich sie fast. Einerseits sind die Franzosen wohl einfach ein bisschen näher an der Spandex-Badehose-Kultur als die Anglophonen, aber es ist auch eine Frage des In-den-Anzug-Hineinkommens.
Auf der anderen Seite erlebe ich die Verantwortung, die ich dabei für mich übernehmen muss als eine große Herausforderung. Also, nicht „Herausforderung“-Herausforderung. Aber es war ein bisschen unerwartet, als ich gestern meine Ausrüstung gecheckt hab, meine Luft und meinen Druck und dass alles richtig angeschlossen ist und funktioniert. Und es dass dann gewesen ist, der eine Anleiter hat mich gefragt, ob ich dieses und jenes gecheckt hab und ich sag ja. Und er sagt passt. Und das war s dann. Da hab ich ein bisschen gemerkt, ja, ich tu das nicht, damit ich die Checklisten in der richtigen Reihenfolge durchgehe, die ich am Tag davor gelernt hab. Sondern ich tu das, damit meine Sachen gecheckt sind, weil jetzt dann mein Leben davon abhängt, dass das Gerät mir erlaubt, unter Wasser zu atmen. Ich mein, ja, so schlimm ist es jetzt noch nicht, aber es hat einen Unterschied gemacht und ich hab ein bisschen gemerkt, dass ich immer noch ein bisschen mehr lern, weil s gelernt gehört und nicht, sagen wir mal: mit Anwendungsorientierung.
Auch sonst merke ich im übrigen die Abnutzungserscheinungen an meinen Gerätschaften. Innerhalb der letzten Woche hat mir in einem T-Shirt der Stoff der Belastung (Dauernutzung, Wäschetrockner) nachgegeben, das Leder meiner Waldviertler reißt an verschiedenen Stellen durch und heute sind hat sich mein linker Kopfhörer verabschiedet. Auf der anderen Seite bin ich grad bisschen viel mit Administration von meinem daheimgelassenen Leben beschäftigt und höre regelmäßig mal den Falter Podcast oder ein Ö1 Journal. So bin ich grad in einem relativ regelmäßigen Leben, wo ich Termine hab und wo ich zumindest via proxi einen Rhythmus von Arbeit und Wochenende erlebe. Hingegen erlebe ich auch den Bezug zu Österreich gerade etwas intensiver, auch wenn (oder weil) sich manches davon langsam auflöst, wenn s auch nur ein Schuh ist, der sich Stück für Stück verabschiedet.
I’m taking diving classes on Táhití. On a boat, in my trunks, crossing the sea On the way to the site The sun shone too bright And burnt my pale upper bodý.