In Tin Can Bay gab s wenig zu tun, wer sich erinnert. Es hat Wale und Delfine und Vögel. Die Wale sind leider im Sommer nicht da, die kommen dann erst wieder Juli bis November. Da kommen die Kälber zur Welt und die fressen sich da ihren Blubber an, damit sie im „Sommer“ die kühlen Gewässer der Antarktis überleben, wo sie dann mit der festen Nahrung anfangen. Bis dahin kriegen die halt Milch und zwar irrsinnig viel davon. Ich weiß jetzt nicht genau, aber halt Unmengen. So eine Zahl wo man sich sofort denkt „gibt s doch jetzt aber nicht, wo soll denn das Platz haben“. Und dann rutscht sie einem halt wieder aus dem Kopf, kaum dass man sie gelesen hat. Allerdings, wenn man schon dabei ist, sich Badewannen voller Walmilch vorzustellen, darf man nicht den Fehler machen, da gedankenexperimenthalber Rindermilch – weil die Walkuh ist ja letztlich auch eine Kuh – hineinzugießen. Nein, die ist viel dicker, da stellt man sich besser vor, die Badewannen sind mit Zahnpasta gefüllt. Wo die ganze Zahnpasta so riecht wie jemand, der nach seinem Wikingersandwitsch halt noch nicht zum Zähneputzen gekommen ist. Die Milch ist so dick, weil natürlich wahnsinnig hoher Fettgehalt, dass einem der Anteil gleich wieder verloren geht nach dem Lesen. Aber so schwimmt sie gut im Wasser und ist für s Kalb leichter zu fressen. Weil natürlich Säugetier hin oder her, aber ohne Lippen kein Saugen und Wale eben keine Lippen.
Jetzt also keine Wale für mich. Die Delfine hab ich dann auch, naja, sagen wir mal: nicht in Anspruch genommen. Ich wollte nicht so recht für 10$ im Meer stehen und unter den Blicken von den Leuten, die dort in der Früh das Geld entgegennehmen, akwardly mit Delfinen interagieren. Vielleicht bin ich da eigen. Hab ich das sein lassen, obwohl s wohl die einzige verlässliche Attraktion in TCB ist. Um ehrlich zu sein, als ich das gestern erzählt habe, bin ich ein bisschen, also nicht direkt ins Strudeln gekommen. Aber es bestand schon Erklärungsbedarf.
Letztlich gilt das ja insgesamt für meine Unternehmung als solche. Wenn ich im Bus mit den 20-jährigen EuropäerInnen sitze, denke ich mir schon manchmal, dass ich da was eigenes hab mit meinem Middle-age Gap Year, meinem ergebnisoffenen Sabbatical. Aber es renkt sich üblicherweise dann wieder ein, ist bloß ungewöhnlicher als die Mid-20er, die ihre iPads auch mal auf der anderen Seite der Welt ausprobieren wollen. (Dreht sich der Ladekreisel südlich des Äquators in die andere Richtung?) Aber halt auch nicht ganz was Neues.
Insofern also keine Wale, keine Delfine. Jetzt aber: die Vögel. Auf die hab ich mich dann eingelassen. Und da gibt s die Papageien (Trichoglossus haematodus und T. chlorolepidotus), von denen ich gerne erzähle. Weil 30 Grad hat s ja bei uns auch schnell einmal. Und wenn du früh aufstehst, kannst noch vor dem Mittagessen aus dem Auto direkt ins Meer. Aber Papageien vor dem Fenster, die um fünf in der Früh den Schnabel nicht halten können, das zeichnet gleich ein Bild.

Dann gab diesen Kakadu (Eolophus roseicapillus), da war ein ganzer Schwarm davon gegenüber vom Einkaufszentrum. Also, „Einkaufszentrum“, weil das waren ein paar Geschäfte nebeneinander. A butcher, a baker, a – wait for it – pizza place. Und ich gestehe wohl zu, dass ich mit meinen Augen auf 10 Meter nicht immer scharf sehe. Aber man kann ruhig auch mitdenken, dass ich nicht mit einem Schwarm Kakadus gerechnet hab, die sich neben einem Parkplatz Nahrungsmittel aus der Wiese picken. Hab ich sie für eine Taubenart gehalten. I guess, weil sie grau sind und weil ich vorher schon einmal eine Taube identifiziert hatte (Ocyphaps lophotes). Da hab ich mir schon gedacht: Eins muss die Australische Tierwelt schon noch draufsetzen, können nicht einfach eine Taube machen, nein, sie muss ein bisschen lässiger sein, als was bei uns zu bebirdwatchen ist.
Ich hab dann noch verschiedene Möwen gesehen (Larus dominicanus, Chroicocephalus novaehollandiae). Dabei ist mir als erster Unterschied aufgefallen, dass alle weiße Augen hatten und nur eine darunter war, mit ganz schwarzen. Es hat gewirkt, als würden sie auf die Ebbe warten und auf die vielen kleinen Krebschen, die aus dem Sand kriechen und… irgendwie was essen, was sie im frisch entdeckten Sand (Watt) finden? Für die Möwen aber überhaupt kein Problem, dass da eine ist, die andere Augen hat, Krebschen genug für alle, überhaupt kein Stress. Ich glaub, selbst mich hätten die mitnaschen lassen, weil wir haben uns wartend eine Zeit lang beäugt. Dabei sind mir eben die unterschiedlichen Augenfarben aufgefallen, und dann auch noch, dass sie die Pupille nicht bewegt haben sondern immer nur den ganzen Kopf. Das hab ich noch nie bewusst beobachtet. Ich geh jetzt einfach davon aus, dass Vögel insgesamt ihre Augäpfel statisch haben und den Kopf drehen müssen, wenn sie was anderes anschauen wollen. Ganz ehrlich, vielleicht ist das bei allen Tieren so, die nicht nach vorne gerichtete Augen haben. Außer halt: Chamäleon. Schwierig genug sich vorzustellen, wie man die Welt erlebt, wenn man dauernd sieht, was links und rechts ist, aber nicht wirklich, was von vorne auf einen zukommt? Man lauft halt auf der Straße eher jemandem hinein, als dass man überfahren wird, I guess.

Dann war da noch die Australian Magpie (Cracticus tibicen) und ihre verlercherlte Schwester (Grallina cyanoleuca). Ich mein, da begebe ich mich jetzt schon auf ein dünnes Eis, wo ich mir nicht mehr sicher bin, was was. Aber: Die erstere ist mit unserer Magpie, also mit unserer Elster gar nicht besonders verwandt, obwohl die Familie immerhin Würgerkrähen. Auf Deutsch heißt sie unmissverständlich Flötenvogel. Ich muss aber zugeben, dass sie sehr krähenartig gewirkt haben und auch irgendwie in der Interaktion den Eindruck gemacht haben, die schätzen das jetzt schon ab, wie nahe sie mir kommen können um die Brösel vom Tisch zu picken. Und wie ich dann aufgestanden bin und ein, zwei Schritte zur Seite, haben sie das auch anerkannt, haben den Tisch leergefuttert und sind wieder weg. Also, schon, wenn man so möchte, wie man vielleicht von Krähen und Verwandtschaft kennt. Aber offiziell halt Cracticidae und nicht Corvidae.

Auf der anderen Seite die Magpie-Lark, wie sie heißt, ist auch keine Lark, also keine Lerche. Noch, möchte man hier bildungs- bzw. kleinbürgerlich anführen, eine Nachtigall. Aber Hamlet schon nicht ganz falsch, weil sie gehört zu den Monarchen (Monarchidae). Dementsprechend bei uns auch Stelzenmonarch oder eben Drosselstelze – was buchstäblich vorne und hinten nicht stimmt, weil eben auch keine Drossel, keine Stelze. Jetzt aber halt dich fest, weil jetzt wird s schwindlig: Wenn du dir anschaust, wie die Corvoidea sich aufteilen, dann ist die G. cyanoleuca näher mit den Krähen verwandt als die C. tibicen! Da denkst man sich vielleicht „gibt s doch nicht“ aber die Natur ist so und Namen gibt man vielleicht doch wieder ganz andere.
Sehr präsent sind die Honigfresser, aber die hab ich leider wirklich nicht gut unterscheiden können bzw. zum Beobachtungszeitpunkt hatte ich keine Ahnung, nach welchen Merkmalen ich hätte Ausschau halten sollen. Ich merk mir halt so grob die Größe, Muster am Kopf, Farben von Körper und Flügeln. Schnabelfarbe hab ich mittlerweile gelernt, da drauf zu achten und halt sonstige besondere Kennzeichen. Aber wenn s dann post-sighting ans Bestimmen geht, hab ich das wichtigste meistens doch nicht parat. Mögen Lichenostomus chrysops gewesen sein, obwohl eher zu viel schwarz um die Augen. Oder L. leocotis oder Meliphaga lewinii. Oder der etwas grob benamste Lichmera indistincta. Was es scheinbar nicht war: Manorina flavigula, weil die leben weiter im Norden. Obwohl s am besten zu meiner Erinnerung passt, im Nachhinein, aber bitte.
Und schließlich noch meine Lieblinge, weil die sind mir richtig ans Herz gewachsen in den paar Tagen. Heißen tun sie sie Masked Lapwing oder halt Maskenkiebitz (Vanellus miles). Wiederum aufgrund der schlechten Augen (was erlebt man nicht alles ohne Korrektur) habe ich mir am Anfang wirklich schwer getan, die Form des Kopfes zu erkennen. Aber sie bewegen sich einfach großartig. Sie können ziemlich laut rufen, wenn man ihnen zum Beispiel zu nahe kommt. Da stelzen sie so bisschen weg, drehen sich nach mir um, sind dann eben überraschend unangenehmer Warnruf und ab die Post. Wenn sie einen nicht so bedrohlich wahrnehmen, kann man ihnen schön zuschauen, wie sie zu viert den Streifen Wiese an der Uferpromenade abgehen und sich dort Zeug aus dem Rasen picken – nicht direkt systematisch, aber doch zumindest konstant in eine Richtung.
Das soll jetzt nicht wirken, als würde ich am Ende noch die Limitations schreiben, aber natürlich ist keiner von den Vögeln selten. Für keine Beobachtung habe ich mir Mühe gemacht, bin ich extra aufgestanden oder habe mich zur Beobachtung in den Busch gelegt. Nicht einmal ein Fernglas hab ich verwendet. Gerade in den warmen Regionen der Welt, steigt einem die exotische Natur gern einmal ohne Einladung durch die Tür. Oder, wenn man s genau nimmt, natürlich in erster Linie umgekehrt. Aber an Vögeln kann man letztlich kaum vorbeischauen, wenn man angefangen hat, den Dinosaurier in ihnen zu erkennen.