Arthouse

Melbourne. Stadt der … Pfirsiche? Ich wollte mir vor meiner Herreise gerne ein Hostel reservieren, damit ich nach der Ankunft nicht in der großen Stadt in der Luft hänge. Regrettably funktioniert meine Karte noch nicht wieder und Lars from the Hostel schreibt dementsprechend, dass meine Karte nicht funktioniert. Ich sage zu Lars, dass ich gehofft habe, eine Reservierung würde auch so funktionieren, dass ich das Geld in bar bei mir hab, dass ich aber verstehe, wenn sie keine Reservierung annehmen können, wenn die Karte nicht funktioniert. Aber ich würde dann einfach einmal vorbeischauen, wenn ich ankomme, vielleicht ginge sich das ja trotzdem aus, dass da irgendwo noch ein Bett für mich leer stehen würde. Ich krieg keine Antwort mehr, aber es war dann eh gar nicht so unpraktisch.

Bye-bye Alice. Ich lasse dich ohne Reservierung hinter mir.

Die Auswahl an Hostels ist nicht schlecht. Ich frag mich manchmal, wieso Wien da nicht mehr zu bieten hat, weil da gibt s das in der Myrthengasse und ja, es gibt die großen Wombat’s und offenbar zwei Filialen von Do Step Inn – wo sich auch eine große PunmeisterIn verwirklicht zu haben scheint. Aber das war s dann irgendwie auch schon wieder. Vielleicht ist es, dass hier die Hostels zu drei Viertel und mehr mit Leuten voll sind, die einen Job suchen oder eben einen Job gefunden haben, ein halbes Jahr Küchenhilfe, Straßenarbeiten oder schnell mal irgendwo putzen (descaling a urinal with duct tape and vinegar). Und die sich das mit der eigenen Wohnung nicht antun wollen bzw. leisten können. Und von denen gibt s hier viele. Letztes Jahr wurden über 210 000 Working Holiday Visas ausgestellt. Ein Fünftel davon für Menschen aus dem Vereinigten Königreich, etwas mehr als ein Zehntel jeweils für Deutsche, FranzösInnen, KoreanerInnen (nämlich: SüdkoreanerInnen) und TaiwanesInnen. Gefolgt von Japan, Italien, Irland, Kanada, Niederlande etc.

So wirklich hört man nicht, wie s abgeht auf der Bourke St, wenn die Leute aus ihren Büros in die Pubs laufen.

Na jedenfalls ist es nichts geworden mit der Reservierung und letztlich war das ein Glück auch noch. Wie ich aus dem Bus aussteig, der mich vom Flughafen in die Stadt gebracht hat, mach ich mich nach einigen Orientierungsbemühungen in Richtung des Hostels auf, aber ich ruf auch mal bei der V. an, dass wir uns akkordieren für wann auch immer.

Melbourne macht auch blauen Himmel

„Ich bin grad angekommen, an der Dings, an dem Bahnhof. Central Southern…“
„Southern Cross Central.“
„Ja, genau das. Ich hab in fünf Minuten mehr Leute gesehen als in einer Woche Alice Springs.“
„Das glaub ich.“
„Na und jetzt geh ich einmal in deine Richtung, ich hab mir da ein Hostel rausgesucht, das bei dir in der Gegend ist.“
„Wo bist du?“
„Na, ich geh jetzt da gleich über den Fluss.“
„Das ist aber weg von mir.“
„Is it?“
„Ja.“
„Hm, warte.“ Ich biege aus der Menschenmenge ab und stelle mich ein bisschen ins Abseits. Ruhe ist in Bahnhofsnähe schwer zu finden.
„Warte, ich such dir ein paar Möglichkeiten in meiner Gegend raus.“

Ich hab ein bisschen übersehen gehabt, dass Melbourne groß oder einfach chaotisch genug ist, dass es manche Straßen, manche Adressen einfach zweimal gibt. Aber der Rucksack ist kein Problem und so fahr ich ein bisschen mit der Straßenbahn und schmeiß mich dann gleich einmal in ein vertrauenswürdiges Hostel. Die Stimmung an der Rezeption ist gut genug, dass ich einmal vier Nächte buche, vier Nächte im Sechserzimmer in einem, wie sich kurz darauf herausstellt, dreistöckigen Moloch. Vor vielen Türen steht abends das feste Schuhwerk, mit dem die – ich nehm mal an vornehmlich männlichen – Work-and-Travellers tagsüber auf der Baustelle stehen. Alle haben ihre Geschichten mitgebracht und ich bin gegenüber ihnen, die in Jahren rechnen, mit meinem Monat auf Reisen absolut der Frischling.

In der Tat Mansion

Eine Zeitlang unterhalte ich mich ganz gut entlang der Frühstücksgespräche von zwei Deutschen, die sich einmal hinter dem Rücken ihrer Freundin über diese auslassen und dann über ihre eigenen Sorgen plaudern. Eigentlich hab ich durchaus Respekt vor ihnen, wie sie sich das mit ihren neunzehn Jahren organisieren, wie sie hier Leute kennenlernen, wie sie versuchen, darauf zu achten, sich gesund und gleichzeitig sparsam zu ernähren, wie sie Arbeit und Reisen verbinden und sich dabei mit dem Druck durch die Eltern aber natürlich auch mit den Erwartungen und Enttäuschungen zwischen einander auseinandersetzen. Ich nehme an, das ist ein bisschen die AustauschschülerInnenvergangenheit gepaart mit meinen eigenen Schwierigkeiten und dem wiederkehrenden Unwillen, ein halbes Leben später, mich mit genau diesen Punkten zu beschäftigen. Because I hate the notion that I should do it, hab ich letztens in einem anderen Kontext gehört und ja, Weisheit der Jugend: man soll sich nicht jeder Erwartung unüberlegt beugen. Und so lächel ich über sie und erheitere mich an ihren Sätzen, in denen ernsthafter Ärger über die Unentschlossenheit der Freundin, echte Sorge über das knappe Budget und schlecht verholene Begeisterung über die Drogen, an denen sie zuletzt ein bisschen mitgenascht haben mitschwingt. Es ist so ein Moment, in dem ich durchaus froh bin, nicht mehr zwanzig zu sein, aber gleichzeitig beneide ich sie ein bisschen darum, dass für sie alles so offen scheint und ihre Sorgen so gegenwartsbezogen. Unlängst hat s Birdman in meinem Hostel gespielt und ich hab ihn beim zweiten Mal wieder gut gefunden. Gerade wegen solchen Szenen, wo der so unangenehme Edward Norton zur auf Emma Stones Frage, was er mit ihr tun wollen würde, hätte er keine Angst, sagt, er würde ihr die Augen aus dem Kopf klauben und in seinen eigenen Schädel pflanzen um die Welt so zu sehen, wie er sie gesehen hat, als er in ihrem Alter war. Und das ist ein guter Moment, weil er grad ein bisschen fassbarer wird und wen nicht sympathischer so zumindest ein bisschen authentischer in seiner aggressiven Suche nach Realität. Dass er eben nicht nur hinter ihr her ist. Ja, ist ein guter Film und wenn man sich ein bisschen mit dem Alter und damit zusammenhängend den Jahren davor und den Jahren dahin beschäftigt…

Und es gibt wieder asiatisches Essen für mich. Hier ein bisschen Thailokalambiente.

In Melbourne geh ich ein wenig entlang meinen Wege spazieren, genieße überraschende Wantan Füllungen in Chinatown, schlender durch den einen oder anderen Park um den lässigen SkateboarderInnen beim Flippen und den Hipstern beim Picknicken zuzuschauen. Seit mehreren Tagen hab ich meinen Ausflug nach Mt Dandenong im Kopf, den mir der ständig benacktoberkörperte Tattooträger aus Alice Springs noch schnell nahegelegt hat. Damit hat er meinen ganzen Doucheverdacht, den ich ihm gegenüber natürlich gehegt habe, ein bisschen durcheinander gebracht und ich hab das Gefühl, ich schuld ihm das ein bisschen, zu sehen, ob wir die gleichen Sachen gut finden würden. Sonst führt mich V. rum und ich seh mal eine Bar, mal einen günstigen Pastaplatz, mal eine Bibliothek oder ein Stadion von innen. Aufregend, dass die Carlton North gewonnen haben, hab ich schon gesagt, aber persönlich aufregender fand ich, wie die V. die Bier reingeschmuggelt hat. Da braucht s nicht viel für mich. Aber sonst hätten wir die wahrscheinlich einfach schnell vor dem Stadion austrinken müssen und hätten vielleicht das zweite Viertel auch verpasst.

Dann war ich in der National Gallery Victoria. Ich bleib da ja bei sowas gern bei den ImpressionistInnen hängen. Und schön, mal einen Monet und einen Manet nebeneinander hängen zu haben, damit ich mal lern, welcher, welcher ist… (Funfact: Der Wikipediaartikel von Monet sagt not to be confused with Manet und vice versa.) Zwischen den Bildern des frühen zwanzigsten Jahrhunderts laufen Un chien andalou (1929) und Vormittagsspuk (1927). Dann auf einen Sprung zu den Wiener SezessionistInnen, wo, hab ich letztens mal gecheckt, auch eine Frau als dabeigewesen zählt. In der Einführung finde ich den Satz Following the Nazi annexation of Austria in March 1938… und habe gleich das Gefühl, dass hier ein bisschen eine Intervention stattfinden sollte. Following a civil war, Austria gave up on any and all humanist ideas and chose the path of Nazi ideology in March 1938…

M…net

Ein anständiges Museum, das regelmäßig kostenlose Führungen durch verschiedene Ausstellungen macht. Das eigene Textboxen für Kinder anbietet, damit das auch für junge Leute interessant ist. Aber irgendwie ist es schon komisch, am anderen Ende der Welt europäische Kunst zu finden. Ich mein, nicht schlecht, da komm ich zumindest ein bisschen zum Nachdenken darüber, dass in den europäischen Museen natürlich auch viel hängt, das ein bisschen eine Reise hinter sich hat. Und was man sich antut, um den kulturellen Kanon um die Welt zu treiben.

Am ersten März hab ich meine Sachen erst einmal zusammengepackt um umzuziehen. Einerseits noch ein bisschen weiter in die Richtung, wo die schicken Straßencafés sich an die schicken Streetfoodläden sich an die schicken Barbershops („free beer with every cut“) reihen. Andererseits vielleicht ein bisschen kleiner, etwas persönlicher. Der Chef im neuen Hostel ist ein bisschen unheimlich in seiner direkten, bestimmenden Art und Weise, aber deshalb funktioniert sein Konzept wohl auch. Ein Konzept wo jeder sein eigenes Geschirr bekommt, aber dafür nicht unbedingt einen Schrank für mein Zeug. Er hat allerdings auch eine deutlich stillere, angenehmere Frau, insofern gleicht sich das eh alles ein bisschen aus. Aber wenn mir jemand gleich einmal erklären möchte, nach welcher Sprache mein Name ausschaut, like ausgerechnet: „German doesn’t have so many consonants, here, put one or two Vees in and you’re Polish.“ Aber ich krieg einen ganz guten Deal dafür, dass ich eine Woche bleib und ich nachdem ein neuer Vermieter nicht unbedingt jemand ist, mit dem ich mich gleich einmal anlegen möchte, lass ihm sein Checker-Sein. Er wirkt wie jemand, der einen Groll hegen würde.

I’ve got one in a four-bed room or in a six-bed room. They’re the same price.
Alright, I think I’ll have the one in the four-bed room, then.
Schaut von seinem A3 Heft auf, in dem er seine Übersicht über alle Betten, Zimmer und Gäste aktuell hält und lächelt mich an: „I’ll give you the one in the six-bed room.
„…“
It’s much nicer.
Well, I guess I’ll trust you.
Good.

Das ist jetzt auch schon wieder… mehr als eine Woche her. Aber es ist auch wirklich gemütlich und es gibt viele LangzeitbewohnerInnen, die mit ihrem Work-and-Travel Visum hier tatsächlich wohnen. Ich kann mir vorstellen, dass das gut funktioniert und ehrlich gesagt, die Woche hier war schon sehr gemütlich und ich versteh mich gut mit den Leuten, die hier sind. Vielleicht ein bisserl viel Rauschmittel aber auf jeden Fall friedliches Auskommen und gute Stimmung. Bisweilen hängt einmal das halbe Hostel vor dem Fernseher, für die seltsamsten Sendungen finden sich oft erstaunlich viele Leute. Gut, an Birdman waren die ZuschauerInnen zugegebenermaßen weniger interessiert und sind nach und nach für wichtigeres aufgestanden. Dann ist das ganze Zimmer für eine Formel 1 Dokumentation voll. Oder gestern Abend, als Magic Mike XXL gelaufen ist. Der Entscheidungsprozess ist mehr Papstwahl, indem der gemeinsame Geist der BewohnerInnen durch die Person mit der Fernsteuerung agiert. War schon ein erstaunlich ok-er Film, und glücklichweise hat es mir niemand übel genommen, dass ich manchmal bisschen Kommentar notwendig hatte, quasi #SavedByTheMetaebene. Der Anfang war eindeutig besser, insgesamt stringenter und nicht uninteressant, wie die Homophobie gehandhabt wurde. Weil immerhin ziehen sich da erwachsene Männer gemeinsam aus und tanzen miteinander. In der zweiten Hälfte verliert sich die Handlung dann ein bisschen und ich persönlich fand die Strip- aber auch Tanzszenen nicht besonders aufregend. Außer natürlich, man sagt, wenn man nicht hinschauen kann, sei das ein Zeichen für aufregend, weil manches war einfach nicht zum Hinschauen. Und ich will nicht sagen, dass da nicht ein paar Einlagen dabei waren, die ich auch gut fand, aber in der zweiten Hälfte hab ich mich eher gewunden vor Übergriffig.

So werden die Leute aus der National Gallery verabschiedet. Ur süß.