back to work

Von den sicherlich vielfältigen Möglichkeiten back to work zu zitieren, denke ich an Amy Winehouse, während der Satz aus dem Kopf in meine Finger fließt. Und das ist ja nicht einmal ein echtes Zitat, work passt ja kaum dorthin, wo sie black gesungen hat. Und eigentlich ist es auch gar nicht so finster gewesen, mich wieder ein bisschen mit Arbeit zu beschäftigen. Im Gegenteil war das eine hübsche Abwechslung und so viel hat sich in einem Jahr auch wieder nicht getan, dass ich nicht überall sofort einen Anschluss gefunden habe. Unabhängig von was sich in den nächsten Monaten tun wird, so hab ich quasi schon wieder versprochen, das nächste Treffen in Padua, da wird man mich sicherlich zu sehen bekommen. Ist ja nur um s Eck, ist ja kein Aufwand, ja ja, wir verlieren uns nicht aus den Augen…

A. sagt, sie hat nach der Konferenz das Gefühl, employable zu sein. Auch A. hat ihre Krisen und es ist nicht so einfach einen Job zu finden, in dem man Anerkennung findet, Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, ein angenehmes soziales Umfeld, Freude an der Arbeit und die Fähigkeit, die Sachen auch liegen zu lassen, wenn die Glocke läutet. Ist das zu viel verlangt? Es ist interessant, wie die Anerkennung für die Arbeit einmal für ein Jahr liegengelassen zu haben, einen Schritt heraus gemacht zu haben, in vielen meiner vertraulicheren Gespräche im Vordergrund steht. Aber wie sehr will man sich wirklich anhören, was ich über Tahiti zu erzählen habe, über Papayapalmen, Bananenbüschel und kübelweise Karambole. Oder vielleicht fallt s mir mehr auf, weil es auch für mich letztlich das interessantere ist, darüber zu reden, wie ich nur langsam zur Überzeugung gefunden habe, dass das eine gute Entscheidung gewesen ist. Und es ist auch… ich will nicht sagen, dass alles noch da ist, das alles auf mich gewartet hat, dass ich überall sofort den Anschluss parat habe. Sicherlich muss ich einige Fragen nachlesen und Variablen herauskramen, die ich vergessen habe. Keine Ahnung, wie wir das im österreichischen Bericht behandelt haben. Aber so fremd ist das auch wieder alles nicht.

Hat mir gut gefallen, dass im Konferenzhotel die Räume nach Woody Allen Filmen benannt waren

Ist das also gut, dass ich sofort wieder drin bin? Weil ich bin andererseits auch in der Situation, dass es schwierig ist, etwas beizutragen. Ich arbeite eben nicht mit den Daten, ich habe keine Möglichkeit in den Arbeitsgruppen etwas beizutragen, wenn wir über Validierungen sprechen oder die Arbeit an internationalen Vergleichen zu unterstützen. Auf der anderen Seite war das noch nie der Fall und war vom ersten Treffen an ein Moment der Enttäuschung, dass ich den Enthusiasmus und die Neugier, die auf so einer Konferenz entsteht nicht in den Arbeitsalltag mitnehmen konnte, weil dort die Zeit und das Interesse dafür schlicht nicht bestand. Man könnte meinen, es wäre jetzt sogar einfacher, wo ich zumindest die Zeit hab.

Trotzdem.

Ansonsten hab ich verhältnismäßig ruhige Tage verbracht. Nachdem ich meine Erkältung hörbar vor mir hertrage, habe ich viele von den Abendveranstaltungen kurz gehalten. Es ist einfach wenig aufregend mit verstopften Ohren und verstopfter Nase Unterhaltungen in lauten Umgebungen beizuwohnen. Die Beteiligungsmöglichkeiten sind begrenzt und mein Stolz kränkt unter der leider notwendigen Mundatmung. Also geh ich nachhause und schlaf mich aus.

Währenddessen gibt mir eine der Hostelmitarbeiterinnen einen Löffel Honig zu meinem Frühstück. Nicht in den Tee, nach dem Essen, nach dem Tee, betont sie. Ich weiß nicht, ob s hilft. Aber es ist erstaunlich ungut, puren Honig zu essen. Einerseits merke ich, wie ich von der Großzügigkeit überrascht bin und frag ich mich sofort in der Umkehr, woher meine Sparsamkeit mit dem Honig kommen möge. Aber ich nehme noch einen zweiten, dritten und vierten Löffel. Es geht tatsächlich etwas besser, vor allem im Laufes Tages. Aber Ursache und Wirkung und solche Dinge… Ich bin aber superdankbar, weil ich das einfach eine total nette Geste finde.

Außerdem war ich ja bereits Tag vier

Das ist ja das. Mit den Gesten. Ich erlebe die ArmenierInnen schon stark als Leute, die s nicht besonders lustig zu haben scheinen. Lächeln ist nicht etwas, was Alltagsinteraktionen notwendigerweise begleitet. Aber vielleicht verstärkt das mein Dankbarkeitsgefühl, dass ich dann oft empfinde. Im Café, aber das ist ja fast schon wieder was anderes, werden wir dermaßen freundlich bedient, dass es schwierig ist, das anzunehmen. Weil sich selbst freundlich nicht unbedingt in äußerlichen Emotionsdarbietungen der Caféangestellten spiegelt. Sie ist einfach immer da und sie sagt viele Worte mit Danke und Bitte und viel Verständnis und ich bitte hoffen zu dürfen, dass sich für die werten Damen und Herren alles zur vollsten Erfüllung persönlicher Glückspotenziale zugetragen habe und was einem nicht so alles in den Sinn kommt, wenn man einen Kaffee serviert. Das war im Café Central.

Und eigentlich wollte ich ja noch etwas zu dieser Russischsituation sagen, die ich nicht so ganz zu greifen bekommen habe. Es ist ja so. Armenien hat eine sehr entspannte Beziehung zu Russland. Scheint zu haben. Da gibt s keinen bösen Blick auf eine Kolonisierung oder eine Unterwerfung oder so was. Das hat viel damit zu tun, dass man in Armenien oft einmal das Wort Genozid zu hören bekommt, wenn man die Stadt besichtigt oder durch eine Teppichmanufaktur geführt wird. Da ist Russland die freundlichere Nachbarin. Aber unabhängig dessen steh ich dann oft einmal da und formuliere ein thank you wo es doch ein s’pasiba auch tun würde. Aber bevor ich zum Russisch greife, schießt mir halt durch den Kopf, dass wenn ich mich schon einer Fremdsprache bediene, dann könnte ich doch gleich lernen, meine Dankbarkeit gleich auf Armenisch auszuformulieren. Aber ja, das läuft da alles zusammen irgendwie mit meiner Unkenntnis der politischen Situation und daraus resultierender Unsicherheit und einem vielleicht seltsamen Verständnis von Englisch als einer neutraleren Sprache. Oder vielleicht auch, dass ich auf eine russische Antwort nicht vorbereitet wäre und niemand mir eine armenische Antwort geben würde.

Jetzt bin ich in Georgien und da ist zumindest die Politik auf der Seite meiner Vorsicht. Aber letztlich ist auch hier Russisch wesentlich gebräuchlicher, deutlich verbreiteter und etwas selbstverständlicher ist, als Englisch. Ich hab mir auch schon Danke auf Georgisch sagen lassen, aber obwohl ich das zwei Minuten lang im Mund hin- und herfließen habe lassen, hab ich s bald einmal wieder vergessen. Zuerst die zweite Silbe. Dann die erste Silbe. Plopp.

Hab ich gesagt, wie wild gebaut wird, in Eriwan? Vielleicht, meint eine Kollegin, für den Fall, dass die Diaspora über Nacht nachhause kommen will

Hat mich die Arbeit also gleich wieder in ihren Bann gezogen. Weil es interessiert mich schon und ich hab schon einen Spaß dabei, mit den Leuten aus der Welt über Policies und Prozesse nachzudenken. Und so tuckel ich noch ein bisschen durch dieses Eck der Welt, mit seiner jahrtausendealten Geschichte und seinen jahrhundertealten Konflikten und dem guten Obst und den schönen Nüssen; aber im Kopf bin ich oft schon ein bisschen weiter, da denk ich schon eher nach, wo ich meine Füße in den Sand setzen möchte. Auch in die Freude auf Freundinnen und Freunde mischt sich eine Ahnung von fachlichen Unterhaltungen, deren Eckpunkte ich mal nebenher auf einer Serviette notiere…

So ernst ist es gleich wieder, dieses Europa.

Ein eriwanster Eindruck

Gleich von Anfang an hab ich s schon gern. Ich will s natürlich auch gern haben, so ist das nicht. Und so geht s, gleich von Null weg. Und es ist gleich wieder so viel Europa. Warum, frag ich mich, ist das so viel Europa? Vielleicht ist es nur, dass die Architektur ein bisschen geradliniger ist, deutlich massiver, die Häuser Barrikaden gegen das kalte Wetter. Und wahrscheinlich stimmt das auch, dass es eh nicht viel anders ausschaut als manchmal auf Hokkaido. Und die Luft ist klar und der Himmel blau und die Berge hoch. Der Anflug war ziemlich imposant eigentlich, weil wir so über die Eben fliegen und am Horizont schießen mit einem Mal die Berge weit über die Schneegrenze. Aber Eriwan selbst: alles flach.

Gefällt mir gut, aber nicht zuletzt weil der Himmel aber so schön ist.

Weil ja, der Winter. Ich hab sofort den Eindruck, dass Eriwan im Sommer noch einmal eindrucksvoller sein könnte. Irgendwie ist das ja auch sowas, was in meinem Kopf nicht ganz präsent ist: diese Gegenden, in denen es im Sommer sehr heiß ist und im Winter trotzdem sehr kalt. Ich war ja seinerzeit auch in Rumänien schon etwas überrascht, dass die im Sommer locker in die Mittdreißiger kommen, aber es im Winter trotzdem friert. Aber ja, mittlerweile haben wir das ja in Wien ebenfalls. Der Süden kommt zu uns, ob wir ihn reinlassen wollen oder nicht. Na und hier stehen halt bereits viele abgedrehte Springbrunnen, ausgelassene Kunstteiche herum. Aber es ist warm genug, dass die Menschen auf den Parkbänken sitzen. Oder auf der Straße und Obst, ähm, feilbieten: Die Granatäpfel sind aufgestapelt, aber auch Pfirsiche, Zwetschgen, Äpfel und Sharon gibt s zuhauf, außerdem Walnüsse, oh, Walnüsse, säckeweise. Und das kann man alles direkt auf der Straße kaufen, aus Säcken, manchmal aus einem Auto. Man kann das aus einem kleinen Geschäft kaufen, in dem mich der Mann mit seinem fehlerfreien Englisch überrascht hat, oder man kann das im großen Supermarkt kaufen, in dem ich heute war. Der aber wirklich wiederum ein Supermarkt ist, so wie man sich das vielleicht vor hundert Jahren vorgestellt hat: Man kann ganz viel offen kaufen, Obst, Gemüse, Brot sowieso. Auch Käse, Fleisch und Wurst, ein paar Aquarien mit Forellen drin oder Garnelen. Aber es stehen eben auch Bottiche mit Kaffeebohnen (die man daneben dann mahlen kann), Reis, verschiedene Nudeln, Mehl und sogar manche Gewürze: Zimt erkenn ich, was gelbes, was rotes… steht offen herum und ist in kleine Säckchen abzufüllen. Hat mir sehr gut gefallen. Beim Käse hab ich außerdem eine riesige Maschine gesehen, ich glaub, die machen selber Käse im Supermarkt. Und was bleibt dann noch? Nun, ein Drittel des restlichen Supermarkts ist die Alkoholabteilung. Als ich an der Kassa die Frage nach einem Sackerl – scheinbar – verneine, stellt sie fest, gut, kein Sackerl und nimmt dann doch ein Sackerl für meine kleinen Einkäufe (Schokolade, Zahnpasta, Thymiantee). Immer noch verdutzt, was sie wohl mit ihrer ersten Frage gemeint hat, wenn sie mir dann erst ein Sackerl gibt.

Der ausgelassene Schwanensee. Ich weiß nicht, ob der nach dem Ballett benannt ist. Derzeit jedenfalls: no swan. no lake. Dafür Herbstsonnenuntergang in den Wolken.

Ja, ich kauf mir einen Thymiantee für den Hals. Kaum hab ich den Herbst eingeholt, erwischt mich die Verkühlung. Es gibt da verschiedene mögliche Ursachen und wahrscheinlich spielt das alles zusammen. Ich sag gern, dass es wohl damit zu tun hat, dass ich ja zum Arbeiten hier bin und das ist vielleicht jetzt unzutreffend, aber in den letzten Jahren hat mich mein durch die Arbeit strukturierter Lebensrhythmus und dazugehöriger Stress ganz sicher in zwei, drei Verkühlungen pro Jahr getrieben. Aber natürlich sind auch die gefallenen Außentemperaturen eine Überraschung für den Körper. Und noch spezifischer bin ich ja zuletzt elf Stunden lang in Novosibirsk herumgelegen, während ich auf meinen Anschlussflug gewartet hab und das ist vielleicht auch gar nicht so ohne. Überhaupt, das viele unterwegs sein diese Tage. Und in Bangkok hat vielleicht auch diese überraschende Feier ein bisschen beigetragen, mit dem vielleicht nicht ganz durchgegarten Huhn, auch das hat den Organismus etwas angestrengt.

Auf jeden Fall bin ich die ersten paar Tage in Armenien gleich einmal relativ viel daheim herumgelegen, mit dem Versuch mich zu schonen. Dann wiederum hab ich auch versucht, meinen Körper in Schwung zu bekommen und der Erkältung mit einer Aktivierung von Kreislauf und Immunsystem zu begegnen. Ich mein, ja, funktioniert beides entweder nicht oder aber was die eine Taktik funktioniert, kränkt mich die andere, so dass ich da eigentlich relativ in der Stabilen verharre. Es ist ja auch so, dass Krank-Sein nicht so einfach ist, zwischen Sich-Spüren und Konsequenzen für den Alltag daraus ziehen… Hat ja letztlich auch viel mit Verantwortung-für-sich-Übernehmen zu tun und ich merk bei mir die naheliegendste Reaktion ist immer noch, dass ich ja wohl damit heute nicht in die Schule muss.

Aber was ich seh von Eriwan gefällt mir wirklich. Da ist der verschwenderische Umgang mit Granatäpfeln, was mich zugegebenermaßen bezaubert. Da ist die märchenhafte Schrift, die aussieht, als hätte sich die DesginerIn auf den Buchstaben U beschränken wollen. Nein, es hat alles so einen Charme, den ich wohl rustikal nennen muss, weil es nicht genügend andere Wörter in meinem Wortschatz gibt. Steckt das Wort Rost im Wort rustikal? Es ist alles ein bisschen abgenutzt, abgewischt, eingezwickt. Wäsche in den Hinterhof hinaus. Manches wirkt vielleicht ein bisschen nach Sowjet-Chic, aber anderes wirkt auch älter oder ist das Neo-Jugendstil? Es gibt große, breite Straßen und Prunkplätze, es ist aber auch alles wieder mit Autos zugeparkt. Und wenn mitten im Zentrum gerade erst Anfang des Jahres ein großer Park zum zweitausendachthundertjährigen Jubiläum von Eriwan eröffnet wurde, dann wirkt das, als ob da noch einiges im Fluss wäre. Ja, es gibt hier auf jeden Fall die eine oder andere Tradition.

Das Außenministerium. Und davor steht Stepan Schahumjan (1878-1918), seineszeichens armenischer Revoluzionär. Nicht der einzige Bolschewist ist, dem im Zentrum Eriwans ein Denkmal gebaut ist (und schaut aus wie verhältnismäßig unlängst…). Plus, sein Wikipediaaufsatz (naja, der englische zumindest) erzählt uns, dass er gerne friedliche Lösungen für Konflikte gesucht habe.

Jetzt, die Leute, da hab ich mir schon in Novosibirsk gedacht, dass das schon ein massiver Unterschied zu den ThailänderInnen ist. Da sieht man dann oft einen Russen, der doppelt so viel Schultern, doppelt so viel Hals hat und bei den Armeniern ist das nicht viel anders. Und natürlich bin ich da beschämt, mit welcher Leichtigkeit ich die Armenier mit Cartoon Bösewichten assoziiere. Ich mein, das sind jahrelange mediale Wiederholung, die das tief in mich eingegraben hat! Aber mit ihren Lederjacken und den Jogginganzugshosen und den Drei-, Viertagesbärten und den Sonnenbrillen und den Kaugummis und und und

Was ich nicht ganz heraußen hab, ist die Beziehung zu Russland. Ich mein, klar, Teil der Sowjetunion und solche Sachen. Aber jetzt wird hier ja viel Russisch gesprochen auf der Straße und vieles ist in Russisch angeschrieben – ich fand das zum Beispiel relativ amüsant, dass im Englischen Garten die Wegweiser zu den Toiletten nur auf Russisch angeschrieben waren. Und ich werde auf Russisch angesprochen, weil von dort kommt der Tourismus offenbar in erster Linie. Und zu meinem Erstaunen muss ich sagen, diese russischen Einstiegsfragen versteh ich ja sogar oft, weil da ist ja auch der Kontext und da weiß ich schon zirka. Antworten kann ich dann allerdings nicht und so steh ich dann manchmal ein bisschen verloren, wo ich in der Rolle bin, eigentlich jetzt eine Antwort zu geben, aber ich kann meine Antwort halt nicht formulieren (oder bin mir auch gar nicht sicher, ob ich jetzt wirklich verstanden hab, kommt schon auch vor). Und dann muss ich erst wieder irgendwas auf Englisch stammeln. Weil lustigerweise stammel ich ja trotzdem auf Englisch. Ich weiß nicht, vielleicht wäre auf Deutsch stammeln gar nicht so verkehrt. Obwohl, die Jüngeren tatsächlich gut mit englisch sind, quasi die unter vierzig (o mei, wie sich die Bedeutung von die Jüngeren wandelt, auf dem eigenen Marsch durch die Lebensalter). Oder man macht halt das, was die JapanerInnen auch gern eingesetzt haben und lässt sich die Konversation vom Computer übersetzen. Mit meinem Taxichauffeur hatte ich so fast eine Unterhaltung. Ist wie Telefonieren, aber halt nur mit einem Telefon.