Dort, wo die Hüften die Hosen tragen,
Wäre es – um nicht zu sagen:
Ist ein Sonnenbrand unangenehm.
Nach sieben Wochen jetzt trotzdem geschehen.Ich trage seit längstem längere Shorts, stets die gleichen
Während die Badehosen nicht ganz so weit reichen.
Nun lagen wir lesend am Strand – eh beschattet
Sowie sorgfältig mit Crème Solaire ausgestattet.
Und doch ungewohnt der Sonne entblößt,
Hatt ich bald meine madige Farbe verbüßt.Ein Sonnenbrand allein tät mir
Den Tag noch nicht verderben.
Doch als der Römer auf ein Bier
hinzustoß, wollt ich sterben.Weil er Umweltschutz für die UN diskutiert.
Weil er auf Einladung hier ist und sich nicht geniert,
Fröhlich französische Lieder zu singen
Und lachend überall ein Gespräch zu beginnen.
Weil er den halben Pazifik durchtaucht
(wobei er nur die Luft seiner Lunge gebraucht).
Weil er “all of the Roman languages” spricht
Portugiesisch am liebsten; Rumänisch wohl nicht.
Weil er nachts am Himmel die Sternbilder zeigt
Auch wenn Cassiopeia sich in ein M verneigt.
Weil sein Hemd an den Schultern grad etwas spannt,
Die funkelnden Augen, die kräftige Hand…
Weil er gern nach dem Essen Zigarren raucht.
Den, en somme, hätte ich echt nicht gebraucht.
Schlagwort: Französisch Polynesien
Cruising the Kurpark
Die Flugzeuge fliegen wieder. Zum ersten Mal ist mir das vor ein paar Tagen aufgefallen, zuerst als ungewohntes Geräusch, das mich morgens geweckt hat. Aber bald schon ein zweites, drittes, viertes und jetzt sind sie einfach wieder da und es geht den ganzen Tag so dahin. Da fliegen sie hin und her und ihre Triebwerke wummern bis in unseren Innenhof herunter, als könnten sie ihre Freude über die wiedergewonnene Freiheit kaum für sich behalten. Schau, schau, schau! Wir sind wieder da, alles wieder wie früher, Fanfaren der Normalität.
Five to one against and falling . . . four to one against and falling . . . three to one . . . two . . . one . . . Probability factor of one to one . . . we have normality . . . I repeat we have normality . . . anything you still can’t cope with is therefore your own problem.
Tricia McMillan
Es ist schwierig, daheim zu sitzen. Man kann sagen, es gibt eigentlich kaum noch einen Grund, daheim zu sitzen. Aber für die, die am Anfang der Pandemie – oder vielleicht vielmehr: am Anfang der Maßnahmen gegen die Pandemie – gesagt haben, dass sich ihr Leben eigentlich nicht besonders verändert hat, damit, dass sie jetzt zuhause bleiben müssen, für die ändert sich ja auch weniger, wenn die Maßnahmen hier und dort wieder abgebaut worden sind. Und am Anfang war s lustig, weil da haben diese Leute ein bisschen eine Aufmerksamkeit bekommen, aber jetzt bleiben sie einfach wieder daheim und draußen ist schwierig und Leute treffen problematisch. So ist es fast wieder etwas schwieriger dadurch, dass die Maßnahmen das Leben kaum noch einschränken und ich dann wieder ein bisschen mehr die Enge spüre, weil ich ja auch Sans-Corona zum Rückzug tendiere.
Selbst wenn das ganz so nicht stimmt. Weil ich treff trotzdem die C. auf einen Sprung in den Wald und ich geh mit der R. einen Kaffee trinken… Insofern ist es ja nicht das Daheimsitzen noch das Allein-Daheimsitzen, was ich problematisch erleben würde. Aber die Standardeinstellung, die Lebensweise, zu der ich zurückkehre, da bin ich allein daheim und mach den Panther. Oder eh: mäh ich den Rasen, wisch ich den Boden, back ich ein Brot. Oder brat mir einen Reis an. Hab ich das gesagt? Dass mir mein philippinischer Tauchlehrer sagt, wie er zum ersten Mal meinen Namen gelesen hat, wie er zum ersten Mal für diese ganze Zertifikatsausstellung, zum ersten Mal nach zwei Wochen fast täglichen Tauchens das „Friedrich“ auf dem Bildschirm aufflimmern gesehen hat, dass er da zu mir gesagt hat: „Friedrice? Your name is actually Fried Rice?“ Auch deswegen mach ich mir das jetzt gerne. Eine Handvoll schöner Erinnerungen ist schon die halbe Würze. Auch wenn s letzten Endes immer noch nicht so schmeckt, wie ich mir das vorstelle. Aber es schmeckt. Und letztens hab ich ein Nasi Goreng gemacht, also ich hab was gemacht, was am meisten nach Nasi Goreng geschmeckt hat, von all meinen Nasi Goreng Versuchen. Und das ist dann nicht einmal ein Nasi Goreng Versuch gewesen. Abgesehen, natürlich, davon, dass es von der Schärfe her eher ein mild war. Im Gegensatz zu meinem Burrito, den ich mir bei mir an der Ecke gestern gekauft hab, nachdem ich mich im Gespräch da hineingesteigert hatte. Weil ich war da einmal, wie sie aufgemacht haben, kurz darauf. Und das ist so nett irgendwo, weil die sind so bisschen unprofessionell und das ist ja etwas, ich mein, das sollt s ruhig mehr geben. Aber vor lauter Unprofessionalität bin ich dann plötzlich in einem Gespräch gewesen und über kurz oder lang haben sich alle im Geschäft auf Spanisch unterhalten und ich kann das gar nicht, eine Spanische Unterhaltung führen. Ganz ehrlich tu ich mir ja leider oft einmal schon mit einer Deutschen Unterhaltung schwer. Aber die Frau Eigentümerin hat halt ewig lang für ihre Burritos gebraucht und ihr Gatte hat uns einstweilen verbal unterhalten… da war ich gleich drei Jahre lang nicht mehr dort. Hab s mir allerdings ein bisschen schöngeredet, weil, eben: so ein unprofessionelles Burritogeschäft macht ja nicht jeden Tag auf, das ist schon schön, sowas zu haben. Und ich mein, sie haben s auch drei Jahre ohne mich ausgehalten, obwohl ich mir oft gedacht hab, dass ich mal wieder reinschaun sollte, aber dann hab ich halt grad keine zwanzig Minuten oder – wahrscheinlicher – ein bisschen Angst davor, in eine Spanische Unterhaltung verwickelt zu sein. Na denn. Ich will ja bloß sagen, dass der Burrito nicht irrsinnig scharf war. Und zwar weder im Sinne von attraktiv, noch im Sinne von – wie sich der Gatte bei der Herstellung dreimal bei mir abgesichert hat – spicy. Aber dafür war s nur eine Deutsche Unterhaltung, also menos mal.
Also ja, es gibt schon auch die Welt und eine Auseinandersetzung. Es braucht bloß viel Kraft für so einen Ruck. Sonntag zum Beispiel, bin ich auf s Rad gestiegen um meinen Ausflügen an die Wiener Peripherie, den Süden als die vierte und bisher fehlende Himmelsrichtung hinzuzufügen. Bin ich nach Oberlaa gefahren. Weil ich hab da heute Morgen einen so einen Pin gefunden, in meinem Stadtplan, ein Pin der gesagt hat „Japanischer Garten“. Weil im Oberlaaer Kurpark gibt s einen Japanischen Garten und den hab ich mir wohl irgendwann mal gespeichert. Und nachdem der Sonntag diesmal auf einen Samstagabend gefolgt ist, an dem ich mich um acht zu This is Spinal Tap! Hingesetzt hab, was ein guter Film auch dadurch ist, dass er nach 82 Minuten schon wieder vorbei ist und mir noch eine gute Stunde Zeit gegeben hat, mir die Option des Außerhalb-Antrinkes durch den Kopf gehen zu lassen, war ich heute nach Katzefüttern, Kücheaufräumen und Kloputzenkontemplieren schon um elf mit meinen heutigen Chores fertig und ein bisschen unrund gegenüber so viel unstrukturiert vor mir ausgestrecktem Tag. Also bin ich da schon früh am Rad gesessen, hab mir ungefähr einen Weg eingebläut gehabt und mir nach Wochen des Immer-wieder-enttäuscht-darüber-Seins-mir-nicht-Self-auf-das-neue-Telefon-migriert-zu-Habens noch schnell Self auf s Telefon geladen. Und ja, ich mein, seinerzeit hab ich dieses Album wohl wirklich in erster Linie deshalb gekauft, weil die Nummer drei Meg Ryan geheißen hat. Aber mittlerweile ist gerade das durchaus ein Sehnsuchtslied an sich:
I’ve decided to believe
That I’m Polynesian originally
I want the air set to seventy degrees
I want pineapples and sugar as the major industries
Und wie das dann endlich durch meinen Kopfhörer geklungen hat, war ich schon irgendwo, wo ich mich längst nicht mehr ausgekannt hab. Der Süden ist echt nicht so meine Ecke, muss ich zugeben. Aber es zahlt sich aus. Ich fand den Oberlaaer Kurpark vergleichsweise beeindruckend. Weil er mich an einen australischen oder neuseeländischen Park erinnert hat, in dem ein bisschen Pflanzen beschriftet sind und ein bisschen Liegewiese ist und ein bisschen andere Spompanadeln zu haben sind. Wie eben auch ein japanischer Garten. Jetzt war ich aber zuerst einmal mit der Frag konfrontiert, was für eine Flagge das ist, die über ein Drittel einen weißen Balken hat und im Rest der Fahne ist dann ein weißer Halbmond mit Stern in den Fingerspitzen auf dunkelgrün. Ich hab mich von ganz im Westen durcharbeiten müssen. Algerien, Tunesien, Libyen… ich mein, da war ich schon auf der Wikipedia und hab Libyen vor allem deshalb angeklickt, weil s als eines der Nachbarländer Tunesiens genannt war. Aber auch da hätte ich die neue Flagge nicht aufsagen können. Ägypten hab ich dann übersprungen und hab mal den Oman angeschaut. Ich müsste das jetzt nicht dazusagen, aber während ich auf Pakistan geklickt hab, hab ich „nein, nein, nein, das wird s nicht sein“ vor mich hingeflüstert. Aber schau an. Pakistan. Da war heute wohl eine Veranstaltung für Österreich-Pakistanis im Kurpark. Überhaupt war s hübsch gemischt vom Publikum und gar nicht besonders voll insgesamt. Was mich gleich einmal wenig gewundert hat, weil keine Fahrradständer bei den Eingängen stehen. Dann wiederum gibt s Parkplätze für hunderte PKWs, also könnte man sich schon wieder wundern.
Ich hab mich dann ein bisschen auf einen der verfügbaren Liegestühle gelegt und das war nicht super, aber schon gut. Bloß, weil die halt aus Metall sind und erstens rutsch ich da runter und zweitens drücken sie auf der Wirbelsäule. Es hat also bisschen gedauert, bis ich da eine stabile Rückenlage gefunden hab und auch die hat sich bisschen komisch verrenkt angefühlt. Nachdem die Familie, die sich s kurz darauf auf der Parkbank-Tisch-Bank-Kombination gemütlich gemacht hat, wenig offen irritiert über meine Haltung gewesen schien, dürfte sich meine Schieflagensorge auf ein internes Problem beschränkt haben. Eigentlich wollte ich ja was lesen, eh klar. Ständig der Anspruch. Aber ich hab mich schnell für s Hören entschieden und dem Anspruch gar nicht so recht zugehört. Weil ich hab am Vormittag ein kleines Gespräch zwischen dem Jon Ronson und dem Louis Theroux angehört gehabt und da hatte ich dementsprechend enorme Lust, mir ein bisschen mehr Jon Ronson anzuhören. No shade on Mr Theroux, wirklich nicht, aber vom Jon Ronson hab ich halt allerhand am Telefon. Und ich glaub, der Louis Theroux macht auch mehr Filme sonst als Bücher und Radiosendungen. Den Louis Theroux kenn ich ja von der K., mit der ich in Neuseeland über den Mount Doom geklettert bin. Auf dem Abstieg hab ich wahrscheinlich vom Jon Ronson angefangen und nachdem sie ihn nicht kannte, so beschrieben, was der so macht. Und hat sie von Louis Theroux angefangen, weil der sowas ähnliches mache. Und er macht sowas ähnliches, aber irgendwie ist der Jon Ronson halt my boy. Wenn man zwei hat, die das gleiche ca. machen und man das bei einem vorher super gefunden hat, dann ist der andere halt der andere, der das auch so macht. Aber dafür ist der Louis Theroux ein Freund vom Adam Buxton (immerhin ist er da unter rambles with old friends kategorisiert) und dadurch hat er halt auch in meinen Augen bisserl ein eigenes Profil bekommen. Und jetzt reden die darüber, dass sie halt zirka das gleiche machen! Das war schon witzig irgendwie. Und dass sie eine Rivalität tatsächlich haben. Weil sowas sagen die natürlich. Weil was sie machen, das war auch schön, weil der Louis hat dem im Gespräch einen Namen gegeben, als er s als puckish first person immersive journalism, that’s based on building relationships beschrieben hat. Was sie machen, ist, dass sie halt mit irgendwelchen Leuten Zeit verbringen, die ein bisschen einen Knacks haben. Also mit Neonazis oder mit Ku-Klux-Klanleuten oder mit VerschwörungstheoretikerInnen oder Pornografiepersonal oder amerikanischen WildtierhalterInnen. Und reden halt mit denen, lernen die kennen, reden mit ihnen über Hoffnungen, Träume, Weltbilder, nehmen dabei massig Zeug auf und schneiden das dann in eine halbstündige Radio- und oder Fernsehsendung.
Den Jon Ronson, den ich heute beim Spaziergehen hab laufen lassen, war über Being Alone. Würd ich ja fast erfinden, so gut hat das gepasst, aber es war einfach der nächste in der Liste, ich schwöre. Da hat er zuerst mit dem David Quantick geredet, der eine sehr schöne schottische Stimme hat und ein guter Freund vom Jon ist. Und da erzählt der Jon die Geschichte, dass er in London unterwegs war und den David gesehen hätte und dann will er über die Straße gehen, sieht er, wie der David ihn sieht und – im Glauben noch nicht vom Jon gesehen worden zu sein – sich hinter einem Auto versteckt. Und dann reden sie so ein bisschen darüber, wie man manchmal lieber allein sein will, auch wenn man wirklich nichts gegen die andere Person hat… Manchmal ist es einfach das, dass er eine alltägliche Eigenart diskutiert. Und manchmal hat er einen bei der Hand, der erzählt, dass er für den KGB als „Romeo-Spy“ jahrelang Frauen verführt hat.
Quasi apropos You Only Live Twice, hab ich mir zuerst schon ganz schön schwer getan, den Japanischen Garten überhaupt zu finden. Und vielleicht liegt s doch daran, dass die Schilder keine Pfeile haben sondern einfach nur ein Taferl ist, das wohl trotzdem in die richtige Richtunge gehängt ist…? Was weiß ich schon. Ich bin dann aber beim Tor drei oder so raus und bin plötzlich am Stadtwanderweg sieben gestanden, zwischen Weinreben, einem Hirsefeld und ein bisschen Brachland. Da hab ich dann den Jon abgedreht, weil ich sehr schnell eh sehr allein war und ich ratzfatz in der Stille angekommen gewesen bin. Bis auf, ja, die Flugzeuge fliegen wieder.
Ich bin schnell einmal fast über eine Schlange gestolpert und das war schon ein bisschen eine Überraschung und wieder ein guter Grund für Schuhwerk über Flipflops. Überraschend auch, weil sie erst einmal stehengeblieben ist und erst, wie ich einen Schritt zurück bin, ist sie weiter über den Weg gekrochen. Und ich bin nicht so gut mit Schlangen. Ich bin gar nicht gut mit Schlangen, hab ich gemerkt, weil auch wenn die vielleicht siebzig, achtzig Zentimeter lang war und ich im rechten Winkel zu ihr mindestens so weit entfernt, aber da war schon so ein erster Moment in dem das Hirn nur weglaufen wollte. Ich weiß nicht, ob das dieses Reptiliengehirn ist, von dem man da spricht, wo die uralten Sachen drin sind, weil als Reptil reagier ich vielleicht sogar mit ein bisschen einem Anbandelungsversuch, als mit Fluchtreflex. Jedenfalls war ich gleich auf hunderzwanzig, so gefühlt. Aber außen natürlich beinhart gefasst und kontrolliert. Da bin ich dann also vorsichtig ein, zwei Schritte zurück und hab ihr den Raum zum Wegqueren gegeben. Derweil hab ich mich auf die Metaebene geschwungen und mit versucht, Charakteristika für die spätere Bestimmung zu merken. Ich hab vor ein, zwei Monaten auf der Donauinsel mal eine Schlange gesehen, die dort vor mir aus der Wiese gekrochen ist, deshalb hab ich mir sogar unlängst erst österreichische Schlangen angeschaut. Aber das ist offenbar nichts, was mir im Kopf geblieben ist. Vielleicht war s auch einfach, dass in meinem Kopf immer noch wenig Platz für Gedanken gewesen ist, neben der dringenderen Frage wie weit wohl der Angriffsradius von einer derartigen Schlange wäre und wie weit ich mich da jetzt heranwagen möchte, nur weil ich glaub, dass sich gerade die Giftigkeit wohl am besten über die nähere Betrachtung des Kopfes zu bestimmen wäre. Und wie weit ich jetzt eigentlich vom Park weg bin, wie schnell so Gift wirkt und überhaupt, lass sie doch einfach in den Busch kriechen, hm?
Auf jeden Fall bin ich dann ein bisschen vorsichtiger gewesen. Also: zwei Minuten später bin ich durch eine trockene Wiese geschlendert, wegen der schönen Aussicht über die Donau und den Flughafen. Und dann hab ich mir gedacht, dass ich aber genau hier herumliegen würde, wäre ich eine Schlange. Erst dann bin ich die Pfade vorsichtiger entlanggewandert. Aber es war trotzdem sehr schön. Es war wirklich schön. Die Hitze und die Einsamkeit und die Felder und irgendwie die Perspektive… Ich hab daran gedacht, wie ich in den Ananasfeldern verloren gegangen bin, das ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her. Und ja, Wien-Süd, das ist eh schön, aber wie viel schöner ich das gefunden hab, weil ich einfach schöner gewesen… sozusagen. Also die Brille, die Linse… weil ich einen freieren, entspannteren Blick auf das Meer hatte, als jetzt auf Industrie, Kleinstädte und maschinengestützter Intensivlandwirtschaft.
Aber für den Moment hat’s trotzdem gepasst. Die sich abzeichnenden Schweißflecken im Tshirt, die Sonnenbrandanbahnung auf der Haut, die empfundene Fremdheit von mir in dieser Umgebung: schön war das. Und dann hab ich mir eine Traube Trauben von dem einen Stock geschnitten – unter Zuhilfenahme eines scharfkantigen Marillenkerns, den ich in der Tasche hatte. Weil diese Dinger sind irre fest angewachsen! Zugegeben, sind vielleicht noch nicht ganz reif. Und dann noch eine von den roten Trauben, da ging s schon leichter. Und dann war da noch ein Ringlottenbaum oder was und ein Apfelbaum und ein Reh und ein Hase und ein Raubvogel-der-vielleicht-ein-Turmfalke-war-ich-mein-er-war-sehr-weiß-und-er-hatte-einen-roten-Fleck-wenngleich-ich-ihn-weiter-vorne-in-Erinnerung-hatte. Witzig, wie das zwei Schritte aus dem Kurpark raus schon eine ganz andere Welt ist. Stadtwanderweg sieben halt.
Die Taschen voller Obst bin ich dann nochmal in den Kurpark zurück, quasi auf Anhieb in den Japanischen Garten. Der hat hingegen sicher schon bessere Zeiten gesehen. Was noch übrig ist, wird mit Hinweisschildern tapfer verteidigt. Wobei auch interessant war, dass „Bitte nicht in den Rasen treten“ ein bisschen an der gängigeren Formulierung „Bitte nicht auf den Rasen treten“ vorbeigeht. Dazu noch in Betracht gezogen, dass es sich mehrheitlich um selbstgemachte Schilder gehandelt hat, hab ich kurz den Eindruck bekommen, dass sich vielleicht die Japanische Botschaft um den Garten kümmern würde. Wär ja möglich, immerhin bleibt auch die Tafel am Eingang unübersetzt. Aber dann stehen die Öffnungszeiten doch wiederum unter dem Logo der Wiener Gärten, also vielleicht einfach nur, dass hier ein Provisorium eine Feldbeförderung zur dauerhaften Lösung bekommen hat.
Jetzt hat der Japanische Garten am Ende vielleicht noch ein bisschen enttäuscht. Aber das ist nicht so schlimm, weil immerhin hat er mich da runter gebracht und dann hab ich allerhand hübsches und interessantes und ein bisschen eine Entspannung gefunden. Und ich erinnere mich an zwei Menschen, die meinen Augenkontakt-und-Lächeln-Versuchen mit ebenso reagiert haben. Das ist auch kein schlechter Ertrag, würde ich sagen. Aber dann wieder daheim und hier dokumentieren, da ist es halt doch wieder was anderes und die Fragen sind andere und die Dringlichkeit oder die Ziele. Der Sommer ist auch schon fast wieder vorbei. Jardin de Plantes wär wenigstens Paris.
Ilsebill
Ich hab einen kleinen Ausflug gemacht, den Ausflug, für den Mo’orea berühmt ist, wenn man den Stimmen zuhört. Dazu bin ich nochmal ein schönes Stück mit dem Rad gefahren, zu meinem Tauchzentrum an der nordwestlichen Spitze der Insel. Ich sag mein Tauchzentrum, aber das ist es ja gar nicht. Ich bin dort Anfang der Woche mal hingefahren und hab mir dann gedacht, hm, so gut gefällt mir das gar nicht, muss nicht sein, steig ich auf s Rad und fahr die vierzig Minuten wieder heim. Aber heute war ich ja nicht zum Tauchen sondern zum Kayakausborgen. Und das machen sie gut. (Ich weiß nicht, wie sie mit dem Tauchen sind, wahrscheinlich auch nicht schlecht.)
Also setz ich mich in mein Kayak und sie sagt mir noch, es ist heute viel Wind und die Strömung kommt ebenfalls mit voller Kraft aus dem Wochenende zurück. Versprochen, sag ich, ich pass auf. Und das tu ich dann auch. Kayaken ist ganz schön anstrengend, das merk ich schnell. Und ich muss das Meer überqueren, um zu den kleinen Inselchen zu kommen, die da auf der anderen Seite sind. ich sag Meer, aber natürlich ist das nur ein Katzensprung. Und in diese Richtung hat mich die Strömung ja noch unterstützt.
Auf der anderen Seite ist dann wiederum Lagune. Und hier kommen die Leute von weither her um mit Stachelrochen und Haien zu schnorcheln. Also halte ich die Augen offen , während ich mir eine hübsche Stelle zum Anlegen suche. Etwa Hälfte rein zieh ich mein Kayak an den Strand und werde von aufgeregten Welpen begrüßt. So stellt man sich das vor: Welcome to Puppy Beach. Schon erstaunlich, wie viel Lebensfreude die Evolution in diese Tiere gepackt hat. War wahrscheinlich nicht einmal die Evolution sondern einfach, dass man über Jahrhunderte lieber die lebenslustigen Hunde aufgezogen hat, als die, die schon als kleine bisschen mehr zum Nachdenken geneigt haben.
In meiner ersten Runde finde ich weder Rochen noch Haie. Aber es ist trotzdem nicht schlecht durch s Riff zu tauchen. Und ja, es ist einfach die Farbe des Wassers, die so fantastisch ist, dass es unwirklich wirkt. Ich hab schon zuvor in meiner Einflugsschneise versucht, das Licht und, die Kontraste, die menschenleeren, palmüberhangenen, weißen Sandstrände festzuhalten. Aber natürlich hab ich meine Kamera vorgestern aufgeladen und heute ist keine Batterie mehr drin. Leicht verärgert, leicht frustriert mache ich mir geistig eine Notiz mal das Internet zu befragten, wie lange denn diese Batterie halten sollte. Ich mein, ganz ehrlich, das hat nach dem GBR nie wieder so funktioniert, wie ich das gerne gehabt hätte. Und das war nicht mal immer auf die Batterien zurückzuführen.
Ich war tatsächlich der erste in der Bucht, wenn man das eine Bucht nennen kann, die nach beiden Seiten hin relativ offen ist. (Wahrscheinlich nicht.) Oder vielleicht der zweite, nach dem Pärchen, die aber schon an der Spitze der Insel angehalten haben und sich mehr auf s Baden konzentriert zu haben scheinen als hier einem Rochen und/oder Hai zu begegnen. Das Riff gehört mir, wonderful! Natürlich nicht für lang: Während ich meine Runden drehe und den Fischen wie alten Bekannten beim Riffknuspern zusehe, kommen langsam die TouristInnenboote an… angeschwommen. Irgendwie fehlt mir oft das Verb, das die Bootsbewegung beschreibt. Und das ist im Englischen nicht einfacher. Weil irgendwie, klar: schwimmen. Aber für mich ist schwimmen entweder mehr so halt wie Tiere das machen oder aber wie ein Korken das macht. Also entweder eine durch körperliche Betätigung motivierte Bewegung oder eine passive Eigenschaft von einem Körper. Also beides nicht so ganz passend. Ich bin mit dem Flugzeug hergeflogen ist schon ein bisschen komisch. Ich bin mit dem Schiff hergeschwommen klingt, als ob ich neben dem Schiff hergeschwommen wäre.
Anyway. Ich schwimm ein wenig um die Boote herum, weil ich mir denke, die wissen wohl, wo s was zu sehen gibt. Aber da gibt s auch nicht mehr zu sehen. Also denk ich mir, vielleicht ist das ein bisschen weiter drüben und das Interinselriff zu seicht oder was. Also nehm ich mein Kayak und kayak ein wenig in der Gegend herum. Tatsächlich seh ich unter mir einen Stachelrochen vorbeiziehen, ich würde sagen, so ein Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben. Und er war sicherlich auf dem Weg ins Riff. Also umgekehrt und dem Rochen hinterher. Einmal kayak ich noch durch das Riff und erspähe tatsächlich noch einen Rochen, lege in der Nähe an, schnall mit die Brille und den Schnorchel um und rein ins Riff. So denk ich. Aber wie die reinste Berg-ProphetInnen-Beziehung bewegen sich plötzlich drei dunkelgraue, kreisrunde Gestalten auf den Strand zu: Ich bin kaum zwei Schritte ins Wasser, kaum die Knöchel benetzt, kommen die Stachelrochen auf mich zugeschwommen. Und kurzerhand krieg ich dann fast ein bisschen ein ungutes Gefühl, weil die sind schon sehr groß und ich weiß gar nichts über Stachelrochenverhalten. Aber noch während ich mich frage, wie sie das wohl anfühlt, wenn mir ein Rochen über den Fuß segelt, drehen die drei auch schon wieder ab. Eine gewisse Wehmut liegt doch in meinem Blick, mit dem ich ihnen hinterherschau.
Noch eine Runde durch s Riff gedreht, aber ich hab weder weitere Rochen noch Haie gefunden. Und jetzt kommt schon die zweite Welle, die coolen TouristInnen, die vielleicht ein bisschen länger schlafen möchten und dann aber mit dem Jetski unterwegs sind. (Ein Wort, das nicht im geringsten darauf schließen lässt, dass es ein Wasserfahrzeug beschreibt.) Und da denk ich mir, na gut, das ist mir jetzt dann schon genug. Ich bin über die Inselchen gewandert, hab meine Fische beobachtet und war den Stachelrochen so nah, dass es mir fast zu nah war, ich hab eigentlich alles gesehen. Und mach mich an die Querung der Meerenge.
Jetzt. Ich würde es gern auf die Jetskiidioten schieben, aber das ist wahrscheinlich unfair. Die Wellen sind so oder so ein bisschen mal hier mal da und ich versuche, wie mir die Frau vom Tauchzentrum Slash Kayakverleih gesagt hat, durch die zwei roten Pfosten hindurch meine Anfahrt zu erledigen. Was mir nicht gelingt: die Strömung ist stark und der Wellengang ungut und so muss ich alle paar Paddelzüge das Kayak neu ausrichten. Ich mein, ich nähere mich langsam meinen Pfosten, das schon. Aber dann fahren halt doch die Jetskibuben und -mädchen vor mir durch s Meer und Schuld oder nur der Frust von einem, der den unerbittlichen Kräften der Natur mit Muskelkraft und Unterstufenphysik (Hebelwirkung) das Wasser zu reichen nicht in der Lage ist, während die anderen fossile Kilojoules befreien und mit verschwenderischer Leichtigkeit über die Wellen flitzen… eine Welle packt mich von der Seite und so schnell ist man gekentert, das man s noch kaum verstanden hat, schwappt einem schon die nächste Welle über den Kopf.
In dem Moment denk ich mir, gut, dass ich die Kamera an der Schwimmweste festgemacht hab, blöd, dass ich die Taucherbrille einfach zu meinen Füßen liegen hatte. Gut, dass ich das Paddel in der Hand hab, schlecht, dass mein Kayak wegdriftet. Meine Priorität ist den Krampf aus dem linken Wadel zu treten und dann das Paddel erst einmal in den Wind geschmissen und dem abtreibenden Kayak hinterher. Und das steht auch noch der quer zur Strömung und jede Welle überträgt ihre Kraft auf die komplette Breitseite. Für jeden meiner Meter macht das Kayak zwei.
Und da öffnen sich die Wolken und aus dem Dunkel schifft sich ein Bott ins Licht, aus dem sich eine französische Touristin beugt und im Vorbeifahren mein Paddel aus dem Wasser fischt: Captain Taina und ihre AusflugstouristInnen sind die Lichtgestalt, die die See glättet. Erst mein Paddel, dann mein Kayak und letztlich noch den patschnassen Österreicher. Ich werde geseenotrettet! Die Fanfaren mögen nur in meinem Kopf spielen, aber ich hab ziemlich viel Dankbarkeit zur Verfügung, als ich mich an Board hieve, aus der heraus ich am liebsten allen Anwesenden um den Hals fallen möchte. Tu ich aber nicht. Ich bin in gleichen Maßen erschöpft und erschrocken, aber die Regeln sozialen Anstands mauern bereits erfolgreich gegen das Adrenalin. Kaum dass ich mein Glück zu fassen bekomme und auch meine Atmung wieder im Griff habe, lenkt Captain Taina unser Glasboden(!)boot wieder zurück zur Unglücksstelle um die Taucherbrille zu suchen. Für den besseren Blick, werde ich kurz darazf wieder ins Wasser gelassen und überblicke durch geborgte Brillen im Schlepptau den Boden in der Gegend meiner Kenterung. Wir geben uns allerdings zunächst einmal geschlagen und Captain Taina bringt uns wieder auf Kurs. Ob ich mich hier absetzen lassen möchte? Dankbar nehme ich das Alternativangebot an, mich bei meinem Kayakverleih absetzen zu lassen. Natürlich erst nachdem ich geklärt hab, dass sie sowieso in die gleiche Richtung unterwegs sind.
Aber da erspäht sie durch den Glasboden tatsächlich meine Brille! Da ist Platz für so viel viel Wasser zwischen Mo’orea und den Inseln, aber sie die scharfen Augen immer auf die Attraktionen des Meeres, die Frau Kapitänin. Also ich wieder ins Wasser und mit Schwung das Schnorchelzeug hochtauchen. Nur: ohne Flossen ist das tatsächlich recht schwierig. Zweimal versuch ich s, aber es sind sicher vier, fünf Meter und ich merke, wie mir einen Meter vor dem Boden die Luft ausgeht. (Für den Fahrtenschwimmer waren s glaub ich nur zwei Meter.) Da entledigt sich einer der Passagiere bereits des Hemds und springt ohne Zimpern neben mir ins Meer. Wille, Weg und Vaterland durch französische Hand gerettet. Es sei allerdings, merkt er an, tatsächlich nicht so leicht, die Strömung sei ganz schön stark. So wahrt man auch noch mein Gesicht, in dem porentief die Dankbarkeit glänzen muss.
Fünf Minuten später sitz ich in meinem Kayak und paddel in der ruhigen Lagune meinem Bootshaus entgegen. Mein Zopfband ist perdu, aber das ist mehr eine Unannehmlichkeit. Zurückgebracht, bezahlt, geduscht. Weitere fünf Minuten später sitz ich auf dem Rad nach Hause und versuche mein Abenteuer in Perspektive zu setzen. Es war eine blöde Situation und es war zweifelsohne eine Rettung. Man darf ja auch einmal einfach aus einer blöden Situation gerettet werden, muss ja nicht immer Lebensgefahr sein. Vielleicht ist es es letztlich doch wert, sich mit einer Tour auf die Suche nach Haien und Stachelrochen zu machen. Vor allem wenn man dabei die Gelegenheit bekommt, einen triefenden Österreicher aus dem Meer zu fischen, so was macht eine Stachelrochensafari erst einzigartig. Und wir haben alle gelernt, dass man beim Kayaken die Taucherbrille am besten um den Hals trägt.
Und ja, die geneigte LeserIn muss mit Internetbildern vorlieb nehmen. Für die heutige Feuertaufe ist die Kamera wasserdicht genug gewesen, aber beim Fotografieren hat sie nicht so wollen, wie ich wohl gewollt hätt. Jetzt hat sie sich zumindest einen Namen gefunden.
The world was young, the mountains green…
Nachdem ich Mo’orea zum ersten Mal so ausgesprochen hatte, wie die FranzösInnen das tun, den Akzent also nicht auf s e gelegt hab, sondern auf das in der Praxis zusammengezogene o’o, hab ich s nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sehr das nach Durins gefallener Festung klingt. Aber es ist kaum der finstere Abgrund, den uns Tolkiens Etymologie von Moria glauben lassen möchte. Mich auf die besungene Hochzeit Khazad-Dûms beziehend, gibt es hingegen auf jeden Fall eindrucksvolle Berge und grün sind sie auch. In der Praxis sind meine Versuche, das fotografisch festzuhalten, leider bisher gescheitert. Ich bin allerdings wirklich ab und zu hingerissen genug, um auf der Straße stehen zu bleiben um an den Straßenrand zu fahren und vorsichtig anzuhalten um mich umzuschauen und festzustellen, wie toll das aussieht.
Ich bin am Dienstag nach Mo’orea aufgebrochen. Das ist die Nachbarinsel von Tahiti, ein schönes Stück kleiner und auch gelassener, wie die Reiseführer gerne sagen. Ich erlebe es jetzt vor allem einmal als touristischer, aber das ist wohl einfach weil alles ein bisschen enger beieinander ist und sich auf der Straße die Einheimischen, die Hilton- und Sofitel-Leute sowie die Rucksackmenschen einfach mehr mischen. Das fällt zum Beispiel auf, wenn mir auf der Straße ein Konvoi Quadbikes mit fröhlichen TouristInnenpärchen entgegenkommt. Oder Familien die sich in Golfbuggies den Weg bahnen. Das ist ein bisschen seltsam, weil irgendwie ist dadurch die ganze Insel ein einziges Ressort, wenngleich halt so offen, dass alle in dem Ressort Platz haben.
Ob es auch für mich ein bisschen mehr Urlaub ist, insofern, als dass ich mir hier jetzt mehr Freizeitaktivitäten organisiere als ich das auf Tahiti gemacht habe, das kann ich nach dem zweiten vollen Tag noch nicht wirklich sagen. Es gibt ein Belvedere, für das ich ein bisschen in den Berg hineinsteigen muss und dann eine kleine und eine große Runde mit schönen Aussichten und bisschen Tropen. Und es gibt Schnorcheln und Kayaken und Badestrände. Ich bin auf jeden Fall nur mit Minimalgepäck unterwegs und habe den Rucksack bei den MitbewohnerInnen auf Tahiti gelassen. Das ist schon ein ziemlicher Qualitätsunterschied! Ad Freizeitgestaltung hab ich mir jetzt einmal ein paar Tauchgänge organisiert, besonders beworben werden die ansässigen Zitronenhaie, von denen es einen Haufen geben soll. Auf Tahiti hab ich hingegen letztens einen Grauhai nur verpasst. Die Lisa hat nach mir gerufen, aber wenn ich fünf Meter entfernt bin und in die andere Richtung schau, ist es unter Wasser nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit erregt zu bekommen. Endlich Blickkontakt hat sie mir noch in die Richtung gedeutet, aber es hat dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich sie fragen konnte, was sie mir da eigentlich deutete, weil zu sehen war nichts mehr gewesen. Außer das Meer.
Und da hab ich bei einem anderen Tauchgang hineingeschaut, so, dass ich nur Blau gesehen hab, keinen Boden, keine Oberfläche. Da ist mir schon etwas schwummrig geworden und ich hab mich bemüht, meine 360° schnell fertig zu drehen, damit ich wieder die Wand im Blick hab, neben der wir entlanggetaucht sind. Es ist schon seltsam, mit so einer unspezifischen, unstrukturierten Unendlichkeit konfrontiert zu sein. Und natürlich kann man das auch schnell einmal auf das Leben ummünzen, wenn man meine Reaktion, mich schnell davon abzuwenden, in eine Form gießen möchte. Im gleichen Tauchgang hat uns übrigens auch ein Barrakuda verfolgt, der war sicher zwei Meter lang. Und hier war s dann eher ein Segen, dass wir uns unter Wasser nur schwer verständigen können, weil der Gaylord hat dann gesagt, er hätte ihn vertrieben, der sei einfach zu nahe gekommen. Unschuldslamm, das ich bin, hab ich natürlich nicht geahnt, dass es sowas gibt, wie „der Barrakuda zu nah“. Ich hatte durchaus ein bisschen Bauchmulm, als der ein paar Meter entfernt dann vorbeigeschwommen ist. Aber gleichzeitig hab ich mich an dem Gedanken festgehalten, dass alle Gefahren statistisch sicherlich unwahrscheinlich seien, zum Beispiel dass der große Fisch mit den langen Zähnen jetzt mit der Aggression anfängt. Jetzt weiß ich natürlich, dass die Wikipedia darauf hinweist, dass „[d]ie großen Unterkieferzähne der Barrakudas […] schwere Wunden [reißen], die zu großem Blutverlust führen können“. Nachsatz: „Sie beißen allerdings nur einmal zu und schwimmen dann weg“. Manchmal bin ich schon ein bisschen gespannt, was es zum Beispiel im Traunsee alternativ zu tauchen gibt.
Und ja, leider leider hab ich es in den Gegenden, wo mir ständig das Tauchgehäuse für meine Kamera angeboten worden ist, durchgehend vermieden, ein weiteres sinnloses Accessoire einzukaufen. Na, jetzt ist das natürlich nirgendwo zu kriegen und ich mach keine Fotos mehr von Unterwasser. Dabei wär ich jetzt langsam aber sicher doch in einer gewissen Routine, in der ich Auftrieb und Atmung beisammen hab und eben auch einmal ein bisschen in der Gegend herumschau, um einen Fisch oder eine Schildkröte zu beobachten. Ich darf im Logbuch ja auch Exploration anstelle von Instructional ankreuzen. So hab ich mir zur Kompensation halt einen Tauchcomputer gekauft, den ich am Samstag zum ersten Mal mit unter Wasser nehmen werde und der mir dann sagt, wie viel Stickstoff ich noch im Blut hab und wie lang ich nicht fliegen darf, dass er mir nicht Blasen im Blut wirft.
Ja, eigentlich wäre ich ja gerne auf die Tuamotus geflogen. Das ist so eine Gruppe von Atollen, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich von Tahiti. Aber man glaubt s kaum: ich hab drei Tage vor meinem erhofften Flug keine Unterkunft gefunden. Dabei ist bloß Hochsaison. Und vielleicht hätte ich ja sogar noch was gefunden, aber nach dem unteren und ausgebuchten Preissegment kommt erst einmal länger nichts. Na, da war ich dann kurzerhand froh, dass ich meine Flüge auch nicht gekauft hatte. Schade, aber natürlich ist das in meiner Verantwortung, wäre ich die zwei Wochen nicht auf der mal helleren, mal röteren, mal fast akzeptabel gebräunten aber stets erkennbar faulen Haut gelegen, wäre sich da durchaus was ausgegangen. Next time you know, hat mir ein David gesagt und da hab ich s ihm noch nicht geglaubt, dass er recht behalten wird.
Natürlich, ich bin vor allem herumgelegen, wenn ich nicht tauchen war oder auf dem Weg zur Marina, aber es ist ein entspanntes Herumliegen. Das geht ein bisschen in die Psychologie des Getrieben-Seins, des Eigentlich-tun-Sollens. Wahrscheinlich wäre es – jetzt ein bisschen weiter zurückblickend – gut gewesen, ein wenig früher einmal aus dieser Situation herauszukommen, wo ich nicht ständig in der Lage bin, eigentlich an einer Diplomarbeit, an einer Dissertation sitzen zu müssen. Seminararbeitenschreiben, Hausübungenerledigen, Klavierüben, Großelternanrufen. Ständig hätte es was zu tun gegeben und ich mich sehr daran gewöhnt, zum täglichen Herummuddeln eine Portion schlechtes Gewissen serviert zu bekommen. Das geht dann auf Kosten der intrinsischen Motivation, wenn ich mich so häufig und vor allem stetig im Müssen-Sollen finde, anstatt im Wollen-Können. Interessanterweise würde ich sagen, dass es auch das Können-Wollen letztlich beschädigt oder zumindest dass wenn für das Können so viel Müssen notwendig scheint und sich der Widerstand gegen das Sollen aufstaut, dann entrückt das Ziel und das Wollen verliert als Ganzes ein bisschen den Anschein des Möglichen. Und, ja, dürfen hab ich mich getraut. Aber das zeigt uns auch nur, dass ich meine Probleme nicht erfunden hab. Da ist es schon auch ein Erfolg den Atollausflug sausen zu lassen und zu vielleicht einfach anerkennen, wie sehr ich auch von hier tatsächlich hingerissen bin. Alles nicht so einfach.
Ja, weil. Es ist halt wirklich schön. Weil, ich mag die ganze Strandgeschichte immer noch nicht. Ich war einmal in Australien baden, erinnere ich mich. Also. Ich bin ins Meer gestiegen, hab mich mit den Wellen geärgert, bisschen ein Unwohlsein ob dem offenen Meer bekommen und bin nach drei Minuten wieder raus. In der Zeit hab ich mir sicherlich einen Sonnenbrand geholt. Ist also nicht meins. Mich am Strand in die Sonne zu legen kommt mir immer noch etwas seltsam vor. Aber mit dem Tauchen hab ich einen ganz guten Zugang zum Meer gefunden. Und wie sehr die Tropen mir als Paradies eindoktriniert worden sind oder ob die orangengroßen Maracujas (immer wieder die Maracujas), die ich aus dem Straßengraben geklaubt habe, nicht auch einfach die Freude daran, am Wegesrand Brombeeren zu pflücken um den Volumsunterschied potenziert, ist schwer zu sagen. Aber das Licht hell ist und der Himmel blau. Die Palmen, Früchte, Blüten. Die Blumen im Haar und der ausgeprägte Vokalismus in der Sprache (nur neun Konsonantenphoneme!). Und das in Kombination damit, dass selbst die Tortillastandlerin einen Champagner im Cola-Kühlschrank stehen hat und anderswo auf der Karte mehr Wasser zur Auswahl stehen als Bier. Ich finde das charmant.
Meiner vielleicht neugefundenen Entspannung liegt natürlich auch diese sich mir langsam eröffnende Frankophilie zugrunde. Sprachlich gesehen bin ich immer noch eingeschränkt, wobei ich auf Mo’orea auch selbstbewusster Leute auf Englisch anspreche, während ich auf Tahiti mehr gefordert war, Französisch zu sprechen. Und so konnte ich mich dann in Situationen oft kaum einbringen, aber vor allem letztlich auch nicht rausreden und nicht in der Lage mich aus einer Lage herausblödeln oder einfach ins Plappern zu verfallen. Gespräche sind harte Arbeit. Und selbst wenn ich mich mit jemandem unterhalte, die französisch können, war s in der Regel eine gemäßigte Unterhaltung, weil dann halt das Englisch für mein Gegenüber oft nicht super easy war. Für mich, der ich oft mehr rede weil das Reden lustig ist, ist das eine interessante Abwechslung, mal ein bisschen meiner sozialen Fluchtoptionen beraubt zu sein.
In other news hat zuletzt auch die letzte kleine Katze ein neues Zuhause gefunden und die verwirrte Katzenmutter ist zwei Tage lang rufend durch die Gegend gelaufen. Das ist schon ein bisschen herzzerreissend, wenn man sich die Biologie da anschaut. Aber so ist das wohl. Es war dann auch schnell wieder vorbei. Auf der anderen Seite leben die Kleinen zumindest, auch wenn das für die Katzenmutter natürlich nicht verständlich ist, dass das gerade gut ausgegangen ist für die nächste Generation. Mit etwas Glück – aber das ist jetzt wieder mehr meine Meinung als feline Glückseligkeit – werden sie in ihren neuen Haushalten sterilisiert. Von wegen Verantwortung für ein Haustier übernehmen war da auch noch ein Kater, der ebenfalls in der Nachbarschaft seine Runden gedreht hat. Ganz instinktiv hab ich mir immer gedacht, der würde ja auch von irgendwo kommen und irgendwohin zurückkehren, aber wenn das bei den hiesigen Hunden schon nicht immer klar ist, dann bei Katzen wohl umso weniger. Jedenfalls hat der ein kaputtes Bein oder was, und humpelt dementsprechend bereits ein wenig bemitleidenswert durch die Landschaft. Vor allem wo die Christine ihn in der Regel verscheucht, wenn er sich zum Beispiel des Essens, das sie den Kätzchen rausgestellt hat, habhaft machen wollte. Also emotional hochkomplex die emotionalen Schattierungen des Katzenalltags. Jetzt nämlich auch noch, dass der außerdem die halbe Nacht schreit. Aber was weiß man, ob das ob einem gebrochenen Bein ist oder vielleicht aufgrund der tagtäglichen Ablehnungserfahrungen. Oder ob es vielleicht gar eine Poussage ist, für die er sich in der Nachbarschaft hören lässt.
Und als ob der Verlust der Kinder bei der einen und die der Agilität bei dem anderen nicht schrecklich genug wären, bin ich anderntags dann noch einer toten Katze über den Weg gelaufen. Nachdem sie neben der Straße im Schatten eines Buschs gelegen ist, hab ich mir gedacht, dass sie wohl eine umsichtige AutofahrerIn noch auf den Straßenrand geschleudert haben wird, nachdem vielleicht ein bedauerlicher Unfall passiert ist. Am Donnerstag ist sie so dagelegen, da hätte es fast noch sein können, dass sich s da nur eine faule Katze im Schatten gemütlich gemacht hat. Freitag hat man schon gesehen, mehr faulig als faul, wie der Körper ob der Verwesung bereits ein bisschen unförmig wird. Zum Glück (?) hat sich über s Wochenende jemand die Mühe/den Spaß gemacht, der Katze eine Feuerbestattung zu organisieren, drei Meter weiter an der Straßenecke. Die Überbleibsel waren zwar durchaus noch identifizierbar und meine Lungenkapazität hat dem empfohlenen Radius des Luftanhaltens kaum Genüge getan, aber es ist viel besser, als wenn man sie dort ignoriert hätte. Also ja: so hält sich die Katzenpopulation im Gleichgewicht.
Auf Mo’orea sind s unterdessen vor allem die HÜhner die sich aufdrängen. Also Hühner mit Binnen-Ü, weil es nicht zuletzt die Hähne sind, die einen Krach veranstalten. Sagen wir ab zirka fünf in der Früh. Mit einiger Verwirrung hab ich andererseits den hiesigen Hund gestern in der Distanz mit etwas, von dem ich sehr sicher bin, dass es ein Huhn war, aus dem Nachbarsgarten laufen kommen sehen. Begleitet von aufgeregtem Hühnergeschrei und einem etwas verdutzt dreinschauenden Nachbarshund. Aber ist das… ich mein, stiehlt ein leicht übergewichtiger Hund, der sich bei uns durchaus daran hält, dass er nicht auf die Terrasse darf, stiehl, ja: mordet so jemand ein Huhn?
Und in bald einer Woche hab ich jetzt einen Flug nach Tokyo. Weil zwei Wochen vorher ist vielleicht nicht übertrieben, sich das zuzulegen. Noch dazu, wo ich von der Annabelle letztens den Hinweis bekommen hab, dass mir das nächste Jahrhundertereignis einen Strich in die Rechnung macht, indem der Rugbyworldcup zum ersten Mal in Asien stattfindet. Oder zumindest das erste Mal in einem Land, das nicht zu jener Handvoll Ländern zählt, in denen Rugby irgendeine Rolle spielt, also England, Frankreich, Südafrika, Australien und Neuseeland. Im Kontext der hiesigen No-Vacancy-Erfahrungen bin ich da jetzt auf jeden Fall ein bisschen unter Druck geraten. Und gar nicht so sehr, weil ich die Gelegenheit sehe, in einem Rugbystadium zur Sehnsuchtsfindung geschweige denn -erfüllung zu finden, sondern weil ich schlicht nicht mit dem Rugbytourismus um billige Hotelzimmer konkurrieren möchte.
#fragmente
(Nicht, dass der Text bisher besonders einer formalen Struktur entsprochen hätte…)
Witzigerweise sind auffällig viele ItalienerInnen auf Mo’orea. Und ItalienerInnen werden mir, so kommt mir manchmal vor, schon bei einer einzigen Familie auffällig. Irgendwie sind ItalienerInnen einfach nicht wer, die ich irgendwo in der Welt zu treffen erwarte und bin dementsprechend erstaunt, wenn s doch passiert. Außerdem haben sie oft eine besondere Präsenz, wohl auch, weil sie mir nur oder vielleicht auch erst auffallen, wenn sie zu mehrt sind. Schließlich hab ich ja auch das Gefühl, Italienisch eh zu verstehen. Mehr noch als SpanischsprecherInnen beim Spanischsprechen zuzuhören, die in der Regel nicht annehmen, dass ich sie verstehe, komm ich mir beim ItalienischsprecherInnenbelauschen noch ein bisschen mehr Undercover vor. Und dann sag ich trotzdem buongiorno, wenn wir einander in der Früh grüßen und hab sofort das Gefühl, mich verraten zu haben.
In Tahiti bin ich durch den Supermarkt gelaufen und hab einen Wahnsinnsappetit auf Äpfel bekommen. Kann schon mal vorkommen, aber dann hab ich gesehen, dass die wie so viel anderes halt aus Neuseeland importiert werden. Da hab ich mir natürlich ein bisschen an den Kopf gegriffen, weil ich dauernd davon schwärme, wie mir die Tropenfrüchte vom Baum vor die Füße fallen und manchmal dann schon keine Maracuja gegessen hab, obwohl ich eine Maracuja hätte essen können. Geschweige denn Sternfrüchte, von denen es einem schnell einmal langweilig wird, oder Mangos, die wirklich mehr Vogelfutter sind. Und jetzt will ich einen Apfel haben, die Eichnull des Obsts. Hab ich keinen gegessen. Aber zwei Minuten später hab ich einen neuseeländischen Apfelsaft gekauft. Ich hab nix anderes gefunden, nicht gekühlt zumindest. Und interessant da, dass es verschiedene Apfelsäfte nach Apfelsorten zur Auswahl gegeben hat.
Ich hab das letztens mal festgehalten, dass um die Halbjahresgrenze herum jetzt langsam mein Equipment unter der Dauerbelastung nach- und aufgibt. (Stell dir eine Schublade vor, die von einem skandinavischen Schubladenroboter auf- und zugemacht wird. Unaufhörlich.) Das ist psychologisch schon ein Wendepunkt. Meine Sandalen hab ich dann kurzerhand einer Reparatur unterzogen, wobei ich endlich einmal die Ahle auf meinem Taschenmesser verwendet hab. Das war allerdings ein bisschen Mit-Kanonen-auf-die-Spatzen, wo dann eine einfache Nadel auch gereicht hat. Allerdings ist das Leder dann sowieso einfach ein paar Millimeter drunter nochmal gerissen. Und nachdem die Sohlen auch schon lange entzweigebrochen sind, hab sie der Müllabfuhr überantwortet. Dass ich sie jetzt wirklich lange gehabt habe, ich in ihnen bereits kubanische Autobahnen entlanggegschlendert bin, ist sowohl bedauerlich (Mensch-Schuh-Beziehung) als auch tröstlich (KundIn-Produkt-Beziehung). Als Ersatz schlurf ich jetzt in Flip-Flops, was persönlich auch ein großer Schritt gewesen ist und schwups! habe ich davon erst einmal links wie rechts Blasen bekommen.
Und zu hinterst noch Neuigkeiten von ebendort. Ich hab mir auf Mo’orea gleich mal ein Fahrrad gecheckt, weil ist sie mir auf Tahiti ja doch abgegangen, die Mobilität. Jetzt war ich nach meiner Ankunft in FranzPol doch ab und zu ein bisschen verwirrt, wenn ich mal wieder an einer T-Kreuzung gestanden bin, wo denn jetzt der Verkehr herkomme, weil natürlich ist das Land französisch genug, dass die Leute auf der kontinentaleuropäischen Straßenseite fahren. Aber weil das sprichwörtlich wie Radfahren ist, hinsichtlich der Verlernbarkeitsoption, hab ich mich schnell wieder daran gewöhnt und gebe meinen Selbstbewahrungsinstinkten mittlerweile bereits wieder weitgehend freie Handhabe dabei, mich sicher über die Straße zu bringen. Funktioniert auch beim Radfahren, alles kein Problem. Nein, was sich hingegen schnell einmal als eine Schwierigkeit herausgestellt hat, ist möglicherweise auf den Trainingsmangel der eigenen Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der Sattel einfach unverhältnismäßig schmal ist oder das Gelände unanständig holprig. Fakt ist, ich bin seit einem halben Jahr nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen und ich mich jetzt auf meinem VTT (veló tout terrain) herumwinde wie ein Sängerknabe unter Harndruck.