Ilsebill

Ich hab einen kleinen Ausflug gemacht, den Ausflug, für den Mo’orea berühmt ist, wenn man den Stimmen zuhört. Dazu bin ich nochmal ein schönes Stück mit dem Rad gefahren, zu meinem Tauchzentrum an der nordwestlichen Spitze der Insel. Ich sag mein Tauchzentrum, aber das ist es ja gar nicht. Ich bin dort Anfang der Woche mal hingefahren und hab mir dann gedacht, hm, so gut gefällt mir das gar nicht, muss nicht sein, steig ich auf s Rad und fahr die vierzig Minuten wieder heim. Aber heute war ich ja nicht zum Tauchen sondern zum Kayakausborgen. Und das machen sie gut. (Ich weiß nicht, wie sie mit dem Tauchen sind, wahrscheinlich auch nicht schlecht.)

Also setz ich mich in mein Kayak und sie sagt mir noch, es ist heute viel Wind und die Strömung kommt ebenfalls mit voller Kraft aus dem Wochenende zurück. Versprochen, sag ich, ich pass auf. Und das tu ich dann auch. Kayaken ist ganz schön anstrengend, das merk ich schnell. Und ich muss das Meer überqueren, um zu den kleinen Inselchen zu kommen, die da auf der anderen Seite sind. ich sag Meer, aber natürlich ist das nur ein Katzensprung. Und in diese Richtung hat mich die Strömung ja noch unterstützt.

Man sieht hier nicht nur die zwei vorgelagerten Inseln, zwischen denen sich die Party abspielt, sondern auch, wie da eine dunklere Strömung die beiden von dem dahinterliegenden Mo’orea trennt.

Auf der anderen Seite ist dann wiederum Lagune. Und hier kommen die Leute von weither her um mit Stachelrochen und Haien zu schnorcheln. Also halte ich die Augen offen , während ich mir eine hübsche Stelle zum Anlegen suche. Etwa Hälfte rein zieh ich mein Kayak an den Strand und werde von aufgeregten Welpen begrüßt. So stellt man sich das vor: Welcome to Puppy Beach. Schon erstaunlich, wie viel Lebensfreude die Evolution in diese Tiere gepackt hat. War wahrscheinlich nicht einmal die Evolution sondern einfach, dass man über Jahrhunderte lieber die lebenslustigen Hunde aufgezogen hat, als die, die schon als kleine bisschen mehr zum Nachdenken geneigt haben.

In meiner ersten Runde finde ich weder Rochen noch Haie. Aber es ist trotzdem nicht schlecht durch s Riff zu tauchen. Und ja, es ist einfach die Farbe des Wassers, die so fantastisch ist, dass es unwirklich wirkt. Ich hab schon zuvor in meiner Einflugsschneise versucht, das Licht und, die Kontraste, die menschenleeren, palmüberhangenen, weißen Sandstrände festzuhalten. Aber natürlich hab ich meine Kamera vorgestern aufgeladen und heute ist keine Batterie mehr drin. Leicht verärgert, leicht frustriert mache ich mir geistig eine Notiz mal das Internet zu befragten, wie lange denn diese Batterie halten sollte. Ich mein, ganz ehrlich, das hat nach dem GBR nie wieder so funktioniert, wie ich das gerne gehabt hätte. Und das war nicht mal immer auf die Batterien zurückzuführen.

Ich war tatsächlich der erste in der Bucht, wenn man das eine Bucht nennen kann, die nach beiden Seiten hin relativ offen ist. (Wahrscheinlich nicht.) Oder vielleicht der zweite, nach dem Pärchen, die aber schon an der Spitze der Insel angehalten haben und sich mehr auf s Baden konzentriert zu haben scheinen als hier einem Rochen und/oder Hai zu begegnen. Das Riff gehört mir, wonderful! Natürlich nicht für lang: Während ich meine Runden drehe und den Fischen wie alten Bekannten beim Riffknuspern zusehe, kommen langsam die TouristInnenboote an… angeschwommen. Irgendwie fehlt mir oft das Verb, das die Bootsbewegung beschreibt. Und das ist im Englischen nicht einfacher. Weil irgendwie, klar: schwimmen. Aber für mich ist schwimmen entweder mehr so halt wie Tiere das machen oder aber wie ein Korken das macht. Also entweder eine durch körperliche Betätigung motivierte Bewegung oder eine passive Eigenschaft von einem Körper. Also beides nicht so ganz passend. Ich bin mit dem Flugzeug hergeflogen ist schon ein bisschen komisch. Ich bin mit dem Schiff hergeschwommen klingt, als ob ich neben dem Schiff hergeschwommen wäre.

So hab ich mir das vorgestellt. Es war zwar letztlich deutlich weniger dicht, aber das Wasser, das das Foto hier eine Aufnahme aus einem Schwimmbecken aussehen lässt, das ist akkurat, das schaut dort tatsächlich so aus.

Anyway. Ich schwimm ein wenig um die Boote herum, weil ich mir denke, die wissen wohl, wo s was zu sehen gibt. Aber da gibt s auch nicht mehr zu sehen. Also denk ich mir, vielleicht ist das ein bisschen weiter drüben und das Interinselriff zu seicht oder was. Also nehm ich mein Kayak und kayak ein wenig in der Gegend herum. Tatsächlich seh ich unter mir einen Stachelrochen vorbeiziehen, ich würde sagen, so ein Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben. Und er war sicherlich auf dem Weg ins Riff. Also umgekehrt und dem Rochen hinterher. Einmal kayak ich noch durch das Riff und erspähe tatsächlich noch einen Rochen, lege in der Nähe an, schnall mit die Brille und den Schnorchel um und rein ins Riff. So denk ich. Aber wie die reinste Berg-ProphetInnen-Beziehung bewegen sich plötzlich drei dunkelgraue, kreisrunde Gestalten auf den Strand zu: Ich bin kaum zwei Schritte ins Wasser, kaum die Knöchel benetzt, kommen die Stachelrochen auf mich zugeschwommen. Und kurzerhand krieg ich dann fast ein bisschen ein ungutes Gefühl, weil die sind schon sehr groß und ich weiß gar nichts über Stachelrochenverhalten. Aber noch während ich mich frage, wie sie das wohl anfühlt, wenn mir ein Rochen über den Fuß segelt, drehen die drei auch schon wieder ab. Eine gewisse Wehmut liegt doch in meinem Blick, mit dem ich ihnen hinterherschau.

Nachdem sich Anja (28) ihren Kindheitstraum erfüllt und ihre Beine gegen einen Fischschwanz eingetauscht hat, hilft ihr Jakob vom Rochentherapiezentrum Langenlois dabei, mit der Unterwassertierwelt Freundschaft zu schließen.

Noch eine Runde durch s Riff gedreht, aber ich hab weder weitere Rochen noch Haie gefunden. Und jetzt kommt schon die zweite Welle, die coolen TouristInnen, die vielleicht ein bisschen länger schlafen möchten und dann aber mit dem Jetski unterwegs sind. (Ein Wort, das nicht im geringsten darauf schließen lässt, dass es ein Wasserfahrzeug beschreibt.) Und da denk ich mir, na gut, das ist mir jetzt dann schon genug. Ich bin über die Inselchen gewandert, hab meine Fische beobachtet und war den Stachelrochen so nah, dass es mir fast zu nah war, ich hab eigentlich alles gesehen. Und mach mich an die Querung der Meerenge.

Jetzt. Ich würde es gern auf die Jetskiidioten schieben, aber das ist wahrscheinlich unfair. Die Wellen sind so oder so ein bisschen mal hier mal da und ich versuche, wie mir die Frau vom Tauchzentrum Slash Kayakverleih gesagt hat, durch die zwei roten Pfosten hindurch meine Anfahrt zu erledigen. Was mir nicht gelingt: die Strömung ist stark und der Wellengang ungut und so muss ich alle paar Paddelzüge das Kayak neu ausrichten. Ich mein, ich nähere mich langsam meinen Pfosten, das schon. Aber dann fahren halt doch die Jetskibuben und -mädchen vor mir durch s Meer und Schuld oder nur der Frust von einem, der den unerbittlichen Kräften der Natur mit Muskelkraft und Unterstufenphysik (Hebelwirkung) das Wasser zu reichen nicht in der Lage ist, während die anderen fossile Kilojoules befreien und mit verschwenderischer Leichtigkeit über die Wellen flitzen… eine Welle packt mich von der Seite und so schnell ist man gekentert, das man s noch kaum verstanden hat, schwappt einem schon die nächste Welle über den Kopf.

In dem Moment denk ich mir, gut, dass ich die Kamera an der Schwimmweste festgemacht hab, blöd, dass ich die Taucherbrille einfach zu meinen Füßen liegen hatte. Gut, dass ich das Paddel in der Hand hab, schlecht, dass mein Kayak wegdriftet. Meine Priorität ist den Krampf aus dem linken Wadel zu treten und dann das Paddel erst einmal in den Wind geschmissen und dem abtreibenden Kayak hinterher. Und das steht auch noch der quer zur Strömung und jede Welle überträgt ihre Kraft auf die komplette Breitseite. Für jeden meiner Meter macht das Kayak zwei.

Und da öffnen sich die Wolken und aus dem Dunkel schifft sich ein Bott ins Licht, aus dem sich eine französische Touristin beugt und im Vorbeifahren mein Paddel aus dem Wasser fischt: Captain Taina und ihre AusflugstouristInnen sind die Lichtgestalt, die die See glättet. Erst mein Paddel, dann mein Kayak und letztlich noch den patschnassen Österreicher. Ich werde geseenotrettet! Die Fanfaren mögen nur in meinem Kopf spielen, aber ich hab ziemlich viel Dankbarkeit zur Verfügung, als ich mich an Board hieve, aus der heraus ich am liebsten allen Anwesenden um den Hals fallen möchte. Tu ich aber nicht. Ich bin in gleichen Maßen erschöpft und erschrocken, aber die Regeln sozialen Anstands mauern bereits erfolgreich gegen das Adrenalin. Kaum dass ich mein Glück zu fassen bekomme und auch meine Atmung wieder im Griff habe, lenkt Captain Taina unser Glasboden(!)boot wieder zurück zur Unglücksstelle um die Taucherbrille zu suchen. Für den besseren Blick, werde ich kurz darazf wieder ins Wasser gelassen und überblicke durch geborgte Brillen im Schlepptau den Boden in der Gegend meiner Kenterung. Wir geben uns allerdings zunächst einmal geschlagen und Captain Taina bringt uns wieder auf Kurs. Ob ich mich hier absetzen lassen möchte? Dankbar nehme ich das Alternativangebot an, mich bei meinem Kayakverleih absetzen zu lassen. Natürlich erst nachdem ich geklärt hab, dass sie sowieso in die gleiche Richtung unterwegs sind.

Whey-oo! It’s Captain Taina on her glass-bottom boat! (Blumenschmuck optional)

Aber da erspäht sie durch den Glasboden tatsächlich meine Brille! Da ist Platz für so viel viel Wasser zwischen Mo’orea und den Inseln, aber sie die scharfen Augen immer auf die Attraktionen des Meeres, die Frau Kapitänin. Also ich wieder ins Wasser und mit Schwung das Schnorchelzeug hochtauchen. Nur: ohne Flossen ist das tatsächlich recht schwierig. Zweimal versuch ich s, aber es sind sicher vier, fünf Meter und ich merke, wie mir einen Meter vor dem Boden die Luft ausgeht. (Für den Fahrtenschwimmer waren s glaub ich nur zwei Meter.) Da entledigt sich einer der Passagiere bereits des Hemds und springt ohne Zimpern neben mir ins Meer. Wille, Weg und Vaterland durch französische Hand gerettet. Es sei allerdings, merkt er an, tatsächlich nicht so leicht, die Strömung sei ganz schön stark. So wahrt man auch noch mein Gesicht, in dem porentief die Dankbarkeit glänzen muss.

Fünf Minuten später sitz ich in meinem Kayak und paddel in der ruhigen Lagune meinem Bootshaus entgegen. Mein Zopfband ist perdu, aber das ist mehr eine Unannehmlichkeit. Zurückgebracht, bezahlt, geduscht. Weitere fünf Minuten später sitz ich auf dem Rad nach Hause und versuche mein Abenteuer in Perspektive zu setzen. Es war eine blöde Situation und es war zweifelsohne eine Rettung. Man darf ja auch einmal einfach aus einer blöden Situation gerettet werden, muss ja nicht immer Lebensgefahr sein. Vielleicht ist es es letztlich doch wert, sich mit einer Tour auf die Suche nach Haien und Stachelrochen zu machen. Vor allem wenn man dabei die Gelegenheit bekommt, einen triefenden Österreicher aus dem Meer zu fischen, so was macht eine Stachelrochensafari erst einzigartig. Und wir haben alle gelernt, dass man beim Kayaken die Taucherbrille am besten um den Hals trägt.

Und ja, die geneigte LeserIn muss mit Internetbildern vorlieb nehmen. Für die heutige Feuertaufe ist die Kamera wasserdicht genug gewesen, aber beim Fotografieren hat sie nicht so wollen, wie ich wohl gewollt hätt. Jetzt hat sie sich zumindest einen Namen gefunden.