Schon wieder auf dem Flughafen. Das war doch ein bisschen kurz, eine Woche Tasmanien… Hobart war auch sehr herzig, auch hier viel mehr so ein Charme, wie ich ihn in Neuseeland erlebt hab. Oder vielleicht, vielleicht wirklich nur, dass es eine kleinere Stadt ist. Oder dass es kalt ist und die Leute mit roten Ohren auf der Straße herumlaufen und sich mit fingerlosen Handschuhen an ihre wiederverwendbaren Bambuskaffeebecher klammern. Oder dass der Fahrer von meinem Skybus, der mich auf den Hobarter Flughafen bringt, dass der aufsteht und mich, als ich in den Bus einsteige, mir die Hand reichend, an Bord willkommen heißt. Wir sind dann auch nur zu viert im Bus gesessen, ja, war nicht viel los, Mittwochmorgens in Hobart. Das war nett. Überhaupt hatte ich kaum Zeit, mich wieder an die Freundlichkeit zu gewöhnen, die in Australien so gegenwärtig ist. Wieder, weil ich eben einerseits weniger unter Leuten gewesen bin im letzten Monat und andererseits man in der Melbourner Anonymität doch verhältnismäßig untergeht. I guess, es ist, dass ich ja weniger in Lokalen war und in Jugendherbergen und selbst in Geschäften weniger und in Museen. So war ich nicht einmal der professionellen und mich doch (oder deshalb?) berührenden Dienstleistungsfreundlichkeit ausgesetzt.
Der Jonathan, mit dem ich ein Zimmer geteilt hab, der sich zum Theaterlehrer studiert und in seinen Uniferien eine Runde durch Tasmanien dreht, der ist so gut im Smalltalk, das war wirklich beeindruckend. Am ersten Abend hat der lange mit dem Brasilianer in unserem Zimmer getratscht, der seit sieben Jahren in Australien ist und jetzt nicht mehr weg kann, weil er nicht sicher ist, ob er nochmal ein Visum bekommt und wenn er draußen ist, ist er draußen. „Schau an, jetzt ist es schon halb zehn, da sind wir aber richtig ins Reden gekommen“, hab ich ihn am Ende ihrer Unterhaltung sagen hören. Auch der Brasilianer war nett, aber ich hab mit dem immer nur ein paar Worte gewechselt. Und dann hab ich mit dem Jonathan geplaudert und das ist auch schnell in einen Fluss gekommen. Und selbst am nächsten Morgen, da hat er sich mit dem vierten in unserem Zimmer unterhalten, der ihm von seinen Theorien über die Elemente und deren Repräsentation in den letzten Buchstaben unseres Alphabets erzählt, wie das W für Wasser stehe und X marks the spot, also ist das X der Erde gleichzustellen. Zuletzt habe sich ihm hier in Tasmanien das fünfte Element offenbart („revealed“): Steigung. Während die Chinesen, die hätten zwar immer schon gewusst, dass es ein fünftes Element gäbe, hätten es aber mit Holz oder Metall nicht ganz zu fassen bekommen. Also ja. Jemand, der sich ein bisschen in einen Wahnsinn verstiegen hat und ich kann ja solchen Typen kaum zuhören, weil sich mir alles zusammenzieht vor fehlenden Handlungsoptionen: wie soll ich umgehen mit so jemandem, zwischen Respekt für eine (irgendeine!) Überzeugung und meinem benevolenten Agnostizismus gegenüber transmateriellen Ideen. Jonathan hingegen souverän, vor allem zuhören, aber dann doch die eine oder andere Frage, die nicht einmal darauf hinausläuft, ihn auf das Glatteis seiner Hypothesen zu führen. Vielleicht, hab ich mir gedacht, vielleicht ist das einfach eine Notwendigkeit für eine multikulturelle Gesellschaft, für eine multikulturelle Gemeinschaft, einander zuzuhören, mit einander in Kontakt treten, ohne halt wirklich einander zu berühren, in der jeweiligen Identität. Aber halt einander doch irgendwie versichern, dass man eine Welt teilt. Vielleicht ist es auch etwas, was eine TheaterlehrerIn können muss, Leute einzubinden und dabei Platz für ihren Glauben zu lassen. Also wiederum nicht unbedingt im spirituellen Sinn, aber in der Bedeutung von belief, also im Sinne ihrer Überzeugungen, ihrer Kultur. Ich hab mich daran erinnert, wie ich in Melbourne mit V. und M. im Kino (Capernaum) gewesen bin und danach halt mit meiner Filmkritik losgelassen habe, ohne das böse zu meinen halt hier und da was auszusetzen gehabt habe oder Unverständnis gezeigt hab oder wo ich was anders gemacht hätte. Und die V., als intime Kennerin australischer Kultur mir nachher gesagt hat, dass man das einfach nicht mache, dass AustralierInnen so ausgleichsorientiert und konfliktvermeidend sind, dass so eine Kritik gleich sehr aggressiv wirkt.
Außerdem hab ich gelernt, dass insbesondere in der Primarstufe, alle australischen SchülerInnen Theater unterrichtet bekommen, was ich sehr super finde. In den höheren Jahrgängen ist es dann ein Wahlfach, aber mein Eindruck ist, dass uns das schon auch gut tun würde. Nämlich auch im Sinne von Verhalten in der Öffentlichkeit, wie man sich erlebt, wie man sich gibt, wie man in sozialen Situationen agiert und warum und ob man nicht vielleicht andere Optionen entwickeln möchte. Was ich aus dem Fernsehen vom amerikanischem Schulsystem weiß, haben die das ja auch dort. Kann natürlich sein, dass das wirklich nur als Plotelement besteht, dann hätten sie uns schön dranbekommen, mit ihrer Kulturindustrie. Und es könnte schon sein, dass das für eine Einwanderungsgesellschaft ähnlich positiv wie ordentlicher Sprachunterricht ist, ein Fach in dem praktisch der Umgang mit anderen Menschen geübt wird. Und ich glaube, dass wir in der Volksschule schon relativ viel mit Pantomime und so gemacht haben, aber das ist ja auch wieder was anderes und hat mehr mit Körperkontrolle und Feinmotorik zu tun. Und schon gar nicht mit dem Stellenwert, wo man sagt: Das ist jetzt ein eigenes Fach. Mit eigenen LehrerInnen. Und wir nennen es Theater, weil wir auch wissen, dass wir im Alltag eine Rolle spielen.
Wenn in Hobart, geht man ins MONA, ins Museum of Old and New Art. Und da nimmt man eine Fähre (die und die fährt einen eine halbe Stunde den Fluss bergauf und dann ist da in den Berg ein Museum gegraben. Und da merkt man auch gleich wieder, dass Tasmanien bisschen mehr Neuseeland ist, wenn Neuseeland ein bisschen Skandinavien ist, weil das so skandinavisch gebaut ist ist. Mit den großflächigen, rostfarbenen Wänden, den scharfen Winkeln und den… naja. Den Säulen und den runden Fenstern und dem ganze Zusammenspiel mit der Natur, mit dem Meer und den Klippen und dem Humor, einen Tennisplatz direkt vor dem Eingang stehen zu haben. Ich bin ja jetzt auch keiner, der sich mit Architektur so gut auskennt, dass ich da jetzt die passenden Wörter für hätte. Der Hintergrund von dem Museum ist das irgendwer zu viel Geld gehabt hat und das offenbar dafür verwendet hat, dort ein schicki-micki Museum für Bobos hinzustellen. Wie ich am Anfang über das Gelände spaziert bin, hab ich ein bisschen an den André Heller denken müssen. Der Stil wäre nicht seiner, aber diese Idee, einen Raum zu schaffen, für die Kunst und für s Schlendern und für s Ausprobieren und daneben steht der Weinberg… Ein bisschen ein Größenwahn schon auch, diese Kontrolle über die Geographie, aber gleichzeitig der Rückzug… Und ich mein, das ist ja prinzipiell nicht falsch und es hat mir auch wirklich gut gefallen. Irgendwie hat s mich trotzdem angestrengt, vielleicht erschöpft mich diese Ästhetik, die postmoderne Leere. Vielleicht, hab ich mir nachher gedacht, hab ich einfach nicht genügend Kontakt mit anderen Menschen gehabt, in in den Sandstein gehauenen Museum, und dabei ein wenig professionelle Dienstleistungsfreundlichkeit vermisst.
Dann geht s den Schacht runter und ich bekomme einen iPod in die Hand: wenn ich was wissen will, drückt ich auf den Knopf und dann zeigt s mir die Kunstwerke, die um mich herum sind und dann such ich mir dort eins aus und dann gibt s Namen der KünstlerIn und Namen des Objekts und was man alles an Info haben möchte. Manchmal gibt s Hintergründe zum Prozess oder zur Idee dahinter. (Und in selbstkritischer Unentschlossenheit wird das dann mit Art Wank überschrieben, der Kunstwichserei. Oh mei.) Oder speziell für Kinder aufbereitete Informationen, die meistens auch als Audio vorhanden sind, Interviews mit der KünstlerIn, was mir immer besonders gut gefallen hat. Und wenn man in einen Bereich geht, wo jetzt sagen wir, vielleicht mal eine Brust zu sehen ist oder ein Stroboskoplicht, dann sagt einem das Gerät auch: Vorsicht jetzt bei Kindern und/oder EpileptikerInnen. Oder dann auch wieder, dass das Gerät einem einen Bezug zur tasmanischen Gegenwartskultur herstellt, insbesondere halt bei lokalen KünstlerInnen. (Die können aber ruhig auch zugezogen sein.) Das ist schon sehr interessant, ich hör ja KünstlerInnen gerne zu, wenn sie über den Prozess reden oder über ihr Verhältnis zur Rezeption oder zur Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Und um so schöner ist es dann, wenn sie sagen, ja, weiß nicht, überbewertet wahrscheinlich.
Und dann wiederum, muss ausgerechnet der österreichische Vertreter so unsympathisch rüberkommen, oder bin das nur ich? Jetzt zum Beispiel mit dem Roman Signer verglichen, einem Schweizer, für den die Tochter übersetzt, der so leicht vor sich hin philosophiert, der mir von der Befreiung aus dem Erklären-Müssen spricht, die Loslösung aus dem Nützlichkeitszwang. Unverbindlichkeit und Krise mit dem Selbstbild. Und da steht dann sein Fahrrad mit Farbe, das direkt übersehen wird, weil es eigentlich nur der Schatten einer Aktion ist. Während der Erwin Wurm mit seinem dicken Porsche in so vieler Hinsicht das Gegenteil darstellt. Nachdem er im Interview auf die Gierigkeit der Welt geschimpft hat, drückt er dann noch seine Missgunst gegenüber den Leuten aus, die sein Objekt sehen und es mit „haha, a fat car“ abtun.
Also kurz ein paar Sachen, die ich gut gefunden hab: Da war ein Deutscher, der hat so Wörter aus Wasser gemacht, die von der Decke fallen, die nach irgendeinem Algorithmus aus den Nachrichten gefischt werden. Und der hat im Interview davon erzählt, wie diese Maschine, die er erfunden und gebaut hat, halt mittlerweile zu Werbezwecken eingesetzt wird und wie sich das verselbstständigt hat. Das Objekt selbst ist auch quasi banal, insbesondere durch diese Entwicklung und Verkommerzialisierung seiner Kunst, aber ich finde den Prozess, durch den er da gegangen ist, das hab ich interessant gefunden. Mehr seine Reflektion als bit.fall selbst.
Da war eine Zeichnung von einer Russin, auf der alles drunter und drüber geht, aber zentral sind ein paar Frauen, die auf ein Förderband kacken und überall auf dem Bild wird sitzen Leute herum, die die Scheiße essen. Das war schon mal witzig, weil doch der Vladimir Sorokin in Norma eine Gesellschaft beschreibt, in der die Leute ihre monatliche Ration Scheiße zugesendet bekommen, feine Kinderkacke, wenn ich mich richtig erinner, die sie essen müssen. Ist das schon ein russisches Thema? Wiederum interessanter ist es durch das Interview geworden in der sie davon erzählt, wie schwer sie sich tut, ihre Kunst auszustellen, herzuzeigen und überhaupt, sich als Künstlerin zu erleben. Leider hab ich mir nie ihren Namen gemerkt, weil wenn man ein digitales Gerät mit allumfassendem Wissen bei der Hand hat, dann merkt man sich nichts vor lauter Kann-ich-ja-nachschauen. Nix kann ich nachschauen, weil die Museumsguide-App kann ich mir zwar auch auf s eigene Telefon laden, aber natürlich für Mäckers only.
Es gab dann einen Bereich, der der Hypothese gewidmet war, dass Vermeer eine bestimmte Technik angewandt hätte, irgendwas mit Camera Obscura und einem Spiegel. Und da waren nicht nur die Ergebnisse, die ein Amateur damit erreicht hat ausgestellt, sondern auch ein Tisch zum Ausprobieren, wo BesucherInnen mit der Technik ziemlich gute Ergebnisse erzielt haben.
Unten ist halt eine Bar gewesen, wo sie sehr schöne würfelförmige Eiswürfel gehabt haben, schicke Kupfershaker, tätowierte, vollbärtige Barkeeper, lokalen Gin. Oben offener Kamin und guten Kaffee und selbstgemachter Kuchen. Ich mein, das ist schon alles sehr klar auf eine Zielgruppe zugeschnitten und ich hab mich wohl gefühlt und gefordert und unterhalten.
Allerdings hat das MONA am Dienstag zu und so stand ich am Dienstagmorgen bisschen verloren an der Fähre (ahja, man kann auf der Fähre auch zwanzig Dollar drauflegen und dafür in der Posh Pit reisen, wo s schick ist und wo getanzt wird und überhaupt: Partyabteilung) und hab kurzerhand mein rudimentäres Mittwochprogramm vorgezogen. Das war eh ein Glück, weil das Wetter einfach besser war am Dienstag. Und wenn die Sonne scheint, dann sind auch die zehn Grad sehr schön. Und so hab ich zuerst einmal ein teures Frühstück genossen, schicken French Toast und eine Kanne Darjeeling. Ich bin ja wieder auf Grüntee, seit ich Melbourne verlassen hab, da geb ich auch mal ein Geld für einen Tee aus. Dann bin ich zum botanischen Garten spaziert, gut unterhaltend, ich würde sagen, regelmäßig kichernd, weil mit der Horne Section in den Kopfhörern. Ich glaub, ein wichtiger Aspekt des Erfolgs von Podcasts ist dieses Zugehörigkeitsgefühl, das Gefühl da bei etwas dabei zu sein, in einer Gruppe, die Spaß miteinander hat. Es gibt eine gute Sendung von der Lindsay Ellis zur Authentizität von YouTubern, ich mein, ja, das ist alles ein bisschen ein Schmäh und nicht ganz neu. Witzig ist dann halt, wenn die Leute, die zu Gast sind, sagen, dass sie nicht gehen wollen, weil es so nett ist und eigentlich sind sie ja alle irgendwie ständig zuhause und allein und jetzt sind sie mal raus und eigentlich ist das ganz wunderbar, hier zu sein.
Anyway. Ich hab dann die Kopfhörer aus den Ohren getan, weil ich Papageien krächzen gehört hab. Und dann saß da einen Handvoll in der Wiese und ich bin ihnen ein bisschen nachgelaufen und plötzlich fliegt so ein riesiger schwarzer Kakadu vor mir auf und auf den nächsten Nadelbaum. Und dann höre ich plötzlich aus dem Wind heraus, wie s da knächzt und knuspert und da sitzen sie zu dutzenden in den Fichten oder Lärchen und knacken die Zapfen auf. Das hat mich ziemlich am Faszinationsfuß erwischt, dass ich da stehe, auf einer Wiese mit ein paar Nadelbäumen, fünfzig Meter von der Straße und da sitzen die Vögel und knacken Tannenzapfen bei fünf Grad. Weil die Tropen haben hier irgendwo ein Ende. Mount Wellington – auch namenstechnisch verschwimmen Tasmanien und Neuseeland, wo auch viel vom Herrn Tasman zu hören gewesen ist – liegt schneebedeckt am anderen Ende von Hobart, während neben mir ein Tannenzapfen aus zehn Meter Höhe einschlägt und ich mir denke, dass diese Vögel doch nicht so ungefährlich sind. Weil als ich den Papageien über die Wiese nachgelaufen bin hab ich mir noch gedacht, dass ich das kaum bei anderen Tieren machen würde, ihnen in der Wildbahn einfach so nachlaufen. Säugetiere, Reptilien, Spinnentiere… alle ein bisschen bewundern und dann Distanz halten. Bei Vögeln allerdings… ich denke es ist einfach das Bewusstsein, dass ich kaum je in der Lage sein werde, einen Vogel in eine Ecke zu drängen, sodass er nicht nur mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern eben auch mit dem Kopf an die Decke stoßen würde. Aber wenn dann so ein Zapfen einschlägt, dann gehe ich doch ein paar Schritte zur Seite.
Und dann hab ich ein totes Wallaby am Straßenrand gesehen und da ist der Spaß gleich ein bisschen gedämpft gewesen. Ich hab mir, bereits ein paar Schritte entfernt noch gedacht, da war doch was mit in den Beutel greifen, ob da nicht ein Joey drinsteckt. Aber hab ich auch gelassen. (Nachdem mein Wordprozessor nach wie vor das Wort „Wallaby“ unterwellt, hab ich dafür jetzt nachgeschaut und festgestellt, dass es e einen Dudeneintrag gibt, in der deutsch Wikipedia gibt s allerdings nur unter dem Plural – wobei der deutsche Plural „Wallabys“ nicht konsistent durchgehalten wird – einen Artikel, der noch dazu nur mit einem italienischen Artikel verlinkt ist und beispielsweise von der englischsprachigen Wallaby-Seite nicht zu finden ist. Witzig.)
Dann eine Stunde im Botanischen Garten spazieren gegangen und das ist vielleicht ein bisschen die falsche Jahreszeit, aber insgesamt halt schön. Wieder einmal nicht nur die Pflanzen selbst sondern auch Tafeln mit Informationen über den Prozess des Gartengestaltens und Pflanzensammelns und so. Ich war zum Beispiel überrascht zu lesen, dass die Rose aus China stammt. Also ihre Urform und die ist dann halt in den letzten zweihundert Jahren zu unseren Rosen gezüchtet worden. Oder dass die ganze Blumengartengeschichte ein Produkt des neunzehnten Jahrhunderts ist, also in England, wo einerseits der Reichtum, der durch die Industrialisierung breitere Menschengruppen erreicht hat, und die Menschen nicht mehr jedes Stück Land dafür genutzt haben, um Gemüse anzubauen, und andererseits eben die Welterkundungen des Empires neue Pflanzen und Blumen nach Großbritannien gebracht haben und sich so die Idee des Blumengartens entwickelt hat. Es ist naheliegend, aber man muss diese Überlegung schon auch einmal anstellen. Und dafür wird man mit einem schärferen Bild des Bürgertums belohnt.
Auf dem Rückweg bin ich dann noch schnell ins Museum geschlüpft. Das war auch gut, wirklich, wobei ich zugeben muss, dass ich s bisschen überflogen bin. Museumsfatigue? Maybe. Es war aber sehr gut aufgearbeitet, die Aborigines Sachen sind, wie mein brasilianischer Zimmerkollege oft einmal betont hat, sehr gut, das stimmt. Auch interaktiv und was zum Angreifen und Videos und alles drum und dran. Interessant fand ich dann aber insbesondere, dass die Kunst… Also eigentlich waren da zwei Sachen: da war zum einen eine Ausstellung zur Australischen Identität anhand von Keramik. Das find ich super, das war wirklich eine ganz interessante Sache. Weil einerseits war das historisch aufbereitet, quasi das letzte Jahrhundert durch und auf der anderen Seite halt verschiedene Einflüsse diskutiert, ob jetzt die Aborigines selbst oder die Inanspruchnahme von Aboriginesdesigns durch Europäischstämmige und eine eigene Diskussion von Begriffen wie appropriation und so… das ist Bildungsauftrag wahrnehmen. Bei freiem Eintritt.
Und dann in der Galerie ist halt offensichtlich gewesen, dass Kunst auch Realität schafft, da waren halt auch vor allem Landschaftsmalerei von Tasmanien und einige Aborigines, die gemalt waren und auch Bronzestatuen und so, wirklich ganz interessant, wie so das Bild quasi vom Land und von den Leuten erfasst und gemacht wurde. Es gibt ein interessantes, wo im Hintergrund Hobart ist, mit dem Mount Wellington und so und man sieht ein bisschen den Rauch vielleicht aus der Industrie aufsteigen und die ordentlichen Häuser und Segelschiffe. Und im Vordergrund ist eine Gruppe nackter Aborigines, die um ein Feuer herumsitzen und tanzen und spielen und baden und zwei kommen von der Jagd und bringen tote Tiere. Und es macht diesen Gegensatz auf. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es entscheidet, welches Leben das lebenswertere ist…
Außerdem gibt s ab einem gewissen Breitengrad dann auch gerne einmal eine Antarktisabteilung in den Museen. Das hat mir gleich total Lust gemacht, dorthin zu fahren. Nicht nur die Interviews mit den begeisterten ForscherInnen, und dem netten älteren Pärchen, die im Video als Polar Tourists unterschrieben waren. An einem Punkt waren sie sich so lieb einig, was für schönes Wetter sie an dem einen Tag gehabt haben, weil es hat nicht gestürmt und überhaupt kein Wind ist gegangen und man musste gar nicht alles anziehen, was man mit hatte.
Abends hab ich mir dann noch ein aufregendes Abendessen in einer schicken japanischen Bar geleistet. Schweinebacke. Da sagt die Kellnerin zu mir, dass das ein bisschen eine trennende Speise ist, wo einige Leute nur dafür herkommen, andere können es nicht leiden. Bisschen fatty, sagt sie. Ist ok, sag ich, das ist ja gut mit den pickles, die ich dazu bestelle. Da muss sie mir zustimmen. Es war dann wirklich gut und ich hab gemerkt, dass es einen Unterschied zwischen fatty und greasy gibt. Quasi fettig und ölig, aber irgendwie erwischt das das auch nicht besonders, weil wenn ich das so schreibe, nun, fettig ist schon besser als ölig, aber es kann kaum als gut beschrieben werden. Vielleicht hat fatty auch kaum was positives, aber hier war s gut. Mehr seidig als fettig.
Und das war s dann schon wieder mit Tasmanien. Das ist direkt schade gewesen, hab ich gemerkt, weil ich gerne noch auf den Berg gestiegen wäre oder einen Ausflug mit dem Schiff gemacht hätte, runter zum südlichen Leuchtturm, zu den Delphinen, den Robben und den Pinguinen. Und wenn man den Kreis ein bisschen weiter ziehen möchte, wenn man ins Auto steigen würde, dann gibt s die Strände und die Wälder und die Seen und die Berge und vieles davon auch mit Wildnis. Aber ich sitze schon wieder am Flughafen und warte auf meinen Flug nach Sydney. Jetstar hat ein bisschen Verspätung, aber das ist nicht ungewöhnlich. Der Warteraum zeigt Tasmanien nochmal von seiner skandinavischen Seite, selbst die Kaffeebars geben sich schick und individuell und in der Ecke ist ein großer Kinderspielplatz mit Klettergerüst und Bildern tasmanischer Fauna. Und der Humor steckt einfach darin, dass man am International Airport Hobart nur Flüge nach Australien bekommt. Vielleicht versteckt man seine Anstrebungen zur Unabhängigkeit hier einfach dort, wo alle hinsehen.