Gleich von Anfang an hab ich s schon gern. Ich will s natürlich auch gern haben, so ist das nicht. Und so geht s, gleich von Null weg. Und es ist gleich wieder so viel Europa. Warum, frag ich mich, ist das so viel Europa? Vielleicht ist es nur, dass die Architektur ein bisschen geradliniger ist, deutlich massiver, die Häuser Barrikaden gegen das kalte Wetter. Und wahrscheinlich stimmt das auch, dass es eh nicht viel anders ausschaut als manchmal auf Hokkaido. Und die Luft ist klar und der Himmel blau und die Berge hoch. Der Anflug war ziemlich imposant eigentlich, weil wir so über die Eben fliegen und am Horizont schießen mit einem Mal die Berge weit über die Schneegrenze. Aber Eriwan selbst: alles flach.
Weil ja, der Winter. Ich hab sofort den Eindruck, dass Eriwan im Sommer noch einmal eindrucksvoller sein könnte. Irgendwie ist das ja auch sowas, was in meinem Kopf nicht ganz präsent ist: diese Gegenden, in denen es im Sommer sehr heiß ist und im Winter trotzdem sehr kalt. Ich war ja seinerzeit auch in Rumänien schon etwas überrascht, dass die im Sommer locker in die Mittdreißiger kommen, aber es im Winter trotzdem friert. Aber ja, mittlerweile haben wir das ja in Wien ebenfalls. Der Süden kommt zu uns, ob wir ihn reinlassen wollen oder nicht. Na und hier stehen halt bereits viele abgedrehte Springbrunnen, ausgelassene Kunstteiche herum. Aber es ist warm genug, dass die Menschen auf den Parkbänken sitzen. Oder auf der Straße und Obst, ähm, feilbieten: Die Granatäpfel sind aufgestapelt, aber auch Pfirsiche, Zwetschgen, Äpfel und Sharon gibt s zuhauf, außerdem Walnüsse, oh, Walnüsse, säckeweise. Und das kann man alles direkt auf der Straße kaufen, aus Säcken, manchmal aus einem Auto. Man kann das aus einem kleinen Geschäft kaufen, in dem mich der Mann mit seinem fehlerfreien Englisch überrascht hat, oder man kann das im großen Supermarkt kaufen, in dem ich heute war. Der aber wirklich wiederum ein Supermarkt ist, so wie man sich das vielleicht vor hundert Jahren vorgestellt hat: Man kann ganz viel offen kaufen, Obst, Gemüse, Brot sowieso. Auch Käse, Fleisch und Wurst, ein paar Aquarien mit Forellen drin oder Garnelen. Aber es stehen eben auch Bottiche mit Kaffeebohnen (die man daneben dann mahlen kann), Reis, verschiedene Nudeln, Mehl und sogar manche Gewürze: Zimt erkenn ich, was gelbes, was rotes… steht offen herum und ist in kleine Säckchen abzufüllen. Hat mir sehr gut gefallen. Beim Käse hab ich außerdem eine riesige Maschine gesehen, ich glaub, die machen selber Käse im Supermarkt. Und was bleibt dann noch? Nun, ein Drittel des restlichen Supermarkts ist die Alkoholabteilung. Als ich an der Kassa die Frage nach einem Sackerl – scheinbar – verneine, stellt sie fest, gut, kein Sackerl und nimmt dann doch ein Sackerl für meine kleinen Einkäufe (Schokolade, Zahnpasta, Thymiantee). Immer noch verdutzt, was sie wohl mit ihrer ersten Frage gemeint hat, wenn sie mir dann erst ein Sackerl gibt.
Ja, ich kauf mir einen Thymiantee für den Hals. Kaum hab ich den Herbst eingeholt, erwischt mich die Verkühlung. Es gibt da verschiedene mögliche Ursachen und wahrscheinlich spielt das alles zusammen. Ich sag gern, dass es wohl damit zu tun hat, dass ich ja zum Arbeiten hier bin und das ist vielleicht jetzt unzutreffend, aber in den letzten Jahren hat mich mein durch die Arbeit strukturierter Lebensrhythmus und dazugehöriger Stress ganz sicher in zwei, drei Verkühlungen pro Jahr getrieben. Aber natürlich sind auch die gefallenen Außentemperaturen eine Überraschung für den Körper. Und noch spezifischer bin ich ja zuletzt elf Stunden lang in Novosibirsk herumgelegen, während ich auf meinen Anschlussflug gewartet hab und das ist vielleicht auch gar nicht so ohne. Überhaupt, das viele unterwegs sein diese Tage. Und in Bangkok hat vielleicht auch diese überraschende Feier ein bisschen beigetragen, mit dem vielleicht nicht ganz durchgegarten Huhn, auch das hat den Organismus etwas angestrengt.
Auf jeden Fall bin ich die ersten paar Tage in Armenien gleich einmal relativ viel daheim herumgelegen, mit dem Versuch mich zu schonen. Dann wiederum hab ich auch versucht, meinen Körper in Schwung zu bekommen und der Erkältung mit einer Aktivierung von Kreislauf und Immunsystem zu begegnen. Ich mein, ja, funktioniert beides entweder nicht oder aber was die eine Taktik funktioniert, kränkt mich die andere, so dass ich da eigentlich relativ in der Stabilen verharre. Es ist ja auch so, dass Krank-Sein nicht so einfach ist, zwischen Sich-Spüren und Konsequenzen für den Alltag daraus ziehen… Hat ja letztlich auch viel mit Verantwortung-für-sich-Übernehmen zu tun und ich merk bei mir die naheliegendste Reaktion ist immer noch, dass ich ja wohl damit heute nicht in die Schule muss.
Aber was ich seh von Eriwan gefällt mir wirklich. Da ist der verschwenderische Umgang mit Granatäpfeln, was mich zugegebenermaßen bezaubert. Da ist die märchenhafte Schrift, die aussieht, als hätte sich die DesginerIn auf den Buchstaben U beschränken wollen. Nein, es hat alles so einen Charme, den ich wohl rustikal nennen muss, weil es nicht genügend andere Wörter in meinem Wortschatz gibt. Steckt das Wort Rost im Wort rustikal? Es ist alles ein bisschen abgenutzt, abgewischt, eingezwickt. Wäsche in den Hinterhof hinaus. Manches wirkt vielleicht ein bisschen nach Sowjet-Chic, aber anderes wirkt auch älter oder ist das Neo-Jugendstil? Es gibt große, breite Straßen und Prunkplätze, es ist aber auch alles wieder mit Autos zugeparkt. Und wenn mitten im Zentrum gerade erst Anfang des Jahres ein großer Park zum zweitausendachthundertjährigen Jubiläum von Eriwan eröffnet wurde, dann wirkt das, als ob da noch einiges im Fluss wäre. Ja, es gibt hier auf jeden Fall die eine oder andere Tradition.
Jetzt, die Leute, da hab ich mir schon in Novosibirsk gedacht, dass das schon ein massiver Unterschied zu den ThailänderInnen ist. Da sieht man dann oft einen Russen, der doppelt so viel Schultern, doppelt so viel Hals hat und bei den Armeniern ist das nicht viel anders. Und natürlich bin ich da beschämt, mit welcher Leichtigkeit ich die Armenier mit Cartoon Bösewichten assoziiere. Ich mein, das sind jahrelange mediale Wiederholung, die das tief in mich eingegraben hat! Aber mit ihren Lederjacken und den Jogginganzugshosen und den Drei-, Viertagesbärten und den Sonnenbrillen und den Kaugummis und und und
Was ich nicht ganz heraußen hab, ist die Beziehung zu Russland. Ich mein, klar, Teil der Sowjetunion und solche Sachen. Aber jetzt wird hier ja viel Russisch gesprochen auf der Straße und vieles ist in Russisch angeschrieben – ich fand das zum Beispiel relativ amüsant, dass im Englischen Garten die Wegweiser zu den Toiletten nur auf Russisch angeschrieben waren. Und ich werde auf Russisch angesprochen, weil von dort kommt der Tourismus offenbar in erster Linie. Und zu meinem Erstaunen muss ich sagen, diese russischen Einstiegsfragen versteh ich ja sogar oft, weil da ist ja auch der Kontext und da weiß ich schon zirka. Antworten kann ich dann allerdings nicht und so steh ich dann manchmal ein bisschen verloren, wo ich in der Rolle bin, eigentlich jetzt eine Antwort zu geben, aber ich kann meine Antwort halt nicht formulieren (oder bin mir auch gar nicht sicher, ob ich jetzt wirklich verstanden hab, kommt schon auch vor). Und dann muss ich erst wieder irgendwas auf Englisch stammeln. Weil lustigerweise stammel ich ja trotzdem auf Englisch. Ich weiß nicht, vielleicht wäre auf Deutsch stammeln gar nicht so verkehrt. Obwohl, die Jüngeren tatsächlich gut mit englisch sind, quasi die unter vierzig (o mei, wie sich die Bedeutung von die Jüngeren wandelt, auf dem eigenen Marsch durch die Lebensalter). Oder man macht halt das, was die JapanerInnen auch gern eingesetzt haben und lässt sich die Konversation vom Computer übersetzen. Mit meinem Taxichauffeur hatte ich so fast eine Unterhaltung. Ist wie Telefonieren, aber halt nur mit einem Telefon.
Wieder ein
Flughafen, wieder ein Aufbruch. Diesmal bin ich aber wirklich etwas
länger unterwegs und vielleicht ist das auch symbolisch irgendwie.
Oder so herum: vielleicht will man da auch irgendwas symbolisches
drin erkennen. Immerhin verlasse ich die Tropen, hab ich
festgestellt, als ich mir heute Morgen beim
Das-letzte-Mal-den-Strand-entlang-Gehen beinahe einen halbseitigen
Sonnenbrand geholt hätte. Da setzen sich die Leute echt noch in die
Sonne mit ihrer Joghurthaut! Das hat mich wirklich ein bisschen
überrascht, dass Leute immer noch dieses Urlaubsbild haben, dass sie
sich am ersten Tag mit einem Buch in den Sand setzen müssen. Und
die, die sich nicht ganz der Illusion hingeben, dass das an sich eine
gute Idee wäre, die schmieren sich eh zentimeterdick mit Sonnencreme
ein, dass man die Molke kaum durchschimmern sieht. Man mag darin auch
eine Arroganz sehen, weil ich doch seit Monaten unter Palmen
schlender und deren ja längst indifferent geworden mögen… habe…
sein. Aber ich hebe den Arm und strecke den Finger gen Himmel um das
Augenmerk darauf zu lenken, dass ich das vor einem Jahr so ähnlich
gesehen hätte. Und in der Tat hab ich kaum jemals Zeit am Strand
verbracht und ich würde sogar sagen: das ist das erste Mal seit
Australien, wo ich das mal probiert habe und dann wieder raus bin,
weil ich das Meer ganz allein plötzlich als unheimlich empfunden
habe, das erste Mal, dass ich an so einem Strand entlangspaziere und
zumindest anderen Leuten dabei zusehe, wie sie sich dem
Am-Strand-Sitzen hingeben. Also ja: immer noch dieses
Urlaubsbild haben.
Vielleicht ist es auch, weil ich ja in meiner expliziten
Strandsitzaversion seit Jahren die Sonne als den nächsten großen
Public Health Faktor vorauszusagen versuche. Also, vorauszusagen
versuchen geht so, dass man s einfach so lange sagt, bis es eintritt,
nicht wahr. Ich denk mir, bevor sie Alkoholfolgenfotos auf Flaschen
kleben, werden sie eher den Solarkrebs ins öffentliche Bewusstsein
rücken. Aber scheinbar gibt s bei den Zigaretten eh noch genug zu
tun. (Bravo, so nebenher, dass sich Österreich zu
einem Verbot durchgerungen hat…)
Anyway. Sonnenbrand in Südthailand: Ich hab ja relativ schnell
einmal viel Freude dran gehabt, dass die Massagesalons Aloe-Vera
Massagen anbieten.
Aber sonst, ich mein, es fangt ja wirklich erst an. In den letzten
Tagen sind die Restaurants langsam voll geworden, abends sitzen jetzt
ein paar Leute vor den Bars aus denen lauter Neunzigerpop dröhnt,
auch der Strand füllt sich wie gesagt und selbst unser Tauchboot war
schon wirklich so voll, dass es sich langsam für meinen Tauchshop
echt auszahlen wird, ihr eigenes Boot zum Laufen zu kriegen. Weil das
ist so, dass in der Nebensaison, da fahren jeden Tag nur zwei, drei
Boote raus, war mein Eindruck. Da mieten sich quasi die verschiedenen
Tauchschulen dann bei denen ein, die sagen, dass sie sowieso fahren
und das ist dann auch in Ordnung für alle. So ein Tauchboot ist ja
quasi die halbe Miete, da muss ja auch eine Crew bezahlt werden und
ein Tank und die ganzen Tanks erst. Weil dass ich hier die schicksten
Tauchboote befahre, die ich in meiner kurzen Karriere bisher befahren
habe, hab ich das schon gesagt? So, wo wir zwanzig Gäste sind oder
was und nochmal zehn InstruktorInnen oder FührerInnen. Und dann die
Boys, weil auch hier hat s Boys, irgendwer muss ja die schlecht
bezahlte Arbeit machen… Und einen Kapitän und dann sind wir eh
vierzig Leute auf so einem Boot. Und wir sind auch ein, zwei Stunden
bis zu unseren Tauchstätten unterwegs. Und dann gibt s Snackereien
und ein ordentliches Mittagessen, weil wer taucht brennt Kalorien
oder zumindest wird man müde davon, weil man zu viel Stickstoff im
Blut hat und ich nehm an, es transportiert dann weniger Sauerstoff?
Das müsste man wohl nachschauen.
Na und das war jetzt auch voll, zuletzt. Und ja, da mischen sich dann die ÖsterreicherInnen (im Restaurant unverkennbar dank der Phrase can we pay?) und die SpanierInnen und die Deutschen und die SchweizerInnen und zwischendurch einmal drei Inder oder eine Chinesin. Aber eher noch das ganze Boot voll mit SchwedInnen. Das ist ja auch ein bisschen eine Überraschung, wenn die plötzlich in der Gruppe auftauchen. (Witzig übrigens, dass ich am Flughafen total viele ItalienerInnen zu hören bekomme, was am Boot nie vorgekommen ist.) Manchmal catern gewisse Destinationen schon sehr eine bestimmte Nationalität, dass am Hafen groß ein Swedish Restaurant angeschrieben und Schilder groß zum Snus Geschäft verweisen, das kommt unerwartet. Aber ich nehm an, das sind halt, so wie meine PolInnen, Leute, die sich sagen, na, machen wir halt ein schwedisches Restaurant auf einer thailändischen Insel auf, weil ich hab keine Lust mehr auf kalte Füße.
Aber wenn s Boot so voll ist, ist es mir eh fast gleich, wer da
ist, bin ich schnell ein bisschen am Rückzug. Ich drück mich gerne
ein bisschen bei den InstruktorInnen herum, einerseits, weil das
überall die coolen Mädels und Burschen sind, aber auch, weil ich s
interessant find, wie die das so machen und wie ihre Biografien so
ausschauen. Ich mein, manchmal bin ich auch sehr umständlich, wenn
ich einmal von einer ein bisserl sehr hingerissen bin, kommt ja auch
vor. Da bin ich schnell wieder sehr verloren. Und dann gibt s die,
die s mit der Lässigkeit vielleicht einmal ansatzweise übertreiben,
je nach Tätowierungen, Gehabe und sonstigem Körperschmuck, denen
geh ich ja dann auch einmal absichtlich ein bisschen aus dem Weg. Zu
meiner Überraschung hebt ein kurzes Gespräch über der Frage in
welchem Kübel der Anzug zu waschen wäre oder wo jetzt wieder das
Spülmittel für die Masken sei, das erste Douche-Urteil
dann doch oft als falsch auf. I guess das ist ein bisschen
Teil von dieser Erfahrung, wo ich nach dem zweiten Tag einen anderen
Eindruck hab als nach dem ersten und wo der dritte dann noch eine
Überraschung bietet, die am vierten relativiert wird…
Das einzige, was mit einiger Sicherheit passiert, ist, dass sich
die Haie nicht gezeigt haben. Oder die Mantas. Oder die Walhaie. Also
alles was so unter die Kategorie der pelagial creatures
fällt, quasi die echten MeeresbewohnerInnen, nicht nur die
Rifffischchen. Aber da gibt s natürlich die Plätze, wo man sagt, da
kommen sie vorbei, hier lassen sich die fünf Mantas putzen, hier
hängen die Schwarzspitzenriffhaie üblicherweise vorbei und dort ist
heute von wegen Planktonströmung vielleicht ein guter Tag, dass ein
Walhai vorbeischaut. Und da starr ich dann einmal eine halbe Stunde
lang into the blue, wie man sagt, und kann meine Aufregung
über die Möglichkeit buchstäblich am Finimeter ablesen, weil
Spannung braucht Luft. Aber halt Mal für Mal nix gewesen. Und da
kann man sich da natürlich nicht beschweren. Aber wenn mich eine
Instruktorin fragt, wie mein Tauchgang war dann zöger ich vielleicht
doch so ein bisschen, weil ich quasi „nur das übliche“ zu sehen
bekommen habe, obwohl ich ein bisschen auf pelagisches gespitzt hab.
Sagt sie I believe you have expectations. Und sie meint das,
glaub ich, als etwas negatives. Und das ist aus dem Buch: Leute, die
die gleichen Wörter verwenden, aber etwas anderes damit meinen. Hab
ich mich gefragt, ob das vielleicht was buddhistisches ist, weil da
ist ja das ganze mit den Ansprüchen und den Erwartungen, die dann
allesamt ständig enttäuscht werden und nie passiert da, was man
gerne hätte… das spielt ja eine andere Rolle dort. Aber wie
gesagt, eigentlich sind in der Gegend die Leute ja muslimisch und ich
weiß nicht, wie der Islam mit dem Terror enttäuschter
Erwartungshaltungen umgeht.
Und ja, das war eine thailändische Instruktorin. Das ist ja
überhaupt so ein Ding, dass relativ wenige Einheimische in den
(presumably) besser bezahlten Jobs arbeiten. Ist natürlich
ernüchternd, dass von dem Tauchtourismus dann wieder die
europäischen AussteigerInnen profitieren. Und natürlich haben auch
die Restaurants und die Hotels und die Tourguides was davon, wenn
jemand auf seinen Tauchurlaub vorbeikommt. Aber mein Geld ist
zumindest vor allem an meine PolInnen gegangen. So wirklich ist mir
das auch erst aufgefallen, wie mir die PolInnen den Wale als Guide
mitgeschickt haben, der auf Ko Lanta aufgewachsen ist und der da für
ihn selbst überraschend nämlich, plötzlich ein Tauchguide geworden
ist. Aber natürlich bin ich dann, als ich ersteinmal draufgeschaut
hab, eh schon wieder draufgekommen, dass es viel mehr thailändische
InstruktorInnen gibt, als ich zuerst gedacht hab. Nur dass ich die
halt nicht bemerkt hab, weil die weniger mit den Touris am Sonnendeck
abhängen und eher vielleicht mit den Boys. Sagen wir ein Drittel.
Und zwischendurch wieder ein Franzose, mit dem ich mich gleich
wieder gern unterhalten hab. Den haben sie uns als Fotografen mit an
Bord gegeben und… ja. Schwer zu sagen. Ich hab ja dann mal gedacht,
ob das mit den FranzösInnen vielleicht auch mehr so ist, wie mit den
AmerikanerInnen, dass die, die man im Ausland trifft, eh nett und
rücksichtsvoll und witzig sind. Oder auch nur, dass mir bei den
einen wie den anderen die sympathischen eher auffallen als die
anstrengenden. Auf jeden Fall ist er selbst in den kleinen
Unterhaltungen, die wir so zwischendurch haben so angenehm
französisch.
Mah, und meine Zehe hat sich wieder erholt, nachdem ich sie mit Karacho gegen den Gehsteigabgrenzungsboller gestoßen hab, manchmal drückt s immer noch unangenehm, wenn ich sie blöd erwische. Da frag ich mich dann, was man sich alles verletzen kann, wie unbemerkt man sich die Zehe brechen kann. Mehr Problem macht allerdings die Haut, weil da muss man sagen, das Tauchen, die Sonne und das Meer, das verlangt schon seinen Zoll. Die Haare hab ich sogar halbwegs im Griff, das schicke Boot erlaubt ja, dass ich mir nach jedem Tauchgang schnell einmal ein bisschen das Salz rausspühl. Aber ständig trockene Hände, meine Nagelbetten sind ausgefranst wie Rotwild im Frühling! Es ist wirklich nicht einfach. Da hab ich mir am letzten Tag noch eine Ölmassage gekauft, da hab ich mir gedacht, das hilft vielleicht. Auf jeden Fall bin ich unter den Schraubstockhänden der Masseurin beinahe gestorben, während sie und die Kollegin herzhaft über mein Ächzen und Stöhnen gelacht haben.
Und dann noch zwei, drei Sachen, die ich schon ein bisschen mit mir herumtrage, so aus: verschleppte Irrtümer. Wasser scheint man im Buddhismus quer durch die Bank als Opfer zu geben, was ich als bisschen brutale Opfergabe für die Atombombenopfer empfunden habe, ist gar nicht spezifisch in Erinnerung an deren qualvolles Verdursten. Ich mein, der Springbrunnen immer noch, aber vielleicht nicht unbedingt die Wasser.
Ah ja. Das andere war mehr so was, wo ich sag: oh schau, die progressive, emanzipatorische Kraft des Nationalismus, quelle surprise! Dass ich aber um die halbe Welt fahren sollte, für so ein Bild. Jetzt kann man natürlich sagen, die österreichische Herrschaft über die östlichen Nachbarn, das war vielleicht schon was anderes als die japanische Besetzung Koreas, natürlich sind die Rahmenbedingungen da ganz was anderes. Aber aus einer – sagmaramal –tschechischen Perspektive wird man da vielleicht auch leichter eine emanzipatorische Kraft dahinter erkennen. Wie gesagt, was sicher anders ist und weshalb ich mich dem koreanischen Nationalismus näher empfinde, ist, dass er halt nach wie vor ein progressives Ziel verfolgt in der Vereinigung der zwei Hälften Koreas. Und das ist ja etwas, was auf beiden Seiten ein Ziel ist, das – so scheint s mir – die entlang der Kalter-Krieg-Dichotomie gespaltene Politik der beiden Staaten transzendiert. Auf der anderen Seite gibt es in Mitteleuropa kaum ein Land, wo ich aus dem distanzierten (und österreichisch getrübten) Perspektive sagten würde, dass die ein besonders elegantes Verhältnis zum Nationalismus hätten. Serbien, Kroatien, Ungarn, Polen… Und ich mein zuhause ja auch nicht jetzt besonders. Das kann schon sein, dass das damit zu tun hat, dass sich die Fantasie vom eigenen Nationalstaat kaum jemals hat so wirklich umsetzen lassen. Ein Gefühl der Fremdbestimmung vom nächsten abgelöst. Aber ich nehme an, da sind wir auch wieder ein bisschen bei den unterschiedlichen Voraussetzungen.
Währenddessen zieht ein ziemliches Gewitter über den Flughafen
von Krabi. Da sind ein paar recht beeindruckende Blitze nah genug
eingeschlagen, dass wir den Donner quasi zeitgleich bekommen haben.
Umso eindrucksvoller, als die Hauptbeleuchtung ausgefallen ist.
Hinter mir sitzt ein spanisches Pärchen, die vorher laut
irgendwelche spanischen Talkshows geschaut haben, aber als sie dann
beim fünften, sechsten Blitz zum jammern begonnen hat („Ay!“),
da hat er dann angefangen psch-psch zu machen. Hab ich mir
auch gedacht, das ist schon ein männliches Verhalten.
Und dann war ich in Bangkok. Ja nur auf einen Sprung, nur auf eine Nacht, weil eigentlich bin ich in meiner zweiundfünfzigstündigen Reisebewegung von Ko Lanta nach Eriwan. Aber da ist die erste Übernachtung eben in Bangkok gewesen. Und da komm ich mit meinem letzten Geld, mit meinem vorletzten Geld, vom Flughafen zu meinem Hotel gefahren und dann ist da eine Hallowe’en Veranstaltung. Aber schau mich an, nachdem ich mich ein bisschen hergerichtet hab und kurz am Bett ausgestreckt hab, geh ich tatsächlich runter und unterhalte mich ein bisschen aus dem Hintergrund und dann doch noch mitten am Tisch mit den anderen Gästen.
Da sind dann wieder einmal zwei weiße Südafrikaner und das ist einfach nicht so einfach. Weil die Ding, die damals in Neuseeland begeistert auf Afrikaans geflucht hat, die war gut enthusiastisch über Streetfood und politische Graswurzelbewegungen und so, da konnte ich gut mit. Aber mit den Männern zu reden, die sagen, dass, ja, die Situation ist halt nicht besonders gut in Südafrika, weil sie zur Zeit für alle Stellen nachgereiht werden, weil Schwarze halt bevorzugt eingestellt werden. Ich seh schon ein, dass da eine Generation von SüdafrikanerInnen aufwächst, denen „ihr“ Südafrika in so einem Turnaround zerbröselt und die da eine Suppe serviert bekommen, die ihnen das Leben schwer macht. Oder wie auch immer man das betrachten möchte. Vielleicht ist das aber was, wo wir allesamt mehr hinschauen müssten, weil da offenbar eine weiße Mittelschicht ganz klar ihre Privilegien abgeben muss. Aber so hab ich schnell das Gefühl, ein bisschen in der Brisanz zu tappen, nachdem ich doch nur gefragt habe, warum sie seit drei Wochen im Hostel neben dem Flughafen wohnen. Und sie haben ja auch nicht einmal den Eindruck von Rassisten gemacht, aber das hat vielleicht in einem südafrikanischen Kontext alles ein bisschen eine andere Bedeutung. Ich mein, über die Formulierung opposite colour war ich schon etwas überrascht. Und wenngleich ich da also schnell einmal aufs Nachhaken verzichtet hab, erschien mir das schon sehr als ein Zeichen dafür, dass es da doch noch sehr dichotom zuginge, in der alltäglichen Politik Südafrikas.
Nächster Tag mit der S7 zum
Flughafen in Novosibirsk. Das war ganz gemütlich, der längste Flug
wahrscheinlich, auf dem ich kein Unterhaltungsprogramm hatte. Nicht
einmal so einen Monitor, auf dem man sieht, wo man gerade
drüberfliegt. Ich hab dann viel aus dem Fenster geschaut und das war
schon aufregend, weil ich kurz nach Start draufgekommen bin, dass wir
ja irgendwie über die Himalayas fliegen müssten. Und weil ich nicht
genau weiß, wo Novosibirsk liegt hab ich zuerst gedacht, dass ich
mich wohl leider auf die falsche Flugzeugseite eingecheckt hätte.
Aber dann hatte ich doch ein paar Berge bei mir und dann hatte ich
noch mehr Berge und vielleicht war irgendwas davon ja tatsächlich…
also irgendwas davon war sicherlich der Himalaya. Und dann sind wir
über Wüsten geflogen und das war auch beeindruckend, weil da
einfach nur Steppe rumgelegen ist. Bevor ich mich dann wieder meinem
Steven King gewidmet hab.
In Novosibirsk stand gleich neben der Tür dann ein bepelzmützter Sicherheitsbeamter, das hat mir schon einmal gut gefallen. Aber was noch etwas schräger war, dass in dem Schlauch, der vom Flugzeug in den -hafen geführt hat, für ein Reisebüro geworben wurde, die sich anextour nennen. Grad für ein russisches Reisebüro ist das irgendwie auch nicht unbrisant. Dann haben sie mich durch eine Passkontrolle geschickt, warum auch immer, da war eine Beamte mit Sternen an den Schultern, die meinen Pass genommen hat und mich dann auf Russisch was gefragt hat, was ich ihr nicht wirklich beantworten konnte. Dann hat sie ein bisschen telefoniert, mich eigentlich nicht mehr angeschaut und ich hab mir nur gedacht, wie sowjet-kafka ich hier verwaltet werde. Wie authentisch! Sie hat dann einen Rückruf bekommen und schnell meinen Pass durchgeblättert und mich nach Russland hineingestempelt. Was ich nicht ganz verstehe, weil ich mich ja eh nur im Transitbereich aufhalten darf ohne Visum. Aber natürlich freu ich mich auch ein bisschen darüber, da einen Stempel hineinbekommen zu haben. Novosibirsk drängt sich doch auf in meine Reiseberichte aufgenommen zu werden und wenn ich nur irgendwo am Flughafen rumlungern werde, beschallt mit Nena (99 Luftballons), Ace of Base (Wheel of Fortune), Cindy Lauper (Girls Just Wanna Have Fun) et al., fein synkopiert mit etwas leiserem Russischpop aus dem Café daneben. Bis sie mich morgen nach Eriwan schupfen.