Die Berge sind der Sonne näher
Da braucht es keinen Helleseher
Dass ein Gedicht zum Hautverbrennen
Ein weiteres, darf ich bekennen.
Am Wanderweg brav Sonnencreme
Und doch im Tal bin ich bequem
„Dein Kopf schaut schon aus wie dein Schört,“
Hab ich mir bald drauf angehört.
So schmiert ich statt der Prävention
Dann meine After-Sun-Lotion
Und siehe da: auch sie verhindert
Dass ich komplett entstellt, behindert
Am nächsten Tag beim Paragleiten
Segle durch der Lüfte Weiten.
Jedoch die Disziplin ist hin
Und auch beim Abstieg Richtung Wien
Gibt s Faktor fünfzig nur ganz dünn.
Im Schatten noch der Hohen Wand
Hol ich mir einen Sonnenbrand
Rot schimmert meine Haut, die zarte.
*Warte
Schlagwort: Österreich
Off with the fairies
Wieder ein Flughafen, wieder ein Aufbruch. Diesmal bin ich aber wirklich etwas länger unterwegs und vielleicht ist das auch symbolisch irgendwie. Oder so herum: vielleicht will man da auch irgendwas symbolisches drin erkennen. Immerhin verlasse ich die Tropen, hab ich festgestellt, als ich mir heute Morgen beim Das-letzte-Mal-den-Strand-entlang-Gehen beinahe einen halbseitigen Sonnenbrand geholt hätte. Da setzen sich die Leute echt noch in die Sonne mit ihrer Joghurthaut! Das hat mich wirklich ein bisschen überrascht, dass Leute immer noch dieses Urlaubsbild haben, dass sie sich am ersten Tag mit einem Buch in den Sand setzen müssen. Und die, die sich nicht ganz der Illusion hingeben, dass das an sich eine gute Idee wäre, die schmieren sich eh zentimeterdick mit Sonnencreme ein, dass man die Molke kaum durchschimmern sieht. Man mag darin auch eine Arroganz sehen, weil ich doch seit Monaten unter Palmen schlender und deren ja längst indifferent geworden mögen… habe… sein. Aber ich hebe den Arm und strecke den Finger gen Himmel um das Augenmerk darauf zu lenken, dass ich das vor einem Jahr so ähnlich gesehen hätte. Und in der Tat hab ich kaum jemals Zeit am Strand verbracht und ich würde sogar sagen: das ist das erste Mal seit Australien, wo ich das mal probiert habe und dann wieder raus bin, weil ich das Meer ganz allein plötzlich als unheimlich empfunden habe, das erste Mal, dass ich an so einem Strand entlangspaziere und zumindest anderen Leuten dabei zusehe, wie sie sich dem Am-Strand-Sitzen hingeben. Also ja: immer noch dieses Urlaubsbild haben.
Vielleicht ist es auch, weil ich ja in meiner expliziten Strandsitzaversion seit Jahren die Sonne als den nächsten großen Public Health Faktor vorauszusagen versuche. Also, vorauszusagen versuchen geht so, dass man s einfach so lange sagt, bis es eintritt, nicht wahr. Ich denk mir, bevor sie Alkoholfolgenfotos auf Flaschen kleben, werden sie eher den Solarkrebs ins öffentliche Bewusstsein rücken. Aber scheinbar gibt s bei den Zigaretten eh noch genug zu tun. (Bravo, so nebenher, dass sich Österreich zu einem Verbot durchgerungen hat…)
Anyway. Sonnenbrand in Südthailand: Ich hab ja relativ schnell einmal viel Freude dran gehabt, dass die Massagesalons Aloe-Vera Massagen anbieten.
Aber sonst, ich mein, es fangt ja wirklich erst an. In den letzten Tagen sind die Restaurants langsam voll geworden, abends sitzen jetzt ein paar Leute vor den Bars aus denen lauter Neunzigerpop dröhnt, auch der Strand füllt sich wie gesagt und selbst unser Tauchboot war schon wirklich so voll, dass es sich langsam für meinen Tauchshop echt auszahlen wird, ihr eigenes Boot zum Laufen zu kriegen. Weil das ist so, dass in der Nebensaison, da fahren jeden Tag nur zwei, drei Boote raus, war mein Eindruck. Da mieten sich quasi die verschiedenen Tauchschulen dann bei denen ein, die sagen, dass sie sowieso fahren und das ist dann auch in Ordnung für alle. So ein Tauchboot ist ja quasi die halbe Miete, da muss ja auch eine Crew bezahlt werden und ein Tank und die ganzen Tanks erst. Weil dass ich hier die schicksten Tauchboote befahre, die ich in meiner kurzen Karriere bisher befahren habe, hab ich das schon gesagt? So, wo wir zwanzig Gäste sind oder was und nochmal zehn InstruktorInnen oder FührerInnen. Und dann die Boys, weil auch hier hat s Boys, irgendwer muss ja die schlecht bezahlte Arbeit machen… Und einen Kapitän und dann sind wir eh vierzig Leute auf so einem Boot. Und wir sind auch ein, zwei Stunden bis zu unseren Tauchstätten unterwegs. Und dann gibt s Snackereien und ein ordentliches Mittagessen, weil wer taucht brennt Kalorien oder zumindest wird man müde davon, weil man zu viel Stickstoff im Blut hat und ich nehm an, es transportiert dann weniger Sauerstoff? Das müsste man wohl nachschauen.
Na und das war jetzt auch voll, zuletzt. Und ja, da mischen sich dann die ÖsterreicherInnen (im Restaurant unverkennbar dank der Phrase can we pay?) und die SpanierInnen und die Deutschen und die SchweizerInnen und zwischendurch einmal drei Inder oder eine Chinesin. Aber eher noch das ganze Boot voll mit SchwedInnen. Das ist ja auch ein bisschen eine Überraschung, wenn die plötzlich in der Gruppe auftauchen. (Witzig übrigens, dass ich am Flughafen total viele ItalienerInnen zu hören bekomme, was am Boot nie vorgekommen ist.) Manchmal catern gewisse Destinationen schon sehr eine bestimmte Nationalität, dass am Hafen groß ein Swedish Restaurant angeschrieben und Schilder groß zum Snus Geschäft verweisen, das kommt unerwartet. Aber ich nehm an, das sind halt, so wie meine PolInnen, Leute, die sich sagen, na, machen wir halt ein schwedisches Restaurant auf einer thailändischen Insel auf, weil ich hab keine Lust mehr auf kalte Füße.
Aber wenn s Boot so voll ist, ist es mir eh fast gleich, wer da ist, bin ich schnell ein bisschen am Rückzug. Ich drück mich gerne ein bisschen bei den InstruktorInnen herum, einerseits, weil das überall die coolen Mädels und Burschen sind, aber auch, weil ich s interessant find, wie die das so machen und wie ihre Biografien so ausschauen. Ich mein, manchmal bin ich auch sehr umständlich, wenn ich einmal von einer ein bisserl sehr hingerissen bin, kommt ja auch vor. Da bin ich schnell wieder sehr verloren. Und dann gibt s die, die s mit der Lässigkeit vielleicht einmal ansatzweise übertreiben, je nach Tätowierungen, Gehabe und sonstigem Körperschmuck, denen geh ich ja dann auch einmal absichtlich ein bisschen aus dem Weg. Zu meiner Überraschung hebt ein kurzes Gespräch über der Frage in welchem Kübel der Anzug zu waschen wäre oder wo jetzt wieder das Spülmittel für die Masken sei, das erste Douche-Urteil dann doch oft als falsch auf. I guess das ist ein bisschen Teil von dieser Erfahrung, wo ich nach dem zweiten Tag einen anderen Eindruck hab als nach dem ersten und wo der dritte dann noch eine Überraschung bietet, die am vierten relativiert wird…
Das einzige, was mit einiger Sicherheit passiert, ist, dass sich die Haie nicht gezeigt haben. Oder die Mantas. Oder die Walhaie. Also alles was so unter die Kategorie der pelagial creatures fällt, quasi die echten MeeresbewohnerInnen, nicht nur die Rifffischchen. Aber da gibt s natürlich die Plätze, wo man sagt, da kommen sie vorbei, hier lassen sich die fünf Mantas putzen, hier hängen die Schwarzspitzenriffhaie üblicherweise vorbei und dort ist heute von wegen Planktonströmung vielleicht ein guter Tag, dass ein Walhai vorbeischaut. Und da starr ich dann einmal eine halbe Stunde lang into the blue, wie man sagt, und kann meine Aufregung über die Möglichkeit buchstäblich am Finimeter ablesen, weil Spannung braucht Luft. Aber halt Mal für Mal nix gewesen. Und da kann man sich da natürlich nicht beschweren. Aber wenn mich eine Instruktorin fragt, wie mein Tauchgang war dann zöger ich vielleicht doch so ein bisschen, weil ich quasi „nur das übliche“ zu sehen bekommen habe, obwohl ich ein bisschen auf pelagisches gespitzt hab. Sagt sie I believe you have expectations. Und sie meint das, glaub ich, als etwas negatives. Und das ist aus dem Buch: Leute, die die gleichen Wörter verwenden, aber etwas anderes damit meinen. Hab ich mich gefragt, ob das vielleicht was buddhistisches ist, weil da ist ja das ganze mit den Ansprüchen und den Erwartungen, die dann allesamt ständig enttäuscht werden und nie passiert da, was man gerne hätte… das spielt ja eine andere Rolle dort. Aber wie gesagt, eigentlich sind in der Gegend die Leute ja muslimisch und ich weiß nicht, wie der Islam mit dem Terror enttäuschter Erwartungshaltungen umgeht.
Und ja, das war eine thailändische Instruktorin. Das ist ja überhaupt so ein Ding, dass relativ wenige Einheimische in den (presumably) besser bezahlten Jobs arbeiten. Ist natürlich ernüchternd, dass von dem Tauchtourismus dann wieder die europäischen AussteigerInnen profitieren. Und natürlich haben auch die Restaurants und die Hotels und die Tourguides was davon, wenn jemand auf seinen Tauchurlaub vorbeikommt. Aber mein Geld ist zumindest vor allem an meine PolInnen gegangen. So wirklich ist mir das auch erst aufgefallen, wie mir die PolInnen den Wale als Guide mitgeschickt haben, der auf Ko Lanta aufgewachsen ist und der da für ihn selbst überraschend nämlich, plötzlich ein Tauchguide geworden ist. Aber natürlich bin ich dann, als ich ersteinmal draufgeschaut hab, eh schon wieder draufgekommen, dass es viel mehr thailändische InstruktorInnen gibt, als ich zuerst gedacht hab. Nur dass ich die halt nicht bemerkt hab, weil die weniger mit den Touris am Sonnendeck abhängen und eher vielleicht mit den Boys. Sagen wir ein Drittel.
Und zwischendurch wieder ein Franzose, mit dem ich mich gleich wieder gern unterhalten hab. Den haben sie uns als Fotografen mit an Bord gegeben und… ja. Schwer zu sagen. Ich hab ja dann mal gedacht, ob das mit den FranzösInnen vielleicht auch mehr so ist, wie mit den AmerikanerInnen, dass die, die man im Ausland trifft, eh nett und rücksichtsvoll und witzig sind. Oder auch nur, dass mir bei den einen wie den anderen die sympathischen eher auffallen als die anstrengenden. Auf jeden Fall ist er selbst in den kleinen Unterhaltungen, die wir so zwischendurch haben so angenehm französisch.
Mah, und meine Zehe hat sich wieder erholt, nachdem ich sie mit Karacho gegen den Gehsteigabgrenzungsboller gestoßen hab, manchmal drückt s immer noch unangenehm, wenn ich sie blöd erwische. Da frag ich mich dann, was man sich alles verletzen kann, wie unbemerkt man sich die Zehe brechen kann. Mehr Problem macht allerdings die Haut, weil da muss man sagen, das Tauchen, die Sonne und das Meer, das verlangt schon seinen Zoll. Die Haare hab ich sogar halbwegs im Griff, das schicke Boot erlaubt ja, dass ich mir nach jedem Tauchgang schnell einmal ein bisschen das Salz rausspühl. Aber ständig trockene Hände, meine Nagelbetten sind ausgefranst wie Rotwild im Frühling! Es ist wirklich nicht einfach. Da hab ich mir am letzten Tag noch eine Ölmassage gekauft, da hab ich mir gedacht, das hilft vielleicht. Auf jeden Fall bin ich unter den Schraubstockhänden der Masseurin beinahe gestorben, während sie und die Kollegin herzhaft über mein Ächzen und Stöhnen gelacht haben.
Und dann noch zwei, drei Sachen, die ich schon ein bisschen mit mir herumtrage, so aus: verschleppte Irrtümer. Wasser scheint man im Buddhismus quer durch die Bank als Opfer zu geben, was ich als bisschen brutale Opfergabe für die Atombombenopfer empfunden habe, ist gar nicht spezifisch in Erinnerung an deren qualvolles Verdursten. Ich mein, der Springbrunnen immer noch, aber vielleicht nicht unbedingt die Wasser.
Ah ja. Das andere war mehr so was, wo ich sag: oh schau, die progressive, emanzipatorische Kraft des Nationalismus, quelle surprise! Dass ich aber um die halbe Welt fahren sollte, für so ein Bild. Jetzt kann man natürlich sagen, die österreichische Herrschaft über die östlichen Nachbarn, das war vielleicht schon was anderes als die japanische Besetzung Koreas, natürlich sind die Rahmenbedingungen da ganz was anderes. Aber aus einer – sagmaramal –tschechischen Perspektive wird man da vielleicht auch leichter eine emanzipatorische Kraft dahinter erkennen. Wie gesagt, was sicher anders ist und weshalb ich mich dem koreanischen Nationalismus näher empfinde, ist, dass er halt nach wie vor ein progressives Ziel verfolgt in der Vereinigung der zwei Hälften Koreas. Und das ist ja etwas, was auf beiden Seiten ein Ziel ist, das – so scheint s mir – die entlang der Kalter-Krieg-Dichotomie gespaltene Politik der beiden Staaten transzendiert. Auf der anderen Seite gibt es in Mitteleuropa kaum ein Land, wo ich aus dem distanzierten (und österreichisch getrübten) Perspektive sagten würde, dass die ein besonders elegantes Verhältnis zum Nationalismus hätten. Serbien, Kroatien, Ungarn, Polen… Und ich mein zuhause ja auch nicht jetzt besonders. Das kann schon sein, dass das damit zu tun hat, dass sich die Fantasie vom eigenen Nationalstaat kaum jemals hat so wirklich umsetzen lassen. Ein Gefühl der Fremdbestimmung vom nächsten abgelöst. Aber ich nehme an, da sind wir auch wieder ein bisschen bei den unterschiedlichen Voraussetzungen.
Währenddessen zieht ein ziemliches Gewitter über den Flughafen von Krabi. Da sind ein paar recht beeindruckende Blitze nah genug eingeschlagen, dass wir den Donner quasi zeitgleich bekommen haben. Umso eindrucksvoller, als die Hauptbeleuchtung ausgefallen ist. Hinter mir sitzt ein spanisches Pärchen, die vorher laut irgendwelche spanischen Talkshows geschaut haben, aber als sie dann beim fünften, sechsten Blitz zum jammern begonnen hat („Ay!“), da hat er dann angefangen psch-psch zu machen. Hab ich mir auch gedacht, das ist schon ein männliches Verhalten.
Und dann war ich in Bangkok. Ja nur auf einen Sprung, nur auf eine Nacht, weil eigentlich bin ich in meiner zweiundfünfzigstündigen Reisebewegung von Ko Lanta nach Eriwan. Aber da ist die erste Übernachtung eben in Bangkok gewesen. Und da komm ich mit meinem letzten Geld, mit meinem vorletzten Geld, vom Flughafen zu meinem Hotel gefahren und dann ist da eine Hallowe’en Veranstaltung. Aber schau mich an, nachdem ich mich ein bisschen hergerichtet hab und kurz am Bett ausgestreckt hab, geh ich tatsächlich runter und unterhalte mich ein bisschen aus dem Hintergrund und dann doch noch mitten am Tisch mit den anderen Gästen.
Da sind dann wieder einmal zwei weiße Südafrikaner und das ist einfach nicht so einfach. Weil die Ding, die damals in Neuseeland begeistert auf Afrikaans geflucht hat, die war gut enthusiastisch über Streetfood und politische Graswurzelbewegungen und so, da konnte ich gut mit. Aber mit den Männern zu reden, die sagen, dass, ja, die Situation ist halt nicht besonders gut in Südafrika, weil sie zur Zeit für alle Stellen nachgereiht werden, weil Schwarze halt bevorzugt eingestellt werden. Ich seh schon ein, dass da eine Generation von SüdafrikanerInnen aufwächst, denen „ihr“ Südafrika in so einem Turnaround zerbröselt und die da eine Suppe serviert bekommen, die ihnen das Leben schwer macht. Oder wie auch immer man das betrachten möchte. Vielleicht ist das aber was, wo wir allesamt mehr hinschauen müssten, weil da offenbar eine weiße Mittelschicht ganz klar ihre Privilegien abgeben muss. Aber so hab ich schnell das Gefühl, ein bisschen in der Brisanz zu tappen, nachdem ich doch nur gefragt habe, warum sie seit drei Wochen im Hostel neben dem Flughafen wohnen. Und sie haben ja auch nicht einmal den Eindruck von Rassisten gemacht, aber das hat vielleicht in einem südafrikanischen Kontext alles ein bisschen eine andere Bedeutung. Ich mein, über die Formulierung opposite colour war ich schon etwas überrascht. Und wenngleich ich da also schnell einmal aufs Nachhaken verzichtet hab, erschien mir das schon sehr als ein Zeichen dafür, dass es da doch noch sehr dichotom zuginge, in der alltäglichen Politik Südafrikas.
Nächster Tag mit der S7 zum Flughafen in Novosibirsk. Das war ganz gemütlich, der längste Flug wahrscheinlich, auf dem ich kein Unterhaltungsprogramm hatte. Nicht einmal so einen Monitor, auf dem man sieht, wo man gerade drüberfliegt. Ich hab dann viel aus dem Fenster geschaut und das war schon aufregend, weil ich kurz nach Start draufgekommen bin, dass wir ja irgendwie über die Himalayas fliegen müssten. Und weil ich nicht genau weiß, wo Novosibirsk liegt hab ich zuerst gedacht, dass ich mich wohl leider auf die falsche Flugzeugseite eingecheckt hätte. Aber dann hatte ich doch ein paar Berge bei mir und dann hatte ich noch mehr Berge und vielleicht war irgendwas davon ja tatsächlich… also irgendwas davon war sicherlich der Himalaya. Und dann sind wir über Wüsten geflogen und das war auch beeindruckend, weil da einfach nur Steppe rumgelegen ist. Bevor ich mich dann wieder meinem Steven King gewidmet hab.
In Novosibirsk stand gleich neben der Tür dann ein bepelzmützter Sicherheitsbeamter, das hat mir schon einmal gut gefallen. Aber was noch etwas schräger war, dass in dem Schlauch, der vom Flugzeug in den -hafen geführt hat, für ein Reisebüro geworben wurde, die sich anextour nennen. Grad für ein russisches Reisebüro ist das irgendwie auch nicht unbrisant. Dann haben sie mich durch eine Passkontrolle geschickt, warum auch immer, da war eine Beamte mit Sternen an den Schultern, die meinen Pass genommen hat und mich dann auf Russisch was gefragt hat, was ich ihr nicht wirklich beantworten konnte. Dann hat sie ein bisschen telefoniert, mich eigentlich nicht mehr angeschaut und ich hab mir nur gedacht, wie sowjet-kafka ich hier verwaltet werde. Wie authentisch! Sie hat dann einen Rückruf bekommen und schnell meinen Pass durchgeblättert und mich nach Russland hineingestempelt. Was ich nicht ganz verstehe, weil ich mich ja eh nur im Transitbereich aufhalten darf ohne Visum. Aber natürlich freu ich mich auch ein bisschen darüber, da einen Stempel hineinbekommen zu haben. Novosibirsk drängt sich doch auf in meine Reiseberichte aufgenommen zu werden und wenn ich nur irgendwo am Flughafen rumlungern werde, beschallt mit Nena (99 Luftballons), Ace of Base (Wheel of Fortune), Cindy Lauper (Girls Just Wanna Have Fun) et al., fein synkopiert mit etwas leiserem Russischpop aus dem Café daneben. Bis sie mich morgen nach Eriwan schupfen.
Drunter und drüber
Dann kam der Moment und der Moment brachte M. Ich bin nicht mehr allein unterwegs und das ist erfrischend. Die Welt direkt zu kommentieren, einen zweiten Blick zur Verfügung zu haben. Aber es eröffnet nicht nur Möglichkeiten, es frisst auch Zeit, frisst die Zeit, in der ich mich langweile und nach Gesellschaft sehne. Frisst die Zeit in der ich meinen Gedanken nachhänge und Zeit in der ich mich besinne und die Vergangenheit in eine Form bringe. Eine nachhaltige Form des So-ist-es-passiert. Geschichte schreiben.
Eben war ich noch in der österreichischen Botschaft und erlebe die Heimat als bürokratischen Verwaltungsapparat, wenn ich mich für den Eintritt erklären muss und dann ein dickes Kuvert überreicht bekomme. Aber mit Erleichterung stelle ich fest, dass ich nicht der einzige, dass ich nicht der letzte bin, der hier seine Wahlkarte in Empfang nimmt. Und dann viel zu viele Namen und Listen und ich mach mein Kreuz und steck meinen Wahlzettel ins Kuvert, den Rest in meine Tasche. Und jetzt liegt selber der Effekt dieser Handlung schon in der Vergangenheit. Ein paar Tage später lese ich übrigens die Listen und wunder mich, warum Parteien mehr Leute auf ihre Listen setzen als es Plätze im Parlament gibt. Ja, ja, da sind wohl irgendwelche Vorzugsstimmenwahlkämpfe versteckt, aber so die Listen durchzublättern und auch nur 183 Leute auf einer Liste zu sehen wirkt ein bisschen nach Arroganz.
Insgesamt gibt s für mich sonst nicht viel zu tun in der Botschaft. Ich überfliege schnell einen Prospekt über österreichische Kulturveranstaltungen August bis September und sehe, dass ich eine Klimtausstellung in Osaka verpasst habe. Aber ich bin insgesamt schnell wieder draußen und wander noch ein bisschen verloren durch die Gassen des – wie ich annehmen muss – Botschaftsviertels. Warum sonst würde ich hier so viele blonde Frauen auf Fahrrädern-mit-Kindersitz-hinten-drauf sehen. Und obwohl ich Tokio deutlich weniger fordernd finde, als vor zwei Wochen, lauf ich dann vor lauter Tokio doch noch über eine rote Ampel. Neben mir bremst ein größeres Auto, aber so sanft, dass ich es überhaupt erst bemerke, als es bereits stehengeblieben ist. Natürlich ein bisschen ein Schreck auf meiner Seite. Und sofort denke ich, dass das jetzt wirklich nicht… also natürlich war das mein Fehler. Ich hab nicht damit gerechnet, dass zwei aufeinanderfolgende Ampeln nicht gleichgeschaltet sind, selbst wenn die Verkehrsinsel zwischen den zwei zu überquerenden Straßen nur drei, vier Meter breit ist. Auf besagter Verkehrsinsel steht eine uniformierte Person und sofort bin ich als braver österreichischer Staatsbürger für eine unterwürfige Geste zu haben. Aber nichts da: die Person in Uniform schlägt selbst die Augen zu Boden, reagiert das offizielle Tokio also eher mit Enttäuschung als mit Strafe auf meine Gesetzesschramme?
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof such ich mir noch ein schickes Kaffeehaus, in dem ich nicht nur eine Tasse indonesischen Kaffee trinke, sondern mithilfe der Möglicherweise-e-die-Besitzerin meine Postkarte an das hiroshimanesische Restaurant adressiere. Und dann heißt s mich sputen, damit M nicht allzu verloren auf dem Bahnhof herumsteht. Wir haben noch einen Zug zu erwischen und er hat elf Stunden Flug hinter sich, ich bin mir sicher, der möchte sich setzen. Ich hab noch ein Internet auf meinem Telefon, aber die freien Wifis, die in der Stadt zu finden sind, sind nicht immer einfach und ich bin nicht sicher, ob meine Beschreibungen des idealen Treffpunkts so verstanden werden, wie ich mir das erträume.
Aber alles kein Problem, da steht er schon, unerwartet frisch und munter, den Railpass in der Tasche und ein dementsprechendes Lachen im Gesicht. Es geht fast alles ein bisschen zu glatt. Ein fröhliches Hallo und auch nach acht Monaten gleich in die selbe Vertrautheit zurück, wie in die Lederhandschuhe vom vorigen Jahr. Im Shinkansen kriegen wir bloß Sitze hinter- beziehungsweise voreinander, aber mit einem Blick durch die Sitzreihen zurück stelle ich fest, dass das auch nicht so schlecht ist, weil dann kann sich M noch ein bisschen ausruhen. Ist ja doch eine lange Reise. Von Wien nach Tokio, von Tokio nach Hakodate.
Weil wir sind jetzt noch stundenlang unterwegs, inklusive einer unauffälligen Querung der Meerenge zwischen Honshu und Hokkaido. Weil es draußen bereits dunkel geworden ist, merken wir kaum, dass wir in einen Tunnel hinein und aus einem Tunnel wieder hinaus sind. Glücklicherweise bekommt M von seinem Sitznachbarn über gemeinsames Gestikverständnis erklärt, wie ein Tunnel funktioniert, erfahre ich später. Und eine getrocknete Jakobsmuschel, die zugegebenermaßen sehr wie ein Karamellbonbon ausschaut, und deshalb umso mehr für den eben noch aus Europa geflogenen Gaumen ein bisschen eine Überraschung darstellt.
In Hakodate finden wir zu unserem Schachtelhotel, ein kleiner Spaziergang durch unsere erste Stadt Hokkaidos. Es ist schon einmal deutlich kühler als in Tokio, mich friert s fast ein bisschen auf den von meiner Hose nur halbbedeckten Wadeln. Im Schachtelhotel werden wir enthusiastisch begrüßt und es wird uns ein Foto mit Fahne in der Hand abgenommen. Ich mein, einfach weil sie tatsächlich eine österreichische Fahne dort stehen hatten, das hat mich einen Moment lang beeindruckt. Weil zuerst hat man uns die australische Fahne angeboten und wenn ich nicht gedacht hätte, dass sie jetzt sicher keine österreichische da stehen hätten, hätte ich die ja nicht abgelehnt. Im Zweifelsfall nämlich sowieso lieber mit der australischen, nicht weil ich lieber mit einem australischen Pass herumlaufen würde, einfach weil die Abstraktion eine größere ist, wenn ich mich weniger mit der Fahne identifizier (ob ich will oder nicht), die ich in der Hand halte. Und dabei sind wir bei weitem nicht die einzigen euro-amerikanischen Gäste. Der Enthusiasmus scheint wirklich Standard zu sein.
Ein erstes japanisches Abendessen für den Freund von daheim in einem guten aber von sehr distanzierten Unternehmern geleiteten Rahmenlokal. Daheim gibt s noch einen Becher Gerstentee, bevor wir in unsere mit Rollo verschließbaren Bettkabinen kriechen. Wie Aschenbecher, sagt er und meint den Tee. Aber auch in unseren Schlafverschlägen ist es spätestens am Morgen heiß und stickig.
Wir verlassen das Hotel ohne die hunderttausend Freizeitangebote in Anspruch genommen zu haben, die uns zur Verfügung gestellt werden. Ich hab kurz die Kalligraphie ausprobiert und schnell festgestellt, dass mein Asienaufenthalt meinen plumpen Pinselstrich nicht beeinflusst hat. Am Klavier spiele ich wohl nicht einmal eine Melodie sondern tappe nur ein kurzes ping-ping um eine Idee vom Klang zu bekommen. Sofort springt jemand hinter der Rezeption auf und man deutet mir zur Motivation, ich solle doch, ich würde doch bitte. Aber wir haben schon die Rucksäcke umgeschnallt und machen uns auf den Weg zum morgendlichen Fischmarkt.
Den morgendlichen Fischmarkt haben wir um zehn natürlich längst verpasst, aber es gibt noch den, naja, den normalen Fischmarkt, I guess, auf dem die größte Attraktion ein Aquarium ist, aus dem sich KundInnen selbst ihren Tintenfisch angeln können. Das kommt mir dann doch ein bisschen gar grob vor, irgendwo hat ein Tintenfisch ja doch ein zur Empathie einladendes Goscherl und die zwei großen Augen und die eindeutige Panikreaktion, als er am Haken aus dem Wasser gezogen wird und selbst Wasser auf die AngreiferInnen spritzt. Letztlich hindert s mich aber doch nicht daran, mir in der nächsten Halle ob der begrenzten Auswahl einen gegrillten Tintenfisch zum Kaffee zum Frühstück zu bestellen. Aber der Vegetarier in mir werkt schon in derartigen Situationen und er ist in den letzten Wochen lauter geworden, stellt Ansprüche während ich „einfach nicht dazukomme“ nachzusehen, ob es der Gelbflossenthunfisch oder der Blauflossenthunfisch ist, der derart überfischt ist. Es ist einfach nicht richtig.
Nächster Halt: Asahikawa. Lustigerweise kommt da gar nicht das Bier her (Asahi), zumindest nicht, dass wir das herausgefunden hätten. Es gibt nämlich zwei, sagen wir, drei. Es gibt drei große Bier in Japan. Kirin. Sapporo. Asahi. In Japan und außerhalb. In Australien zum Beispiel gibt s kaum ein japanisches Lokal, das nicht Asahi ausschenkt. Es ist auch sonst ein beliebtes Bier, so weit ich mich erinner. Und vor einem halben Jahr hab ich noch gedacht, dass es sich bei Asahi um eine Kette japanischer Restaurants handelt, weil ich das so miteinander verbunden hatte ohne mich wirklich für s Bier zu interessieren. Und jetzt ist das ja auch nicht im Fokus, wenngleich man sagen muss, dass der Besuch von zuhause schon auch die eine oder andere Gewohnheit von daheim mitgebracht und in meinen Alltag zurückimportiert hat. Also zum Beispiel, dass ein Bier nicht nur eine Begleitung für ein Abendessen ist, sondern so einem Glas in den Zustand innerer Leere zu verhelfen auch ein abendliches Zusammensitzen begleitet. Das kommt wie von selbst und ich bin ein bisschen unzufrieden damit, wie schnell das wieder den Rang einer Selbstverständlichkeit angenommen hat. Das ist doppelt schade, weil einerseits torpedier ich mir damit ein bisschen das Zusammensitzen, wenn ich mir nicht gegen die schlechte Laune zu helfen weiß und auf der anderen Seite ist es halt auch einfach ein bisschen bedauerlich, dass das eine gemeinsame Freizeitbeschäftigung ist, zu der mir in der Situation auch keine Alternative einfällt. Ich mein, wir schießen uns ja nicht weg, aber das eine Bier, das vor ein paar Wochen noch eine erwähnenswerte Ergänzung meiner Abendessen in Japan war, das sind halt jetzt zwei.
Asahikawa ist jetzt aber wirklich schon weit im Norden und es ist kühl genug, um im Rucksack nach den Jeans zu kramen. Die Leerstelle ist schnell mit den Flipflops gefüllt, auch die brauch ich heroben nicht. Als wir in einer kleinen Gasse unsere Unterkunft gefunden haben, sagt die Besitzerin, dass sie keine Duschen hat und ich denk mir, das erklärt, warum das so billig war und sag, das sei kein Problem, es sind ja nur zwei Nächte und wenn sie sagt, nebenan gibt s ein öffentliches Bad, dann passt uns das. Ob ich mich einmal nach M hätte umdrehen sollen, bevor ich den neuen Umständen zugesagt hab – könnte sein. M ist in mehrfacher Hinsicht nicht ganz glücklich mit dem etwas urigen Ambiente. Und es stimmt schon: die Stufen sind so steil, dass sie durchaus an die Gefährlichkeit grenzen, das Klo ist drei Stockwerke entfernt und der Eingangsbereich ist eine Mischung aus Bar und Wohnzimmer, tief hinten in einer Einfahrt und bar jeglichen Sonnenlichts. Außerdem ist das Zimmer einfach nicht hoch genug, dass M aufrecht stehen kann. Und wo die Besitzerin freundlich und bemüht ist, kann man das möglicherweise auch als ein bisschen zu wenig distanziert wahrnehmen. Das ist dann auch irgendwo die Schwierigkeit zwischen meinem Driften, meinem Willen zur Sparsamkeit und dem Mann, der doch gekommen ist, um Urlaub zu machen und nicht unbedingt bereit ist, mit Komforteinschränkungen für seine Übernachtungen zu zahlen.
Aber schön, mit dieses Bedürfnisschräge werden wir die nächsten zwei Wochen zu tun haben und jetzt sind s ja nur zwei Nächte. Und jetzt sitzen wir erst einmal über einem mongolischen Grill, was einfach als Genre Dschingis Khan heißt. So wie ein Essen Fondue heißen kann oder Brettljause. Ich glaub nicht, dass das ok ist, das so zu nennen, aber es schmeckt auf jeden Fall. Und es ist das erste Mal, dass ich am Boden sitzend mein Essen einnehme. Vor ein paar Jahren bin ich mit dem Funfact herumgelaufen, dass die JapanerInnen heute (und ein paar Jahren) im Schnitt um so-und-so-viele Zentimeter größer sind als noch vierzig Jahre zuvor, weil sie die traditionelle Art des Am-Boden-Kniens-Slash-Sitzens zugunsten von Stühlen aufgegeben hätten. Natürlich ist der Fun in dem Fact eher, dass es eine Behauptung ohne Quellenangabe ist und vielleicht letztlich… es erscheint jetzt einfach nicht besonders logisch.
Am Plan steht eine Besteigung des Asahidake im Daisetsuan Nationalpark. „Spielplatz der GöttInnen“ heißt es in den Broschüren und in der Gondel, die wir letzten Endes doch den Berg rauf nehmen. Weil unten ist es gatschig und der Weg scheint, seit sie die Gondel gebaut haben, nicht mehr tip-top in Stand gehalten zu werden. Aber vielleicht war er s nie und mein impliziter Vorwurf der kapitalistischen Logik ist ungerechtfertigt. Beim Erkundschaften möglicher Besteigungsrouten haben wir immerhin zwei Herren mit Helmen im hohen Gras erspäht, die schienen den Weg zu erneuern, aber das waren nur die ersten hundert Meter und das ist zu wenig für einen Zweitausender. Außerdem hab ich im hohen Gras eine Schlange gesehen und der M hat sowieso nur seine Laufschuhe mitgebracht, also verzichten wir auf das Abenteuer durch den Busch und, ja, Gondel.
Leider ist die Situation oben auch nicht ideal. Oder: kommt wahrscheinlich drauf an, was man sich wünscht. Es liegen nämlich zwanzig Zentimeter Schnee und dass es noch ein bisschen zu warm für den Schnee ist, ist dann auch keine Erleichterung, weil so hat M bald die Schneeschmelze bis zu den Knöcheln, während wir mit den vielen anderen BesucherInnen gemeinsam über die engen Wege rutschen. Es ist schon schön, das lässt sich auf jeden Fall sagen und auch M vergisst die nassen Füße, als die Luft schwefeliger wird und die Begeisterung für die aus dem Berg stoßenden Dampfschwaden einsetzt. Ein Vulkan ist einfach was lässiges. Und wenn der heiße Dampf aus einer Schneedecke hervorquillt, dann ist das noch eine Stufe lässiger. Leider sind die Kontraste nicht so gut, weiß auf weiß und bewölkter Himmel. Und auch wenn s nicht Indonesien ist und deshalb schon dreißig Meter vor den Austrittslöchern eine Absperrung aufgebaut und fleißig bewarnschildert wurde, es ist halt trotzdem super. Irgendwer hat auf dem Rastplatz ein Schneeschwein geformt, das war auch super. Sonst gilt als die lokale Hauptattraktion die Ausstellung der Jahreszeiten und jetzt eben der Herbst-Winter Übergang. Daisetsu Nationalpark sei üblicherweise jene Gegend, wo sich die Blätter zuerst verfärben, wo der erste Schnee fällt und so für Japan jene Jahreszeiten einläutet. Immerhin der höchste Berg Hokkaidos. Es wirkt jedoch fast ein bisschen frühlingshaft, aber die Blumen, die da scheinbar als die ersten durch den Schnee stoßen, sind eher die letzten, die von der Kälte gerafft werden, aber das sieht ja nur, wenn man s weiß. Nur hie und da zeigt sich der Herbst auf dem Laub, das satte Grün ist vielerorts nur vom Schnee verdeckt.
Zurück im Tal gibt s einen Onsen, der die schneenassen Füße wärmt (wer s braucht) und uns außerdem die fehlende Dusche in der Unterkunft kompensiert. Wir kaufen unabsichtlich zwei Handtücher, weil Ausborgen spielt s nicht für uns, die wir nicht Gäste im Hotel sind. Aber die damit verbundenen Kosten sind so gering, dass ich nicht auf die Idee gekommen wäre, dass wir die tatsächlich erwerben. Gut vielleicht, dass wir uns mit kleinen Handtüchern zufrieden gegeben und nicht das volle Set erstanden haben.
Aber alles in allem ist alles in Ordnung. Der Bus schupft uns heim und wir machen uns ein gemütliches Abendessen in einem Ramengeschäft. Wir sind vielleicht ein bisschen irritiert über den offenbar europäischen Hintergrund der einen Kellnerin, es ist einfach sehr unüblich, die nicht-asiatischen GastarbeiterInnen in Japan. In der einen oder anderen Jugendherberge sitzt mal eine EuropäerIn an der Rezeption, aber das ist es wirklich. Und lustig, wie das von außen dann immer gleich so so ausschaut, als spräche sie ein makelloses Japanisch. Die Sprache ist so fremd, dass ich ja wirklich nichts verstehe (ab und zu mal eine der ersten drei Ziffern) aber schon gar nicht beurteilen kann, wie eloquent oder auch nur wie flüssig sich jemand auszudrücken weiß. Und selbst die Gestik und paraverbale Gesprächsanteile unterscheiden sich noch einmal merklich, sodass jemand mit ein bisschen Japanischkenntnissen dann oft schon extremst bewandt.
Nach Asahikawa sind wir nach Sapporo. Zunächst haben wir das ja anders herum geplant gehabt, dass wir zuerst einen Sprung nach Sapporo machen und von dort weiter nach Asahikawa. Aber schau an, es hat kurzfristig echt null Unterkunft für uns gegeben. Ok, nicht null, Sapporo ist ja doch recht groß. Aber in der Nähe des Zentrums und in einer recht engen Preiskategorie haben wir für den nächsten Tag nichts gefunden. Jetzt kann man sagen: Zufall. Oder man sagt: Rugbyworldcup. Hab ich mich mit meinen Befürchtungen doch ein bisschen bestätigt gefühlt. Wahrscheinlich war s so herum dann eh besser, weil wir ja auch einen Taifun mitgebracht haben und das schlechte Wetter in der Stadt sicherlich leichter zu umgehen war als draußen am Spielplatz der GöttInnen. Viel leichter nämlich, hat sich dann herausgestellt, als wir mit bereits nassen Füßen nach einer halben Stunde Stadtquerung herausgefunden haben, dass zumindest das Stadtzentrum mehr oder weniger untertunnelt ist und wir zumindest von unserem Kaffeehaus aus einfach unterirdisch herumgelaufen. Ich mein, viel gibt s nicht: Geschäfte und Lokale. Aber was braucht man schon viel mehr. Ich laufe meinen Spielkarten hinterher, die s nirgendwo gibt und für s Mittagessen sind wir dann sogar aus dem Untergrund heraufgekommen und haben uns die Füße auf dem Weg zum Fischmarkt benetzt. Essen gehen ist gemeinsam ja auch um ein vielfaches schwieriger, als allein. Ich mein, erstmal, dass die Hungerzyklen synchronisiert werden. Dass die Snacklust angepasst ist. Das ist alles nicht so einfach. Auf der anderen Seite erlaubt s halt auch ein bisschen was experimentelleres, wenn ich mein Gegenüber endlich auf Austern überredet hab, die ich mir allein nicht geben wollte. Jetzt sitzen wir auf jeden Fall über Sashimischüsseln, für die Aufregung hier verschiedenen Krebsen ans Bein zu nagen und Seesternrogen zu futtern, hab ich dann doch ganz schön auf s Wechselkurserinnern verzichtet. War dann eh auch fein, wobei ich sagen muss, dass mir nicht zuletzt in Erinnerung ist, dass ich dort den besten Reis gegessen hab.
Am Abend sitzen wir mit zwei Flascherl Sake in unserem vergleichsweise schicken Hotelzimmer. Sein Sake in den Eiswürfeln, mein Sake im Wasserkocher. Ich hab viel Zeit für ein Getränk, das sich warm und kalt trinken lässt ohne ekelhaft zu sein. Beim Aufräumen hat das Hotelpersonal mein unabsichtlich gekauftes Handtuch eingepackt und ich bin ok damit. Kurz überlege ich, dafür eines der hotellernen einzustecken. Aber erstens: nein. Und zweitens brauch ich ja kaum ein zweites Handtuch und sollte froh sein, dass mir das mit so wenig Eigeninitiative abhanden gekommen ist. Im Fernsehen gibt s Rugby und Go und eine Gesprächsrunde bei der sechs Leute um einen Tisch herumsitzen und Whisky trinken: Zwei Japanerinnen, drei Japaner und ein Ausländer, der bei uns daheim wohl nicht als solcher auffallen würde. Dann gibt s noch eine Sendung mit zwei Chinesinnen Anfang zwanzig, die durch die von einer Kamera verfolgt durch die Stadt spazieren und verschiedene Touristenattraktionen besuchen. Ehrlich gesagt kommt mir aber die Zeichentrickserie auf dem nächsten Kanal, in der die ProtagonistInnen in erster Linie Frauen mit way überzeichneten Proportionen sind, weniger sexistisch vor. Letztlich sitzen wir dann vor der zweiten Hälfte von Back to the Future Part III, die ganzen Ungenauigkeiten kritisierend, die man als Teenager gerne mal übersehen hat.
Am Vortag, unter passablen Wetterbedingungen, sind wir sogar ein bisschen an Sapporos Oberfläche herumgelaufen. Wir haben jetzt aber auch nicht irre viel für uns in der Stadt entdeckt. Ein bisschen durch die Straßen spaziert, den Fluss entlang und durch einen Park wieder zurück. Wobei wir, nicht uninteressant, auf eine Hochzeitsgesellschaft gestoßen sind. Also, zuerst war da so Krach im Park und auf dem Plan hat s ausgeschaut, als ob dort irgendein Musikhaus wäre. Interessant, hab ich gedacht, da machen sie vielleicht ein Gegenprogramm zum Rugger. Aber dann sind wir auf einer Parkbank gesessen und haben aus sicherer Entfernung (sowie des einsetzenden Abends) da wirklich einer Zeremonie zugeschaut. Dann ist die Gesellschaft plötzlich aufgebrochen und an uns vorbei und ich wollte ja die Gelegenheit gerne nutzen um „zufällig in die gleiche Richtung“ zu gehen und ein bisschen den Leuten zuzuschauen, aber da hat mir M nicht mitgespielt. Da tut man sich vielleicht allein leichter, ein bisschen in den Kontakt zu kommen oder zumindest in der Umgebung eines derartigen Ereignisses seine Kreise zu ziehen. Und ich versteh s eh, dass das schnell einmal ein bisschen herausfordernd wirken kann und rückblickend ist es schwer zu sagen, wem gegenüber ich mich hier provokanter erlebt hab. Wir sind dann zu einem unterirdischen Schnitzelwirten abgebogen.
Ich hab schon ein anderes Gefühl gehabt in den Städten da oben im Norden. Ein bisschen wilder ist es mir erschienen, weniger aufgeräumt, weniger streng. Vielleicht insgesamt etwas weniger von dieser japanischen Kultur, wie ich sie archetypisch zwischen Osaka und Tokio erlebt habe. Japan halt auch nur ein Nationalstaat, in dem von einem kulturellen Zentrum heraus die Peripherie kolonisiert wurde. Sowohl in Hokkaido als auch auf den Inseln im Süden flockt der kulturelle Einfluss halt auch ein bisschen aus: An beiden „Enden“ gibt s eigenständige ethnische Gruppen, die bis heute überlebt haben, die Ainu auf Hokkaido und die Ryukyuan auf den südlichen Inseln um Okinawa. Von den Ainu sind nur wenige übrig, die nicht bereits in die japanische Leitkultur assimiliert wurden. Aber man scheint noch Feste zu feiern und in den U-Bahnstationen gibt es Schmuck mit Ainu Designs zu kaufen.
Abends schauen wir uns ein paar Minuten Rugby in der Fanzone an. Das hat uns beide ein bisschen Überwindung gekostet, aber ich hab letztlich darauf bestanden, wenn wir schon hier sind, wo sich hunderttausende die Finger danach abschlecken. Es war dann besagten Hunderttausenden zum Trotz wenig los in der Fanzone. Und auch im Stadion, hat man uns einmal gesagt. Ich wollte ja tatsächlich einmal Karten kaufen, aber wir hätten die wohl auch einfach vor dem Stadion noch geschenkt bekommen. Man sieht s dann auch auf den großen Schirmen in der Fanzone, dass die Stadien halbleer sind. Aber wir erwischen s ganz gut, mit zwanzig Minuten die Togo noch gegen England durchhalten muss. Das ist gerade genug Zeit für uns, dass wir die Regeln ein bisschen aus dem ableiten können, was vor unseren Augen passiert. Vor allem aber ist es ganz amüsant, ein bisschen zuzuschauen, mit was für einem Körpereinsatz sich diese Spieler ihrem Sport hingeben. Noch dazu in einer Situation wo das Match bereits dermaßen entschieden war. Das kann ich nicht leugnen, dass das eindrucksvoll ist. Aber natürlich ist eine halbe Stunde dann auch schon genug.
Wir sitzen schon wieder im Zug und sind auf dem Weg nach Tokio. M macht einen kleinen Umweg, den mir mein ablaufender Railpass nicht erlaubt, aber ein bisschen freue ich mich ja auch darauf, einen Tag allein im Kaffeehaus zu sitzen. In Tokio treffen wir dann noch D, die gerade aus Seoul auf einen Abstecher nach Tokio kommt. Klar, wenn man schon in der Gegend ist. Und wir laufen ein bisschen zu dritt durch die Stadt, erstes Ziel: Das Café in dem man nicht reden darf. Im Leon haben sie nämlich große Boxen aufgestellt, durch die den ganzen Tag von Schallplatten aus klassische Musik gespielt wird. Dazu gibt s mittelmäßigen Kaffee. Ein schönes Konzept, natürlich. Ich mein, man kann nicht direkt sagen, dass sie da unprätenziös an die Sache herangehen. Aber es ist angenehm in einem unscheinbaren Haus versteckt, es hat eine angenehme Heruntergekommenheit und die paar Leute, die drin sitzen, scheinen mehrheitlich zum Arbeiten hergekommen zu sein. Es wirkt also tatsächlich nicht nur wie das überdrehte Geisteskind einer Anerkennung heischenden Hipsterverbindung. Dass man weniger hierher kommt um, wie (ich glaube) Joseph Roth über die Architektur des Burgtheaters sagt, von den anderen ZuseherInnen gesehen zu werden, wird dadurch verstärkt, dass die Sitzplätze größtenteils in die Richtung der gigantischen Lautsprecher gerichtet sind und man schon deshalb still sitzt, weil jede Bewegung ein Knarzen und Rascheln zur Folge hat. Und der als Deejay doublierende Kellner sagt seine nächste Schallplatte so entschuldigend und zurückhaltend an, dass es das schon einen Besuch wert war. was so die richtige Stimmung ist, um durch die vielen Abteilungen des Geschäfts zu laufen, das nicht Super Hans heißt. Tokyu Hands, das ist es. Da gibt s alles und in jedem zweiten Stock muss sich der eine oder die andere von irgendwas losreißen. Oder auch nicht, auch einkaufen ist erlaubt, warum nicht. Nur in der Kleintierabteilung beschränkt man sich bitte auf fassungsloses Starren.
Das war s dann auch fast schon wieder. Weil ich bin in Tokio dann tatsächlich mehr im Kaffeehaus gesessen und in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hostels abgehangen. Das war eine angenehme Abwechslung im Gegenzug zur Überforderung, mit der mir Tokio ja doch ab und zu zugesetzt hat. Und wiederum: es ist schon auch eine Leistung, wie es in der Stadt gelingt, dass neben einem vollkommen überdrehten, touristisch überanspruchtem Viertel, nicht nur tote, ausgelaugte Gegend liegt, sondern sympathische Nachbarschaften, mit ihren eigenen kleinen Straßenlokalen, in denen schon wieder kaum jemand Englisch spricht. Ich verbringe meinen interessantesten Nachmittag allerdings in einem Kaffee, in dem sie durchaus Englisch sprechen. Es ist mal wieder so etwas, wo man mir einen Platz an der Bar anbietet und ich sitze dann neben einer, die gerade ihre Schicht vorbei hatte und wir plaudern die nächsten vier Kaffee (in vielen der Cafés, die Single Origin Kaffees zubereiten, kriegt man die zweite Tasse desselben Kaffees für kaum die Hälfte der ersten…) über Kaffee, über das Café, über Japanisch, über Japan und die Welt.
Und das ist eigentlich die schönste Erinnerung, die ich aus Japan mitgenommen habe: wie schön ich oft mit JapanerInnen ins Gespräch gekommen bin, meistens über ein Essen oder halt einen Kaffee. Aber dass der Zugang irgendwie so schnell da war und das Interesse und die Lust am Plaudern und dass das alles nur sehr wenig eingeschränkt war von irgendwelchen Vorannahmen über wie man sich zu verhalten hätte. Wenn ich Japan insgesamt immer wieder als das erlebt habe, als eine Gesellschaft, die ihren BürgerInnen viele Vorgaben macht, wie man sich im Alltag zu verhalten habe, wo man jeden Tag tausenden uniformierten Salary-Men gegenübersteht, den Angestellten, die tagsüber durch die Straßen hetzen, abends in der U-Bahn an ihren Telefonen hängen oder des nachts betrunken aus einem Isakaya herausstolpern, hab ich gleichzeitig nirgendwo so schnell freundschaftliche Kontakte geknüpft, wie in Japan. Und jetzt war diese Barista, mit der ich in Tokio zuletzt noch geplaudert hab, dann sogar noch kritisch gegenüber Japan. Nämlich über das politische Desinteresse der JapanerInnen oder zumindest ihrer Generation oder halt auf jeden Fall über ihr eigenes, da ist sie schon unzufrieden gewesen, das sagen zu müssen. Und dass ihr Gefühl sei, dass sich Japan so blind gegenüber der Welt verhalte, dass insbesondere China einfach bewusst ignoriert werde. Stattdessen gebe es halt nur Europa und Amerika, dorthin blicke man. Aber den Stolz auf Japan, das war trotzdem da: Als ich gesagt habe, dass ich auf mein Heimatland einfach nicht stolz bin, da war sie schon ein bisschen erstaunt, quasi: wie das sein könne. Nun, hab ich gesagt, es sei vielleicht eher, dass auf Dinge, auf die ich in meinem Heimatland stolz wäre, mein offizielles Heimatland einfach nicht stolz ist. Aber das ist natürlich kryptisch und ich glaube, ich hab s einfach dabei belassen, dass mir da kaum etwas dazu einfalle, auf das ich stolz sein würde.
Zweimal haben wir unseren Abflug nach Korea vor uns hergeschoben, es war uns dann immer ein bisschen zu kurzfristig, zwei Tage vorher zu buchen. Aber wir haben s dann geschafft, gleichzeitig zu verlängern und zu buchen, und uns selbst so ein Schnippchen geschlagen.
Wait, there’s more!
Wie ich am letzten Abend in Hiroshima nach meiner Abenddusche vor dem Spiegel steh und mir die Haare mach, schaut mich ein Gast so schräg von der Seite an. Ich sag mal, der war so Mitte zwanzig vielleicht, ein junger Mann mit langen schwarzen Haaren und möglicherweise ein bisschen einem Bart um den Mund herum oder auch nicht. Er hat ein bisschen was verwegenes gehabt, aber mehr so wie jemand, der sich ein bisschen gehen hat lassen, nicht unbedingt wie jemand, der viel erlebt hat. Aber was bedeutet das schon in dem Alter, da hat man ja sein Leben noch vor sich. Sagen wir, er hat ein Metal T-Shirt angehabt, natürlich verwaschen, roter Schriftzug, irgendwie bisschen zackig die Buchstaben, ein überflüssiger Umlaut, darunter vielleicht ein Turm Totenschädel auf dem sich eine Frau erkältet, während ihr der Höllenwind durchs Haar fährt. Oder ein grünhäutiges Ungetüm, dass sich über eine E-Gitarre beugt aus der Blitze fahren. Sowas in der Art. Schwarze Jeans und schwere Schuhe. Jemand, der ein bisschen in seiner Teenagermode hängengeblieben ist, und immer noch ernst nimmt.
Der schaut mich so an, während ich mir den Kamm durch s Haar zieh und fragt mich aus dem Nichts heraus, wo ich her bin. Und ich sag halt Austria. Auch wenn ich schon einmal gar keine Lust hab, mich jetzt hier mit jemandem unterhalten, der mir so ein Gespräch anzettelt. Aber er antwortet wie üblich, ob denn Austria or Australia. Wie ein alter Geheimagent, dem das Spiel mit den Passphrasen schon ein bisschen langweilig geworden ist, wiederhole ich, dass Austria. Und er sagt, ah wirklich. Und bis zum Hals in steirischem Akzent. Ich hab ja nichts gegen einen steirischen Akzent im speziellen. Ich will gar keinen österreichischen Akzent hören, nicht so nah, und schon gar nicht an mich gerichtet. Aber so sind wir plötzlich in einem Gespräch und während ich weiterhin konzentriert in meinen Spiegel schau, versuche ich s mit einer unverbindlichen Bemerkung: Schau an, die Langhaarigen sind aus Österreich. Und er beginnt eine Geschichte darüber, dass er schon befürchte, hier jemandem zu begegnen, den er gar nicht sehen will, es gäbe da einen, den er im Sinn habe, von dem er nur darauf warte, dass er ihm hier den Weg kreuze. Was für eine seltsame Erzählung von jemandem, dem ich gerne aus dem Weg gegangen wäre. Nein, nein, sagt er, das wäre gerade sein Pech, dass ihm der hier über den Weg laufe. Ich sag jetzt gar nichts mehr. Da lässt sich schon eine Grenze zur Paranoia ziehen, wenn man allgemein einer Gruppe von Menschen nicht unbedingt begegnen möchte oder aber fürchtet, dass einem eine konkrete Person bis nach Japan gefolgt ist.
Was ich denn heut noch so vorhab, fragt er mich unvorbereitet. Ich sag, ich ginge jetzt was essen. Ob du s glaubst oder nicht: Ich tätert da mitkommen. Uff. Uff oder brrrr. Das ist doch unmöglich. Weil wir unsere Steuern in das gleiche Umverteilungssystem einzahlen, muss ich jetzt FreundInnen mit jemandem sein? Woher kommt dieser Umgang sonst. Ich mein ja, der war schon auch ein bisserl besonders und es gibt ja so Leute, die sagen, Ablehnung ist mir wurscht, wenn ich oft genug einmal jemanden frag, dann komm ich auch unter. Aber ich, ich hab jetzt lügen müssen, wenn ich sag ah, hm, na, ich treff jetzt Freunde. Lügen und nicht mal gegendert. Aber damit war die Sache wenigstens gegessen. Das hat er akzeptiert. Und wahrscheinlich war für ihn die Sache damit auch erledigt, ich hab halt noch tagelang drüber nachgedacht, woher das kommt, dass mich jemand mit dem Verdacht anspricht, dass ich ein Österreicher bin. Hab ich gar die Bundeshymne vor mich hingesummt? Schien mir das Bundesadlertattoo durch s Trägerleiberl? Hat sich mein Telefon auf den die rot-weiß-rote Fahne wehen lassenden Bildschirmschoner umgeschaltet? Oder sind mir Muttererde und Vaterland gar garstig ins Gesicht geschrieben?
Es war dann gar nicht so gelogen, hab ich mir zurechtgelegt, weil ich bin wieder in meine Udonbar gewandert. Und das waren ja durchaus FreundInnen, hab ich dem Echo des seltsamen Steirers in meinem Kopf gegenüber gerechtfertigt. Bloß, die Udonbar war zu, schaumaleineran. Wie ungut, nicht nur weil ich doch gerne noch einmal Hallo gesagt hätte, sondern auch weil mich dieser Öffnungszeitenfauxpas doch jetzt erst recht ein bisschen in die Unwahrheitsecke stellen würde. Na denn, sag ich mir: new friends it is. Bin ich nebenan in eine Ramenhandlung gestiegen, wo ich mir Ramen in der Salzsuppe mit Shrimpsöl bestellt hab, nachdem mir der Besitzer ein Kleingeld gewechselt hat und mich beim Automatenbedienen betreut hat. War ein bisschen salzig, leider, leider, aber dafür war der Besitzer umso freundlicher. Es ist schon immer ganz interessant, welche Assoziationen die Menschen bei Österreich haben. Hier bin ich dem Klassiker begegnet, hat er eine GeigenspielerIn gemimt und die schöne Musik gelobt. In Osaka hat mir die Hostelbesitzerin von der Seite ein beer! ins Gespräch geworfen, das ich mit der Eincheckerin geführt hab. Aber ja, Osaka. Davon wusste ich ja noch gar nichts, während ich mit meinem neuen Freund der Ecuadorianerin zugeschaut hab, die gegen die Thailänderin in der Karaoke Talentshow gewonnen hat. Ja, das hab ich nicht ganz verstanden, aber das japanische Fernsehen ist ja berühmt dafür, von Nicht-JapanerInnen nicht verstanden zu werden. Das Programm war schon am Ende und sie war dann auch die einzige, die ich noch gehört hab. Sie hat schon gut gesungen, aber ich würde mir ja schwer tun, jemandes Karaokegesang zu bewerten. Aber deshalb gibt s natürlich eine ganze Handvoll professionell begeisterbarer JujorInnen, da bleibt das so oder so nicht an einer allein hängen. Und dann hat sie zwei Punkte mehr gehabt oder was. Die Thailänderin war nicht glücklich, aber sie hat ihr Gesicht einen Moment später wieder unter Kontrolle gehabt und sich gemeinsam mit ihrer Bezwingerin über deren Sieg gefreut.
Ich bin dann wieder ins Hostel zurück. Man glaubt s nicht, aber ich hab dabei schon wieder einen Fächer geschwungen, den mir diesmal der Herr Gastgeber persönlich zum Abschied verehrt hat. Das ist schon erstaunlich, weil das ist ja zentral gelegen und in Hiroshima steigen doch viele TouristInnen ab. Hab ich mich gefreut und mich dankend verabschiedet. Daheim bin ich dann schnell in meine Kapsel geschlupft. Früher Zug und so. Sicher, ich wollte mich auch nicht mit meinem Metalhaberer ob auf Basis unserer Herkunftsverwandtschaft zusammensetzen. Bin doch nicht blöd, mir jetzt noch den schönen Abend und die feinen Hiroshimaerinnerungen zu riskieren!