tausend Kilometer westwärts

Westwärts… das ist auch ein komisches Wort, oder nicht? Die Aliteration natürlich, ein Klassiker. Und dann schwingt da doch irgendwo die Versprechung des amerikanischen Jahrhunderts mit. Der Horizont, das neue Land, da verheißt doch irgendwas! Where the skies are blue.

Der Himmel, der eine, den die deutsche Sprache für diesen Fall zur Verfügung stellt, ist auch hier blau. Klirrend, klares himmelblau. (In meiner aktuellen Lektüre steht die Phrase “[the] sky was a clear cerulean”. Hab ich cerulean nachgeschaut: resembling the blue of the sky. Ist das schon tautologisch?) Ja, der Himmel. Blau. Und kalt ist es. Aber ich hab meinen Mantel und meine Schichten und D. bringt mir Handschuhe für unseren Spaziergang. Nicht die, sagt sie, als die grauen ein Loch haben und drückt mir die schwarzen in die Hand.

Kyiv überrascht mit freier Sicht auf den Himmel und hübschen Fassaden

Jetzt. So ist Kyiv schon ganz schön gewesen. Wenn mich D. rumführt dann hör ich doch viel Geschichte, ganz schön viel, ganz schön tragische Geschichte. Insgesamt ist es ja interessant, wie Ukraine an seiner Identität arbeitet, insbesondere vis-a-vis Russlands, das natürlich auch in vergangenen Jahrhunderten nicht immer nur eine guten Freundin gewesen ist, aber doch eine enge Beziehung seit langem. Und hier Eigenständigkeit zu entwickeln heißt halt auch Geschichte aus einer neuen Perspektive schreiben. Aber wie gesagt: Russland steckt überall in diesem Land drin, die Puschkinstatuen, das Bulgakowhaus und natürlich alles Sowjetarchitektur quer durch. In Odessa, so hör ich jetzt, reden die auch gar kein Ukrainisch. Da brauch ich mit meiner Unsicherheit, das nicht unterscheiden zu können, gar nicht schüchtern sein. Weil das wird wohl einfach Russisch gewesen sein.

Das Militär ist präsent ob persönlich oder als großflächige Erinnerung daran, dass das Land im Krieg ist…

Dass ich tatsächlich sehr schwammig bin, bei der jüngeren ukrainischen Geschichte, die Hintergründe für den aktuellen Krieg in Europa so überhaupt nicht parat hab… ich mein, das ist nur damit zu rechtfertigen, dass man sich darum in Mitteleuropa wirklich insgesamt kaum schert. Zumindest in der Öffentlichkeit. Vielleicht ist es auch bezeichnend, dass die deutsche Wikipedia Reaktionen der deutschen und der Schweizer Regierung auf die Revolution der Würde beschreibt, während Österreich auf der Seite nur mit einer (veralteten) Zitation der Oberösterreichischen Nachrichten in Erscheinung tritt. Österreich ist da auch gerade damit beschäftigt, nochmal eine Regierung zusammenzuschustern und der neue Außenminister findet möglicherweise einfach nicht die richtigen Worte. Was soll man sagen. Leute die dafür ihr Leben gegeben haben, um der Europäischen Union näher zu kommen. Das ist den ÖsterreicherInnen vielleicht auch nicht einfach zu vermitteln gewesen, was da passiert.

Na und jetzt läuft da immer noch etwas, was D. immer wieder casually als den Krieg im Osten bezeichnet. Ich mein, in dem Fall natürlich nicht schlecht, dass das Land so groß ist, aber wenn man s weiß, kriegt man s natürlich auch so mit, welche Präsenz das Militär hat. Und das sei nicht nur echtes Militär, sondern auch ZivilistInnen, die sich qua militärchic halt mit der Armee assoziieren, die das Land verteidigt. Das sind schon ungewohnte, unangenehme Realitäten, mit denen ich mich tausend Kilometer von daheim auseinandersetzen soll.

So grantig haben sie ihn vor seine Kyivresidenz gesetzt, den Mikahil B. Oder es ist ihm nur kalt in der dünnen Jacke, kann auch sein.

Tausend Kilometer sagt nämlich die Säule, zentral in Kyiv, die nationale und internationale Distanzen darstellt. Und zwar, sagt D., jeweils von Hauptpostamt zu Hauptpostamt. Zumindest bei den ukrainischen Oblasts, die internationalen wisse sie leider nicht. So was freut mich natürlich, weil ich es für so zivil für so bürgerlich halte. Dieser Begriff, der im Deutschen so schwierig zu fassen ist. Vielleicht weil das Staatsbürgertum insgesamt immer noch so schlecht zu greifen ist, weil es so viel Mühe kostet, die Staatsbürgerschaft von Herkunft und Hautfarbe loszulösen und mit Verantwortung und Engagement zu verknüpfen. Wenn die Sowjetunion das Postamt zum Mittelpunkt der Stadt gemacht hat, dann spricht das zwar nicht unbedingt für ihr demokratisches Verständnis (aber da muss man sich ja nichts vormachen), aber es hat doch etwas hübsches, die Kommunikation zwischen den BürgerInnen derart ins Zentrum zu stellen.

Die St. Andrews Kirche gerade unter Renovation. Aber man sieht hier auch gut, dass Kyiv zurecht für sich in Anspruch nimmt, auf Hügeln gebaut zu sein. Ein ständiges Auf-und-ab.

Häuser haben sie auch schöne gebaut, unterm Stalin. Aber das war s dann auch schon wieder: 1932/33 hat Stalin die ganze ukrainische Ernte nach eingeholt… also mehr beschlagnahmt, sodass die Menschen quasi bei der Ernte verhungert sind. In der Ukraine gilt das jetzt als Genozid. (Wie furchtbar, wie oft ich dieses Wort in der Gegend hier zu hören bekomme!) Die Europäische Union anerkennt das zumindest als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich kann mich nicht erinnern, davon jemals was gehört zu haben, außer vielleicht als „Stalin war nicht gut“ zusammengefasst.

Die zwei Blöcke auf der linken Seite und der Turm im Zentrum gehören zu dem großzügigen stalinistischen Wohnblock. Ob das in Wien so sehr unter Denkmalschutz stehen würde, dass diese ganzen Satellitenschüsseln und Klimaanlagen verboten wären? Der Stern an der Spitze des Turms ist übrigens ukrainisch angestrichen. Bisschen blau-gelbe Farbe über das kommunistische Erbe…

Wenn ich mich ein bisschen besser mit der ukrainischen Geschichte auskennen würde, dann hätte ich mich vielleicht auch mit dem unangenehmen Brasilianer („…politisch ist Brasilien jetzt wieder auf dem rechten Weg…“) im odessaner Hostel auf eine Diskussion eingelassen, wenn er anderen die niedrige wirtschaftliche Produktivität Ukraines erklärt hat. Wenn s nur dafür gut gewesen wäre.

Wie gesagt: hunderttausende Eindrücke, hab ich den Eindruck, dass ich festhalten sollte. Aber natürlich geh ich spazieren, wenn mir so was einfährt und ich mitunter minutenlang über irgendeine Beobachtung nachdenke. Und wenn ich dann heimkomme, dann setz ich mich auch nicht an den Computer und tipp das alles rein. Manchmal mach ich mir unterwegs eine Notiz oder schreib mal ein paar Seiten voll, wenn ich ein Papier und einen Stift mithabe. Aber dann ist das auch erst einmal erledigt und findet jetzt nicht unbedingt auch noch ins Internet.

You have to be this tall to pray in this church

Als ich im Zug Odessa verlassen habe, sind wir an mehreren Wohnblöcken vorbeigefahren. Das ist natürlich nichts besonderes, dass man in den äußeren Bezirken hohe Wohnhäuser sieht. Was mir aber schon aufgefallen ist, war, dass auch die innere Aufteilung der Wohnungen überall gleich gewesen zu sein scheint, wo in einer Fensterspalte überall an der gleichen Stelle die Deckenleuchte zu sehen gewesen ist.

Die alten Männer im Park. Das ist nicht notwendigerweise die Phase in der Männer das Brettspiel für sich entdecken, aber es ist immer eine meiner liebsten Beobachtungen, wenn ich auf die alten Männer im Park treffe, wie sie über ihre lokalen Strategiespiele gebeugt sind. Hier in Kyiv wird natürlich Schach gespielt. Und zwar auch, wenn s draußen Minusgrade hat. Also, es war nicht so viel los, aber zumindest diese zwei Herren sind da gesessen, ein, zwei Zuschauer und – sehr professionell – eine Schachuhr war auch dabei. In Georgien hab ich interessant gefunden, dass sich im Parkspiel ebenfalls widerspiegelt, wie das Land zwischen verschiedenen Weltregionen liegt: da haben sie Schach gespielt, aber daneben haben zwei Herren um ihr Backgammon gewürfelt und am Ende des Tisches stand eine große Gruppe alter Männer um eine Dominopartie herum.

Man muss eine Stadt einfach lieben, die sich ihre Universitäten so anstreicht.

Die Tauben kommen mir hier so riesig vor. Aber das sind wohl nur die Federn, die sie aufplustern um sich warme Luftpolster zu schaffen. Heute hab ich eine gesehen, die gewirkt hat, als sei sie in einer kleinen Lacke festgefroren, aber ich glaube, sie hat sich aus dem Eis tatsächlich ein bisschen ein Wasser zusammengeschleckt.

Als ich diese Weichselteigtaschen probiert hab, hab ich unabsichtlich ein Geräusch gemacht, so gut waren die: Nng-wowowowow! Weil die Überraschung einfach so gut ist, in diesem aber derart geschmacksfreien Teig diese Sauerkirschenexplosion zu finden. Der einzige Nachteil ist, wie bei vielen positiven Überraschungen, dass man sich leider viel zu schnell daran gewöhnt.

In der Oper haben die Leute übrigens nach jeder Einlage Applaus gegeben. Und natürlich war das auch ein Publikum, die je nach Anzahl und Geschlecht ihre Bravos dekliniert haben.

Über die ukrainisch-orthodoxe Kirche hatte ein bisschen ein Imageproblem in den frühen Neunzigerjahren, nachdem sie so streng zu ihren BesucherInnen war, dass die sich alternative Kirchen gesucht haben. Also: strenger Dresscode, strenger Verhaltenscodex und solche Sachen. Nur mit sauren Gesichtern sollen die alten Frauen die Lockerung der strengen Regeln akzeptiert haben. Die Dame, die während meines Besuchs den Boden aufgewischt hat, hat auch sehr grimmig auf das sich küssende Pärchen (nicht im Bild) gestarrt und hat dann zumindest ihm gedeutet, dass er den Hut abnehme.

In Georgien, aber auch schon in Armenien sind ja wirklich viele Hunde herumgelaufen. Und aber eigentlich immer mit einem gelben Markerl im Ohr. Und das hab ich schon interessant gefunden, dass man so mit etwas umgeht, was ja ein Problem ist, weil man will ja keine Hundebanden, die die Stadt terrorisieren. Und ich nehme an, dass sie die fangen und kastrieren, vielleicht untersuchen und impfen, aber dann wieder wieder freilassen? Das ist irgendwie ein sehr tierlieber Zugang.

In einem überraschend interessanten Podcast hatte Macaulay Culkin den Wesley Crusher… Wil Wheaton zu Gast und es war eine wirklich interessante Unterhaltung, in der keiner von den beiden dabei zurückgehalten hat, über ihre jeweiligen Elternteile herzuziehen, die sie als Kinder in die Schauspielerei gezwungen haben. Und darüber, wie lange sie gebraucht haben, mit dieser kaputten Kindheit zurechtzukommen. Der Wil steigt am schlechtesten bei der Bemerkung aus, dass er findet, dass Discovery gutes Star Trek ist. Und der Mac kommt nicht so gut weg, als er feststellt, dass seine aktuelle Freundin so alt wie der Sohn seines Gasts ist. Auch wenn der in erster Linie das Kind seiner Frau ist. Und der Wil ist auch acht Jahre älter, stell ich grad fest.

Das sind die drei mythologischen Gründer Kyivs. Und ihre Schwester Lybbidie. Und warum die drei einen eigenen Wikipediaeintrag haben, in dem die Schwester nur nebenher genannt ist, das ist wohl das Patriarchat. Die Ästhetik ist ziemlich die gleiche wie bei den Plastikfiguren von Scythe. (Was mich wiederum daran erinnert, dass ich an einer anderen Statue zum ersten Mal verstanden habe, dass eine Sichel ihre Form auch hat, um eine Garbe Getreide zusammenzuhalten.)

Und Любэ. Seit ich in Armenien immer wieder Russisch zu hören bekommen habe, schwimmen mir regelmäßig die ein, zwei Nummern, die ich von der Band so halbwegs im Kopf hab, durch den Kopf und entwischen auch einmal den aufeinander gepressten Lippen – wenn s da auch nur ein gesummtes Entkommen gibt Also mehr so lautmalerisches Geheule. Und weil das damals ja ein exotisches Geschenk war, eine Audiokassette mit russischer Rockmusik… und ich fand manche Nummern tatsächlich ganz gut. Ah! Die Unschuld der sprachlichen Nackerbatzerln! Als ich meine Kenntnis und Wertschätzung der Band dann das erste Mal einer Russin gegenüber erwähnt hab, hat die schon einmal vorsichtig das Gesicht verzogen und nur ein bisschen angedeutet, dass da vielleicht ein bisschen Kontextinteresse vonnöten wäre. Nun. Die Band gibt s immer noch. Nicht nur das, der russische Präsident bezeichnet sie als seine Lieblingsband. Und auch der Sympathieträger Ariel Scharon hat wohl ebenfalls einmal seine Wertschätzung für die Band ausgedrückt. „Starker patriotischer Einschlag…“ sagt die Wikipedia. Und mir wurmt das das Ohr.

Und jetzt pack ich mich zusammen für einundzwanzig Stunden Zugfahrt.

nothing like

In Thailand hab ich ja wieder relativ viel Tee getrunken, weil das am Boot das praktischste gewesen ist. Auch einmal ein Cola an so einem Tauchtag, es ist ja doch recht anstrengend. Und dementsprechend hab ich auch meinen Tee mit einem Löffel Zucker getrunken. Milch, wenn da war.

Auf den Philippinen hab ich hingegen mehr Kaffee getrunken. Und das ist jetzt auch nicht unbedingt Kaffee gewesen… also, da hab ich schon auch ein bisschen die Bandbreite erweitert, was Kaffee betrifft. Allerdings hab ich den ja meistens nicht selber angerührt, deshalb weiß ich gar nicht genau, was das war. Ich glaube, der Kaffee hat sich 3-in-1 geheißen, weil da Kaffee, Milch und Zucker praktisch gemeinsam in einem Sackerl aufgehoben werden und bei Bedarf mit dem heißen Wasser angerührt werden. Und das ist wirklich ganz ok gewesen, als Zuckergetränk und revitalisierend nach und zwischen dem Tauchen.

Allerdings hab ich versucht, in Thailand am Boot mir so ein 3-in-1 anzurühren und war immer etwas enttäuscht darüber, dass der Geschmack nicht den der Zuckermilch mit sanften Kaffeearomen erreicht hat, die ich mir auf den Philippinen langsam eingestanden habe, schmackhaft zu finden.

In Novosibirsk hatte ich einen Tee am Flughafen… ich bild mir ein, da war irgendwas, wo ich mir gedacht hab, schau an, Russland, die haben gleich wieder eher eine Ahnung, was Tee alles sein kann. Fallt mir nicht ein, wahrscheinlich war s bloß, dass sie mir fünf verschiedene Sorten zur Auswahl gegeben hat und ich dann mit meinem Assam dagesessen bin.

Das wiederum bringt mich kurz zu einem Gespräch, das der Adam Buxton mit dem Philipp Pullman geführt hat und podcästlich veröffenlicht hat. Und da sind sie zuerst auf einem Spaziergang (durch die Felder vom Herrn Pullman; um den muss man sich scheinbar keine Sorgen machen) gewesen und dann sind sie in die Casa Pullman zurückgekehrt. Und da sagt der Pullman “Would you like some tea or coffee?” und der Buxton antwortet “I’d love some tea, thank you!”. Und irgendwie fand ich das so nett, weil es, so stellt man sich zumindest von außerhalb vor, ein sehr alltäglicher Wortwechsel ist, den man in Großbritannien im Oktober wohl öfter zu hören bekommt. Aber dem Buxton sein Antwort klang fast ein wenig überrascht darüber, dass ihm jemand einen Tee anbieten würde und einfach ehrlich erfreut gegenüber der Aussicht auf eine Tasse Tee.

Minuten später haben sie sich dann noch über den Tee unterhalten und der Herr Pullman erklärt, dass das ein Teil Lapsang sei und vier Teile Assam, weil er sei eigentlich kein Fan von Lapsang, aber so eine Ahnung von der lapsang’schen Rauchigkeit habe er ganz gern in dem kräftigeren Assam. Fünf Sterne für Teegespräch.

In Armenien hab ich dann vor allem den Thymiantee getrunken, weil mein Hals einfach und dann hab ich das Gefühl, das hilft. Auf der Tagung zwischendurch mal einen Grüntee. Der Thymian, da hab ich mir im Hostel dann einfach die Thermoskanne am Heißwasserspender gefüllt, zwei Beutel hinein und wer weiß schon, wie sehr mir das geholfen hat. Aber das zählt natürlich nur so halb als Tee. Und genusshalber hab ich auch öfter einmal zum Kaffee gegriffen. Weil in Armenien machen sie etwas, das sie armenischen Kaffee nennen und was im Wesentlichen ein türkischer Kaffee ist. In den ersten Tagen hab ich bei einem der unzähligen Kaffeestandeln, die in Eriwan die Straßen säumen einen black coffee bestellt und zu meiner Überraschung einen türkischen Kaffee im Pappbecher bekommen. Das war ganz witzig, sie hatte da so eine Türkischer-Kaffee-Kanne, die sie direkt in den Strom eingesteckt hat und die dementsprechend selbst erhitzt hat. Und ratzfatz war der Kaffee fertig. Und dann auch gar nicht so schlecht tatsächlich.

Es war aber eine ziemliche Ausnahme, das zu bekommen und ich bin dann oft einmal quer durch die Innenstadt gelaufen, bis ich zu dem einen Standl gekommen bin, wo sie den verkauft haben. Allerdings war die Verkäuferin vom ersten Tag bei meinen Folgebesuchen nicht mehr da war und die anderen das nicht so gut hinbekommen haben, meinen Geschmacksknospen zufolge. Schade. Aber auf dem Weg zum Kaffee hab ich mir einen Granatapfelsaft gekauft und das war jedes Mal super und jedes Mal ein bisschen weniger verrückt, die schönen Granatäpfel durch die Presse zu jagen anstatt in stundenlanger Arbeit sorgfältig auseinander zu klauben.

Der Kaffee auf der Tagung hingegen, da haben sie leider ein bisschen die Prioritätensetzung verpasst. Weil das war ein löslicher und da sind die Damen und Herren WissenschaftlerInnen dann doch ein bisserl sensibel. Und am Nachmittag sind die Leute dann schon mit den Pappbechern herumgestanden, weil wie gesagt, Standeln gibt s genug. Nachdem ich in der Situation auch sonst einfach zum Tee greife, stell ich mir viel öfter die Frage, ob s nicht größere Häferl gäbe, weil in so einem Achter Heißwasser meinen Teebeutel zu versenken und dann warte ich drei Minuten für s Ziehen und dann warte ich noch drei Minuten darauf, dass er trinkbare Temperatur erreicht. Und dann nehm ich die zwei Schluck Tee, die ich mir da aufgebrüht und ausgekühlt hab und dann steh ich quasi schon wieder am Heißwasserspender. Ich verstehe, dass man Kaffee nicht aus den Halbliterhumpen herausschlabbert, aber wenn man beim Tee den Zubereitungsprozess „privatisiert“, die Zubereitung einzelner Teeschalen ist schlichtweg unpraktisch.

In Tbilisi heißt der Armenische Kaffee dann wieder Türkischer Kaffee

Off with the fairies

Wieder ein Flughafen, wieder ein Aufbruch. Diesmal bin ich aber wirklich etwas länger unterwegs und vielleicht ist das auch symbolisch irgendwie. Oder so herum: vielleicht will man da auch irgendwas symbolisches drin erkennen. Immerhin verlasse ich die Tropen, hab ich festgestellt, als ich mir heute Morgen beim Das-letzte-Mal-den-Strand-entlang-Gehen beinahe einen halbseitigen Sonnenbrand geholt hätte. Da setzen sich die Leute echt noch in die Sonne mit ihrer Joghurthaut! Das hat mich wirklich ein bisschen überrascht, dass Leute immer noch dieses Urlaubsbild haben, dass sie sich am ersten Tag mit einem Buch in den Sand setzen müssen. Und die, die sich nicht ganz der Illusion hingeben, dass das an sich eine gute Idee wäre, die schmieren sich eh zentimeterdick mit Sonnencreme ein, dass man die Molke kaum durchschimmern sieht. Man mag darin auch eine Arroganz sehen, weil ich doch seit Monaten unter Palmen schlender und deren ja längst indifferent geworden mögen… habe… sein. Aber ich hebe den Arm und strecke den Finger gen Himmel um das Augenmerk darauf zu lenken, dass ich das vor einem Jahr so ähnlich gesehen hätte. Und in der Tat hab ich kaum jemals Zeit am Strand verbracht und ich würde sogar sagen: das ist das erste Mal seit Australien, wo ich das mal probiert habe und dann wieder raus bin, weil ich das Meer ganz allein plötzlich als unheimlich empfunden habe, das erste Mal, dass ich an so einem Strand entlangspaziere und zumindest anderen Leuten dabei zusehe, wie sie sich dem Am-Strand-Sitzen hingeben. Also ja: immer noch dieses Urlaubsbild haben.

“To take a photograph is to participate in another person’s (or thing’s) mortality, vulnerability, mutability. Precisely by slicing out this moment and freezing it, all photographs testify to time’s relentless melt.” (Susan Sontag (1973) On Photography, p.19)

Vielleicht ist es auch, weil ich ja in meiner expliziten Strandsitzaversion seit Jahren die Sonne als den nächsten großen Public Health Faktor vorauszusagen versuche. Also, vorauszusagen versuchen geht so, dass man s einfach so lange sagt, bis es eintritt, nicht wahr. Ich denk mir, bevor sie Alkoholfolgenfotos auf Flaschen kleben, werden sie eher den Solarkrebs ins öffentliche Bewusstsein rücken. Aber scheinbar gibt s bei den Zigaretten eh noch genug zu tun. (Bravo, so nebenher, dass sich Österreich zu einem Verbot durchgerungen hat…)

Anyway. Sonnenbrand in Südthailand: Ich hab ja relativ schnell einmal viel Freude dran gehabt, dass die Massagesalons Aloe-Vera Massagen anbieten.

Aber sonst, ich mein, es fangt ja wirklich erst an. In den letzten Tagen sind die Restaurants langsam voll geworden, abends sitzen jetzt ein paar Leute vor den Bars aus denen lauter Neunzigerpop dröhnt, auch der Strand füllt sich wie gesagt und selbst unser Tauchboot war schon wirklich so voll, dass es sich langsam für meinen Tauchshop echt auszahlen wird, ihr eigenes Boot zum Laufen zu kriegen. Weil das ist so, dass in der Nebensaison, da fahren jeden Tag nur zwei, drei Boote raus, war mein Eindruck. Da mieten sich quasi die verschiedenen Tauchschulen dann bei denen ein, die sagen, dass sie sowieso fahren und das ist dann auch in Ordnung für alle. So ein Tauchboot ist ja quasi die halbe Miete, da muss ja auch eine Crew bezahlt werden und ein Tank und die ganzen Tanks erst. Weil dass ich hier die schicksten Tauchboote befahre, die ich in meiner kurzen Karriere bisher befahren habe, hab ich das schon gesagt? So, wo wir zwanzig Gäste sind oder was und nochmal zehn InstruktorInnen oder FührerInnen. Und dann die Boys, weil auch hier hat s Boys, irgendwer muss ja die schlecht bezahlte Arbeit machen… Und einen Kapitän und dann sind wir eh vierzig Leute auf so einem Boot. Und wir sind auch ein, zwei Stunden bis zu unseren Tauchstätten unterwegs. Und dann gibt s Snackereien und ein ordentliches Mittagessen, weil wer taucht brennt Kalorien oder zumindest wird man müde davon, weil man zu viel Stickstoff im Blut hat und ich nehm an, es transportiert dann weniger Sauerstoff? Das müsste man wohl nachschauen.

Wenn die Sonne scheint und ich schau vom Boot ins Wasser, dann laufen die Strahlen so an einem Punkt zusammen. Wenn die Sonne hinter mir steht, ist dieser Punkt ziemlich dort wo meine Augen sind. Das kann man sicher mit einer Handvoll Oberstufenphysik erklären…

Na und das war jetzt auch voll, zuletzt. Und ja, da mischen sich dann die ÖsterreicherInnen (im Restaurant unverkennbar dank der Phrase can we pay?) und die SpanierInnen und die Deutschen und die SchweizerInnen und zwischendurch einmal drei Inder oder eine Chinesin. Aber eher noch das ganze Boot voll mit SchwedInnen. Das ist ja auch ein bisschen eine Überraschung, wenn die plötzlich in der Gruppe auftauchen. (Witzig übrigens, dass ich am Flughafen total viele ItalienerInnen zu hören bekomme, was am Boot nie vorgekommen ist.) Manchmal catern gewisse Destinationen schon sehr eine bestimmte Nationalität, dass am Hafen groß ein Swedish Restaurant angeschrieben und Schilder groß zum Snus Geschäft verweisen, das kommt unerwartet. Aber ich nehm an, das sind halt, so wie meine PolInnen, Leute, die sich sagen, na, machen wir halt ein schwedisches Restaurant auf einer thailändischen Insel auf, weil ich hab keine Lust mehr auf kalte Füße.

Aber wenn s Boot so voll ist, ist es mir eh fast gleich, wer da ist, bin ich schnell ein bisschen am Rückzug. Ich drück mich gerne ein bisschen bei den InstruktorInnen herum, einerseits, weil das überall die coolen Mädels und Burschen sind, aber auch, weil ich s interessant find, wie die das so machen und wie ihre Biografien so ausschauen. Ich mein, manchmal bin ich auch sehr umständlich, wenn ich einmal von einer ein bisserl sehr hingerissen bin, kommt ja auch vor. Da bin ich schnell wieder sehr verloren. Und dann gibt s die, die s mit der Lässigkeit vielleicht einmal ansatzweise übertreiben, je nach Tätowierungen, Gehabe und sonstigem Körperschmuck, denen geh ich ja dann auch einmal absichtlich ein bisschen aus dem Weg. Zu meiner Überraschung hebt ein kurzes Gespräch über der Frage in welchem Kübel der Anzug zu waschen wäre oder wo jetzt wieder das Spülmittel für die Masken sei, das erste Douche-Urteil dann doch oft als falsch auf. I guess das ist ein bisschen Teil von dieser Erfahrung, wo ich nach dem zweiten Tag einen anderen Eindruck hab als nach dem ersten und wo der dritte dann noch eine Überraschung bietet, die am vierten relativiert wird…

Das einzige, was mit einiger Sicherheit passiert, ist, dass sich die Haie nicht gezeigt haben. Oder die Mantas. Oder die Walhaie. Also alles was so unter die Kategorie der pelagial creatures fällt, quasi die echten MeeresbewohnerInnen, nicht nur die Rifffischchen. Aber da gibt s natürlich die Plätze, wo man sagt, da kommen sie vorbei, hier lassen sich die fünf Mantas putzen, hier hängen die Schwarzspitzenriffhaie üblicherweise vorbei und dort ist heute von wegen Planktonströmung vielleicht ein guter Tag, dass ein Walhai vorbeischaut. Und da starr ich dann einmal eine halbe Stunde lang into the blue, wie man sagt, und kann meine Aufregung über die Möglichkeit buchstäblich am Finimeter ablesen, weil Spannung braucht Luft. Aber halt Mal für Mal nix gewesen. Und da kann man sich da natürlich nicht beschweren. Aber wenn mich eine Instruktorin fragt, wie mein Tauchgang war dann zöger ich vielleicht doch so ein bisschen, weil ich quasi „nur das übliche“ zu sehen bekommen habe, obwohl ich ein bisschen auf pelagisches gespitzt hab. Sagt sie I believe you have expectations. Und sie meint das, glaub ich, als etwas negatives. Und das ist aus dem Buch: Leute, die die gleichen Wörter verwenden, aber etwas anderes damit meinen. Hab ich mich gefragt, ob das vielleicht was buddhistisches ist, weil da ist ja das ganze mit den Ansprüchen und den Erwartungen, die dann allesamt ständig enttäuscht werden und nie passiert da, was man gerne hätte… das spielt ja eine andere Rolle dort. Aber wie gesagt, eigentlich sind in der Gegend die Leute ja muslimisch und ich weiß nicht, wie der Islam mit dem Terror enttäuschter Erwartungshaltungen umgeht.

Die Muräne / Fletscht die Zähne / Und macht von tief aus ihrem Trichter / Von unten rauf böse Gesichter.

Und ja, das war eine thailändische Instruktorin. Das ist ja überhaupt so ein Ding, dass relativ wenige Einheimische in den (presumably) besser bezahlten Jobs arbeiten. Ist natürlich ernüchternd, dass von dem Tauchtourismus dann wieder die europäischen AussteigerInnen profitieren. Und natürlich haben auch die Restaurants und die Hotels und die Tourguides was davon, wenn jemand auf seinen Tauchurlaub vorbeikommt. Aber mein Geld ist zumindest vor allem an meine PolInnen gegangen. So wirklich ist mir das auch erst aufgefallen, wie mir die PolInnen den Wale als Guide mitgeschickt haben, der auf Ko Lanta aufgewachsen ist und der da für ihn selbst überraschend nämlich, plötzlich ein Tauchguide geworden ist. Aber natürlich bin ich dann, als ich ersteinmal draufgeschaut hab, eh schon wieder draufgekommen, dass es viel mehr thailändische InstruktorInnen gibt, als ich zuerst gedacht hab. Nur dass ich die halt nicht bemerkt hab, weil die weniger mit den Touris am Sonnendeck abhängen und eher vielleicht mit den Boys. Sagen wir ein Drittel.

Und zwischendurch wieder ein Franzose, mit dem ich mich gleich wieder gern unterhalten hab. Den haben sie uns als Fotografen mit an Bord gegeben und… ja. Schwer zu sagen. Ich hab ja dann mal gedacht, ob das mit den FranzösInnen vielleicht auch mehr so ist, wie mit den AmerikanerInnen, dass die, die man im Ausland trifft, eh nett und rücksichtsvoll und witzig sind. Oder auch nur, dass mir bei den einen wie den anderen die sympathischen eher auffallen als die anstrengenden. Auf jeden Fall ist er selbst in den kleinen Unterhaltungen, die wir so zwischendurch haben so angenehm französisch.

Bei diesem Typen hab ich mir übrigens schon vor ein paar Jahren mal so diese Idee aufgerissen, dass alte Franzosen irgendwie einen sehr speziellen Charme haben können. (Aus „Jodorowsky’s Dune“)

Mah, und meine Zehe hat sich wieder erholt, nachdem ich sie mit Karacho gegen den Gehsteigabgrenzungsboller gestoßen hab, manchmal drückt s immer noch unangenehm, wenn ich sie blöd erwische. Da frag ich mich dann, was man sich alles verletzen kann, wie unbemerkt man sich die Zehe brechen kann. Mehr Problem macht allerdings die Haut, weil da muss man sagen, das Tauchen, die Sonne und das Meer, das verlangt schon seinen Zoll. Die Haare hab ich sogar halbwegs im Griff, das schicke Boot erlaubt ja, dass ich mir nach jedem Tauchgang schnell einmal ein bisschen das Salz rausspühl. Aber ständig trockene Hände, meine Nagelbetten sind ausgefranst wie Rotwild im Frühling! Es ist wirklich nicht einfach. Da hab ich mir am letzten Tag noch eine Ölmassage gekauft, da hab ich mir gedacht, das hilft vielleicht. Auf jeden Fall bin ich unter den Schraubstockhänden der Masseurin beinahe gestorben, während sie und die Kollegin herzhaft über mein Ächzen und Stöhnen gelacht haben.

Und dann noch zwei, drei Sachen, die ich schon ein bisschen mit mir herumtrage, so aus: verschleppte Irrtümer. Wasser scheint man im Buddhismus quer durch die Bank als Opfer zu geben, was ich als bisschen brutale Opfergabe für die Atombombenopfer empfunden habe, ist gar nicht spezifisch in Erinnerung an deren qualvolles Verdursten. Ich mein, der Springbrunnen immer noch, aber vielleicht nicht unbedingt die Wasser.

Ah ja. Das andere war mehr so was, wo ich sag: oh schau, die progressive, emanzipatorische Kraft des Nationalismus, quelle surprise! Dass ich aber um die halbe Welt fahren sollte, für so ein Bild. Jetzt kann man natürlich sagen, die österreichische Herrschaft über die östlichen Nachbarn, das war vielleicht schon was anderes als die japanische Besetzung Koreas, natürlich sind die Rahmenbedingungen da ganz was anderes. Aber aus einer – sagmaramal –tschechischen Perspektive wird man da vielleicht auch leichter eine emanzipatorische Kraft dahinter erkennen. Wie gesagt, was sicher anders ist und weshalb ich mich dem koreanischen Nationalismus näher empfinde, ist, dass er halt nach wie vor ein progressives Ziel verfolgt in der Vereinigung der zwei Hälften Koreas. Und das ist ja etwas, was auf beiden Seiten ein Ziel ist, das – so scheint s mir – die entlang der Kalter-Krieg-Dichotomie gespaltene Politik der beiden Staaten transzendiert. Auf der anderen Seite gibt es in Mitteleuropa kaum ein Land, wo ich aus dem distanzierten (und österreichisch getrübten) Perspektive sagten würde, dass die ein besonders elegantes Verhältnis zum Nationalismus hätten. Serbien, Kroatien, Ungarn, Polen… Und ich mein zuhause ja auch nicht jetzt besonders. Das kann schon sein, dass das damit zu tun hat, dass sich die Fantasie vom eigenen Nationalstaat kaum jemals hat so wirklich umsetzen lassen. Ein Gefühl der Fremdbestimmung vom nächsten abgelöst. Aber ich nehme an, da sind wir auch wieder ein bisschen bei den unterschiedlichen Voraussetzungen.

Manchmal kommen wir einfach zu weit weg vom Boot wieder an die Oberfläche. Aber immerhin ist die Szenerie ja ganz hübsch, durch die ich da strampeln muss.

Währenddessen zieht ein ziemliches Gewitter über den Flughafen von Krabi. Da sind ein paar recht beeindruckende Blitze nah genug eingeschlagen, dass wir den Donner quasi zeitgleich bekommen haben. Umso eindrucksvoller, als die Hauptbeleuchtung ausgefallen ist. Hinter mir sitzt ein spanisches Pärchen, die vorher laut irgendwelche spanischen Talkshows geschaut haben, aber als sie dann beim fünften, sechsten Blitz zum jammern begonnen hat („Ay!“), da hat er dann angefangen psch-psch zu machen. Hab ich mir auch gedacht, das ist schon ein männliches Verhalten.

Und dann war ich in Bangkok. Ja nur auf einen Sprung, nur auf eine Nacht, weil eigentlich bin ich in meiner zweiundfünfzigstündigen Reisebewegung von Ko Lanta nach Eriwan. Aber da ist die erste Übernachtung eben in Bangkok gewesen. Und da komm ich mit meinem letzten Geld, mit meinem vorletzten Geld, vom Flughafen zu meinem Hotel gefahren und dann ist da eine Hallowe’en Veranstaltung. Aber schau mich an, nachdem ich mich ein bisschen hergerichtet hab und kurz am Bett ausgestreckt hab, geh ich tatsächlich runter und unterhalte mich ein bisschen aus dem Hintergrund und dann doch noch mitten am Tisch mit den anderen Gästen.

Da sind dann wieder einmal zwei weiße Südafrikaner und das ist einfach nicht so einfach. Weil die Ding, die damals in Neuseeland begeistert auf Afrikaans geflucht hat, die war gut enthusiastisch über Streetfood und politische Graswurzelbewegungen und so, da konnte ich gut mit. Aber mit den Männern zu reden, die sagen, dass, ja, die Situation ist halt nicht besonders gut in Südafrika, weil sie zur Zeit für alle Stellen nachgereiht werden, weil Schwarze halt bevorzugt eingestellt werden. Ich seh schon ein, dass da eine Generation von SüdafrikanerInnen aufwächst, denen „ihr“ Südafrika in so einem Turnaround zerbröselt und die da eine Suppe serviert bekommen, die ihnen das Leben schwer macht. Oder wie auch immer man das betrachten möchte. Vielleicht ist das aber was, wo wir allesamt mehr hinschauen müssten, weil da offenbar eine weiße Mittelschicht ganz klar ihre Privilegien abgeben muss. Aber so hab ich schnell das Gefühl, ein bisschen in der Brisanz zu tappen, nachdem ich doch nur gefragt habe, warum sie seit drei Wochen im Hostel neben dem Flughafen wohnen. Und sie haben ja auch nicht einmal den Eindruck von Rassisten gemacht, aber das hat vielleicht in einem südafrikanischen Kontext alles ein bisschen eine andere Bedeutung. Ich mein, über die Formulierung opposite colour war ich schon etwas überrascht. Und wenngleich ich da also schnell einmal aufs Nachhaken verzichtet hab, erschien mir das schon sehr als ein Zeichen dafür, dass es da doch noch sehr dichotom zuginge, in der alltäglichen Politik Südafrikas.

Nächster Tag mit der S7 zum Flughafen in Novosibirsk. Das war ganz gemütlich, der längste Flug wahrscheinlich, auf dem ich kein Unterhaltungsprogramm hatte. Nicht einmal so einen Monitor, auf dem man sieht, wo man gerade drüberfliegt. Ich hab dann viel aus dem Fenster geschaut und das war schon aufregend, weil ich kurz nach Start draufgekommen bin, dass wir ja irgendwie über die Himalayas fliegen müssten. Und weil ich nicht genau weiß, wo Novosibirsk liegt hab ich zuerst gedacht, dass ich mich wohl leider auf die falsche Flugzeugseite eingecheckt hätte. Aber dann hatte ich doch ein paar Berge bei mir und dann hatte ich noch mehr Berge und vielleicht war irgendwas davon ja tatsächlich… also irgendwas davon war sicherlich der Himalaya. Und dann sind wir über Wüsten geflogen und das war auch beeindruckend, weil da einfach nur Steppe rumgelegen ist. Bevor ich mich dann wieder meinem Steven King gewidmet hab.

Ja, also… keine Ahnung. Aber viel andere Gebirge gibt s ja nicht am Weg. Wir werden ja nicht über den Mounteverest geflogen sein.

In Novosibirsk stand gleich neben der Tür dann ein bepelzmützter Sicherheitsbeamter, das hat mir schon einmal gut gefallen. Aber was noch etwas schräger war, dass in dem Schlauch, der vom Flugzeug in den -hafen geführt hat, für ein Reisebüro geworben wurde, die sich anextour nennen. Grad für ein russisches Reisebüro ist das irgendwie auch nicht unbrisant. Dann haben sie mich durch eine Passkontrolle geschickt, warum auch immer, da war eine Beamte mit Sternen an den Schultern, die meinen Pass genommen hat und mich dann auf Russisch was gefragt hat, was ich ihr nicht wirklich beantworten konnte. Dann hat sie ein bisschen telefoniert, mich eigentlich nicht mehr angeschaut und ich hab mir nur gedacht, wie sowjet-kafka ich hier verwaltet werde. Wie authentisch! Sie hat dann einen Rückruf bekommen und schnell meinen Pass durchgeblättert und mich nach Russland hineingestempelt. Was ich nicht ganz verstehe, weil ich mich ja eh nur im Transitbereich aufhalten darf ohne Visum. Aber natürlich freu ich mich auch ein bisschen darüber, da einen Stempel hineinbekommen zu haben. Novosibirsk drängt sich doch auf in meine Reiseberichte aufgenommen zu werden und wenn ich nur irgendwo am Flughafen rumlungern werde, beschallt mit Nena (99 Luftballons), Ace of Base (Wheel of Fortune), Cindy Lauper (Girls Just Wanna Have Fun) et al., fein synkopiert mit etwas leiserem Russischpop aus dem Café daneben. Bis sie mich morgen nach Eriwan schupfen.