im flaschengrünen, tiefen See

Heute war ich im Aquarium von Kagoshima und das hat natürlich gleich einmal was problematisches. Ich bin ja ein großer Verteidiger von Zoos, weil abgesehen davon, dass dort heutzutage ja viel Forschung passiert,die in der Natur schwierig bis unmöglich wäre, find ich auch, dass es wichtig ist, heutzutage einmal ein Nilpferd in echt gesehen zu haben, bevor man in die Pubertät kommt. Oder einen Pinguin oder vor allem einen Tapir. Auf der anderen Seite geben Menschenaffen hinter Gittern mitunter ein trauriges Bild ab und da zieh ich ein bisschen meine Linie, die andere wo anders ziehen mögen. Und so bin ich heute in einer Delfinshow gesessen und das war schon interessant, aber gleichzeitig auch etwas deprimierend. Spätestens seit Free Willy schaut man ja einer Walverwandten auf die Rückenflosse um zu sehen, wie deprimiert sie vom Leben in Gefangenschaft ist und von den fünf, die da in dem Becken ihre Runden gedreht haben, waren alle ein bisschen geknickt. Immerhin muss ich sagen, war auch viel Information dabei (glaub ich, ich hab s ja nicht verstanden), das rechtfertigt s für mich durchaus ein bisschen. Es ist nicht nur Zirkus. Aber der Moderator hat viel geredet und soweit ich verstanden hab, ging s um die Fähigkeiten von Delfinen, verschiedene Formen und Größen zu unterscheiden. Und auch, dass sie fünf Meter aus dem Wasser springen können um ein Dingserl anzustoßen, das von der Decke hängt, dass sie synchrone Saltos machen können und dass sie quaken, wenn die Trainerin das richtige Handzeichen gibt. Und dass sie entweder so ins Wasser eintauchen können, dass es kaum spritzt oder so, dass ich nachher vollkommen nass war.

Kann man etwas gegen die Haltung von Quallen haben? Sehr aufregend und nur mittelmäßig auf dem Foto feststellbar, dass sie mit ihren fadendünnen Tentakel tatsächlich die Urzeitkrebse, die sie als Futter bekommen, gefangen und zur Unterseite von ihrem Körperdingsda geführt haben.

Noch deprimierender war allerdings, dass sie einen Walhai in einem Becken haben. Damit wird das Aquarium stark beworben und ich hab s mir kaum vorstellen können, dass das wirklich so ist. Ich hab mir gedacht, ok, das ist vielleicht ein Fenster ins Meer irgendwie, wo ein Zaun ist… Nein. Ich mein, ein kleiner, der war nicht länger als vier Meter. Aber er war in einem Becken, noch dazu im ersten Stock, aber dafür gibt s mehr logistische Anerkennung. Es war halt kaum Platz, dass er was anderes hat tun können, als ständig im Kreis zu schwimmen. Sein Blick ist vom Vorüberziehen der Stäbe… Dann ist eine Kindergruppe reingekommen und die waren alle wahnsinnig begeistert und dann frag ich mich, ob ich da für den armen Walhai nicht auch den Punkt machen soll, den ich für Meerkatzen, Pinguine und Gnus mache: Dass die Begeisterung von dreißig Kindern nicht irgendwo mehr wiegt. Und dass die BegleiterInnen vielleicht den Text vorgelesen haben, wo steht, dass man das Meer nicht verschmutzen soll, weil sonst die Fische alle sterben. Die Weißspitzenhaie, neben denen ich vor zwei Wochen noch geschwommen bin, sind in ihrem Becken überhaupt nur am Boden gelegen.

Keine einfachen Antworten

Ich bin ja schon allein deshalb ein bisschen auf der Seite, die die Kinder (und Erwachsenen) ihre Erfahrungen auf Kosten des großen Fischs machen lässt, damit mein Tauchhobby nicht nur elitär rüberkommt. Logistisch schwierig und ökologisch schlimmer, wenn wir unsere Haifische alle in ihrem Habitat sehen wollen würden. Hauptsache ich hab mir jetzt noch ein bisschen Tauchurlaub geplant, formulierte er einen holprigen Übergang mit moralisch zweifelhaftem Nachgeschmack. Und weil sich die Gelegenheit geboten hat, hab ich mir dafür auch gleich in einem der hiesigen riesigen Elektronikfachmärkten die Schutzschale für meine Kamera gekauft. Fünfzehn Tauchgänge hab ich gemacht, insgesamt ziemlich genau zwölf Stunden unter Wasser. Und kaum das lousy T-shirt vorzuweisen.

Aber damit ich s nicht vergesse und weil wir hier im Internet sind: Hier sind meine fünf besten Taucherinnerungen.

(5) Zuerst einmal eine Taucherinnerung, die gar nicht unter Wasser stattgefunden hat. Tahiti hab ich ziemlich gut erwischt, was die Walsaison betrifft. Man würde eigentlich bereits mit mehr Walaction rechnen, hat es immer wieder geheißen, aber so richtig wollten sie sich nicht zeigen. Vielleicht, hat s einmal geheißen, sei das Wasser zu warm, weil es wäre wohl ein Grad wärmer als üblich und deshalb würden die Wale noch ein wenig in ihren antarktischen Gewässern abwarten. Wale sind ja auch eher individualistische Tiere und jetzt nicht Gänse, die im Schwarm migrieren, deshalb war schon ab und zu mal einer zu sehen. Einmal sind wir auf dem Weg zu Tauchstelle sogar einem begegnet, von dem wir ein bisschen Schwanzflosse zu sehen bekommen haben. Die Möglichkeit sei gegeben gewesen, dass uns der beim Tauchen überrasche, hieß es, weil die Tauchstelle läge auf dem Weg. War aber nicht. Aber immerhin einen Wal gesehen ohne dass ich zwei Stunden Seekrankheit erleiden musste. Und die Hoffnung, beim Tauchen vielleicht von einem Wal besucht zu werden, die hat den ganzen Tauchgang ziemlich aufregend gemacht.

(4) Meinen ersten Hai hab ich leider gar nicht gesehen. Das war auf meinem ersten Ausflug, meinem ersten explorativen, meinem ersten Freizeittauchgang. Da war ich schon ein bisschen enttäuscht, als ich an der Oberfläche gehört hab, dass ich in die falsche Richtung geschaut hab, als da ein Grauer Riffhai (Carcharhinus amblyrhynchos) auf einen Sprung aus dem Blau des Meeres bei uns vorbeigeschaut hat. Auf Mo’orea bin ich dann immer wieder Haien begegnet, immerhin hat sich mein Tauchverein auch als Haispezialisten identifiziert und das Haienbegegnen war so ein bisschen das Ziel. Also, alles Riffhaie, da muss man sich nicht besonders fürchten. Ich mein, nicht, dass man überhaupt muss. Alles in allem, war der eine Barracuda, der uns da mal verfolgt hat, wesentlich unheimlicher als alle meine Haibegegnungen. Zu sehen gibt s insbesondere Weißspitzenhai (Triaenodon obesus) und Schwarzspitzenhai (Carcharhinus melanopterus), aber besonders sind eine Handvoll Zitronenhaie (Negaprion acutidens) die in einem Katalog durchnummeriert sind, mit ihren Erkennungszeichen und ihren Charaktereigenschaften. Und dann war da noch einer, bei dem man ein bisschen aufpassen sollte, weil die eigentlich aus tieferen Gewässern sind und ihre Unsicherheit so knapp unter der Oberfläche gerne einmal mit ein bisschen Fremdaggression kompensieren. Hat man uns erklärt. Während so ein Schwarzspitzenhai gerade einmal zwei Meter lang wird und der Weißspitzenhai noch etwas kleiner bleibt, wird so ein Zitronenhai fast drei Meter lang und das kann einen schon ein bisschen schrecken, wenn einem so einer plötzlich ins Blickfeld gerät. Wie man für seinen Open Water Diver lernt, wirken Objekte unter Wasser wegen der Lichtbrechung auch noch etwa ein Drittel größer und Viertel näher. Da hab ich mich schon ein bisschen so gedreht, dass ich ihm nicht den Rücken zuwende. Mehr erschreckt hab ich mich tatsächlich, als mich ein Schwarzspitzenhai rechts überholt hat und tatsächlich einfach einmal so in mein Blickfeld hineingeschwommen ist. Und dann noch ein zweiter. Und wieder zurück auf Tahiti war ich dann nochmal im Vallée Blanche, da wo wir im Boot vom Wal überrascht wurden. Das weiße Tal ist so ein bisschen ironisch für ein Stückchen Sandstrand unter Wasser zwischen der Lagune und dem bisschen Meer zwischen Tahiti und Mo’orea. Und warum das so attraktiv für die Riffhaie ist, das weiß ich auch nicht. Ein Grund ist sicherlich, weil dort ab und zu mal ein Tauchverein eine Kiste mit Fischstückchen deponiert und die zum Naschen vorbeischauen. Aber ob die Haie nur für einen free lunch vorbeikommen oder ob die nicht auch vorher schon lieber über weißen Sand geschwommen sind als graues Riff, kann ich nicht beantworten. Ähnliches Hairepertoire wie auf Mo’orea, aber durch die Anfütterung halt wirklich dicht. Fast ein bisschen weniger beeindruckend, wenn sie einem links und rechts so um die Ohren sausen. Aber schön sind sie schon. Lemonshark dudududu-dudu…

(3) Haie sind mit ihrer glatten Eleganz mehr so die Dobermänner des Meeres. Wobei die Ähnlichkeit wahrscheinlich eher andersherum zu erklären ist. Kalt und stromlinienförmig sind sie. Man sieht sich irgendwie satt an ihnen, wenn man nicht ein Zehnjähriger mit Gewaltsublimationsbedarf ist. Auf der anderen Seite haben mich die Schildkröten immer mehr durch ihr Verhalten beeindruckt. Und das wiederum hat wohl mehr damit zu tun, dass sie einen Hals haben und sowas wie Arme und sowas wie Beine und wenn man an Land nicht unbedingt eine Schildkröte als seinen nächsten Verwandten identifizieren würde, so gibt s unter Wasser weniger Auswahl. Und dann sieht man einmal eine Schildkröte, die sich mit ihrer Flosse am Riff abstößt, während sie nach irgendwas schnappt, das dort wächst. Eine andere hat sich vielleicht für auf ein Nickerchen in eine kleine Riffeinbuchtung hineingekuschelt. Und sie haben einen sympathischen, wenngleich extrem gleichgültig wirkenden Blick. Und eine himmlische Leichtigkeit, mit der sie sich durch s Wasser bewegen. Ich mein, „Eleganz“ ist vielleicht ein Begriff, den ich etwas überstrapaziere, wenn ich mich an meine Taucherlebnisse erinnere. Aber es gibt einfach nicht genügend Varianz in der Begrifflichkeit! Unter Wasser wirken alle Bewegungen ein bisschen präziser, ein bisschen bedachter. Ohne die Haftung an einem Boden merkt man schnell einmal die physikalische Wahrheit, dass jeder Impuls einen Gegenimpuls auslöst, am eigenen Körper. Um so mehr Bewunderung hab ich deshalb übrig für jene Lebewesen, die ihre Energie so einzusetzen wissen, dass es sie nicht bei jeder Drehung fire– und daunehaut.

(2) Als TaucherIn ist man zu Gast unter Wasser. Nicht nur, dass man das wegen der oben angemerkten Plumpheit schnell einmal am eigenen Körper merkt, aber die Oberste Direktive ist: wir sind zum Schauen da. Wir schauen drauf, dass wir nicht auf die Korallen treten, wir schauen drauf, dass wir keine Muscheln mitnehmen, wir schauen drauf, dass wir nichts berühren, dass wir nichts füttern, dass wir keinen Mist hinterlassen. Jetzt ist das wie bei allen Regeln, dass man auch einmal eine Ausnahme macht, ohne, dass man die ganze Regel sofort kübeln muss. Und während ich das stille Schweben im Wasser als die größte Herausforderung sehe und ich diesem Status der Nichteinmischung meine größte Aufmerksamkeit widme, muss ich zugeben, dass die eine oder andere haptische Erfahrung zu den besten Erinnerungen gehört, die ich unter Wasser gemacht hab. Auf dem einen Tauchgang sind wir besonders vielen Seeanemonen begegnet und ich hab den Tauchlehrer gesehen, wie er immer wieder einmal mit dem Finger durch die Anemone gestrichen hat. Ich hab mir einerseits natürlich gedacht, n-n-n: macht man nicht und auf der anderen Seite aber natürlich die Neugier, weil ich von den Seeanemonen doch nur weiß, dass sie doch irgendeine Verteidigungsgiftigkeit besitzen, weil sie doch den dagegen immunen Clownfisch beschützen, der sich in ihnen versteckt. Also Rätsel über Rätsel und die löst man am besten durch Experimentation. Hab ich bei der nächsten Gelegenheit also vorsichtig meinen Finger in die Seeanemone gesteckt und siehe da: es war ein bisschen wie wenn dutzende kleine Saugnäpfe von meiner Haut naschen. Also, das war nicht „ein bisschen wie“ sondern das war ziemlich genau, was passiert ist, das Gefühl ist so fremd, dass ein Gleichnis nicht viel weiterhilft. Nach einem anderen Tauchgang hat ein Sohn seiner Mutter die Erfahrung als weird but nice beschrieben und besser könnt ich s auch nicht sagen.

Aus dem Aquarium in Kagoshima. Vielleicht ist die Technik der Seeanemone ähnlich wie bei dem Seestern, der sich mit seinen Saugnäpfchen von der Aquariumswand nascht. Die biologische Verwandtschaft hört, wie ich eben nachgeschaut hab, bei den „Gewebetieren“ auf. Die Verwandtschaft zur Seeanemone ist also nicht näher als zu mir…

(1) Und ganz oben auf der Hitliste der Taucherfahrungen die akustische Erfahrung: hab ich einen Wal singen gehört. Es hat niemand besonders damit gerechnet, es wurde zwar immer wieder von Walen geredet, einfach weil Saison ist, aber zwanzig Minuten unter Wasser deutet mir der Tauchanführer, ich solle mal ins Meer hören und nachdem ich seine Gestik entziffert hab, hab ich tatsächlich sanft den Walgesang gehört. Der müsse so ein bis zwei Kilometer entfernt gewesen sein, hat s nachher geheißen. Aber ich war einfach überrascht, dass ich das so hören kann. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal Walgesang gehört hab (das war auf einer Schallplatte, die einem Micky Maus Heft beigelegt war) und ich mir gedacht hab, dass das doch sicher irgendwie behandelt sein muss, damit man das hören kann. Diesen Gedanken hab ich nie so wirklich relativiert. Bis jetzt. Und jetzt hab ich mir noch gedacht, dass da sicher irgendwo der Ursprung für Sirenengesang drin steckt. Weil irgendeine alte GriechIn wird mal versucht haben, irgendwo einen Krebs hochzutauchen und dabei einen Wal gehört haben. Natürlich ohne ihn zu sehen. Ja, wer singt denn da so schön?, wird man sich gefragt haben. Na, das wird ja wohl eine halbnackte Frau mit einem Fischschwanz sein, war die naheliegende Antwort. Für mich kam der Gedanke vor allem, weil es ja durchaus gefährlich ist, in die Stille des Meeres hineinzuhören: Dafür muss man nämlich die Luft anhalten, weil sonst hat man die Ohren ständig mit dem eigenen Geblubber voll. Und was sie einem sagen, andauernd einbläuen ist, dass man nicht mit dem Atmen aufhören soll unter Wasser. Das hat vor allem damit zu tun, dass es einem die Lunge nicht zerreißt, wenn man sich in der Vertikalen bewegt und sich die Luft dort aufgrund des abfallenden Drucks im Quadrat aufbläht. Und natürlich ersticken, aber da kann man sich vielleicht eher auf den Instinkt verlassen. Jetzt liege ich also im Meer und halte meine Luft, um nochmal diesen Walgesang zu erwischen, weil das wirklich sehr schön ist, in so einer akustisch sonst eher unaufregenden Stunde, jemanden singen zu hören. Ich hab auch nichts mehr gehört.

Die Regeln der Internethitparaden geben mir die Möglichkeit, hier noch ein honorable mention unterzubringen: In der Tauchschule auf Tahiti waren die coolsten Mädels und Jungs und ich bin ja doch viel mit denen abgehangen, also jetzt nicht privat, aber so vorher/nachher ein bisschen auf dem Gelände rumsitzen, wenn grad Zeit ist. Und manche haben ein passables Englisch gesprochen und mit denen hatte ich auch nette Unterhaltungen. Und andere hatten weniger Englisch parat und da war alles ein wenig schwieriger. Die Lisa zum Beispiel, die hat gerade die Ausbildung zur Ausbildnerin gemacht und hat die schwierige Aufgabe bekommen, einen auszubilden, mit dem sie nicht viel gemeinsame Sprache teilt. Abgesehen davon, dass ich die ganze Tauchterminologie eh nicht kannte und von mir aus wäre es wurscht gewesen, ob ich jetzt den französischen oder den englischen Begriff für den Schlauch der von der Flasche zum Mundstück führt lerne. Aber so war da zu Beginn auf jeden Fall einmal wenig optionales Geplauder. Und auch wenn es unter Wasser überhaupt erst einmal etwas einfacher erscheint, weil man da ja eh nicht miteinander reden kann, setzt sich da mitunter die mangelnde Einschätzung des Gegenüber von der Oberfläche fort und dann ist man vielleicht weiterhin ein bisschen komisch. Es ist dann ein bisschen besser geworden, wenn man einander ein wenig einzuschätzen lernt und man sich nicht mehr so viel über die Fehler Sorgen macht, die man beim Reden vielleicht macht. Und dann gab s einen Moment, mein erster explorativer Tauchgang, wo sie mein Buddy gewesen ist und ich weiß nicht mehr was ich gedeutet hab, aber sie hat auf jeden Fall lachen müssen und das war einfach ein guter Moment, und ich hab mir gedacht, wie praktisch, dass ich mir das nonverbale Tauchen als Hobby ausgesucht hab. Abgesehen davon, dass es lustig ist, jemanden unter Wasser lachen zu sehen.

The world was young, the mountains green…

Nachdem ich Mo’orea zum ersten Mal so ausgesprochen hatte, wie die FranzösInnen das tun, den Akzent also nicht auf s e gelegt hab, sondern auf das in der Praxis zusammengezogene o’o, hab ich s nicht mehr aus dem Kopf bekommen, wie sehr das nach Durins gefallener Festung klingt. Aber es ist kaum der finstere Abgrund, den uns Tolkiens Etymologie von Moria glauben lassen möchte. Mich auf die besungene Hochzeit Khazad-Dûms beziehend, gibt es hingegen auf jeden Fall eindrucksvolle Berge und grün sind sie auch. In der Praxis sind meine Versuche, das fotografisch festzuhalten, leider bisher gescheitert. Ich bin allerdings wirklich ab und zu hingerissen genug, um auf der Straße stehen zu bleiben um an den Straßenrand zu fahren und vorsichtig anzuhalten um mich umzuschauen und festzustellen, wie toll das aussieht.

Für TahitianerInnen ist Mo’orea quasi das Abendland

Ich bin am Dienstag nach Mo’orea aufgebrochen. Das ist die Nachbarinsel von Tahiti, ein schönes Stück kleiner und auch gelassener, wie die Reiseführer gerne sagen. Ich erlebe es jetzt vor allem einmal als touristischer, aber das ist wohl einfach weil alles ein bisschen enger beieinander ist und sich auf der Straße die Einheimischen, die Hilton- und Sofitel-Leute sowie die Rucksackmenschen einfach mehr mischen. Das fällt zum Beispiel auf, wenn mir auf der Straße ein Konvoi Quadbikes mit fröhlichen TouristInnenpärchen entgegenkommt. Oder Familien die sich in Golfbuggies den Weg bahnen. Das ist ein bisschen seltsam, weil irgendwie ist dadurch die ganze Insel ein einziges Ressort, wenngleich halt so offen, dass alle in dem Ressort Platz haben.

Schau wie schön!

Ob es auch für mich ein bisschen mehr Urlaub ist, insofern, als dass ich mir hier jetzt mehr Freizeitaktivitäten organisiere als ich das auf Tahiti gemacht habe, das kann ich nach dem zweiten vollen Tag noch nicht wirklich sagen. Es gibt ein Belvedere, für das ich ein bisschen in den Berg hineinsteigen muss und dann eine kleine und eine große Runde mit schönen Aussichten und bisschen Tropen. Und es gibt Schnorcheln und Kayaken und Badestrände. Ich bin auf jeden Fall nur mit Minimalgepäck unterwegs und habe den Rucksack bei den MitbewohnerInnen auf Tahiti gelassen. Das ist schon ein ziemlicher Qualitätsunterschied! Ad Freizeitgestaltung hab ich mir jetzt einmal ein paar Tauchgänge organisiert, besonders beworben werden die ansässigen Zitronenhaie, von denen es einen Haufen geben soll. Auf Tahiti hab ich hingegen letztens einen Grauhai nur verpasst. Die Lisa hat nach mir gerufen, aber wenn ich fünf Meter entfernt bin und in die andere Richtung schau, ist es unter Wasser nicht so einfach, meine Aufmerksamkeit erregt zu bekommen. Endlich Blickkontakt hat sie mir noch in die Richtung gedeutet, aber es hat dann noch eine halbe Stunde gedauert, bis ich sie fragen konnte, was sie mir da eigentlich deutete, weil zu sehen war nichts mehr gewesen. Außer das Meer.

Und da hab ich bei einem anderen Tauchgang hineingeschaut, so, dass ich nur Blau gesehen hab, keinen Boden, keine Oberfläche. Da ist mir schon etwas schwummrig geworden und ich hab mich bemüht, meine 360° schnell fertig zu drehen, damit ich wieder die Wand im Blick hab, neben der wir entlanggetaucht sind. Es ist schon seltsam, mit so einer unspezifischen, unstrukturierten Unendlichkeit konfrontiert zu sein. Und natürlich kann man das auch schnell einmal auf das Leben ummünzen, wenn man meine Reaktion, mich schnell davon abzuwenden, in eine Form gießen möchte. Im gleichen Tauchgang hat uns übrigens auch ein Barrakuda verfolgt, der war sicher zwei Meter lang. Und hier war s dann eher ein Segen, dass wir uns unter Wasser nur schwer verständigen können, weil der Gaylord hat dann gesagt, er hätte ihn vertrieben, der sei einfach zu nahe gekommen. Unschuldslamm, das ich bin, hab ich natürlich nicht geahnt, dass es sowas gibt, wie „der Barrakuda zu nah“. Ich hatte durchaus ein bisschen Bauchmulm, als der ein paar Meter entfernt dann vorbeigeschwommen ist. Aber gleichzeitig hab ich mich an dem Gedanken festgehalten, dass alle Gefahren statistisch sicherlich unwahrscheinlich seien, zum Beispiel dass der große Fisch mit den langen Zähnen jetzt mit der Aggression anfängt. Jetzt weiß ich natürlich, dass die Wikipedia darauf hinweist, dass „[d]ie großen Unterkieferzähne der Barrakudas […] schwere Wunden [reißen], die zu großem Blutverlust führen können“. Nachsatz: „Sie beißen allerdings nur einmal zu und schwimmen dann weg“. Manchmal bin ich schon ein bisschen gespannt, was es zum Beispiel im Traunsee alternativ zu tauchen gibt.

Und ja, leider leider hab ich es in den Gegenden, wo mir ständig das Tauchgehäuse für meine Kamera angeboten worden ist, durchgehend vermieden, ein weiteres sinnloses Accessoire einzukaufen. Na, jetzt ist das natürlich nirgendwo zu kriegen und ich mach keine Fotos mehr von Unterwasser. Dabei wär ich jetzt langsam aber sicher doch in einer gewissen Routine, in der ich Auftrieb und Atmung beisammen hab und eben auch einmal ein bisschen in der Gegend herumschau, um einen Fisch oder eine Schildkröte zu beobachten. Ich darf im Logbuch ja auch Exploration anstelle von Instructional ankreuzen. So hab ich mir zur Kompensation halt einen Tauchcomputer gekauft, den ich am Samstag zum ersten Mal mit unter Wasser nehmen werde und der mir dann sagt, wie viel Stickstoff ich noch im Blut hab und wie lang ich nicht fliegen darf, dass er mir nicht Blasen im Blut wirft.

Nebenbei: Da liegt in Pape’ete also ein japanisches Kriegsschiff im Hafen. Eigentlich sind s zwei, aber das ist einerseits schwer zu erkennen und zweitens auch wurscht für den Moment. Weil was mich ein wenig überrascht hat, war, dass sie vorne schön mit ihrer Nationalflagge beflaggt sind, aber hinten herum vermeintlich die imperiale Flagge hängt. Kurze Recherche zeigt hingegen, dass sie die Sonne in der Flagge der Imperialen Armee nach dem Krieg bloß ein bisschen nach links geschoben haben und gut war s. Wenn man schaut, erkennt man das auch.

Ja, eigentlich wäre ich ja gerne auf die Tuamotus geflogen. Das ist so eine Gruppe von Atollen, etwa eineinhalb Stunden nordöstlich von Tahiti. Aber man glaubt s kaum: ich hab drei Tage vor meinem erhofften Flug keine Unterkunft gefunden. Dabei ist bloß Hochsaison. Und vielleicht hätte ich ja sogar noch was gefunden, aber nach dem unteren und ausgebuchten Preissegment kommt erst einmal länger nichts. Na, da war ich dann kurzerhand froh, dass ich meine Flüge auch nicht gekauft hatte. Schade, aber natürlich ist das in meiner Verantwortung, wäre ich die zwei Wochen nicht auf der mal helleren, mal röteren, mal fast akzeptabel gebräunten aber stets erkennbar faulen Haut gelegen, wäre sich da durchaus was ausgegangen. Next time you know, hat mir ein David gesagt und da hab ich s ihm noch nicht geglaubt, dass er recht behalten wird.

Natürlich, ich bin vor allem herumgelegen, wenn ich nicht tauchen war oder auf dem Weg zur Marina, aber es ist ein entspanntes Herumliegen. Das geht ein bisschen in die Psychologie des Getrieben-Seins, des Eigentlich-tun-Sollens. Wahrscheinlich wäre es – jetzt ein bisschen weiter zurückblickend – gut gewesen, ein wenig früher einmal aus dieser Situation herauszukommen, wo ich nicht ständig in der Lage bin, eigentlich an einer Diplomarbeit, an einer Dissertation sitzen zu müssen. Seminararbeitenschreiben, Hausübungenerledigen, Klavierüben, Großelternanrufen. Ständig hätte es was zu tun gegeben und ich mich sehr daran gewöhnt, zum täglichen Herummuddeln eine Portion schlechtes Gewissen serviert zu bekommen. Das geht dann auf Kosten der intrinsischen Motivation, wenn ich mich so häufig und vor allem stetig im Müssen-Sollen finde, anstatt im Wollen-Können. Interessanterweise würde ich sagen, dass es auch das Können-Wollen letztlich beschädigt oder zumindest dass wenn für das Können so viel Müssen notwendig scheint und sich der Widerstand gegen das Sollen aufstaut, dann entrückt das Ziel und das Wollen verliert als Ganzes ein bisschen den Anschein des Möglichen. Und, ja, dürfen hab ich mich getraut. Aber das zeigt uns auch nur, dass ich meine Probleme nicht erfunden hab. Da ist es schon auch ein Erfolg den Atollausflug sausen zu lassen und zu vielleicht einfach anerkennen, wie sehr ich auch von hier tatsächlich hingerissen bin. Alles nicht so einfach.

Ja, weil. Es ist halt wirklich schön. Weil, ich mag die ganze Strandgeschichte immer noch nicht. Ich war einmal in Australien baden, erinnere ich mich. Also. Ich bin ins Meer gestiegen, hab mich mit den Wellen geärgert, bisschen ein Unwohlsein ob dem offenen Meer bekommen und bin nach drei Minuten wieder raus. In der Zeit hab ich mir sicherlich einen Sonnenbrand geholt. Ist also nicht meins. Mich am Strand in die Sonne zu legen kommt mir immer noch etwas seltsam vor. Aber mit dem Tauchen hab ich einen ganz guten Zugang zum Meer gefunden. Und wie sehr die Tropen mir als Paradies eindoktriniert worden sind oder ob die orangengroßen Maracujas (immer wieder die Maracujas), die ich aus dem Straßengraben geklaubt habe, nicht auch einfach die Freude daran, am Wegesrand Brombeeren zu pflücken um den Volumsunterschied potenziert, ist schwer zu sagen. Aber das Licht hell ist und der Himmel blau. Die Palmen, Früchte, Blüten. Die Blumen im Haar und der ausgeprägte Vokalismus in der Sprache (nur neun Konsonantenphoneme!). Und das in Kombination damit, dass selbst die Tortillastandlerin einen Champagner im Cola-Kühlschrank stehen hat und anderswo auf der Karte mehr Wasser zur Auswahl stehen als Bier. Ich finde das charmant.

Das ist tatsächlich ein schlechtes Beispiel für die hiesige Flora. Nicht, dass das nicht durchaus die vorhandene Üppigkeit ausdrücke und es gibt auch einen hübschen Farbkontrast her. Aber es sind halt nicht die „typischen“ Blumen, von denen ich halt keine Fotos gemacht hab…

Meiner vielleicht neugefundenen Entspannung liegt natürlich auch diese sich mir langsam eröffnende Frankophilie zugrunde. Sprachlich gesehen bin ich immer noch eingeschränkt, wobei ich auf Mo’orea auch selbstbewusster Leute auf Englisch anspreche, während ich auf Tahiti mehr gefordert war, Französisch zu sprechen. Und so konnte ich mich dann in Situationen oft kaum einbringen, aber vor allem letztlich auch nicht rausreden und nicht in der Lage mich aus einer Lage herausblödeln oder einfach ins Plappern zu verfallen. Gespräche sind harte Arbeit. Und selbst wenn ich mich mit jemandem unterhalte, die französisch können, war s in der Regel eine gemäßigte Unterhaltung, weil dann halt das Englisch für mein Gegenüber oft nicht super easy war. Für mich, der ich oft mehr rede weil das Reden lustig ist, ist das eine interessante Abwechslung, mal ein bisschen meiner sozialen Fluchtoptionen beraubt zu sein.

Mehr in ihrer Eindrücklichkeit schwer vermittelbare Berge unter Tropenwald. Und ja, es gibt schon viel von den rosa Buschblumen da links unten. Aber es sind nicht die, die man sich ins Haar steckt, deswegen wär s gewesen. Wer weiß, ob die nicht sogar importiert sind… Aber im Pflanzenbestimmen bin ich leider nicht so bewandert. Oder bemüht, sind wir sich ehrlich.

In other news hat zuletzt auch die letzte kleine Katze ein neues Zuhause gefunden und die verwirrte Katzenmutter ist zwei Tage lang rufend durch die Gegend gelaufen. Das ist schon ein bisschen herzzerreissend, wenn man sich die Biologie da anschaut. Aber so ist das wohl. Es war dann auch schnell wieder vorbei. Auf der anderen Seite leben die Kleinen zumindest, auch wenn das für die Katzenmutter natürlich nicht verständlich ist, dass das gerade gut ausgegangen ist für die nächste Generation. Mit etwas Glück – aber das ist jetzt wieder mehr meine Meinung als feline Glückseligkeit – werden sie in ihren neuen Haushalten sterilisiert. Von wegen Verantwortung für ein Haustier übernehmen war da auch noch ein Kater, der ebenfalls in der Nachbarschaft seine Runden gedreht hat. Ganz instinktiv hab ich mir immer gedacht, der würde ja auch von irgendwo kommen und irgendwohin zurückkehren, aber wenn das bei den hiesigen Hunden schon nicht immer klar ist, dann bei Katzen wohl umso weniger. Jedenfalls hat der ein kaputtes Bein oder was, und humpelt dementsprechend bereits ein wenig bemitleidenswert durch die Landschaft. Vor allem wo die Christine ihn in der Regel verscheucht, wenn er sich zum Beispiel des Essens, das sie den Kätzchen rausgestellt hat, habhaft machen wollte. Also emotional hochkomplex die emotionalen Schattierungen des Katzenalltags. Jetzt nämlich auch noch, dass der außerdem die halbe Nacht schreit. Aber was weiß man, ob das ob einem gebrochenen Bein ist oder vielleicht aufgrund der tagtäglichen Ablehnungserfahrungen. Oder ob es vielleicht gar eine Poussage ist, für die er sich in der Nachbarschaft hören lässt.

Und als ob der Verlust der Kinder bei der einen und die der Agilität bei dem anderen nicht schrecklich genug wären, bin ich anderntags dann noch einer toten Katze über den Weg gelaufen. Nachdem sie neben der Straße im Schatten eines Buschs gelegen ist, hab ich mir gedacht, dass sie wohl eine umsichtige AutofahrerIn noch auf den Straßenrand geschleudert haben wird, nachdem vielleicht ein bedauerlicher Unfall passiert ist. Am Donnerstag ist sie so dagelegen, da hätte es fast noch sein können, dass sich s da nur eine faule Katze im Schatten gemütlich gemacht hat. Freitag hat man schon gesehen, mehr faulig als faul, wie der Körper ob der Verwesung bereits ein bisschen unförmig wird. Zum Glück (?) hat sich über s Wochenende jemand die Mühe/den Spaß gemacht, der Katze eine Feuerbestattung zu organisieren, drei Meter weiter an der Straßenecke. Die Überbleibsel waren zwar durchaus noch identifizierbar und meine Lungenkapazität hat dem empfohlenen Radius des Luftanhaltens kaum Genüge getan, aber es ist viel besser, als wenn man sie dort ignoriert hätte. Also ja: so hält sich die Katzenpopulation im Gleichgewicht.

Nachdem meine Kamerasoftware keine Panoramas macht, hab ich selbst ein Panorama gemacht. Und dafür, dass ich das ich jetzt länger an diesem Absatz herumgeschrieben habe, als ich mir für die Bildbearbeitung Zeit genommen hab, ist es echt nicht so schlecht geworden. ’s Cook’s Bay, by the way.

Auf Mo’orea sind s unterdessen vor allem die HÜhner die sich aufdrängen. Also Hühner mit Binnen-Ü, weil es nicht zuletzt die Hähne sind, die einen Krach veranstalten. Sagen wir ab zirka fünf in der Früh. Mit einiger Verwirrung hab ich andererseits den hiesigen Hund gestern in der Distanz mit etwas, von dem ich sehr sicher bin, dass es ein Huhn war, aus dem Nachbarsgarten laufen kommen sehen. Begleitet von aufgeregtem Hühnergeschrei und einem etwas verdutzt dreinschauenden Nachbarshund. Aber ist das… ich mein, stiehlt ein leicht übergewichtiger Hund, der sich bei uns durchaus daran hält, dass er nicht auf die Terrasse darf, stiehl, ja: mordet so jemand ein Huhn?

Hier hört man, dass die Hühner aber schon auch was zu sagen haben in der Früh. Für die authentische Erfahrung kann man sich das ein, zwei Stunden lang in einer Schleife abspielen.

Und in bald einer Woche hab ich jetzt einen Flug nach Tokyo. Weil zwei Wochen vorher ist vielleicht nicht übertrieben, sich das zuzulegen. Noch dazu, wo ich von der Annabelle letztens den Hinweis bekommen hab, dass mir das nächste Jahrhundertereignis einen Strich in die Rechnung macht, indem der Rugbyworldcup zum ersten Mal in Asien stattfindet. Oder zumindest das erste Mal in einem Land, das nicht zu jener Handvoll Ländern zählt, in denen Rugby irgendeine Rolle spielt, also England, Frankreich, Südafrika, Australien und Neuseeland. Im Kontext der hiesigen No-Vacancy-Erfahrungen bin ich da jetzt auf jeden Fall ein bisschen unter Druck geraten. Und gar nicht so sehr, weil ich die Gelegenheit sehe, in einem Rugbystadium zur Sehnsuchtsfindung geschweige denn -erfüllung zu finden, sondern weil ich schlicht nicht mit dem Rugbytourismus um billige Hotelzimmer konkurrieren möchte.

Rugby World Cup Countries by Best Results: Wenn man sich das anschaut, es ist als ob Frankreich sich da in was sonst ziemlich Commonwealthiges einmischen würde.

#fragmente

(Nicht, dass der Text bisher besonders einer formalen Struktur entsprochen hätte…)

Witzigerweise sind auffällig viele ItalienerInnen auf Mo’orea. Und ItalienerInnen werden mir, so kommt mir manchmal vor, schon bei einer einzigen Familie auffällig. Irgendwie sind ItalienerInnen einfach nicht wer, die ich irgendwo in der Welt zu treffen erwarte und bin dementsprechend erstaunt, wenn s doch passiert. Außerdem haben sie oft eine besondere Präsenz, wohl auch, weil sie mir nur oder vielleicht auch erst auffallen, wenn sie zu mehrt sind. Schließlich hab ich ja auch das Gefühl, Italienisch eh zu verstehen. Mehr noch als SpanischsprecherInnen beim Spanischsprechen zuzuhören, die in der Regel nicht annehmen, dass ich sie verstehe, komm ich mir beim ItalienischsprecherInnenbelauschen noch ein bisschen mehr Undercover vor. Und dann sag ich trotzdem buongiorno, wenn wir einander in der Früh grüßen und hab sofort das Gefühl, mich verraten zu haben.

In Tahiti bin ich durch den Supermarkt gelaufen und hab einen Wahnsinnsappetit auf Äpfel bekommen. Kann schon mal vorkommen, aber dann hab ich gesehen, dass die wie so viel anderes halt aus Neuseeland importiert werden. Da hab ich mir natürlich ein bisschen an den Kopf gegriffen, weil ich dauernd davon schwärme, wie mir die Tropenfrüchte vom Baum vor die Füße fallen und manchmal dann schon keine Maracuja gegessen hab, obwohl ich eine Maracuja hätte essen können. Geschweige denn Sternfrüchte, von denen es einem schnell einmal langweilig wird, oder Mangos, die wirklich mehr Vogelfutter sind. Und jetzt will ich einen Apfel haben, die Eichnull des Obsts. Hab ich keinen gegessen. Aber zwei Minuten später hab ich einen neuseeländischen Apfelsaft gekauft. Ich hab nix anderes gefunden, nicht gekühlt zumindest. Und interessant da, dass es verschiedene Apfelsäfte nach Apfelsorten zur Auswahl gegeben hat.

Und am seltsamsten in drei Wochen Französisch Polynesien fand ich dann doch, dass man Marille mit B schreibt.

Ich hab das letztens mal festgehalten, dass um die Halbjahresgrenze herum jetzt langsam mein Equipment unter der Dauerbelastung nach- und aufgibt. (Stell dir eine Schublade vor, die von einem skandinavischen Schubladenroboter auf- und zugemacht wird. Unaufhörlich.) Das ist psychologisch schon ein Wendepunkt. Meine Sandalen hab ich dann kurzerhand einer Reparatur unterzogen, wobei ich endlich einmal die Ahle auf meinem Taschenmesser verwendet hab. Das war allerdings ein bisschen Mit-Kanonen-auf-die-Spatzen, wo dann eine einfache Nadel auch gereicht hat. Allerdings ist das Leder dann sowieso einfach ein paar Millimeter drunter nochmal gerissen. Und nachdem die Sohlen auch schon lange entzweigebrochen sind, hab sie der Müllabfuhr überantwortet. Dass ich sie jetzt wirklich lange gehabt habe, ich in ihnen bereits kubanische Autobahnen entlanggegschlendert bin, ist sowohl bedauerlich (Mensch-Schuh-Beziehung) als auch tröstlich (KundIn-Produkt-Beziehung). Als Ersatz schlurf ich jetzt in Flip-Flops, was persönlich auch ein großer Schritt gewesen ist und schwups! habe ich davon erst einmal links wie rechts Blasen bekommen.

Und zu hinterst noch Neuigkeiten von ebendort. Ich hab mir auf Mo’orea gleich mal ein Fahrrad gecheckt, weil ist sie mir auf Tahiti ja doch abgegangen, die Mobilität. Jetzt war ich nach meiner Ankunft in FranzPol doch ab und zu ein bisschen verwirrt, wenn ich mal wieder an einer T-Kreuzung gestanden bin, wo denn jetzt der Verkehr herkomme, weil natürlich ist das Land französisch genug, dass die Leute auf der kontinentaleuropäischen Straßenseite fahren. Aber weil das sprichwörtlich wie Radfahren ist, hinsichtlich der Verlernbarkeitsoption, hab ich mich schnell wieder daran gewöhnt und gebe meinen Selbstbewahrungsinstinkten mittlerweile bereits wieder weitgehend freie Handhabe dabei, mich sicher über die Straße zu bringen. Funktioniert auch beim Radfahren, alles kein Problem. Nein, was sich hingegen schnell einmal als eine Schwierigkeit herausgestellt hat, ist möglicherweise auf den Trainingsmangel der eigenen Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der Sattel einfach unverhältnismäßig schmal ist oder das Gelände unanständig holprig. Fakt ist, ich bin seit einem halben Jahr nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen und ich mich jetzt auf meinem VTT (veló tout terrain) herumwinde wie ein Sängerknabe unter Harndruck.

The Tahiti Life

Die Zeit vergeht so vor sich hin und es ist erstaunlich schwer, das in Worte zu fassen. Tatsächlich setz ich mich jeden Tag hin, tipp ein bisschen in diesen Text hinein, streich Sachen raus, bringe Daten und Reihenfolgen up-to-date und mache mir Notizen zu neuen und alten Sachen, die ich hier beobachte, die dann ein neuer Absatz werden. Manchmal merke ich, wie mich das eine oder andere Thema seltsam nachdenklich macht, politisch, fatalistisch oder sonst irgendwie in eine komische Richtung bringt. Das kommt dann in die privaten Notizen. Und so schwimmen die Tage ein bisschen in einander, ohne Rück- und ohne Weiterflug ist mir schnell einmal ein bisschen das Gefühl für die Zeit verloren gegangen. Und nachdem meine Unterkunft so leger organisiert ist und wir seit ich hier bin mehr oder weniger mit der gleichen Besetzung hier wohnen, die Türen sind offen, die letzte dreht das Licht ab… Die anderen gehen ja arbeiten tagsüber, wenn ich aufstehe, ist außer mir oft nur Christine da, die als Künstlerin weniger rigide Arbeitszeiten hat.

So schlurf ich durch das leere Haus und setz mich mit meinem Frühstück auf die Terrasse. Ich weiß nicht genau, wie sekundär da mein Analphabetismus zugeschlagen hat, aber als ich im Geschäft gesehen hab, dass in der Schachtel zweiundfünfzig Sackerl mit Fertigporridge enthalten sind, hab ich noch die Division zum Einzelpreis hin geschafft, aber dass ich davon zwei Monate lang Frühstück hab, ist nicht ganz durchgedrungen. In Wahrheit war ich schon froh, da eine Quelle gefunden zu haben. Ohne Janes Küche in Melbourne hab ich in dem Wegwerfporridge eine zufriedenstellende Lösung des Frühstückproblems gefunden, die ich froh bin, nicht der Veränderung der kulturellen Rahmenbedingungen zum Opfer machen zu müssen. Zugegeben, es ist mehr, dass ich mir nix überlegen muss. Weil was die kulturellen Rahmenbedingungen schon zur Verfügung stellen ist ein Baguette, das ich letztens fast aufgenascht hatte, bevor ich damit daheim angekommen bin, weil das gut gemacht war.

Seit ich mit dem Tauchen angefangen hab, bin ich abends dann auch müde vom Tag. Wobei mich der Sonnenbrand Anfang der Woche am meisten hergerissen hat. Das war auch nicht schön anzusehen, weil ich nicht nur, dass ich ja theoretisch aus dem Winter komme, ich hab ja auch sonst eine schwierige Beziehung zur Sonne. Wer weiß, was ein Witchetty Grub ist, ist im Vorteil, wenn ich mich mit einem solchen vergleiche. Also halb Kellerblässe, halb Sonnenbrand. Solange mir niemand anerkennend auf die Schulter klopft, ist es trotzdem gemütlich. Zum Beispiel weil ich Brownies für die Abschiedsfeier des Portugiesen gemacht hab, was viel besser angekommen ist als das Bananenbrot ein paar Tage zuvor. Butter, Zucker, Schokolade… da braucht man den Leuten nicht mit Obst kommen.

Witchetty Grub

A propos Obst: während ich meine Zeit also verhältnismäßig gelassen im Garten sitzend verbringe, ist mir letztens aufgefallen, wie quasi jeder Baum hier ein mehr oder weniger exotisches Obst trägt. Wenn man s genau nehmen will (und immerhin ist das das Internet, da muss man bei sowas durchaus vorsichtig sein), ist es nicht immer Obst oder nicht immer ein Baum auf dem das Zeug wächst: Bananen und Kokosnüsse, Maracujas, Sternfrüchte (von denen eine etwas überreife mal mit ziemlichem Karacho neben mir vom Baum gefallen und am Boden zergatscht ist), Papayas und Mangos. Die Maracujas haben den Zenit wohl gerade überschnitten, aber vier, fünf gibt s noch jeden Tag, die Papayas ist gerade erst so richtig im kommen. Der Mangobaum hingegen wirkt nicht, als wäre er wirklich für den Ertrag gemacht, da hängen an einem Ast eher einmal ein Dutzend kleine Mangos als eine ordentliche. Und vom anderen Nachbarn wachst der Brotfruchtbaum herüber.

Die Brotfrucht haben sie letztens in den Griller gelegt, direkt auf die Kohlen und es hat trotzdem ewig gedauert, bis sie durch war. Geschmeckt hat s dann ziemlich nach Kartoffel, aber, wie viele am Tisch beteuerten, das war wohl auch, weil sie zur Zubereitung kiloweise Butter drunter gemischt haben und das ganze dann bisschen Kartoffelpüree gewesen ist nur halt sans Kartoffel.

Paradiesische Zustände? Na ja, nicht wenn ich mir von den Ärztinnen über den Zustand des Gesundheitsbewusstseins auf der Insel erzählen lasse. Und wie das polynesische Gesundheitssystem nicht das Niveau des französischen hat. Oder von der Sozialarbeiterin Bilder gezeigt bekomme, wozu auch auf Tahiti soziale Isolation führt. Meine Probleme sind zugegebenermaßen etwas weniger dringend und tendenziell insektenbezogen. Die Gelsen sind recht eine Plage, meine Füße sind mit Bissen übersäht und heute bin ich tatsächlich aufgewacht, weil mich eine in den Arm gestochen hat. Da hab ich mir schon gedacht, irgendwo hört sich der Spaß auf. Sonst checke ich halt jetzt im Bad noch bevor ich das Licht andrehe oder die Klodeckelposition ändere, ob da nicht eine Küchenschabe sitzt. Aber ja, insgesamt: bof.

Finken am Futtern und Flüchten

Die meiste Aufregung hat uns die Nachbarskatze verschafft, weil sie ihre drei Kätzchen lieber bei uns großzieht als im Nachbarsgarten, wo ein Hund und eine Handvoll andere Katzen für Unruhe sorgen. So haben wir Katzenbabies bekommen: whoot! Letztens hat ihnen die Mutter eine halbe Ratte vorbeigebracht, nur dass ich das zuerst nicht erkannt hab und den Eindruck hatte, die spielen mit einem Kabel. Aber nein, die eine ist dann ein bisschen auf die Seite und dann hab ich gesehen, dass da Füße dran sind und überhaupt, dass an den zwanzig Zentimetern Rattenschwanz noch eine halbe Ratte dran hängt. Und in der Einfahrt liegen die Schwungfedern eines Finken (Lonchura castaneothorax), die ihm zuletzt wohl den notwendigen Aufschwung vorenthalten haben. Aber ur herzig. Und so unglaublich leicht, wenn man sie einmal zum Hochheben erwischt. Mittlerweile sind sie zwei von dreien auch schon vercheckt und wahrscheinlich haben sie da ziemlich ein Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Die Mutter wird Mimi gerufen und ich weiß nicht, ob sie so heißt oder ob das unter FranzösInnen eine generische Katzenbezeichnung ist. Aber in erster Linie (und nicht französisch ausgesprochen): moi!

Wer will noch was zur Vogelwelt lesen? Die „Honigfresser“, die mir in Australien so ein Novum gewesen sind, hab ich bisher echt in jedem Land gefunden, das ich seit dem besucht habe. Noch dazu schauen sie sich von Sumatra bis Tahiti relativ ähnlich und ich erinnere mich, schon mit dem einen in Australien Bestimmungsschwierigkeiten gehabt zu haben. Also zurück an den… Identifikationstisch. Und ich bin natürlich jetzt überhaupt nicht sicher, was ich damals gesehen habe. Aber was ich nicht bestimmt hab und sicherlich auch in Tin Can Bay gesehen hab, das ist der Hirtenmaina. Ich mein, den Namen hätten wir uns gemerkt. Aber das macht natürlich Sinn, weil der als extrem invasive Spezies beschrieben wird, nicht nur im Durchsetzen sondern auch im absichtlich Aussetzen. Also: Common Myna. Schaut jetzt nicht ur wie ein Hongfresser aus, hätte ich ein Bild gehabt, wäre das wohl schnell einmal aufgeklärt gewesen.

Außerdem gibt s diese kleinen Tauben, Sperbertaube (Geopelia striata). Dabei dürfte ich, nur weil sich s anbietet, in Australien das Friedenstäubchen (Geopelia placida, der deutsche Name ist ja wohl etwas herablassend) richtig bestimmt haben. Nah verwandt auf jeden Fall, die deutsche Wikipedia sagt, manche AutorInnen sehen in ihr eine Unterart der Sperbertaube. Die englische Wikipedia wiederholt diese Aussage und ergänzt until recently. Die Tauben laufen auf jeden Fall viel am Boden herum, was mir gut gefällt, weil es meine Dinosaurierassoziation erleichtert. Dann gibt s noch diesen Finken, von denen die Katzenmutter einen erledigt hat. Und den Rußbülbül (Pycnonotus cafer), der sich auch wiederum vor allem dadurch hervortut, dass er als extrem invasiv beschrieben wird. Und ich hab noch gedacht, schau, was für ein schöner einheimischer Vogel. Aber vor allem gibt s Unmengen von Hühnern. Zumindest auch nicht einheimisch, wenn schon nicht invasiv in dem Sinn. Invasiv vielleicht in meinen Schlaf, das schon, ich wach tatsächlich immer noch mit dem Hahnenschrei auf. Aber ich steh nicht auf sondern schlaf weiter, weil das ist üblicherweise etwas zu früh. Aber schon schön, die Hähne, wie die glänzen und schillern. Und wild, die Krallen.

Skeptischer Hahn

Ich bin immer noch nicht in Pape’ete gewesen, aber ich gehe regelmäßig die Straße hoch zur Marina für meine Tauchstunden. Und dort sitzen immer wieder Leute, die Mangos, Ananas und Honig in Flaschen verkaufen. Wobei ich selbst auch immer wieder mal eine ordentliche Mango einfach auf der Straße finde, weil die dort vom Baum gefallen ist. Und dafür, dass die hier so aufklaubbar sind, finde ich die vier Euro, die dafür verlangt werden, doch ein bisschen heftig. Interessant übrigens, dass in der Bevölkerung das Blumen-im-Haar-Tragen total wirklich praktiziert wird. Es gibt im Supermarkt auch künstliche, die man sich ins Haar spangerln kann, aber nachdem überall die großzügigsten Blüten sprießen sind s in der Regel doch wohl meistens echte.

Zur Marina rauf ist es eine knappe Stunde. Und dann wieder eine Stunde runter, aber das ist meine Bewegung. Komisch eigentlich, dass ich mir denke, dass es für einen echten Ausflug ins Landesinnere einfach zu heiß sei, ich aber trotzdem meinen Weg marschier. Es gabert sogar einen Bus, aber das erschien mir bisher tatsächlich als der größere Aufwand herauszufinden, wie der funktioniert. Dafür hab ich letztens mit einem Sonnenbrand bezahlt. Nämlich den Sonnenbrand im Gesicht. Den Sonnenbrand am Rücken hab ich mir in den zehn Minuten geholt, in denen ich mit nacktem Oberkörper am Boot gesessen bin, mit dem wir zu unserer Tauchstelle gefahren sind. (Sagt man gefahren für ein Boot?) Danach hab ich den Anzug zugezippt und die Sonne hat quasi keine Chance sonst irgendwann zu meiner zarten Engerlinghaut durchzudringen.

Oh, aber Tauchen! Ich war jetzt dreimal in der Lagune tauchen und einerseits versteh ich ein bisschen besser, was eine Lagune ist, und wie das in echt ausschaut, was komisch ausschaut, wenn man s auf einer Landkarte sieht und zweitens ist das schon unglaublich. Es ist nämlich wirklich unglaublich. Allein die Farbe, die das Meer hat. Ich war erst ein wenig perplex, bis die eine Taucherin meinen Blick gesehen hat und gemeint hat, es sei wohl wie ein Swimming Pool. Ich war ein wenig sprachlos auf der Suche nach einem Vergleich und dieser kam mir etwas banal vor. Aber es stimmt halt trotzdem: Das Meer ist da etwa sechs Meter tief und es hat eine Farbe wie Schlumpfeis. Das Wasser ist so klar, dass am Boden das Licht tanzt. Und so wie an den Straßenränder Zimmerpflanzen wuchern, so schwimmen schon im Yachthafen die Aquarienfische herum. Und natürlich die paar hundert Meter, die ich bisher draußen gewesen bin: mehr Aquarienfische. Insofern hab ich in meinem Tauchbuch unter der Ortsbezeichnung dann auch L’Aquarium hingeschrieben. Wobei das mehr die kontrollierten Umstände beschreibt, unter denen ich dort atmen lerne.

Das ist erstaunlich schwer. Selbst wenn ich meine Erfahrungen jetzt auch schon jenseits der Lagune sammle, so zu atmen, dass ich in einer Ebene bleibe, ist nach wie vor die größte Herausforderung. Immerhin hab ich die leichte Panik abgelegt, die mich anfangs bei dem Gedanken, dass ich zehn, zwanzig Meter unter Wasser für eine halbe Stunde und länger aus einer Flasche atme, durchflutet hat. Dieser eher theoretische Gedanke wird relativ schnell von der Praxis eingeholt, wo man einfach merkt: Es geht halt. Und jetzt sammle ich dann ein bisschen Fische: Noch bevor ich das allererste Mal unter Wasser getaucht bin, hab ich schon einen Stachelrochen durchs Wasser hab huschen sehen. Kurz darauf ist uns ein interessanter, aber mir mir im Nachhinein unbestimmbarer Fisch über den Weg und den Lagunenboden gekrabbelt. Am Tag darauf haben wir dann einen Feuerfisch aufgespürt, der sich in einem Riff versteckt hat. Aber dann raus aus der Lagune ist schon nochmal was anderes, allein weil wir in einer halben Stunde vier Schildkröten getroffen haben und das ist schon was ziemlich cooles.

Ich hab insgesamt Fotos gemacht bisher, aber vor allem von unter Wasser gibt s jetzt erst einmal welche aus dem Internet.

Sonst tu ich mir zum Beispiel noch ziemlich schwer, einmal unter Wasser, TaucherInnen von einander zu unterscheiden, aber insbesondere verschwimmen (haha!) mir die TauchlehrerInnen leicht einmal alle in zirka die gleiche Person. Nicht nur, dass die LehrerInnen in den Anschauungsvideos (die ich mir mit ZeugIn bestätigen musste, angesehen zu haben) genauso ausschauen, wie die in echt, ich hatte auch gestern einen anderen als heute, aber unter Wasser, hinter der Brille, mit dem Luftschlauch im Mund schauen sie alle bisschen gleich aus. Und von der Gestik her gibt s auch nicht viel Spielraum, nachdem alle Bewegungen zur Kommunikation mit großer Deutlichkeit gemacht werden. Darin muss irgendwo der Grund liegen, warum Taucherbrillen in Neonfarben auch für Erwachsene zu haben sind.

Insgesamt bin ich von der ganzen Eine-Neue-Fertigkeit-Erlernen fasziniert. Einerseits einfach, weil ich einer Didaktik ausgesetzt bin, weil ich Sachen gesagt und gezeigt bekomme, die ich dann wiederhole und später nochmal abgefragt werde. Aber auch weil es nicht in erster Linie kopfig ist sondern von mir Körperkontrolle oder halt Gestaltung von Muskelgehirn verlangt. Und auch, wo man ein bisschen in eine Gemeinschaft eingeführt wird, die ihre eigene Sprache und Gestik, ihre eigenen Werte und Bedeutungen mit sich bringt. In diesem Zusammenhang kann ich vielleicht auch feststellen, dass ich meine schicken Schwimmbadehosen letztens heimgeschickt habe. Aber jetzt vermiss ich sie fast. Einerseits sind die Franzosen wohl einfach ein bisschen näher an der Spandex-Badehose-Kultur als die Anglophonen, aber es ist auch eine Frage des In-den-Anzug-Hineinkommens.

Auf der anderen Seite erlebe ich die Verantwortung, die ich dabei für mich übernehmen muss als eine große Herausforderung. Also, nicht „Herausforderung“-Herausforderung. Aber es war ein bisschen unerwartet, als ich gestern meine Ausrüstung gecheckt hab, meine Luft und meinen Druck und dass alles richtig angeschlossen ist und funktioniert. Und es dass dann gewesen ist, der eine Anleiter hat mich gefragt, ob ich dieses und jenes gecheckt hab und ich sag ja. Und er sagt passt. Und das war s dann. Da hab ich ein bisschen gemerkt, ja, ich tu das nicht, damit ich die Checklisten in der richtigen Reihenfolge durchgehe, die ich am Tag davor gelernt hab. Sondern ich tu das, damit meine Sachen gecheckt sind, weil jetzt dann mein Leben davon abhängt, dass das Gerät mir erlaubt, unter Wasser zu atmen. Ich mein, ja, so schlimm ist es jetzt noch nicht, aber es hat einen Unterschied gemacht und ich hab ein bisschen gemerkt, dass ich immer noch ein bisschen mehr lern, weil s gelernt gehört und nicht, sagen wir mal: mit Anwendungsorientierung.

Auch sonst merke ich im übrigen die Abnutzungserscheinungen an meinen Gerätschaften. Innerhalb der letzten Woche hat mir in einem T-Shirt der Stoff der Belastung (Dauernutzung, Wäschetrockner) nachgegeben, das Leder meiner Waldviertler reißt an verschiedenen Stellen durch und heute sind hat sich mein linker Kopfhörer verabschiedet. Auf der anderen Seite bin ich grad bisschen viel mit Administration von meinem daheimgelassenen Leben beschäftigt und höre regelmäßig mal den Falter Podcast oder ein Ö1 Journal. So bin ich grad in einem relativ regelmäßigen Leben, wo ich Termine hab und wo ich zumindest via proxi einen Rhythmus von Arbeit und Wochenende erlebe. Hingegen erlebe ich auch den Bezug zu Österreich gerade etwas intensiver, auch wenn (oder weil) sich manches davon langsam auflöst, wenn s auch nur ein Schuh ist, der sich Stück für Stück verabschiedet.

Warte, wenn der Mond in der Nähe des Äquators in der Senkrechten sichelt, das bedeutet dann wohl für die Südhalbkugel… und ich hab das jetzt ein halbes Jahr nicht überrissen?

…aber keine Euro

Eigentlich ist es erstaunlich, dass das hier Tahiti heißt, würde doch Tahit’ viel französischer klingen. Und sonst klingt alles sehr französisch. Vielleicht ist es einfach das, was mich heute so müde macht. Oder es ist das, dass ich doch jetzt einen Tag hinterher bin und ich den langen dreiundzwanzigsten Juli kaum geschlafen habe. Kaum im Flugzeug, kaum in Auckland, kaum im Flugzeug. Und jetzt hab ich zwar heute vierzehn Stunden geschlafen, aber ich bin trotzdem schon wieder müde wie nix und es ist grad einmal halb acht.

Es war sehr schön bis jetzt, ankommen mit Blumenkranz. Naja, hab ich mir gedacht, aber das lass ich halt einmal mit mir passieren. Immerhin besteht das Empfangskomitee aus europäischstämmigen FranzösInnen in Flip-Flops, das reduziert die Exotik. Der Flughafen ist herzig, ich freu mich über die Schlange für die InhaberInnen von EU-Pässen. In der stehen wir dann mit den Einheimischen, was ich auch finde, dass die Exotik reduziert. Dass mein Immigrationszettel, für den ich mir so viel überlegt habe, mir von dem Beamten schnell einmal abgenommen und ohne ihn Anzusehen oder mir noch weitere Fragen zu stellen abgelegt wird, wird am Abend von meinen MitbewohnerInnen mit, ja, die FranzösInnen, denen ist das wurscht, kommentiert.

Im Haus sind außer mir ein Portugiese, ein halber Belgier und der Rest FranzösInnen. Inklusive der zweiten Hälfte des Belgiers. Es ist gleich ein netter Abend, weil die Gruppe miteinander vertraut ist und, ich würde sagen, dass das auch mitspielt: es sind halt FranzösInnen. Vornehmlich merkt man das daran, dass plötzlich Käse, Würste und Baguette herumgereicht wird, dann wird ein Wein aufgemacht und mehr Wurst. Und getschickt wird, wie ich es seit Indonesien nicht mehr gesehen habe. Ich mein, es ist nicht nur Klischee, was hier bedient wird, es gibt auch Bier und als es später wird, wird noch eine Pizza aufgetaut und es mischt sich dergestalt mir allgemeinem Hostelverhalten.

Und ich sitze dabei und höre zu und es geht so. Ich mein, ich verstehe zirka was geredet wird, wenn ich aufpasse. Ich krieg mit, wenn wo ein Witz erzählt wird, aber ich versteh ihn in der Regel nicht. Es ist interessant, denke ich mir zwischendurch, wie lange man über dasselbe Thema kann. Sowas fallt einem wahrscheinlich mehr auf, wenn man die Details nicht versteht. Dass dann jemand Eeewigkeiten über VeganerInnen und Honigkonsum reden kann. Oder… eines… der… anderen Themen. Ich merke, es ist doch nur wenig hängengeblieben. Ich mein, die Hälfte der Unterhaltung bestand wahrscheinlich eh aus doppelbödige Bemerkungen, über die zuerst minutenlang gekudert wurde, bevor sie unter Soundeffekten und Handbewegungen dem Portugiesen und mir erklärt worden sind. Es gibt scheinbar kaum ein Phonem, das im Französischen nicht sexuell konnotiert ist, das habe ich auf jeden Fall gelernt. Dann wieder werden Kinderlieder angestimmt und ich darf unterbringen, dass ich auch mit Le coq est mort aufgewachsen bin.

Tahiti ist so entspannt, dass die Kirchturmuhren ohne Zeiger auskommen

Dann haben die FranzösInnen sich ans Portugiesischlernen gemacht und bei geh in orsch, weil sowas lernt man, wenn man spontan ein paar Floskeln einer neuen Sprache lernt. Noch dazu scheint das ja in romanischen Sprachen insgesamt eine gebräuchliche Formulierung zu sein, die auch mit einem fuck off übersetzt worden ist, was aber dann letztlich doch auch näher am Ausgangsmaterial ins Portugiesische zu übersetzen war. Jedenfalls wurde in der näheren Analyse der Syntax der Scheinwerfer auf jenen Teil der Formulierung geworfen, der Richtung und Ziel der empfohlenen Bewegung bezeichne, nämlich up the ass. Und das hat die eine nicht sofort verstanden und wiederholt: Up ze aas? Und dann, erfreut darüber, verstanden zu haben, wiederholt hat: Up ze aas! Und ob ihrer unschuldigen Freude über eine eher analytische Erkenntnis, hat dieser Moment das ganze Gespräch um ein vielfaches ordinärer gemacht und der Sprachunterricht hat auch schnell zu einem Ende gefunden.

Und jetzt muss man auch dazu sagen, selbst wenn das jetzt kindisch rüberkommt, das waren keine Teenager, die mit mir Brot und Schmäh geteilt haben. Das sind fertige MedizinerInnen gewesen und ein Tischler und der Portugiese ist seit Europa mit dem Schiff unterwegs über Panama und so. Also durchaus Menschen mit Lebenserfahrung.

Dann hab ich mich hingelegt und hab noch überlegt, noch was zu lesen. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich diese Entscheidung noch bewusst getroffen habe oder ob sich s einfach nicht ausgegangen ist, aber ich bin dann schlagartig eingeschlafen und bin einmal um sechs aufgewacht, als die Hähne zu schreien begonnen haben – umgedreht und weitergeschlafen. Um zehn haben vielleicht einmal Hunde gebellt. Und um zwölf ist es langsam zu warm geworden, um weiterzuschlafen und ich hab mein schwitziges Gesicht aus dem Polster geklaubt und in den Tagesablauf gehievt.

Mit der notwendigen Portion an Adrenalin hat mich die Küchenschabe versorgt, die mir beim Zähneputzen aus dem Abfluss gekrochen ist. Die dürfte, hab ich nachher rekonstruiert, als das In-Wörtern-Denken wieder zurückgekommen ist, von oben in den Abfluss bekrochen sein und nicht wirklich aus dem Kanal gekommen sein. Davor reiß ich auf jeden Fall mal den Wasserhahn auf und dreh in nach links, in einem Versuch die Schabe zu verbrühen… Letztlich hab ich sie einfach mal weggespühlt und diesen Abflussstopper wieder eingesetzt. Brrr. Groß war sie schon, oder vielleicht war das nur, weil ich mit der Zahnbürste in dem Moment so mundfixiert war, dass ich mich so geschreckt und derart geekelt hab.

Danach schlag ich mir eine frisch vom Baum gefallene Maracuja in den Fertigporridge, und hab mit meinem besten Französisch der Christine, zu deren Mittagessen ich mich dazugesetzt hab, versucht zu erklären, woraus Porridge besteht und mich dann noch ein wenig mit dem Portugiesen unterhalten. Der kommt gerade vom Surfen zurück. Oder etwas genauer gesagt hat er nach dem Surfen ein bisschen mit der Haushälterin geflirtet, das heißt, so oder so ist sein muskulöser, braungebrannter Seefahreroberkörper so richtig aufgebufft als er sich zu mir setzt, der ich in mit rotem Kopf und schweißbenetzten T-Shirt im Schatten sitze und Harry Potter (jaja, ich bin jetzt im letzten Band, das hat jetzt bald ein Ende) lese. Quasi seine Antithese erlebe ich einen kleinen Anfall von Identitätskrise. Wir plaudern über das Rumfahren und das Zuhausesein und ich merke, ich streue ein wenig Angeberwörter in meine Erzählung, sage awesome, wenn etwas hübsch war und beschriebe eine angenehme Atmosphäre als mellow, weil er hat sich eine Jazzzigarette gedreht und das ist so ein bisschen ein Kifferwort für gemütlich. Er erzählt von seinen Plänen, davon, in Bali ein Hostel aufzumachen, im ruhigeren Eck, wo er jemanden mit der passenden Immobilie kenne. Das ist aber noch weit hin, sag ich, weil er doch zwischendurch noch Pläne für Neuseeland und Australien hat. Ja, sagt er, aber er findet, das ist gut, die Zukunft mit Plänen auszugestalten, keeps him going. Mhm, sag ich, und versuche einen humorvollen Kommentar darüber zu machen, dass ich jetzt schon seit einigen Jahren versuche, ohne Ziel im Leben zurecht zu kommen. Aber nachdem der Witz verlangt, dass ich ihm widerspreche, scheitere ich an der Pointe, wo ich doch keinesfalls behaupten kann, dass mir das gut getan hätte.

Dann gehe ich zur Marina und schau mir die Boote an. Mei, was haben die Leute Boote. Auf einem Boot steht als Heimathafen Basel drauf und das macht mich ein bisschen kichern. Insgesamt bin ich aber durchaus beeindruckt, in einem Fall fast etwas ehrfürchtig, weil da so viel Boot ist und drei Masten und das ist doch ein ziemliches Bild, selbst wenn da goldene Schnörkel in die weiße… Hülle. Chassis? Wie sagt man zur Außenseite eines Boots? Breitseite. Bug, Rumpf, Heck. Über das Heck hängt auf jeden Fall eine mehrere Quadratmeter große Flagge der britischen Handelsmarine. Wo drei viertel rot sind und nur oben im Eck, wo man sich auf der australischen Flagge der Geschichte und auf der amerikanischen Flagge der politischen Geographie versichern kann, dort oben in der Ecke halt ein Union Jack hängt. Ist, wie ich gerade lerne, halt die Flagge, die sich auch private beziehungsweise zivile Schiffe mit britischer Affiliation dranhängen.

Nachdem ich mir ein bisschen die Boote angeschaut habe, das klare Wasser bewundert und ein bisschen in der Fisch- und Vogelwelt gestöbert habe, setz mich dann ins Restaurant wo die Leute essen gehen, die mit ihrer Yacht nach Tahiti gekommen sind. Ab fünf ist Happy Hour, aber ich trinke bloß schnell ein kleines Bier in der Social Anxiety Hour und grübel ein wenig über das Leben das ich führe, während sich um mich herum mehr und mehr YachtbesitzerInnen in Korbstühlen niederlassen.

Schon wieder Abend. Hier geht die Sonne des 24. Juli endgültig unter, hinter dem Horizont ist schon der 25. Vor dem Horizont ist Mo’orea, die Nachbarinsel von Tahiti.

Auf dem Heimweg hab ich mich dann noch mit einer letzten, etwas konkreteren Krise auseinandersetzen müssen, weil ich, als ich am frühen Nachmittag fröhlich in Richtung Marina losspaziert bin, mir nicht markiert geschweige denn gemerkt habe, wo meine Unterkunft ist. Und das ist mir zwischendurch schon mal eingefallen, dass ich da noch suchen werde müssen, aber ganz der Optimist habe ich mir gedacht, dass das schon werde. Und es wurde ja auch, aber die zehn Minuten, die ich dann im Dunklen die Straße auf und ab gelaufen bin und Abzweigung gesucht hab, sind mir durchaus länger vorgekommen. Ein-, zweimal kurz hab ich mir gedacht, dass ich schon ein Dillo bin. Dann wiederum ist mir auch zweimal Hilfe angeboten worden, nur leider: die Adresse, die ich von meinem Hostel hab, ist nicht die Adresse vom Hostel. Das hat ein junger Mann bestätigt und ich bin so zumindest ein bisschen zum Französischreden gekommen. Und ja, nein, die Adresse, die ich hab, da dürfte die Besitzerin wohnen, das ist den Berg rauf. Aber mit dem Wissen, dass ich nur zwanzig Meter vom Meer wohne (weil da ist einfach dauernd die Brandung bei mir daheim) und die Straße kurz nach meiner Einfahrt eine Kurve landeinwärts macht, konnte ich meine Suche eh schon ganz gut einschränken. Weil dank der Inselgeographie gibt s im Wesentlichen nur die eine Straße, die um die Insel herumführt. Und auf der anderen Seite hatte ich mir den einen Supermarkt gemerkt, also war verlaufen insgesamt nicht wirklich. Was mir nicht gefallen hat, das waren wieder einmal die Hunde. Weil ich hab dann zwei Seitengassen probiert, aus denen ich schnell wieder raus bin, weil die wie blöd gebellt haben. Da war sogar der Zaun und trotzdem, hab ich mir gedacht, nah, probier ich lieber eine andere aus – halt ohne zu wissen, dass es die nicht ist. Aber die dritte war dann ohne Hund und die war s dann auch. Also eh problemlos. Ich bin trotzdem kurz unter die Dusche gesprungen, weil mein Hirn dann doch ein bisschen Erleichterungshormone ausgeschüttet hat, die offensichtlich nebenher ein wenig Schweiß produzieren.

Abendbrandung

Um zwölf aufzustehen und dann trotzdem den ganzen Tag ein bisschen wie im Traum herumlaufen, das ist unerwartet gewesen. Aber was trotz allem ziemlich gut war, dass ich französisch rede. Ich mein, es ist holprig und manchmal fehlt ein essenzielles Vokabel. Aber im Großen und Ganzen verwende ich Verbformen wie sie mir in den Sinn kommen, also wie sie sich richtig anfühlen. So wo der Kommunikationsaspekt dann wichtiger ist als die Korrektheit. Und das ist ein ziemlicher Schritt.

Gewöhnungsbedürfnisse

Ich hab letztens festgestellt, dass ich jetzt endlich die Autos von dort erwarte von wo sie kommen. Oder eben nicht und mich über die Straße gehen lassen. In Sydney gibt s Bodenbeschriftungen, wie ich sie in London auch in Erinnerung hab, die einem sagen, wo man schauen soll, wenn man über die Straße will und sie überraschen mich nicht. Nach einem halben Jahr in Australien, Neuseeland und Indonesien, wo sie überall auf der linken Seite fahren, hab ich s endlich in der Intuition, dass ich richtig schau. Selbst mitten auf der Straße, auch wenn das manchmal unübersichtlich ist, schau ich tendenziell auf die richtigen Fahrbahnen. Was ich schon mache, ist, dass ich manchmal zum Beispiel zuerst nach links schau, als ob von dort der früheste potenzielle Kollidor heranbrausen würde, aber dann schau ich auf die andere Fahrspur, also auf die weiter entfernte.

Das ist jetzt vielleicht nicht super interessant gewesen. Aber seit einer Woche denke ich jedes Mal, wenn ich über die Straße gehe, dass ich das jetzt intus hab und jetzt muss es einmal raus.

Auf der anderen Seite merke ich mehr denn je, dass ich immer noch Probleme hab, die Leute, nämlich die AustralierInnen in der einfachsten Alltagskommunikation zu verstehen. Also schon den Großteil. Mir fällt das… aber das führt jetzt schon ins Nächste. Also, wie gesagt: schon das meiste, ja, ja. Aber dann sagen sie zwischendurch ein Wort und das versteh ich nicht und manchmal kann man dann den ganzen Satz kübeln. So zum Beispiel am Flughafen in Hobart, als mich die Frau beim Einchecken fragt, whether I wanted a seat at the exit. Ja, witzig, gell, sollte man glauben, der Satz wäre nicht zu schwer und nicht einmal besonders überraschend im Kontext. Aber wenn ich da irgendwo das Wort Sydney drin verstehe, dann passen die anderen Laute nicht mehr in die Worte, zu denen sie eigentlich gehören und dann stehe süß lächelnd da und frage leise sorry.

Und das ist ja gleich der nächste Punkt, von wegen Gewöhnungsbedürfnisse: Die Damen und Herren in den britisch kolonisierten Ländern des fernen Südens sagen ja alle brav, wie wir s in der Schule gelernt und nie wirklich verwendet haben pardon wenn sie was nicht verstanden haben. Es ist ja eigentlich nicht so, dass ich Sachen, die ich in der Schule gelernt hab nicht auch brav bis zum heutigen Tag an- und verwenden würde. Und ich hatte sogar eine Phase, in der ich mich der leidigen sorries entledigen wollte und auch im deutschsprachigen Alltag lieber einmal pardon gesagt hab, aber halt weniger ein britisches paard’n eher ein französisches p’rdoo. Aber hier werde ich regelmäßig von unerwarteten pardon Äußerungen überrascht, weil ich s einfach von Mal zu Mal vergesse.

Na und weil ich s oben angerissen hab: Ich bemüh mich ja schon um Französisch. Aber das ist mehr das worauf das hinausgeführt hätte, weil angerissen hab ich vielmehr, dass ich zwar AustralierInnen im Großen und Ganzen schon versteh, wen ich gar nicht verstehe, dass sind FranzösInnen. Und es ist wirklich erstaunlich, weil immerhin ist das auch etwas, was ich in der Schule gelernt hab und ich mein, nicht dass ich irre gut war, aber zumindest im Verstehen und Vokabular und so, das ist prinzipiell… Ich will sagen, ich tu mir de facto leichter, ItalienerInnen zu verstehen. Weil denen versteh ich manchmal Wörter, die sie sagen, ich verstehe aber vor allem die Melodie eher, eher Satzstrukturen und Stimmungen. Ich hab in der Regel keine Ahnung, was FranzösInnen neben mir reden. Es ist bedrückend, aber ich kann die Sprache überhaupt nicht fassen. Und das ist schade, weil ich hab da ja durchaus ein Faible für, für das Französische. Das ist insbesondere beachtenswert, als mir schnell einmal eine Gänsehaut passiert, wenn mir sonst jemand mit nationalem Gschistigschasti kommt. Und hier konstruiere ich freudig einen nationalen Idealtypus, und dann diagnostizier ich mir auch noch einen Mangel an dem, was ich mir als konstituierend für das französisches Ego zurechtlege: Anspruch, Entschlossenheit, Selbstverständlichkeit, Widerstand und Revolution. Aber ja, ich nehme an, deshalb fahr ich da jetzt hin, also zumindest sprachlich wird Tahiti da ein bisschen eine Herausforderung werden, eine Herausforderung, auf die ich mich aber gerne einlasse. Und he: Tahiti.

Woran ich mich abschließend relativ schnell gewöhnt hab, wie man Sidney Sydney schreibt.