Shoop de-lang de-lang

Das hat jetzt ein bisschen gedauert, meine Nordinselerinnerungen zusammenzufassen. Wir waren flott unterwegs, K. und ich in K.s Freundins Sportwagen. (Die hat gerade ein Kind bekommen gehabt und hat gemeint, sie fahre jetzt eh nicht so viel damit.) Die letzten zehn Tage bin ich wieder in Melbourne gesessen und hab das mit bisschen Abstand zusammengeschrieben. Es ist ziemlich lang geworden, aber statt es zu unterteilen hab ich zumindest Zwischenüberschriften gemacht.

Aufbruch

Ich bin also mitten in der Nacht auf Waiheke aufgewacht. Mitten in der Nacht, halb fünf war s. Ich hab im Zelt geschlafen, das war die letzte Möglichkeit. Die Betten waren voll, aber Tom der Hosteltyp stimmt mir lachend zu, als ich sag, ich würde lieber nicht für eine Nacht nach Auckland zurückfahren. Quasi: lieber auf dem Fußboden. Aber es ist nicht schlimm, die Zelte sind permanent installiert, es sind Möbel in den Zelten, most importantly sind Betten in den Zelten. Und ich bekomme zum dritten Mal einen Schlafsack ausgeborgt. (Also, technically correct. In Arthur’s Pass hab ich mir einen Schlafsack ausgeborgt, der dort zur Verfügung stand, hab aber letztlich in meinem Hüttenschlafsack geschlafen. Einerseits weil es eh Decken gab, andererseits damit der auch einmal zum Einsatz kommt. Damit ist das Feinrippshirt das letzte Kleidungsstück, das ich bisher nur mit mir herumgetragen habe.) Ich wache also um halb fünf auf, weil ich um halb sechs aufwachen will, weil ich um halb sieben los muss. Insofern: etwas nervös um mein Rechtzeitig-Aufstehen. Aber um halb fünf kommen die FranzösInnen nachhause und plaudern in Hörweite. Und auf der Liste, worin Häuser besser sind als Zelte, steht der Schallschutz ganz oben. (Und der funktioniert in beide Richtungen nicht, aber auch das ist den FranzösInnen relativ egal.) Und da liege ich quasi schon im Dawn Chorus. Wie heißt das bei uns: wenn die Vögel in der Früh zu singen beginnen? Es heißt Vogeluhr. Definitiv der weniger attraktive Begriff und so ein herzlicher Fokus auf die Nützlichkeit.

Das ist schön, also der Vogelgesang, aber ich schlaf nicht mehr ein. Also stehe ich auf, dusche, mache mir noch einen Tee und richte mich auf s Ausziehen ein. Ich bin auf meinen ersten Schritten Richtung Hafen überrascht darüber, dass es relativ hell ist. Dass ich zwischen Schlafengehen und Aufstehen eine Stunde Zeitumstellung geschenkt bekommen habe, werde ich erst zwei Tage später rekonstruieren. Im Moment ist es in erster Linie hilfreich, weil ich bin doch ein bisschen unterwegs anstatt mir ein Taxi oder was zu nehmen. Stapf-stapf, me and my Rucksack.

Relativ hell

Fährenfahren

Ich freu mich immer wieder einfach darüber, ein Boot als Fortbewegungsmittel zu benutzen. Es ist eine andere Route, als die, die mich auf die Insel geführt hat, weil ich mit K. ausgemacht habe, sie in der Half Moon Bay zu treffen. Und da fahre ich nicht zurück ins Zentrum von Auckland, sondern lande eben bisschen weiter östlich, bereits am Weg nach Tairua, wie wir uns in den Tagen vorher ausgemacht haben. Und so komm ich diesmal auch auf eine andere Fähre, bisschen die gröbere Version, nicht so sehr für den Tagestourismus sondern mehr für den Transport von Lebensmitteln, Autos und anderen Gebrauchsgegenständen. Leichter Rost und sanfter Ölgeruch dementsprechend, aber es gibt Sessel und Aussicht und Kaffee. Aber natürlich wirkt das etwas authentischer in der Früh. Da macht das auch nichts aus, dass Espresso mal wieder in seinem eigenen Beiwasser ertrunken ist.

Mit K. gehen wir erst einmal einkaufen und das ist immer gleich ein erster Test für wie man miteinander auskommt. Immerhin ist K. eine Ernährungswissenschaftlerin und ich bin zumindest pingelig. Aber mit Pasta und Jamie Olivers fertiger Tomatensauce strapazieren wir einander Geduld nicht allzusehr mit unseren Vorlieben. Brot, Käse, Hummus für die Verpflegung auf unseren Ausflügen, bei den Bananen die alte Frage, wann man die als reif empfindet und vielleicht übertreiben wir s ein bisschen mit den Äpfeln, rein quantitativ. Aber insgesamt sind wir sind nicht ganz weit weg von einander. Und die Aussicht gemeinsam zu kochen ist auf jeden Fall ganz erfreulich, zu kochen ganz erfreulich.

Heißes Wasser

Hahei, unser erstes Ziel, ist ein Strand, an dem sich knapp am Meer heiße Quellen den Weg an die Oberfläche bahnen, deshalb auch einfach Hot Water Beach genannt. Um die Ebbe herum schaufeln sich die TouristInnen Löcher in den Sand, heben Wannen, Becken und Fußbäder aus, um sich darüber zu freuen im warmen Wasser zu sitzen. In Wahrheit ist es natürlich schwieriger, als die Idee zunächst klingt. Weil das Wasser kommt wirklich heiß aus dem Boden und wir verbrennen uns zuerst einmal die Füße. Jetzt gräbt man entweder seinen Pool groß genug, dass das Wasser auch zum Auskühlen kommt oder man bewegt sich weiter zum Meer, um von der einen oder anderen Welle Kaltwasser zu profitieren. Letztlich sind die Quellen nicht riesig und erstrecken sich über etwa fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter Strand und als wir am Strand auftauchen, haben wir nicht exactly freie Platzwahl. Wir probieren einige verlassene Becken aus, sind aber mit Wasserstand und -temperaturen in der Regel nicht zufrieden, wir sind zuversichtlich, das besser zu können.

Nachdem wir drei, vier verschiedene Stellen ausprobiert haben, lassen wir uns nah am Meer nieder, und hoffen auf eine gute Kombination aus heißer Quelle und kaltem Meerwasser. Wir haben zwei Heißwasserzuläufe und halten genug Distanz zur Brandung, um nicht dauernd zugespült zu werden. (Zumindest nicht anfangs.) Hinter uns am Strand sind zwei AmerikanerInnen, die es sich sehr gemütlich gemacht haben, und die in ihrem Pool verhältnismäßig eloquent wirken. Neben uns badet eine englische Mutter mit zwei Kindern, die (ich sag mal „altersbedingt“) mehr Freude am Graben finden, als am Im-Warmen-Wasser-Sitzen.

Ratz-fatz haben wir unseren Pool ausgehoben, unter Zuhilfenahme der Schaufel, die uns das Hostel ausgeborgt hat, in dem wir auf dem Weg eingecheckt haben. Und da sitzen wir dann, quasi Fremde, gemeinsam in der Sitzbadwanne, die wir gemeinsam gebaut haben. (Ganz schön viel Nähe, die ich da aushalte, wenn ich das so sagen darf.) Und erstaunlich schnell kommen wir mit unseren NachbarInnen ins Gespräch und erstaunlich schnell rufen wir George!, wenn eine Welle unseren Schutzwall überschwemmt. George ist das Nachbarskind mit der Schaufel, der tiefe Gräben gegen das Meer zieht und äquivalent hohe Wälle aufwirft. (Ich denke übrigens bei jedem Ruf seines Namens an Narnia, auch wenn weder Peter, Susan, Edmund noch Lucy George heißen.)

Nicht mein Foto, aber im Großen und Ganzen ein ähnliches Bild, mir kommt vor, als ob bei uns mehr losgewesen ist…

Aber wer das Meer kennt, die weiß, dass es unersättlich, unerlässlich… dass es immerwährend seine Wellen wirft. Alles, was wir ihm in den Weg stellen können, geduldig von seiner Ewigkeit hinweggerafft wird. Ein Sandwall schneller als vieles andere. Und so besteht die vierte Iteration unseres Warmwasserbeckens aus wenig mehr als unseren, halb vom angespülten Sand begrabenen, Körpern und einigen Zentimetern Wasser. Es ist weniger showy als viele andere Pools, aber letztlich tut es seinen Zweck und die meiste Freude ergibt sich sowieso daraus, anderen dabei zuzuschauen, wie sie langsam ihre Ansprüche an die Schwimmbadkonstruktion abbauen.

Parken und Psycholgie

Auf dem Weg zurück bereue ich dann ein bisschen die Sorglosigkeit, mit der ich meinen Kopf auf den sandernen Polster gelegt habe. Und noch ist es nicht Zeit für eine ordentliche Dusche oder auch nur für Pasta, wir haben noch einen Ausflug zur Cathedral Cove vor uns. Also einmal kurz abgespült, rein ins Cabrio und weiter zur Te Whanganui-A-Hei Marine Reserve. Mir kommt das Programm in dem Moment bereits ein bisschen dicht vor, aber was will man. Ich hab die Tendenz, da anderen ein bisschen viel Platz zu lassen. Immerhin – erkläre ich mir meine Zurückhaltung – nehmen die mich ja mit. Letztlich bin ich ja auch nicht unglücklich darüber, keinen Plan machen zu müssen. Andererseits merke ich auch, dass das für die andere Person mitunter ein bisschen anstrengend wird. Also, ich sag „mitunter“ aber ich mein natürlich „schnell“, „immer“ und „verständlicherweise“. Und mein „anstrengend“ teilt Bedeutungsebenen mit Begriffen wie „frustrierend“, „enttäuschend“ und „die Abwesenheit des Gefühls, im Gegenüber eine Person zu haben, also jemanden, der beispielsweise einen eigenen Standpunkt einnimmt, sich ausdrücken und einbringen möchte – was schön wäre, immerhin ist man gemeinsam unterwegs“.

Cathedral Cove ist ein bisschen ein Spaziergang, weil wir in einiger Entfernung bereits darum gebeten werden, das Auto stehen zu lassen, es handle sich um die letzte Parkmöglichkeit. Also lassen wir das Auto stehen und spazieren die Küste entlang, vorbei an den Privatvillen, die die Zufahrtsstraße säumen und für zehn Dollar Parkplätze anbieten. Es ist ein netter kleiner Weg, auf dem wir ins Plaudern über Familien und Berufe und Pläne und die Unterschiede zwischen irischem und österreichischem Katholizismus kommen. Die Bucht erreichen wir günstig: zu viel Flut hätte uns den Weg zum Felsen abgesperrt, der da protzig im Meer Modell steht und das Licht unterstreicht die hübsche Aussicht auf die kleinen Inseln, die vor uns aus dem Meer ragen.

Am Heimweg langsam schon dunkel. Aber die Wolken sind tatsächlich überirdisch.

Am Weg zurück merken wir, dass wir uns ein bisschen zu viel Zeit gelassen haben. Einerseits sind wir mittel müde und leicht launisch, andererseits muss uns K. jetzt im Dunklen zurück zur Jugendherberge schupfen. Und da sind eineriseits viele Berge, was die Gegend sehr pittoresk erscheinen lässt, uns aber einen entsprechend kurvigen Heimweg beschert. Und andererseits sind die Entfernungen gar nicht so klein und so sitzen wir noch ein gutes Stündchen im Flitzer. Und in der Nacht zahlt es sich leider nicht einmal besonders aus, das Verdeck abzunehmen. Jetzt: natürlich hab ich meinen Kopf am Fenster, weil der neuseeländische Sternenhimmel ist das wert. Aber es wäre auch ganz gut gewesen, wenn auch ich mich einmal hinter das Steuer gesetzt hätte, aber das heben wir uns für Tageslicht auf und es wird auch dann nicht ganz so gut laufen.

Das Hostel in Tairua ist sehr herzig: Ein alleinstehendes Haus mit einer hölzernen Veranda auf einer großen Wiese, es gibt eine blonde Deutsche mit zwei blonden Kindern und ein Pferd, das über Nacht eine Jacke trägt, weil es schon ganz schön kühl ist. Es ist sehr idyllisch. Auf dem Parkplatz steht unser AngeberInnenauto zwischen VW-Bussen, die in BackpackerInnenmanier mit Batiktüchern, Matratzen und semi-professionellen Küchen ausgestattet sind, etwas fehl am Platz.

Linksverkehr und andere Strapazen

Der zweite Tag beginnt mit Frühstücksschwierigkeiten: Auch wenn das Hostel in jeder Hinsicht liebenswert ist, so wird uns leider kein Tee zur Verfügung gestellt. Nach einigem Suchen finden wir ein Packerl Earl Grey, aber das tut s auch nicht wirklich. Also Porridge und stopping for coffee. Das zweite Mal halten wir in Katikati an, worüber K. sehr amüsiert ist, und wir gehen eine Runde spazieren, schauen uns Wandmalereien an, mit denen sich Katikati hervorhebt und machen Fotos von K. vor Katikati Schildern.

Und dann setze ich mich für die nächsten vierzig Kilometer hinter das Steuer. Es ist nicht besonders entspannend, weder für K. noch für mich. K. schaut drauf, dass ich nicht links von der Straße abkomme, während ich bemüht bin, nicht in den Gegenverkehr zu fahren. Es ist nicht ganz klar, wer von uns beiden dabei mehr zu tun hat. Und dann natürlich the pleasure of Spurenwechsel, da sind drei, vier Dinge gleichzeitig zu beachten: Blinker an, Scheibenwischer aus, Blinker an, Gangschalten mit der falschen Hand, gleichzeitig die Augen auf der Straße lassen und wider jedes Gefühl eher rechts halten wo der Gegenverkehr tut was Gegenverkehr tut, d.h. mir entgegenkommen. Und jetzt noch in einem Kreisverkehr, da bleibt einem zwar der Gegenverkehr erspart, aber es ist trotzdem nicht weniger stressig. Und das ist dann der Moment, wo s zu viel wird und ich auf der linken Seite ein bisschen am die Fahrbahn verlassen war. Dass ich dann ein paar Minuten später beim Einparken nicht zurechtkomme, ist dann nur noch die Dings auf dem Dings. Aber wir haben unser Ziel auf jeden Fall erreicht. Meine Hände sind etwas verschwitzt, aber weder das Auto noch wir sind jetzt besonders kaputt.

Das Ziel war Mount Muanganui. Das ist ein hübscher Vulkankegel am Ende einer Halbinsel, da steigt man eine Stunde rauf und dann hat man einen hübschen Überblick über die Stadt und die Strände, die links und rechts die Halbinsel entlanglaufen. Andererseits erlebe ich uns hier am strapaziertesten. Ich glaub, die K. hat sich das bisschen anders vorgestellt, als dass ich mich nur herumkutschieren lasse. Vielleicht ist das nur mein Eindruck, aber wir bringen diesen Aufstieg etwas stiller hinter uns, als die Spaziergänge am Vortag.

Blick vom Mount Maunganui. Das Wetter ist nicht ideal, aber wir sind trotzdem mit offenem Verdeck unterwegs.

Oben finden wir eine Aussicht und essen unsere Sandwiches. Und dann haben finden wir einen Manchunian, der witzigerweise einen Galwegian kennt, dessen Bruder mit K. in der Schule gewesen ist. Or something. Aber so machen wir ein bisschen eine lockere Jause und oft hilft einem eine dritte Stimme ein bisschen aus seiner Zweierenge herauszufinden. Oder zumindest in diesem Fall, dass es uns ein bisschen einen Ausweg gegeben hat. Oder ich hab s mir wirklich nur eingebildet. Aber am Weg runter verirren wir uns wieder ein bisschen und schauen dann den SurferInnen zu, wie sie im Meer sitzen, darauf wartend, dass die Welle kommt. Und unten kaufen wir uns dann ein Eis und spätestens da haben zumindest wir wieder eine ganz gute Welle gefunden.

Abendessen in Rotorua

Und das war auch das Programm eigentlich für den zweiten Tag. Die Lektion aus dem ersten war doch, es nicht zu übertreiben, insbesondere, wenn wir doch nur noch eine Fahrerin haben, also bisschen schonen. Im Hostel machen wir nochmal Pasta mit Fertigsauce, diesmal Geschmacksrichtung Knoblauch/Rotwein. Schmeckt aber auch nicht viel anders. Und K.s Ansatz wertet das ganze sowieso zumindest in die Neutralität auf: für Geschmack und Nährwert reiben wir eine Karotte drüber (und idealerweise, aber ebenso wie die Karotte von der Verfügbarkeit abhängig, eine Zucchini). Und zum Essen dazu erzählt uns dann der rothaarige Deutsche von seinen Wanderungen quer durch Neuseeland. Und K. lauscht aufmerksam, weil sie Informationen für unsere Wanderung über den Mount Ngauruhoe sammelt. Ich hab zugegebenerweise nach wie vor nicht die Übersicht über unsere Route. Und auf der Nordinsel haben viel mehr Orte Namen auf Māori, wie beispielsweise „Ngauruhoe“ und mein Hirn schafft es kaum, sich derartige Lautfolgen bis zum Ende des jeweiligen Satzes zu merken.

Mein Handtuch, nur so nebenbei hängt über Nacht zum Trocknen draußen, weil es nach unserem Besuch von Hot Water Beach nie wirklich getrocknet ist. Und über Nacht gibt s wohl den einen oder anderen Schauer, jedenfalls brechen wir am nächsten Tag wieder mit nassem Handtuch auf. Aber zumindest gibt s Tee zur freien Verfügung – auch wenn wir unterwegs mal stehengeblieben sind, um Notfalltee zu kaufen. Es ist gut mit jemandem unterwegs zu sein, die Tee einen ähnlichen Stellenwert zuschreibt.

Heißes Wasser, galore!

Der dritte Tag führt uns zunächst in den Heißwasserpark. Die Hostelfrau, die uns dabei unterstützt hat, anhand der vorhandenen Attraktionen eine Prioritätenliste und einen dazugehörigen Zeitplan zu gestalten, hat die Formulierung perfect geothermal day verwendet, was mich auch jetzt nach zwei Wochen noch erheitert: Ich hab nie von einem geothermalen Tag geträumt, geschweige denn mehrere mögliche nach ihrer Qualität gereiht. Aber ich bin dann viel mehr begeistert, als ich zunächst geglaubt hätte. Einerseits ist es einfach angenehm in der feucht-warmen Luft, weil s rundherum schon bisschen kühl wird. Und andererseits ist es wirklich beeindruckend, wenn man dem Wasser zuschaut, wie es aus der Erde kommt.

Blubb

Ein geothermaler Tag braucht Struktur: Um viertel nach zehn geht der Geysir und zwar unabhängig von Sommer- oder Winterzeit. (Das war der Zeitpunkt, zu dem wir draufgekommen sind, dass am Wochenende vorher eine Zeitverschiebung passiert ist.) Das heißt wir haben nach unserer Ankunft in Wai-O-Tapu noch gute vierzig Minuten Zeit für Kaffee und einen Ausflug zu den Schlammblasen, die etwas weiter nördlich vor sich hin blubbern. Ich glaube, das ganze wurde als Schlammvulkan beschrieben, was enorm ungut klingt. Für uns blubbert der nur ein bisschen vor sich hin, eigentlich recht beeindruckend, guter Anfang für den perfect geothermal day.

Lady Knox heißt der Geysir und die Lady Tourguide füttert ihn mit Seife. Dadurch werde die Oberflächenspannung im unterirdischen Heißwasser reduziert und so ließe sich die Fontäne provozieren. Ist das enttäuschend? Es ist mein erster Geysir und natürlich fühlt es sich ein bisschen geschummelt an. Immerhin sei die Seifengeschichte historisch, die Strafgefangenen, die hier seinerzeit die ursprüngliche Fauna zusammengehackt haben, hätten sich und ihr Zeug hier im warmen Wasser gewaschen und seien dabei auf die Wechselwirkung zwischen Seifenlauge und Geysireruption gestoßen. (Selbst die Situation der Gefangenen scheint in Neuseeland so viel leichtherziger als die jener in Australien.) Bezeichnenderweise ist der Geysir auch nach der Tochter vom damaligen Gouverneur Herr Knox, benannt. Aber angesichts dessen, dass sich zwei-, dreihundert Leute versammelt haben, um dem Ausbruch zuzuschauen, ist es nicht so schlimm, dass da ein bisschen nachgeholfen wird: Insgesamt ist es eh mehr Tourattraktion als Naturschauspiel. Auch wenn sich die heutige Fontäne entgegen den angekündigten Zwanzig-Meter-Höchstleistungen heute eher zurückhält und das eine oder andere Stück Seife im Eruptionswasser schwimmt: beeindruckend.

Waiting for Lady Knox

Nach dem Geysir führt eine kleine Wanderroute durch den Heißwasserpark. Nachdem wir heißen Schlamm und Kaffeepause schon in der Früh erledigt haben, haben wir hier einen kleinen Vorsprung. Weil natürlich: wenn sich alle in der Früh den Geysir anschauen, dann wandern jene zwei-, dreihundert Leute von dort auch mehr oder weniger gleichzeitig in den Park hinein. Und zu Beginn kommt es mir ein bisserl komisch vor, dass das so Parkstruktur hat, aber über kurz oder lang erkenne ich das durchaus als sinnvoll. Es gibt einige Wege, die man entlang wandern kann, aber im Großen und Ganzen sind hier einfach einige verschiedene Quellen und verschiedene Seen, an denen man auf der einen oder anderen Seite vorbeispaziert und dann am anderen Ende den Lake Ngako erreicht. Von dort geht s dann wieder zurück. Und das klingt jetzt so… aber bis zum Schluss finden sich regelmäßig einfach tolle Momente. Es ist interessant, weil wie so oft kann man sagen: Es wird auch hier nur mit Wasser gekocht. Aber es ist so fremd, es sind die Farben und die Gerüche, die alles unwirklich erscheinen lassen. Und der Dampf in der Luft, die Wärme aus dem inneren der Erde… ein bisschen stellt es alles in Frage, was man im Alltag über die Stabilität der Welt annimmt. Alternativ kann man einfach nur ein bisschen über gelbe Schwefelkristalle hingerissen sein und auf hunderte Meter tiefe, kochende Seen starren.

Leute, die in kochende Seen starren
Den hier nennen sie Champagne Pool weil in ihm ebenfalls große Mengen CO2 hochprickeln, weniger weil er die ideale Temperatur für Bubbly hätte.
Es gab sechs oder sieben verschiedene Elemente, die sich quer durch den Park anhand ihrer Farbe haben identifizieren lassen. Aber ich glaub, da ging s mehr um Ablagerungen und nicht unbedingt um einen ganzen Teich. Das Wetter ist auf jeden Fall auch besser geworden.
Lake Ngako, der hat einen gut siebzig Grad heißen Zufluss. Ich hab mir dennoch gedacht, dass da doch trotzdem Fische drin leben müssen, die halt aufpassen müssen, sich in der heißen Strömung nicht die die Flossen zu verbrennen.

Willkommen im Māoripark

Aber das war s dann noch nicht. Weil wir stehen so um halb zwei oder was wieder am Eingang, jetzt Ausgang, und was tun mit dem halb-angerissenen Tag. Wir haben uns bis zuletzt beide nicht so wirklich zu einem Besuch in einem der umliegenden Māoridörfer bekennen wollen. Du weißt schon, weil das hat so viel Potenzial für… awkward. Für das beklemmende Gefühl, das man hat, wenn man anderen Leuten dabei zuschaut, wie sie eine Kultur inszenieren, die für sie selbst vielleicht mehr sekundärer Lebenswandel ist. Kein gutes Gefühl ist das. Aber jetzt, zurück im Auto ist es die gute Erfahrung im Heißwasserpark und der unverplante Nachmittag, den wir um diese Uhrzeit für ein Mittagessen mehr oder weniger aufgeben würden, die uns die Entscheidung erleichtert und mit Karacho fahren wir über die kurvige Landstraße wieder zurück nach Rotorua, beziehungsweise nach Whakarewarewa, jenes Māoridorfs, das wir für vierzig Dollar besuchen dürfen.

Wir kommen gerade rechtzeitig für die kulturelle Vorführung an. Und wenn ich das auf deutsch niederschreibe klingt es in meinen Ohren… also Augen… Es wirkt fast noch etwas mehr wie das, was ich gefürchtet habe, dass es sein würde. Cultural performance. Und ein bisschen ist es natürlich genau so, wie ich mir das vorgestellt habe, meine Phantasie ist ja nur ein drittel Paranoia. Es treten Menschen in Kleidung auf, von der man sich vorstellen mag, dass sie Māori einst getragen haben, vor Hennes, Mauritz und Levi’s Strauss, aber doch leicht in Richtung Faschingsverkleidung adaptiert, nicht so sehr die oft beschworenen Naturfasern sondern uniforme Plastikoberflächen bestimmen die Mode. Aber als sie mit ihrer Einführung beginnt, hat sie eine unerwartete Lebendigkeit in ihrer Sprache und spätestens als der Tänzer links vorne beginnt, mit dem Kleinkind zu schäkern, das vor der Bühne auf und ab lauft, bekommt das ganze eine authentische Metaebene, was mich mit der Inszenierung versöhnt.

Als ein Beispiel dafür, wie sich Māori und westliche Kultur in Neuseeland ganz gut vertragen, hab ich vorhin Bohemian Rhapsody gefunden. Die Kleider schauen weit traditioneller aus, als was wir geboten bekommen haben.

Sie sind zu sechst auf der Bühne. Hinten steht ein großer, bärtiger Rothaariger mit einer Gitarre. Not very Māori, denk ich mir, nichts davon. Dann ist das eine schielende Mädel oder der Typ, der wie Nicolas Cage ausschaut. Und bei dem vierten bleiben die Abdrücke der Socken, die er sich kurz vor dem Programm ausgezogen hat, einige Minuten in die Aufführung sichtbar an den Wadeln. Aber in Wahrheit sind auch das Details, die mir das Beiwohnen der Inszenierung leichter machen, die das Ganze in der Gegenwart, in der Wirklichkeit verankern. Die Nummern, die sie bringen, sind gut, liebe- und kunstvoll dargebracht. Und es ist ja auch so, dass gewisse Elemente der Māorikultur viel stärker Teil einer breiten neuseeländischen Kultur sind, als ich hätte glauben wollen. Nicht zuletzt der Haka, den sie natürlich auch bringen und der erstaunlich effektvoll ist, mit dem ganzen Zungerausstrecken und Augenaufreißen.

Ein Haka ist ein bisschen eine Hymne, wenn man mit einer Hymne BesucherInnen in erster Linie Angst machen wollen würde.

Anschließend gibt s noch eine Führung durch das Dorf. Das Dorf macht seit über zweihundert Jahren kulturelle Führungen in mehr oder weniger der Art und Weise, wie wir sie in dem Moment machen: Die Grenzen zwischen Inszenierung und Authentizität sind längst verschwommen, die touristische Öffnung ist seit Generationen Teil des Selbstverständnisses in dem Dorf. Aber jetzt wird s noch wirklich interessant, weil wir lernen, dass die ganze Gegend ja über thermale Quellen liegt. Und es gibt verschiedene Quellen im Dorf, die traditionell zum Baden, zum Waschen und zum Kochen verwendet werden (eine für Gemüse und Meeresfrüchte, eine andere für Fleisch). Und dann kriegen wir meine Lieblingsinformation, die ich immer noch nicht ganz fassen kann: der Pool, in dem das Gemüsekochwasser hochblubbert soll, als… ja, jetzt natürlich. Also der Pool sei um drei Meter gefallen, als in Italien ein Vulkan ausgebrochen ist. Ich nehm an, es ging um den Ätna irgendwann in den letzten zwanzig Jahren, aber ganz ehrlich, es könnte auch der Vesuv neunzehnsechs gewesen sein. Ist ja auch egal, das Wesentliche ist, dass ein südeuropäischer Vulkanausbruch, also auf der anderen Seite der Welt, eine direkte Wirkung gezeigt hat. Und das ist mehr von dem, wo ich oben gesagt habe, dass es das Weltbild im geologischen Sinne ein bisschen ins Schwanken bringen kann. Aber es ist schlichtweg eine unfassbare Ebene, auf der sich diese Sachen abspielen.

Wir bekommen eine Information mit four faultlines – Verwerfungslinien – die unter Rotorua zusammenlaufen würden. Wobei Rotorua etwa einen Fingerbreit links vom „t“ in Waiohau Fault liegt, aber vielleicht hab ich auch die falsche Karte. Plus die Tatsache, dass ich keine Ahnung hab, wie weit die Wirkung von solchen faultlines geht.

So nebenbei sehen wir hier übrigens auch noch etwas imposantere Geysire, als in der Früh. Der Tourleiter war gerade in seiner Erzählung über die drei Geysire, die sich auf dem Dorfgelände befinden und mehr oder weniger mitten in dem Satz in dem er sagt, dass er sich nicht zurückhält, uns eine Eruption des großen Geysirs zu versprechen, noch bevor wir das Dorf verlassen werden, weil man sich bei dem auf stündliche Ausbrüche verlassen könne, als der tatsächlich in dem Moment anfängt Dampf und Wasser zu speien. Das war der Pohuto Geysir. Witzig auch, dass einerseits die Leute, die in dem Dorf wohnen, in dem Pool daneben baden gehen, wenn die BesucherInnen ab fünf wieder nachhause gehen. Und dass die Fläche gegenüber dem Staat oder dem Land oder jemandem vermietet ist, die dort Eintritt für den Blick auf den Geysir verlangen. Und dann kaufen wir uns Kukuruz aus dem Kochloch.

Das ist der Pohuto Geysir, rechts unten ist der natürliche Privatpool von Whakarewarewa

Queren

Am Abend sind wir in Taupo im dritten Hostel innerhalb von drei Tagen, das ist ein ziemlicher Rekord, aber ich lasse mir nichts anmerken. Mein Handtuch ist noch nass und das Sechserzimmer etwas eng. Die Küche hingegen ist groß und unübersichtlich und wir machen Süßkartoffelchili und Reis. Das ist eigentlich ein ziemlicher Aufwand, aber so ist das, wenn ich mich beim Essen einmal einbringe, dann landen immer mehr Dinge im Einkaufswagerl, weil ich am Anfang noch nicht ganz abzusehen im Stande bin, was für eine Zutatenliste denn da tatsächlich zustandekommt. Ich denk mir: Da kommt so viel Zeug aus der Dose rein, das kann gar nicht so viele Zutaten haben. Aber dann doch und wiederum werden unsere Erwartungen bezüglich Gewürzen im Hostel enttäuscht, dabei ist Chili etwas, was oft von anderen Gästen zurückgelassen wird. Immerhin finden wir ein bisschen flüssiges Ghee in der Schachtel mit den Gratiszutaten, damit wir die Zwiebel nicht in Wasser andünsten müssen.

Was vom Abend bleibt wird in die Planung unserer Wanderung am nächsten Tag, des Tongariro Crossings, investiert. Wir müssen früh raus und ich bin etwas nervös, weil ich das Gefühl habe, um halb fünf sicher etwas zu vergessen. (Natürlich hab ich am Abend vorher gepackt, bin ich meinetwegen nervös gewesen, am Abend um halb zehn an etwas nicht gedacht zu haben.) Am nächsten Morgen fahren wir dann eine Stunde zu einem Parkplatz an dem uns ein Bus abholt, der uns eineinhalb Stunden dorthin führt, wo wir ankommen würden, würden wir die Wanderung in die andere Richtung unternehmen. So herum werden wir am Nachmittag also auf unserem Parkplatz ankommen, wo dann praktischerweise unser kleines Auto steht, mit dem uns K. wieder zurück ins kleine Hostelzimmer zum übriggebliebenen Süßkartoffelchili schupfen wird. Aber das ist natürlich vorgegriffen und dient nur zur Orientierung.

Nachdem wir jetzt schon einige Tage in unsere gemeinsame Reise hinein sind, bin auch ich ein bisschen in meine Verantwortung hineingewachsen und habe mich am Abend zuvor noch ein bisschen über Route und Anforderungen informiert. Vielleicht ist es auch der Berg gewesen: dass ich mir nicht einfach eine Wanderung vorsetzen lasse, für die ich früh aufstehe und mir meine Wanderschuhe anziehe, ohne dass ich eine Ahnung hab, wohin es geht. Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass wir jetzt schon einige Tage in unsere gemeinsame Reise hinein sind und der Moment, wo ich mich für die Abschnitte, die einzelnen Ausflüge unserer Reise interessieren kann ohne gleichzeitig offen zugeben zu müssen, dass ich mich die ersten drei Tage nur habe mitschleppen lassen, einer Seiltänzerei gleichkommt. Ich mein, „Ngauruhoe“ akustisch zu verstehen ist mir einfach nicht möglich, aber ich weiß ja zirka, wo wir uns befinden und so ist das in Wahrheit nicht allzu schwierig, mir das Notwendige im Internet zusammenzusuchen.

Das Tongariro Crossing führt uns über einen Vulkan, wie in der ganzen Gegend steckt da immer noch einiges an Aktivität drin, der letzte Ausbruch war neunzehnsiebenundsiebzig. Irrsinnige Artenvielfalt hat sich seit dem nicht etabliert.

Der Wetterbericht hat uns die letzten drei Tage ständig nur das beste Wetter für unseren Aufstieg versprochen und jetzt stehen wir in der Früh im Nebel und diverse Wetterwarnungen für den Nachmittag stehen ebenfalls auf unserem Programm. Und dabei muss man auch dazusagen, dass insgesamt viele Leute ihren Aufstieg verschieben und überhaupt absagen müssen, weil vom Aufstieg bei Schlechtwetter dezidiert abgeraten wird. Aber neben dem Nebel und dem bisschen Müdigkeit läuft in der Früh alles gut, die Hoffnung auf Sonnenschein wird regelmäßig durch den blauen Himmel genährt, der durch die dichten Wolken blinkt. Bis auf ein bisschen Müdigkeit läuft auch sonst alles gut in der Früh. K. bereut noch vor dem ersten Schritt, ihre Stirnlampe im Hostel gelassen zu haben, aber mehr, weil ihr die Infozetteln am Klo sagen, dass sie eine Stirnlampe mitbringen soll.

Die ersten Meter des Aufstiegs bonden K. und ich noch etwas über den nervigen Australier, der sich auf der Anfahrt beim Busfahrer wichtig gemacht hat. Obwohl die Sicht hier nicht ideal ist, sind wir uns einig, wie schottisch, wie irisch, wie vertraut die Gegend auf jeden Fall aussieht. Ich mein, ist nicht unbedingt ein großes Kompliment mit einer Gegend verglichen zu werden, die immer wieder von Vulkanausbrüchen dahingerafft wird. Aber es wuchert überall die Erika, und wie so oft in dieser Gegend wuchert sie, weil ein überambitionierter Brite einst Erika ausgesetzt hat – vermutlich, weil ihn die Gegend an zuhause erinnert hat und ihm letztlich die Erika gefehlt hat. Aber ja, ich freu mich ja, auf meinen Wanderungen Erika und Distel blühen zu sehen, immer ein bisschen Reminiszenz an den West Highland Way.

Mount Ngauruhoe

Der Weg verläuft relativ flach und wir sind in der ersten Stunde ständig am An- und Ausziehen, weil es, als der Tag ein bisschen in die Gänge kommt, einfach zu warm wird und das Wandern selbst auch schnell wärmt. Bei unserer ersten Pause überholen wir eine Gruppe Kinder, die uns den restlichen Tag auf den Fersen sind und die wir gerne außer Hörweite halten möchten – was nicht immer möglich ist. Und schon bald einmal lässt sich rechts neben uns der Vulkankegel des Mount Ngauruhoe erkennen. Der ist weltberühmt, weil der Peter Jackson in seinen Herr der Ringe Filmen als Mount Doom verwendet hat. Aber dafür hat er ihn irrsinnig hergeschminkt, natürlich, bis zu dem Punkt, wo ich nicht mehr verstehe, warum sie dafür überhaupt einen echten Berg als Vorbild genommen haben. Ich mein, vielleicht für die Szenen, an denen Frodo und Sam tatsächlich den Berg hochklettern?

Das Wetter war insgesamt nicht immer ideal, der Aufstieg war windig und stellenweise unangenehm kühl. Hier machen wir mit anderen Pause hinter einem günstig gelegenen Felsen.

Aber der Aufstieg wird dann noch richtig ungut, weil es uns ordentlich den Wind um die Ohren bläst. Noch dazu zieht es auch wieder zu je höher wir steigen. Es ist auch kein Wunder, immerhin gibt s kaum irgendwelche Flora, die höher als hüfthoch wächst und den Wind etwas abfangen würde. Immer wieder erreichen wir die eine oder andere Ebene, die ich bereits für den Gipfel halte, nicht zuletzt, weil der Wind so ungebremst über uns hinwegfegt und die Sicht einfach nicht ausreicht, um zu sehen, wohin der Weg führt. Dementsprechend irre ich mich auch zwei-, dreimal bis wir dann tatsächlich – es ist ja nicht wirklich ein Gipfel, die ganze Wanderung ist ja als eine Querung ausgeschrieben. Insofern erreichen wir schließlich mehr den Grat als den Gipfel und setzen uns für unsere dritte Jause in den Windschatten, den uns eine Aufwerfung bietet. Und als Überraschung stellt sich der Boden als warm, geradezu als heiß heraus, sodass Sitzen nach einigen Minuten direkt unangenehm wird. An sich ist das aber nicht schlecht, dass man sich tatsächlich am Boden aufwärmen kann, auf einer Wanderung. Und dann reißt s auch noch wirklich auf und macht den Ausblick auf die drei Salzsehen auf, die einen gleich einmal auf dem Abstieg belohnen.

’s reisst auf. Gerade rechtzeitig für einen Blick auf die farblich auffällige Seen und den Dampf, der aus dem Boden aufsteigt.

Nachdem hinter uns schon die Kinder zu hören sind und K. sich aufgrund der Sitzhitze schon immer wieder rearrangiert, fällt uns der Aufbruch nicht schwer, auch wenn s zunächst so aussieht, als müssten wir tiefer in den Nebel steigen. Noch dazu stellt sich der Abstieg relativ schnell als gar nicht so unkompliziert heraus, weil der Boden aus derart lockerem Material besteht, dass hier alle ins Rutschen und Stolpern gelangen. Erschwert wird der Abstieg den Leuten auch, weil sie alle ihren Blick auf die farbigen Seen gerichtet haben, die da vor uns durch den Nebel blitzen und so bleiben sie alle paar Meter stehen, sobald der Blick halbwegs frei wird, um Bilder zu machen. Aber dann nimmt der Wind schließlich die Wolken mit und die Fotografiererei beginnt erst so richtig. K. und ich stehen einen Moment an einer Kante für unsere eigenen Fotos und bekommen schnell eine Kamera nach der anderen in die Hand gedrückt mit der Bitte um Fotos. Weil wir so professionell mit unseren Handytelefonen ausschauen, apparently.

Ein paar Geräuschbrocken vom ersten, rutschigen Stück des Abstieg

Ich bin ja total hingerissen von den Steinen, die da rumliegen. Der beste Platz der Welt, um ein Interesse an Geologie zu entwickeln, der Hang eines Vulkans. Ich mag den Basalt und denke an die Oma, von der ich gelernt habe, dass man sich mit dem bröseligen Vulkangestein die Hornhaut von den Füßen reibt. Es ist faszinierend und ein bisschen aufregend, diese Steine einfach vom Boden aufzuklauben und zwischen den Handflächen zu zerbröseln. Auch die anderen Felsbrocken mag ich und komm mir superschlau vor, wenn ich erkenne, dass sie luvseits, also auf der Windseite rote Flecken haben, die sie leewärts nicht besitzen. Rost, denke ich mir. Und dass Vulkangestein aus dem Inneren der Erde kommt und dass im Inneren der Erde das Eisen herumliegt. Classic Schulwissen. Ich komm mir clever vor, aber es ist wohl eher Stolz, dass ich in der Schule aufgepasst habe und mir diese Sachen bis heute gemerkt hab, weshalb ich damit auch nicht hausieren gehe. Gut, Luv und Lee hab ich nachschauen müssen.

Der Ausblick am Abstieg auf Lake Taupo

Über den Berg sehen wir nochmal farbige Seen aus der Nähe und dann führt uns der Weg noch durch die Graslandschaft auf der Nordseite von Mount Ngauruhoe. Da wird alles wieder mehr Spaziergang, der Berg liegt hinter uns. Mir gefällt diese Gegend wirklich gut, den Feldstecher trage ich allerdings umsonst mit mir herum, die Tierwelt hält sich fern vom Vulkan, zumindest alles was größer als ein Käfer ist und sich nicht in den braunen Wiesen zu verstecken weiß. Wir laufen und plaudern und ich krieg meine erste Irischstunde. Also, K. sagt mir zwei Wörter, die Hallo heißen (dia duit) und eine Antwort darauf, die Gott noch tiefer in die Begrüßungsformel hereinholt. Und ein Äquivalent zu Oachkatzelschwoaf, aber um ehrlich zu sein, beginnt mir dia duit bereits von der Zunge zu entfliehen, während ich es das erste, zweite Mal sage. Diese keltischen Sprachen bedienen sich Phoneme, die mir ebenso fremd erscheinen wie reo Māori. Mit der Erzählung, dass IrInnen aber tatsächlich zweisprachig aufwachsen und im schlechtesten Fall ihre ganze Schullaufbahn lang eine tägliche Irischstunde bekommen, wenn nicht in den besseren Fällen auch der Unterricht zumindest teilweise auf Irisch geführt wird, kann ich hingegen viel mehr anfangen, das merk ich mir, das gefällt mir, das ist mir bewundernswert.

Einmal noch ins heiße Wasser

Die letzte halbe Stunde spazieren wir dann noch durch den Wald und dann noch eine halbe Stunde zurück zum Parkplatz. Als wir nachhause kommen, legt sich K. noch ein bisschen auf s Ohr, ich mach Tee für mich und Reis für das Chili. Es bleibt entspannt, wir spielen eine Runde sowas ähnliches wie Rummy und am Abend raffen wir uns nochmal auf und suchen im Dunklen noch ein letztes Mal nach heißen Quellen, nach geothermal aufgeheizten Badewannen am Fluss, was nicht ganz so einfach ist, weil wirklich keine Lichter sind und der Parkplatz gute zwanzig Minuten entfernt. So laufen wir zuerst einmal ein bisschen durch den falschen Park und folgen dann einsamen Lichtern im Dunkeln, bis wir nur noch mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, über die Steine ins Wasser zu steigen. Die Becken sind dann ähnlich wie Sauna: je weiter oben, desto heißer.

Ich seh diese Quellen auch zum ersten Mal bei Tageslicht… es waren weit weniger Leute da, um acht in der Nacht.

Am Heimweg checken wir uns noch ein Bier und eine Pizza oder als was auch immer das durchgehen soll, was sie bei Domino’s verkaufen. Teigig und ölig, plus: ich komm nicht mehr dazu das Missverständnis über pepperoni aufzuklären, weil ich in der Bestellungskoordination sag, wenn man das bei uns bestellen würde, bekäme man wohl ein oder zwei ungeschnittene einfach quer über die Pizza gelegt. Und das übersieht natürlich, dass es sich dabei nicht um Pfefferoni sondern um was salamiähnliches handelt. Ist aber ok. Ich versuche sowieso vom Recht-Haben, Andere-Ausbessern und der Trivial-Pursuit-Wissen ein paar Schritte Abstand zu nehmen.

Na, und am nächsten Tag sitz ich allein im Regen an der Busstation und warte auf meinen Bus nach Wellington, wo ich dann mein Handtuch endlich trocknen werde. Und die nächsten Tage bin ich dann ein bisschen verloren, vor lauter Wieder-auf-mich-allein-gestellt-Sein.