Es ist schon interessant, wo ich jetzt „was zu tun“ habe, wie schnell die Zeit vergeht und ich direkt in diesen Stress komme, den man so nennt und dann sagen die anderen, dass sie derartige Sorgen haben möchten. Ich zähle an meinen Fingern, wie viele Tage ich noch hier bin, weil ich an der anderen Hand bereits gezählt habe, wie viele Tauchgänge ich noch brauch, bis ich den nächsten Level erreiche. Die bei SSI wissen schon, wie sie ihr System gameifizieren müssen, damit sie solche Hanseln wie mich vor die Harpune bekommen.
Ich hab ganz schön unterschiedliche Tauchzentren mitbekommen, kommt mir vor. Und wenn dieses hier ein bisschen unsympathisch rüberkommt, muss ich doch sagen: der Typ, der hier mit mir meinen Stress and Rescue Kurs durchgeht, das ist mit Abstand der professionellste unter den TauchlehrerInnen, die ich bisher so gehabt hab. Der hat nicht nur einen Plan, was ihm wichtig ist, der hat auch ein Verständnis dafür, wie das SSI Schulungssystem funktioniert und warum da was beinhaltet ist. Als Schüler ist das immer so ein Ding, wenn da einer vor einem steht und sagt „na, da haben die s aber nicht übertrieben mit dem Stoff” und „sollte man eigentlich schon“ und „das ist eigentlich unglaublich, wer da alles Instructor sein darf”. Und man selbst irgendwie ja das Produkt dieser Lehrmethoden und wie viel liegt das in meiner eigenen Verantwortung, was ich gelehrt bekommen hab oder halt dass meine Tauchstunden sich oft einmal auf das konzentriert haben, was andere als das Notwendige empfunden haben. Er hat ja ganz offensichtlich recht, aber mich jetzt gegen diese Leute solidarisieren, von denen ich ja auch Sachen gelernt hab und mit denen es lustig war… es ist nie so einfach.
Ja, jedenfalls ist das der, dessen Namen ich nachgefragt hab. Und der ist eh ok. Wenn ich so immer wieder am protokollieren bin, was so passiert, was dann oft passiert, wenn ich mich nicht ständig von einem Ort zum nächsten bewege, dass sich meine Eindrücke am nächsten Tag schon wieder vollkommen umgedreht haben. Eigentlichen muss das der Wahrheit entsprechend heißen: meine Eindrücke einfach ständig falsch sind. Oder: ich ständig Einschätzungen vornehme, die sich kaum einen Tag später als Fehleinschätzungen, die sich wiederum kaum einen Tag später vielleicht wieder als Fehleinschätzungen und so weiter. Und weil das Leben ja nicht binär ist, oszilliere ich da nicht zwischen zwei Eindrücken sondern es geht von einem Erleben ins nächste. Vielleicht ist das auch tatsächlich ein Schärfungsprozess. Was weiß man. Jedenfalls hat sich der Tauchtyp als eh umgänglich und liebenswert herausgestellt. Und wenn er darüber schimpft, dass die Sachen nicht da sind und er sich alles selbst ausdrucken muss und wozu sie eigentlich einen Typen im Office haben… dann bin ich dafür auch einmal sehr empfänglich, weil ich mir ähnliche fragen auch schon mal gestellt hab. Und sein Chef hingegen, den ich anfangs als den lockereren erlebt habe, der bisserl pragmatischer wirkt und dessen Wiener-Schnitzel-Rassismus ich am Anfang noch versucht habe, als einen Spleen zu betrachten, der ist insgesamt mehr so ein bisschen so mit den etwas stabileren Meinungen über Leute von hier oder da und als ich gesagt habe, ich kann ihn erst morgen bezahlen, da sind ihm ein bisschen die Mundwinkel ausgekommen und ich hab mir gedacht, na dem fehlt aber auch ein bisschen der Idealismus.
Und jetzt ist das Problem, dass das Boot noch nicht fertig ist und ich meine Praxis nicht so recht machen kann und aber auch niemand mehr im Shop ist, weil die Saison noch nicht so wirklich angefangen hat und überhaupt hänge ich jetzt in der Luft, meine Resttage auf der einen Hand und die benötigten Tauchgänge auf der anderen. Jetzt muss ich morgen wahrscheinlich einfach einen Tag lang irgendwie abhängen, hier in Ko Lanta. Und wie gesagt, es ist noch nicht wirklich was los. Wenn ich was essen geh, sitz ich meistens allein im Lokal. Wirklich wahr. Mittags und Abends. Ich mein, ein bisschen was, vielleicht dass dann noch eine russische Familie kommt oder sich zwei holländische Mädels irgendwo niederlassen. Aber wenig. Und ich natürlich hin- und hergerissen, weil ich bin schon froh, dass ich hier meine Ruhe hab und ich auf der Straße mehr Einheimische seh als nicht. Aber gleichzeitig ist hier halt alles so für die Nicht-Einheimischen hergerichtet, dass es leer und verlassen wirkt. Und so geh ich dann an diesen Bars vorbei, mit ihren Bambusmöbeln und drinnen liegen die vier Angestellten herum und spielen auf ihren Handies und irgendwelche Neunzigergitarren dröhnen aus den Lautsprechern. Und dann eines nach dem anderen, die alle zirka so sind.
Was ich hab zum Beispiel sehr schön finde, ist, dass hier ja eigentlich, so sagt man mir, eher Muslime zuhause sind. Und die buddhistischen Thais sind eher in den letzten fünfzig Jahren hierher, halt für den Tourismus, weil s da halt ein Geld zu machen gibt. Und schön find ich das insofern, weil ich ja schon in Indonesien kaum etwas lieber hatte, als bekopftuchte Frauen, die geschminkt, die lachend, die zu dritt auf einem Motorrad oder von mir aus einem Moped die Straße entlangbrausen. Das gefällt mir einfach gut von wegen: es ist überraschenderweise nicht das Kleidungsstück, das Menschen den Zugang zur Gesellschaft verwehrt.
Weil ich wirklich mehr mit Tauchen oder Theorie beschäftigt bin, als mit allem anderen, bleibt für viel mehr Beobachtungen keine Zeit. Was sich allerdings ausgegangen ist, ist, dass das Wasser hier so… weich? Ich glaube, das ist weiches Wasser, wenn die Seife kaum von der Haut zu spülen ist. So stehe ich des Morgens (wenn ich nicht auf dem Weg zum Tauchen bin) oder des Abends (wenn ich nicht den halben Tag im Meer verbracht hab) unter der Dusche und summe das Lied über the hardness of water vor mich hin beziehungsweise vor mir her.
Und manchmal ist das Essen einfach so scharf, dass es mich fertigmacht. Ich hab das schon gern gehabt, wenn das Essen mal nicht so scharf ist. Auf der anderen Seite hab ich den Eindruck, es ist ja oft nicht nur scharf sondern das funktioniert mit Säure und mit Süße und das ist wirklich auch gar nicht schlecht. Ess ich halt zwei, drei Teller Reis dazu, es gibt ja eh nichts schöneres, als eine Küche, bei der Reis einfach mal die Basis ausmacht. Oh, und ich krieg auch wieder Obst und Gemüse. Das war auf den Philippinen ein bisschen schwerer. Da war ich zwar auch froh über den Reis, aber sonst gab s halt viel für PollotarierInnen und wenig für die, die manchmal auch einen Ballaststoff in ihrem Essen suchen.